Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.01.2010, Az. 2 StR 447/09

2. Strafsenat | REWIS RS 2010, 10491

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Gegenstand

Strafverfahren wegen Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung: Prüfung der Schuldunfähigkeit bei hoher Blutalkoholkonzentration und nicht nachvollziehbarem Tatmotiv


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. Juni 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der allgemeinen Sachrüge Erfolg.

2

1. Nach den Feststellungen spielten der Angeklagte, das spätere Tatopfer und ein Dritter am Tattag seit dem frühen Morgen im Haus des Geschädigten Karten und konsumierten dabei erhebliche Mengen Alkohol. Gegen 16.30 Uhr fütterte der Angeklagte eine fremde Katze aus der Nachbarschaft, worüber der Geschädigte seinen Unmut zum Ausdruck brachte. Daraufhin verließ der Angeklagte das Haus, holte aus dem Hof eine Axt und äußerte ins Wohnzimmer zurückkehrend gegenüber seinen Mitspielern, er werde sie totschlagen. Anschließend griff er, die Axt schwingend, den Geschädigten an, dem - von zwei Schlägen nur gestreift - leicht verletzt die Flucht zu einem Nachbarhaus gelang, von wo aus er die Polizei verständigte. Währenddessen setzte sich der Angeklagte wortlos zu dem dritten im Wohnzimmer verbliebenen Spieler und wartete auf das Eintreffen der Polizei. Eine ihm um 18.00 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine [X.] von 2,91 Promille.

3

2. Das [X.] ist sachverständig beraten davon ausgegangen, der Angeklagte sei infolge des zuvor genossenen Alkohols aufgrund eines mittelgradigen Rausches nur erheblich vermindert in der Lage gewesen, sein Verhalten zu steuern. Mit der Frage einer möglichen Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB hat sich die [X.] nicht auseinandergesetzt. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. [X.] auf den Tatzeitpunkt wies der Angeklagte - was das [X.] nicht bedacht hat - eine [X.] von 3,41 Promille auf. Bei einer solch hohen Blutalkoholkonzentration ist regelmäßig die Prüfung einer Aufhebung der Schuldfähigkeit veranlasst [X.], StGB 57. Aufl. § 20 Rdn. 19 ff. m.w.[X.]). Zu einer solchen Prüfung bestand hier auch Veranlassung im Hinblick auf das kaum nachvollziehbare Tatmotiv, das ungewöhnliche Nachtatverhalten und angesichts des Umstandes, dass der nicht vorbestrafte Angeklagte weder generell zu Wut- und Aggressionsausbrüchen neigt noch sonst für aggressive Entgleisungen bekannt ist (UA 9).

4

3. Die aufgezeigte [X.] des Urteils führt zu dessen Aufhebung und Zurückverweisung. Der neue Tatrichter wird - sollte er erneut zu einer entsprechenden Verurteilung kommen - zu bedenken haben, dass bei Verhängung von einzelnen Geldstrafen, die in einer Gesamtstrafe aufgehen, neben der Anzahl der Tagessätze auch immer die [X.] festzusetzen ist (BGHSt 30, 93, 96; BGHR StGB § 54 Abs. 3 [X.] 1).

Rissing-van Saan                                      Fischer                                       Appl

                                  Cierniak                                        [X.]

Meta

2 StR 447/09

13.01.2010

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mühlhausen, 24. Juni 2009, Az: 120 Js 58726/08 - 1 Ks, Urteil

§ 20 StGB, § 224 StGB, § 241 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.01.2010, Az. 2 StR 447/09 (REWIS RS 2010, 10491)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10491

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Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 280/23

4 StR 557/12

2 StR 447/09

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