Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2015, Az. IV ZR 68/15

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 3618

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 68/15

Verkündet am:

21. Oktober 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
Deutsch-[X.]r [X.]. 20 Anlage § 15
Erbschaftsansprüche i.S. des § 15 der Anlage zu Art. 20 des Konsularvertrags zwischen der [X.] und dem [X.] vom 28.
Mai 1929 liegen nur vor, wenn das materielle Erbrecht der Parteien Gegenstand des Rechtsstreits ist; der Rechtsstreit über diese Ansprüche muss dazu führen, dass über eine zwischen den Parteien streitige Erbenstellung oder erbrechtliche Be-rechtigung eine verbindliche Entscheidung getroffen wird.

[X.], Urteil vom 21. Oktober 2015 -
IV ZR 68/15 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch
die Vorsitzende Richterin [X.],
[X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski und [X.] auf die mündliche [X.] vom 21. Oktober 2015

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 9. Zi-vilkammer des [X.] vom 17. Dezem-ber
2014 aufgehoben und die Sache zur
neuen
[X.] und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.].

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind Brüder und wohnen in [X.].

Ihr Vater war [X.] Staatsangehöriger und lebte zuletzt in der [X.]; er verstarb am 15. Juni 1994 in [X.]. Erben waren seine vier Söhne, darunter die beiden Parteien, und seine Ehefrau, die Mutter der Geschwister.
Zur Erbschaft gehörte ein Haus in [X.]. Die Erben veräu-ßerten
das Haus mit Vertrag vom 9. März
2011 zu einem Preis von 100.000 [X.]. Der Käufer bezahlte hiervon 90.000 [X.] 1
2
-
3
-

Lira. Diese verteilten die Erben unter sich. Den Restkaufpreis behielt
der Käufer zunächst ein.

[X.] reiste der Beklagte in die [X.] und erhielt vom Käu-fer den restlichen Kaufpreis von 10.000 [X.]. Hiervon zahlte er ein Viertel an einen Bruder aus. Er sagte dem Kläger mehrfach zu, ihm den zustehenden Anteil auszuzahlen. Mit Anwaltsschreiben vom 7.
März 2013 forderte der Kläger den Beklagten auf, ihm 2.500 [X.] Lira

als seinen Anteil auszuzahlen. Nachdem der Kläger einen [X.] über

Der Beklagte hat Einspruch gegen den [X.] eingelegt. Das Amtsgericht hat den [X.]

abzüglich der erfolgten Zahlungen und eines Teils der Nebenforderungen

auf-rechterhalten. Das [X.] hat die Klage auf die Berufung des [X.], der auch die internationale Zuständigkeit gerügt
hat,
als unzu-lässig abgewiesen.
Der Kläger verfolgt sein Begehren mit der zugelasse-nen Revision weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet.

I.
Das Berufungsgericht -
dessen Entscheidung in [X.] 2015, 588 veröffentlicht ist
-
meint, es fehle an der internationalen Zuständigkeit. Auf den Streitfall sei § 15 Satz 1 des deutsch-[X.] Nachlassab-3
4
5
6
-
4
-

kommens anzuwenden
(in [X.] getreten als Anlage zu Art.
20 des [X.] zwischen der [X.] und dem [X.] vom 28. Mai 1929,
RGBl. 1930 II S. 747; 1931 [X.]; BGBl. [X.]; fortan: Nachlassabkommen); danach sei nur die internati-onale Zuständigkeit der [X.] Gerichte eröffnet. §
15 des [X.] begründe
eine ausschließliche Zuständigkeit. Der [X.] betreffe einen Erbschaftsanspruch im Sinne dieser Regelung. [X.] gelte für Streitigkeiten unter (potentiell) erbrechtlich Berechtigten; es komme nicht darauf an, ob eine Vereinbarung über die Verteilung des [X.] aus dem Hausverkauf vorliege oder ob der Kläger seinen Anspruch auf
unerlaubte Handlung oder Bereicherung stütze. Eine einschränkende Auslegung aufgrund der [X.] Staatsangehörigkeit des Beklagten komme nicht in Betracht.

II.
Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Die [X.] Gerichte sind international zuständig. Eine

aus-schließliche

internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte gemäß §
15 des [X.]
besteht nicht. Vielmehr richtet sich die in-ternationale Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Beklagten (Art. 2 EuGVVO a.F. bzw.

sofern
die Streitigkeit gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. a EuGVVO a.F. nicht in den Anwendungsbereich der EuGVVO a.F. fallen sollte

§§
12, 13 ZPO). Der Beklagte hat seinen Wohnsitz in Deutsch-land.

1.
Die Voraussetzungen von
§ 15 des [X.]
sind

anders als das Berufungsgericht meint

nicht erfüllt.

7
8
9
-
5
-

§ 15 Satz 1 des [X.] lautet:

"Klagen, welche die Feststellung des Erbrechts, Erb-schaftsansprüche, Ansprüche aus Vermächtnissen sowie Pflichtteilsansprüche zum Gegenstand haben, sind, soweit es sich um beweglichen Nachlass
handelt, bei den Gerich-ten des Staates anhängig zu machen, dem der Erblasser zurzeit seines Todes angehörte, soweit es sich um [X.] Nachlass
handelt,
bei den Gerichten des Staa-tes, in dessen Gebiet sich der unbewegliche Nachlass
be-findet."

Die Zuständigkeit nach dieser Norm setzt also voraus, dass Ge-genstand des Rechtsstreits die Feststellung des Erbrechts, Erbschafts-ansprüche, Ansprüche aus Vermächtnissen
oder Pflichtteilsansprüche sind. Daran fehlt es.

a) Maßgeblich für die Frage, welche Ansprüche Gegenstand des Rechtsstreits sind, ist der Sachvortrag des [X.]. Dabei kommt es nicht auf die rechtliche Qualifikation durch den Kläger an, sondern [X.], auf welche Tatsachengrundlage der Kläger seinen Anspruch stützt und inwieweit der Kläger auf dieser Tatsachengrundlage bestimmte [X.] verfolgt. Wie die Revision zutreffend geltend macht, erfasst § 15 des [X.] nicht die vom Kläger im Rechtsstreit erhobe-nen
Ansprüche.

b)
Im Streitfall kommen allein Erbschaftsansprüche
i.S.
des
§ 15 des [X.]
in Betracht. Solche
Ansprüche liegen nur vor, wenn das materielle Erbrecht der Parteien Gegenstand des Rechtsstreits ist;
der Rechtsstreit über diese Ansprüche muss dazu führen, dass über eine zwischen den Parteien streitige Erbenstellung oder erbrechtliche Berechtigung eine verbindliche Entscheidung getroffen wird. Dies ist nach [X.] Sachrecht
bei Ansprüchen aus §
2018
BGB, nach türki-10
11
12
-
6
-

schem Sachrecht bei Ansprüchen
aus Art. 637 des [X.] ZGB
der Fall (vgl. [X.], [X.] 1986, 210, 212). Gemeinsam
ist diesen [X.]n, dass sich der Gläubiger auf ein ihm zustehendes Erbrecht [X.], dessen Reichweite zwischen den Parteien streitig ist. Nur wenn der Rechtsstreit dazu dient, auch über diesen Streit um Bestand und Aus-maß des Erbrechts zu entscheiden, handelt es sich um einen [X.] i.S.
von § 15 des [X.].

Dies ergibt sich aus der Auslegung
von
§ 15 des [X.]. Hierzu sind die Bestimmungen des [X.] aus sich heraus auszulegen; dabei sind zugleich die erbrechtlichen Bestimmun-gen [X.]s und der [X.] als der
beiden Vertragsstaaten zu be-rücksichtigen. Beide Rechtsordnungen kennen in § 2018 BGB ([X.]) bzw. Art. 637 [X.] ZGB ([X.] Sebebiyle Istihkak Davas)
Herausgabeansprüche, bei denen zugleich über die Erbeneigen-schaft entschieden wird. Nach diesem Auslegungsmaßstab meint der Begriff "Erbschaftsansprüche"
nicht sämtliche Streitigkeiten zwischen Erben. Erst recht meint er
nicht sämtliche Ansprüche, bei denen Erbfra-gen eine Rolle spielen. § 15 des [X.] zählt die [X.] Ansprüche vielmehr enumerativ auf.
Gemeinsam ist diesen Ansprü-chen, dass sie die Frage betreffen, wer (in welchem Umfang) Erbe ge-worden ist, wie sich aus den neben den Erbschaftsansprüchen genann-ten Klagen auf Feststellung des Erbrechts, Pflichtteilsansprüchen
und Vermächtnisansprüchen
ergibt. Die Vorschrift zielt also darauf, für [X.], die einen besonders engen Bezug zur
jeweiligen Erbfolge auf-weisen, angesichts der aus § 14 des [X.] folgenden Nachlassspaltung (vgl. Senatsbeschluss vom 12. September 2012 -
IV ZB 12/12, [X.], 1871 Rn. 7) klare Zuständigkeitsregeln aufzu-stellen. Dies sind Ansprüche, bei denen das Erbrecht selbst oder [X.]
-
7
-

stimmte
erbrechtliche Ansprüche gegen den Nachlass selbst im Streit stehen. Hier will § 15 des [X.]

wie sich aus der [X.] zwischen beweglichem und unbeweglichem Nachlass [X.] Kollisionsnorm des § 14 des [X.] ergibt

einen Gleichlauf zwischen Forum und anwendbarem Recht erreichen.

Streitigkeiten zwischen Erben, die sich nicht auf ihr Erbrecht als solches beziehen, erfüllen die Voraussetzungen des § 15 des [X.] hingegen nicht. Dies zeigt auch § 8 des [X.]. Er lautet: "Streitigkeiten infolge von Ansprüchen gegen den Nach-lass
sind bei den zuständigen Behörden des [X.], in dem dieser sich befindet, anhängig zu machen und von diesen zu entscheiden."
Es ge-nügt für die ausschließliche Zuständigkeit also
nicht, wenn lediglich die Rechtsnachfolge von der Erbenstellung abhängt oder erbrechtliche Prob-leme eine Vorfrage darstellen.

2.
Im Streitfall haben die Erben ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück gemeinschaftlich an einen Dritten veräußert. Sie haben den erhaltenen Erlös sodann unter sich verteilt. Den vom Käufer geschulde-ten Restkaufpreis von 10.000 [X.]n
Lira hat der Beklagte unstreitig vereinnahmt
und
hiervon ein Viertel an einen weiteren Bruder ausge-zahlt. Der Kläger begehrt nun, einen entsprechenden Anteil an dem ver-einnahmten Entgelt zu erhalten.

Gegenstand dieses Rechtsstreits ist daher kein Erbschaftsan-spruch
i.S.
des
§ 15 des [X.], sondern eine Auseinan-dersetzung um die Frage, in welchem Umfang der Beklagte
einen aus dem Verkauf eines Erbschaftsgegenstandes vereinnahmten Erlösanteil auskehren muss. Denn es stehen weder die Erbquote noch die Eigen-14
15
16
-
8
-

schaft als Erbe im Streit; vielmehr ist allein zu entscheiden, ob und in welcher Höhe der Kläger
den ihm

unstreitig

zustehenden
Anteil am vereinnahmten Geld durchsetzen kann.

III.
Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben. Das [X.] wird über die Sache selbst zu entscheiden haben.

[X.]
[X.]
[X.]

Dr. Karczewski
[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.12.2013 -
5 [X.]/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 17.12.2014 -
9 S 24/14 -

17

Meta

IV ZR 68/15

21.10.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2015, Az. IV ZR 68/15 (REWIS RS 2015, 3618)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3618

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 68/15 (Bundesgerichtshof)

Zuständigkeitsbestimmung: Voraussetzungen internationaler Zuständigkeit türkischer Gerichte im Streit unter Miterben


V ZR 32/13 (Bundesgerichtshof)

Titelherausgabe- und Vollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde: Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung zugunsten …


V ZR 32/13 (Bundesgerichtshof)


IV ZB 12/12 (Bundesgerichtshof)


10 W 31/17 (Oberlandesgericht Hamm)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IV ZR 68/15

IV ZB 12/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.