Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2023, Az. AnwZ (Brfg) 11/23

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2023, 5759

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Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das am 18. November 2022 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes [X.] wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist seit dem [X.] zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 3. Februar 2022 widerrief die Beklagte die Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft. Die hiergegen gerichtete Klage hat der [X.] des [X.] mit Urteil vom 18. November 2022, dem Prozessbevollmächtigten des [X.] zugestellt am 24. Februar 2023, als unbegründet abgewiesen.

2

Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2023, eingegangen beim [X.] am selben Tag, hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Schriftsatz vom 27. März 2023 hat er beantragt, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern. Mit Verfügung vom 3. April 2023 hat der Senat diesen Antrag abgelehnt und gleichzeitig u.a. darauf hingewiesen, dass die Frist zur Begründung des Zulassungsantrags von Rechts wegen einer Verlängerung nicht zugänglich ist. Mit am 28. April 2023 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] eine Begründung des Zulassungsantrags eingereicht.

II.

3

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist bereits unzulässig, weil die Antragsbegründung entgegen § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils beim [X.] eingegangen ist. Die Zustellung des vollständigen Urteils an den Prozessbevollmächtigten des [X.] ist am 24. Februar 2023 erfolgt. Die Frist zur Einreichung der Antragsbegründung ist daher am 24. April 2023 abgelaufen (§112e Satz 2 [X.], § 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Variante 1 BGB). Die Begründung hat den [X.] indes erst am 28. April 2023 erreicht.

4

2. Das Rechtsmittel hätte, seine Zulässigkeit unterstellt, auch in der Sache keinen Erfolg gehabt. Es liegt kein [X.] nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 VwGO vor.

5

a) Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser [X.] setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senat, Beschluss vom 4. März 2019 - [X.] ([X.]) 47/18, juris Rn. 3). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den [X.] dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 7. März 2019 - [X.] ([X.]) 66/18, juris Rn. 5).

6

aa) Soweit der Kläger auf die Begründung im Zuge des Verfahrens vor dem [X.] pauschal Bezug nimmt, liegt hierin keine ordnungsgemäße Darlegung eines [X.]es. Eine hinreichende Darlegung setzt voraus, dass sich die Begründung des Zulassungsantrags substantiiert mit der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt, weswegen die Bezugnahme auf früheren Vortrag nicht ausreicht (vgl. [X.] Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 6. Februar 2014 - 8 ZB 12.2096, juris Rn. 11; Verwaltungsgerichtshof [X.], Beschluss vom 15. November 2019 - 9 S 307/19, juris Rn. 3; [X.] in [X.]/[X.], VwGO‚ 28. Aufl., § 124a Rn. 49; jeweils mwN).

7

bb) Soweit der Kläger geltend macht, "hinreichend geeignete Maßnahmen" ergriffen zu haben, um eine Vermögensgefährdung der Mandanten zu verhindern, ist dieser Vortrag nicht geeignet, die Richtigkeit des angegriffenen Urteils in Frage zu stellen.

8

(1) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 12. Dezember 2018 - [X.] ([X.]) 65/18, juris Rn. 7 mwN, und vom 3. November 2021 - [X.] ([X.]) 29/21, juris Rn. 11).

9

(2) Die Vorkehrungen, die der Kläger seiner Darstellung im Zulassungsantrag nach gemeinsam mit den weiteren Gesellschaftern seiner Rechtsanwaltssozietät getroffen hat, schließen weder aus, dass [X.] in seinen Gewahrsam gelangt noch dass seine Gläubiger hierauf Zugriff nehmen.

(3) Auch der Hinweis darauf, dass der Kläger derzeit keine Sachen bearbeite, aus denen sich erhebliche [X.]eingänge ergeben könnten, lässt die potentielle Gefährdung von Mandantengeldern nicht entfallen. Denn dies beschreibt lediglich den Ist-Zustand, der sich jederzeit ändern kann.

cc) Soweit der Kläger geltend macht, er habe zusammen mit den weiteren Gesellschaftern seiner Rechtsanwaltssozietät einvernehmlich beschlossen - aber noch nicht umgesetzt -, dass der Kläger solange als Partner aus der Partnerschaft ausscheide, bis seine finanziellen Verhältnisse geordnet seien, so stellen diese Umstände die Richtigkeit des Urteils des [X.]s nicht in Frage, weil für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen ist; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 4. März 2019 - [X.] ([X.]) 47/18, juris Rn. 4 und vom 7. Dezember 2018 - [X.] ([X.]) 55/18, juris Rn. 5, jeweils mwN).

b) Dem [X.] ist auch kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem sein Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Insbesondere hat der [X.] nicht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen.

aa) Im Antrag auf Zulassung der Berufung wegen eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren erster Instanz, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2018 - [X.] ([X.]) 65/18, juris Rn. 11 mwN).

bb) Diesen Voraussetzungen genügt der Zulassungsantrag nicht. Der Kläger verweist ohne weitere Erläuterungen darauf, der [X.] hätte noch Hinweise erteilen können und müssen, dass die ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichend seien. Das reicht nicht aus.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Limperg     

  

Liebert     

  

Ettl

  

Lauer     

  

Niggemeyer-Müller     

  

Meta

AnwZ (Brfg) 11/23

20.07.2023

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 18. November 2022, Az: 1 AGH 6/22, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2023, Az. AnwZ (Brfg) 11/23 (REWIS RS 2023, 5759)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5759

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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9 S 307/19

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