Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.08.2019, Az. 4 B 1/19

4. Senat | REWIS RS 2019, 4562

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Maßgeblichkeit einer öffentlichen Straße zur Feststellung einer faktischen hinteren Baugrenze bzw. einer Hinterliegerbebauung im unbeplanten Innenbereich


Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

2

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.

3

1. Die [X.]eschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob es sich bei [X.] von maximal 80 m Länge, durch die maximal 6 [X.]augrundstücke erreichbar sind, um "[X.]" i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.]auG[X.] handelt, von denen aus die zulässige [X.]ebauungstiefe der Grundstücke zu bemessen ist.

4

Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie auf die besonderen Umstände des Einzelfalls zugeschnitten ist. Darüber kann die Wahl einer abstrahierenden Formulierung nicht hinwegtäuschen. Außerdem hat der Verwaltungsgerichtshof den der Frage unterlegten Sachverhalt nicht festgestellt. Dass die vom [X.]erufungsgericht als [X.] i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.]auG[X.] qualifizierten Straßen und Wege eine Länge von maximal 80 m aufweisen, ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil nicht. Auch zu dem Umstand, dass durch die Straßen und Wege maximal sechs [X.]augrundstücke erreichbar sein sollen, finden sich in dem angefochtenen Urteil keine Feststellungen.

5

2. Die weiter von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage,

ob ein auf einem Privatgrundstück befindlicher Stichweg eine "Erschließungsstraße" i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.]auG[X.] in der Weise darstellen kann, dass von diesem Weg aus die zulässige [X.]ebauungstiefe zu bemessen ist,

rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Auf sie lässt sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation antworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf (stRspr, vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 28. Mai 1997 - 4 [X.] - [X.] 407.4 § 5 [X.] Nr. 10 = NVwZ 1998, 172, vom 24. August 1999 - 4 [X.] 72.99 - [X.]VerwGE 109, 268 <270> und vom 23. Januar 2003 - 4 [X.] 79.02 - [X.] 406.11 § 1 [X.]auG[X.] Nr. 114).

6

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.]auG[X.] ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich auch nach der "Grundstücksfläche, die überbaut werden soll", in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass es insoweit auf die konkrete Größe der Grundfläche des in Frage stehenden Vorhabens und auch auf seine räumliche Lage innerhalb der vorhandenen [X.]ebauung, also auf den Standort des Vorhabens ankommt (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 17. September 1985 - 4 [X.] - [X.] 406.11 § 34 [X.][X.]auG Nr. 107 S. 55, vom 28. September 1988 - 4 [X.] 175.88 - [X.] 406.11 § 34 [X.][X.]auG/[X.]auG[X.] Nr. 128, vom 6. November 1997 - 4 [X.] 172.97 - [X.] 406.11, § 34 [X.]auG[X.] Nr. 188, vom 16. Juni 2009 - 4 [X.] 50.08 - Zf[X.]R 2009, 693, vom 13. Mai 2014 - 4 [X.] 38.13 - [X.] 406.11 § 34 [X.]auG[X.] Nr. 217 und vom 22. September 2016 - 4 [X.] 23.16 - [X.]RS 84 Nr. 74 <2016>). Ob eine rückwärtige [X.]ebauung eines Grundstücks zulässig ist, hängt im Wesentlichen davon ab, in welchem Umfang die den Maßstab bildenden umliegenden Grundstücke eine rückwärtige [X.]ebauung aufweisen ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 6. November 1997 - 4 [X.] 172.97 - [X.] 406.11 § 34 [X.]auG[X.] Nr. 188 = juris Rn. 7). Zur näheren Konkretisierung kann insofern auf die [X.]egriffsbestimmungen in § 23 [X.]auNVO zur "überbaubaren Grundstücksfläche", die wiederum gemäß § 23 Abs. 4 [X.]auNVO auch durch Festsetzung der [X.]autiefe bestimmt werden kann, zurückgegriffen werden ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 16. Juni 2009 - 4 [X.] 50.08 - Zf[X.]R 2009, 693). Nach § 23 Abs. 4 Satz 2 [X.]auNVO ist die [X.]ebauungstiefe von der tatsächlichen Straßengrenze aus zu ermitteln. "Tatsächliche Straßengrenze" ist die Grenze der als Erschließungsanlage gewählten öffentlichen Straße (vgl. [X.], Urteil vom 27. Mai 2014 - 2 A 2/14 - juris Rn. 42; siehe auch [X.]/Fieseler, [X.]auNVO, 13. Aufl. 2019, § 23 Rn. 17 "öffentliche Verkehrsfläche"). Ein Privatweg oder eine private Grundstückszufahrt zu einer solchen "Erschließungsstraße" (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 6. November 1997 - 4 [X.] 172.97 - [X.] 406.11 § 34 [X.]auG[X.] Nr. 188 = juris Rn. 7), auch wenn diese Zuwegung ggf. ausreichend ist, um die von § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.]auG[X.] geforderte Erschließung zu sichern, reicht nicht aus. Andernfalls hätte es ein [X.]auherr in der Hand, allein durch die Trassierung einer inneren Erschließung eines Grundstücks das städtebauliche Merkmal der überbaubaren Grundstücksfläche zu bestimmen ([X.], [X.]eschluss vom 6. November 2000 - 2 CS 09.2222 - juris Rn. 7). Von diesen Grundsätzen ist der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen ([X.] f.). [X.] Klärungsbedarf zeigt die [X.]eschwerde nicht auf.

7

3. Schließlich verhilft die von der [X.]eigeladenen als klärungsbedürftig bezeichnete Frage,

ob eine zweite und dritte Reihe-[X.]ebauung bodenrechtliche Spannungen hervorrufen kann, wenn auf einem unmittelbar benachbarten Grundstück eine vergleichbar "tiefe" [X.]ebauung realisiert ist,

der Grundsatzrüge nicht zum Erfolg. Auch hier setzt die [X.]eigeladene Tatsachen voraus, die der Verwaltungsgerichtshof so nicht festgestellt hat. Die [X.]eschwerde geht davon aus, dass auf einem zum [X.]augrundstück unmittelbar benachbarten Grundstück eine [X.]ebauung in zweiter und dritter Reihe verwirklicht wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat indessen festgestellt, dass die die nähere Umgebung bildende vorhandene [X.]ebauung entlang der [X.], des [X.] sowie des [X.] allein [X.]ebauung entlang der [X.], mithin keine [X.]ebauung in zweiter oder dritter Reihe aufweist (UA S. 30).

8

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 B 1/19

12.08.2019

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 1. Oktober 2018, Az: 5 S 978/17, Urteil

§ 34 Abs 1 BauGB, § 23 Abs 4 S 2 BauNVO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.08.2019, Az. 4 B 1/19 (REWIS RS 2019, 4562)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4562

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