Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.06.2014, Az. 3 B 58/13

3. Senat | REWIS RS 2014, 4967

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Behördliche Tötungsanordnung von Tieren; Entschädigungsberechnung; Umsatzsteuer


Leitsatz

Der Entschädigungsbetrag für Tiere, die auf behördliche Anordnung getötet wurden, war gemäß § 67 Abs. 4 Satz 3 TierSG a.F. (juris: ViehSeuchG) nicht auch um die Umsatzsteuer zu kürzen, die auf anzurechnende Erlöse für verwertbare Teile des Tieres anfiel.

Gründe

1

Die [X.]eteiligten streiten um die Höhe einer Entschädigung nach dem Tierseuchengesetz ([X.]). Die Klägerin hält Rinder. Wegen einer Tierseuche wurde sie im April 2012 verpflichtet, alle Tiere ihres [X.]estandes töten zu lassen. Ein Teil der Tiere konnte geschlachtet werden, wodurch die Klägerin [X.]e erzielte. Im Entschädigungsverfahren nach §§ 66 f. [X.] minderte die beklagte Tierseuchenkasse den [X.] für die Rinder um einen "Reinerlös", der sich aus dem [X.] zuzüglich der Umsatzsteuer zusammensetzte. Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die [X.]eklagte dürfe die auf den [X.] anfallende Umsatzsteuer nicht vom [X.] absetzen, sondern den [X.] nur "netto" abziehen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Frage, ob bei den nach § 67 Abs. 4 Satz 1 [X.] anzurechnenden Erlösen die Umsatzsteuer einzubeziehen sei, sei nicht eindeutig geregelt. Diese Regelungslücke sei nach dem hypothetischen Willen des Gesetzgebers so auszufüllen, dass eine über die infolge der Tötungsanordnung entstehenden Einbußen hinausgehende Entschädigung vermieden werde. Eine solche "übermäßige" Entschädigung würde aber gewährt, wenn dem geschädigten Landwirt eine Umsatzsteuer belassen würde, die er mit selbst vereinnahmter Umsatzsteuer verrechnen könne. Das [X.]erufungsgericht hat der [X.]erufung der Klägerin stattgegeben. Es liege keine Regelungslücke vor, denn nach § 67 Abs. 4 Satz 3 [X.] würden Steuern bei der Festsetzung der Entschädigung nicht berücksichtigt. Warum sich diese Regelung nur auf die [X.]estimmung des gemeinen Wertes der Tiere, nicht aber auf die Anrechnung des Wertes der verwertbaren Teile beziehen solle, sei nicht ersichtlich. Es handele sich um eine reine [X.]erechnungsvorschrift, für die steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten nach § 24 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) keine Rolle spielten.

2

Die [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die von der [X.]eklagten geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

3

1. Die [X.]eklagte sieht als grundsätzlich klärungsbedürftig an, ob der nach § 67 Abs. 4 Satz 1 [X.] auf die Entschädigung anzurechnende Wert der verwertbaren Teile des Tieres unter Einbeziehung der Umsatzsteuer zu berechnen ist, die auf den Erlös dieser Teile entfällt. Diese Frage kann grundsätzlich schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie die Auslegung von ausgelaufenem Recht betrifft. Das Tierseuchengesetz ist mit Wirkung zum 1. Mai 2014 vom [X.] (Tiergesundheitsgesetz - TierGesG) vom 22. Mai 2013 ([X.]) abgelöst worden und außer [X.] getreten (§ 45 Abs. 1 TierGesG). Fragen, die sich nur aufgrund von auslaufendem und ausgelaufenem Recht stellen, verleihen einer Rechtssache regelmäßig keine grundsätzliche [X.]edeutung, weil die Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur eine für die Zukunft richtungweisende Klärung herbeiführen soll (stRspr, vgl. [X.]eschlüsse vom 7. Oktober 2004 - [X.]VerwG 1 [X.] 139.04 - [X.]uchholz 402.240 § 7 AuslG Nr. 12 und vom 5. Oktober 2009 - [X.]VerwG 6 [X.] 17.09 - [X.]uchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 4).

4

2. Es mag dahinstehen, ob sich die [X.]eklagte auf eine der in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts anerkannten Ausnahmen hiervon berufen kann. Sie macht insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts (vgl. [X.]eschluss vom 30. Januar 2014 - [X.]VerwG 7 [X.] 21.13 - juris) geltend, dass die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft weiterhin von [X.]edeutung ist und dass sich die Frage zudem bei der [X.] des § 16 Abs. 4 TierGesG in gleicher Weise stellen würde, sodass mit der [X.]eantwortung der das ausgelaufene Recht betreffenden Frage gleichzeitig eine das neue Recht betreffende Frage beantwortet wäre. Zumindest Letzteres drängt sich hier auf, wie unten auszuführen ist.

5

Es fehlt jedoch an der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage. Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung einer Vorschrift verlangt eine Klärung gerade in einem Revisionsverfahren. Das ist nach ständiger Rechtsprechung dann nicht der Fall, wenn sie sich auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Interpretation ohne Weiteres beantworten lässt. Dies hat das [X.]erufungsgericht angenommen; dem ist zuzustimmen.

6

Nach § 67 Abs. 4 Satz 3 [X.] (ebenso § 16 Abs. 4 Satz 3 TierGesG) werden bei der Festsetzung der Entschädigung Steuern nicht berücksichtigt. Diese Regelung ist eindeutig, was der Senat bereits zur Frage der Einbeziehung der Mehrwertsteuerpauschale bei der [X.]ildung des "gemeinen Wertes" des Tieres (§ 67 Abs. 1 Satz 1 [X.]) entschieden hat ([X.]eschluss vom 5. Dezember 1997 - [X.]VerwG 3 [X.] 172.97 - [X.]uchholz 418.6 [X.] Nr. 16). Nichts anderes gilt für die [X.]erücksichtigung der Umsatzsteuer im Zusammenhang mit einer Anrechnungsposition. Die Regelung betrifft nach Wortlaut und Stellung im Gefüge des [X.] gerade die in § 67 Abs. 4 genannten [X.], also auch die [X.]erechnung des Wertes der verwertbaren Teile der Tiere. Während der gemeine Wert der Tiere im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 [X.] fiktiv zu bestimmen ist, weil kein Erwerbsvorgang stattfindet, ergibt sich der Wert der verwertbaren Teile aus einem realen Veräußerungsvorgang, bei dem Umsatzsteuer anfallen kann (§ 24 UStG). In solchen Fällen stellt sich die Frage, wie sich die Umsatzsteuer auf den [X.] auswirkt. Insofern besteht ein Unterschied in der [X.]ehandlung der [X.]erechnungspositionen, der aber in Unterschieden der [X.]erechnungsfaktoren begründet ist.

7

In dieselbe Richtung weisen die Gesetzesmaterialien zum alten und zum neuen Recht und die daraus deutlich werdende Zielrichtung der ausgelaufenen Regelung. § 67 Abs. 4 Satz 3 [X.] wurde mit Art. 1 Nr. 35 [X.]uchst. b des [X.] zur Änderung des Tierseuchengesetzes vom 15. Februar 1991 ([X.]G[X.]l I S. 461) eingeführt, um die Verfahrensweise in den Ländern zu vereinheitlichen. [X.]is dahin war es mangels einer ausdrücklichen Regelung unterschiedlich gehandhabt worden, wie sich Steuern auf die [X.]erechnung der Entschädigung auswirkten ([X.]egründung des Gesetzentwurfs vom 7. Mai 1990, [X.]TDrucks 11/7065 S. 15). Aus diesem Zweck der Ergänzung erhellt, dass die von § 24 UStG eröffneten steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten seuchengeschädigter Landwirte, die im Verfahren mit den Stichworten "optierender" und "pauschalierender" Landwirt angesprochen worden sind, zugunsten einer Vereinheitlichung unberücksichtigt gelassen werden sollten. Dass dies in gewissen Fällen zu einem Anrechnungsbetrag führen kann, der hinter dem realen Erlös zurückbleibt, hat der Gesetzgeber erkennbar in Kauf genommen und unter Hinweis darauf gerechtfertigt, dass die Tierseuchenentschädigung eine Leistung besonderer Art sei und gerade keine zwingend nur den unmittelbaren Schaden abdeckende Ersatzleistung, wie es dem Verwaltungsgericht und der [X.]eklagten mit dem Stichwort der "Überentschädigung" vorschwebt. Den besonderen Entschädigungscharakter hat auch das [X.]undesverwaltungsgericht schon betont (vgl. Urteil vom 19. Oktober 1971 - [X.]VerwG 1 [X.] 3.69 - [X.]VerwGE 39, 10 <14>) und die Willkürlichkeit der Gleichbehandlung von "optierenden" und "pauschalierenden" Seuchengeschädigten im steuerrechtlichen Zusammenhang ausdrücklich verneint ([X.]eschluss vom 5. Dezember 1997 a.a.[X.]). Der Gesetzgeber hat auch mit der Neuregelung des [X.] keinen Anlass gesehen, die Anrechnungsvorschriften unter diesem [X.]lickwinkel zu ändern. Vielmehr hat er die Regelung des § 67 Abs. 4 [X.] in § 16 Abs. 4 TierGesG (= § 15 Abs. 4 des Gesetzentwurfs vom 9. Januar 2013, [X.]TDrucks 17/12032 [X.]) im Wesentlichen unverändert übernommen und es insbesondere in der hier streitigen Frage bei dem bisherigen Rechtsstand belassen ([X.]TDrucks 17/12032 S. 40 f.).

Meta

3 B 58/13

06.06.2014

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 13. Juni 2013, Az: 20 BV 12.2711, Urteil

§ 67 Abs 4 S 1 ViehSeuchG, § 67 Abs 4 S 3 ViehSeuchG, § 24 UStG, § 16 Abs 4 S 3 TierGesG, § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.06.2014, Az. 3 B 58/13 (REWIS RS 2014, 4967)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4967

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 B 70/13 (Bundesverwaltungsgericht)

Beweiserhebung zur Klärung der Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) verkennt deren prozessuale Filterfunktion; Änderung …


3 C 41/09 (Bundesverwaltungsgericht)

Maßregelung von Schlachtfleisch zur Prophylaxe gegen eine Übertragung von BSE; Entschädigung


3 C 15/10 (Bundesverwaltungsgericht)

Amtstierärztlich angeordnete Sicherungsmaßnahmen bei BSE-Verdacht; kein Entschädigungsanspruch nach Tierseuchenrecht


3 BN 1/10 (Bundesverwaltungsgericht)

Normenkontrolle der Haushaltssatzung einer Tierseuchenkasse; Berechnung der Beitragssätze; Beihilfen für präventive Schutzimpfungen


23 ZB 23.1152 (VGH München)

Tierseuchenrechtliche Entschädigung, Gesetzliche behördliche Schätzungsbefugnis hinsichtlich des gemeinen Wertes von Tieren


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.