Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.09.2013, Az. II R 21/12

2. Senat | REWIS RS 2013, 2685

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Gegenstand

Anteilsvereinigung bei wechselseitiger Beteiligung auf der Ebene einer Zwischengesellschaft


Leitsatz

Bei der im Rahmen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorzunehmenden Prüfung, ob bei einer zwischengeschalteten Gesellschaft die erforderliche Beteiligungsquote von 95 % erreicht ist, bleiben Anteile, die eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Gesellschaft an dieser hält, ebenso unberücksichtigt wie Anteile, die die Gesellschaft selbst hält.

Tatbestand

1

I. Mit notariell beurkundetem [X.] erwarben der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein e.V., 7,4 % und die F-GmbH 67,4 % am Stammkapital der [X.] von den bisherigen Gesellschaftern. Die restlichen Anteile von 25,2 % hielt die [X.] selbst. Gesellschafter der F-GmbH waren der Kläger zu 90 % und die [X.] zu 10 %. Alleingesellschafterin der [X.] war die F-GmbH.

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) war der Ansicht, aufgrund des [X.] liege ein Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) vor, und setzte demgemäß gegen den Kläger auf der Grundlage der gesondert festgestellten [X.] Grunderwerbsteuer fest. Der Einspruch blieb erfolglos. Mit dem während des Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom 6. Oktober 2011 erklärte das [X.] die Steuerfestsetzung gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung für vorläufig hinsichtlich der Frage, ob die Heranziehung der [X.] i.S. des § 138 des Bewertungsgesetzes als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer verfassungsgemäß ist.

3

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1582 veröffentlichte Urteil mit der Begründung statt, die nach § 1 Abs. 3 GrEStG erforderliche Beteiligungsquote von 95 % an der [X.] habe der Kläger nicht erreicht. Die von der [X.] gehaltenen eigenen Anteile spielten dabei zwar keine Rolle. Der Kläger sei aber an der zwischengeschalteten F-GmbH nur zu 90 % beteiligt gewesen. Keine Bedeutung komme in diesem Zusammenhang dem Umstand zu, dass die F-GmbH Alleingesellschafterin der [X.] gewesen sei. Die [X.] verfüge nämlich über eigene Organe und eine eigene Willensbildung und verfolge eigene Zwecke.

4

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung von § 1 Abs. 3 GrEStG. Der Kläger habe aufgrund des im [X.] vereinbarten Anteilserwerbs die Sachherrschaft über die der [X.] gehörenden Grundstücke erlangt. Dem stünden weder die von der [X.] selbst gehaltenen eigenen Anteile noch der Umstand entgegen, dass der Kläger an der F-GmbH nur zu 90 % beteiligt gewesen sei. Es müsse dabei berücksichtigt werden, dass die an der F-GmbH zu 10 % beteiligte [X.] eine 100 %ige Tochtergesellschaft der F-GmbH sei.

5

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] sei nicht erfüllt.

8

1. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] unterliegt der Grunderwerbsteuer u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile einer grundbesitzenden [X.] begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der [X.] des Erwerbers allein vereinigt werden würden.

9

a) Die Steuerbarkeit wird nur durch den Erwerb des letzten Anteils ausgelöst. Dabei ist der Vorgang, der zum Erwerb dieses Anteils führt, zwar das die Steuer auslösende Moment. Gegenstand der Steuer ist aber nicht der Anteilserwerb als solcher, sondern die durch ihn begründete Zuordnung von mindestens 95 % der Anteile in einer Hand. Mit dem Anteilserwerb wird [X.] derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der [X.] erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 11. Juni 2013 II R 52/12, [X.], 1498, m.w.N.). Die Anteilsvereinigung kann auch dadurch erfolgen, dass der Erwerber die Anteile an der grundbesitzenden [X.] teils unmittelbar und teils mittelbar erwirbt (vgl. [X.]-Urteil vom 8. August 2001 II R 66/98, [X.], 427, [X.], 156). Der Erwerb von bereits in einer Hand vereinigten Anteilen an einer grundbesitzenden [X.] wird in § 1 Abs. 3 Nrn. 3 und 4 [X.] geregelt.

b) Der Erwerber erwirbt einen Anteil an der grundbesitzenden [X.] dann unmittelbar, wenn er zivilrechtlich [X.]er dieser [X.] wird.

c) Beim mittelbaren Anteilserwerb, also einem Anteilserwerb, bei dem der Erwerber selbst nicht [X.]er der grundbesitzenden [X.] wird, scheidet eine Anknüpfung an das Zivilrecht aus, da es keine Regelungen für einen mittelbaren Anteilserwerb vorsieht (vgl. zu § 1 Abs. 2a [X.] [X.]-Urteil vom 24. April 2013 II R 17/10, [X.], 53, [X.], 1327).

Unter welchen Voraussetzungen ein mittelbarer Anteilserwerb vorliegt, ist unter Berücksichtigung von Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] zu beurteilen. Entscheidend kommt es auf die rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende [X.] an. Im Einzelnen gilt Folgendes:

aa) Ein mittelbarer Anteilserwerb, der zu einer Anteilsvereinigung beitragen oder führen kann, setzt bei Zwischenschaltung einer oder mehrerer [X.]en voraus, dass der [X.] sowohl bei der zwischengeschalteten [X.] ([X.]) oder bei den [X.]en als auch bei der grundbesitzenden [X.] selbst in [X.] erheblicher Weise die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen durchzusetzen. Dies ist beispielsweise bei Vorhandensein einer einzigen [X.] der Fall, wenn der [X.] mindestens 95 % der Anteile an der [X.] hält und diese ihrerseits zu mindestens 95 % an der grundbesitzenden [X.] beteiligt ist. Ist eine weitere [X.] vorhanden, genügt es, wenn der [X.] mindestens 95 % der Anteile an der ersten [X.] hält, diese zu mindestens 95 % an der zweiten [X.] und diese wiederum zu mindestens 95 % an der grundbesitzenden [X.] beteiligt ist. Entsprechendes gilt auch bei weiteren [X.]en.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird die Beteiligung der [X.], die [X.]erin der grundbesitzenden [X.] ist, für Zwecke des § 1 Abs. 3 Nr. 1 (und Nr. 2) [X.] dem [X.] als mittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden [X.] zugerechnet.

Insoweit gelten für § 1 Abs. 3 Nr. 1 (und Nr. 2) [X.] dieselben Grundsätze wie für § 1 Abs. 3 Nr. 3 (und Nr. 4) [X.]. Eine steuerbare Anteilsübertragung [X.] 1 Abs. 3 Nr. 3 (und Nr. 4) [X.] liegt nicht nur dann vor, wenn der [X.] die Anteile der [X.] mit Grundbesitz selbst als [X.]er, also unmittelbar erwirbt, sondern auch dann, wenn es sich bei der Beteiligung des [X.]s um eine nur mittelbare, d.h. über eine andere [X.] vermittelte handelt. Es ist dabei erforderlich, aber auch ausreichend, wenn die Beteiligungsquote von 95 % auf jeder Stufe erreicht wird ([X.]-Urteil vom 25. August 2010 II R 65/08, [X.], 239, [X.] 2011, 225).

Wie der [X.] in dem Urteil in [X.], 239, [X.] 2011, 225 ausgeführt hat, geht der Gesetzgeber mit der Absenkung der Mindestbeteiligungsquote auf 95 % durch Art. 15 Nr. 1 Buchst. b des [X.] 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 ([X.], 402) für Zwecke der Grunderwerbsteuer typisierend davon aus, dass der [X.] mit dem Erreichen dieser Quote in [X.] erheblicher Weise die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen --wenn auch über so viele Stufen, wie zumindest 95 %ige Beteiligungen an [X.]en vorhanden sind-- bei der grundbesitzenden [X.] durchzusetzen.

bb) Die Beteiligungsquote von 95 % bei der grundbesitzenden [X.] kann auch durch eine teils unmittelbare und teils mittelbare Beteiligung des [X.]s erreicht werden, so beispielsweise, wenn vereinbart wird, dass die [X.]er einer grundbesitzenden [X.] die Hälfte ihrer Beteiligungen auf einen Dritten und die andere Hälfte auf eine [X.] übertragen, an der der Dritte zu mindestens 95 % beteiligt ist. Der Dritte hat in einem solchen Fall die rechtliche Möglichkeit, seinen Willen bei der grundbesitzenden [X.] in [X.] erheblicher Weise durchzusetzen.

cc) Entsprechendes gilt auch für die [X.]en. Es genügt dabei z.B., wenn der [X.] sich an der [X.] unmittelbar zu 45 % beteiligt und eine [X.], an der er zu mindestens 95 % beteiligt ist, weitere 50 % der Anteile an der [X.] erwirbt. Der [X.] hat in einem solchen Fall die rechtliche Möglichkeit, seinen Willen bei der [X.] in [X.] erheblicher Weise durchzusetzen.

dd) Bei der Prüfung, ob die Quote von 95 % durch eine unmittelbare oder mittelbare Anteilsvereinigung erreicht ist, bleiben eigene [X.]santeile, die eine Kapitalgesellschaft als [X.] oder grundbesitzende [X.] selbst hält, außer Betracht. Zivilrechtlich kann eine Kapitalgesellschaft zwar eigene Anteile halten (vgl. § 33 Abs. 2 und 3 des Gesetzes betreffend die [X.]en mit beschränkter Haftung, § 71 des Aktiengesetzes); dies ändert aber nichts daran, dass die [X.] begrifflich keine von ihr selbst verschiedene Person sein kann. Der Erwerber, der mindestens 95 % der nicht von der Kapitalgesellschaft selbst gehaltenen Anteile an dieser erwirbt, beherrscht das Vermögen der [X.] in gleicher Weise, wie wenn der [X.] selbst keine Anteile zustünden ([X.]-Urteil vom 16. Januar 2002 II R 52/00, [X.]/NV 2002, 1053, m.w.N.).

ee) Gleiches muss entgegen der Ansicht des [X.] auch für Anteile gelten, die eine 100 %ige Tochtergesellschaft der [X.] an dieser hält. Der Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] würde verfehlt, wenn man die Beteiligung der Tochtergesellschaft an der [X.] bei der Prüfung, ob die Quote von 95 % auf jeder Beteiligungsebene erreicht ist, wie den Anteil eines von der [X.] unabhängigen [X.]ers behandeln würde. Wie bereits ausgeführt, ist bei einer Beteiligung von mindestens 95 % davon auszugehen, dass der in dieser Höhe unmittelbar und/oder mittelbar beteiligte [X.]er die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen bei der Beteiligungsgesellschaft durchzusetzen. Für diese am Normzweck des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] orientierte Auslegung ist es unerheblich, dass eine Beteiligungsgesellschaft in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft unabhängig von den [X.] eine juristische Person mit eigenen Organen ist.

Bei Bestehen einer wechselseitigen Beteiligung zwischen einer [X.] und ihrer 100 %igen Tochtergesellschaft ist diese Beurteilung ebenfalls maßgeblich. Entscheidend ist, dass die [X.] aufgrund ihrer Stellung als Alleingesellschafterin die rechtliche Möglichkeit hat, ihren Willen bei der Tochtergesellschaft in [X.] erheblicher Weise durchzusetzen. In solchen Fällen ist davon auszugehen, dass die Tochtergesellschaft gegenüber der [X.] keinen eigenen Willen entfalten kann. Dies rechtfertigt es, bei der Prüfung, ob die Quote von 95 % auf jeder Beteiligungsebene erreicht ist, die Anteile der 100 %igen Tochtergesellschaft an der [X.] unberücksichtigt zu lassen ([X.], [X.] Steuerrecht --DStR-- 2005, 1761; [X.], Die Unternehmensbesteuerung 2008, 316, 319 f.; a.A. Wischott/Schönweiß/Fröhlich, [X.], 833; [X.] in [X.], [X.], 17. Aufl., § 1 Rz 947; [X.], [X.], Kommentar, 9. Aufl., § 1 Rz 145; Rothenöder, [X.] 3 [X.], 2009, S. 145).

2. Da das [X.] von einer anderen Auffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] wurde durch den Abschluss des [X.] verwirklicht. Die in dem Vertrag vereinbarten, gegen die bisherigen [X.]er gerichteten Ansprüche auf [X.] gaben dem Kläger nach ihrer Erfüllung die rechtliche Möglichkeit, in [X.] erheblicher Weise seinen Willen bei der [X.], der grundbesitzenden [X.], durchzusetzen. Der Kläger war nach Erfüllung des Vertrags teils unmittelbar, teils mittelbar über die F-GmbH zu 100 % an der [X.] beteiligt. Dem stehen weder die von der [X.] selbst gehaltenen eigenen Anteile noch der Umstand entgegen, dass der Kläger an der F-GmbH nur zu 90 % beteiligt war; denn die restliche Beteiligung an der F-GmbH wurde von der K-GmbH, einer 100 %igen Tochtergesellschaft der F-GmbH, gehalten und bleibt somit bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] erfüllt sind, unberücksichtigt.

Meta

II R 21/12

18.09.2013

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 30. November 2011, Az: 5 K 1542/09, Urteil

§ 1 Abs 3 Nr 1 GrEStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.09.2013, Az. II R 21/12 (REWIS RS 2013, 2685)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2685

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