Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.09.2011, Az. V ZB 161/11

5. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2790

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Gegenstand

Notargebühren: Überwachung des vollständigen Kaufpreiseingangs auf dem Anderkonto


Leitsatz

Die Überwachung des vollständigen Kaufpreiseingangs auf dem Anderkonto des Notars ist durch die Hebegebühr gemäß § 149 KostO abgegolten .

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 1. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1 hat der Beteiligten zu 2 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde beträgt 132,09 €.

Gründe

I.

1

Der Beteiligte zu 1 (Notar) beurkundete am 31. März 2008 einen Vertrag, durch den der Beteiligte zu 3 ein Grundstück an die Beteiligte zu 2 verkaufte. Der Kaufpreis in Höhe von 219.000 € sollte über ein [X.] des Beteiligten zu 1 abgewickelt werden. In Ziff. 6 des Vertrages wiesen die Kaufvertragsparteien den Notar an, den Antrag auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt erst einzureichen, wenn der Kaufpreis auf dessen [X.] eingegangen war und alle zur vertragsgerechten Eigentumsumschreibung erforderlichen Unterlagen vorlagen. Nach Ziff. 9 sollte der Kaufpreis an den Verkäufer ausgezahlt werden, wenn eine Vormerkung zugunsten des Käufers eingetragen war und der Eigentumsumschreibung keine Hindernisse entgegenstanden. Nachdem der Notar gegenüber der Beteiligten zu 2 die [X.] sowie die [X.] gemäß § 149 [X.] abgerechnet hatte, brachte er in seiner Kostenrechnung - neben anderen Kosten - für die Überwachung der [X.] eine 5/10 Gebühr nach § 147 Abs. 2 [X.] aus einem Geschäftswert von 109.500 € in Ansatz.

2

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das [X.], soweit hier von Interesse, die Kostenrechnung dahin geändert, dass die für die Überwachung der [X.] angesetzte Gebühr von 111 € nebst Umsatzsteuer entfällt. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde des Notars, die das [X.] zurückweisen möchte. Es sieht sich hieran durch die Beschlüsse des [X.]s Frankfurt vom 26. Januar 2006 ([X.] 2007, 76), des [X.]s Düsseldorf vom 6. Juli 1995 ([X.] 1996, 101) und vom 7. Mai 1992 ([X.] 1992, 823), des [X.]s Köln vom 6. Februar 1991 (MittRhNotK 1991, 89) und des [X.] vom 4. Februar 1986 ([X.] 1986, 903) und vom 12. November 1974 ([X.] 1975, 752) gehindert und hat deshalb die Sache dem [X.] vorgelegt.

II.

3

Die Vorlage ist gemäß § 156 Abs. 4 Satz 4 [X.] aF, § 28 Abs. 2 [X.] aF i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 [X.]-RG (vgl. [X.], Beschluss vom 3. November 2010 - [X.] 197/10, NJW 2011, 386, 387 Rn. 10) statthaft. Das vorlegende [X.] ist der Ansicht, dass für die Überwachung der Umschreibungsreife neben der [X.] gemäß § 149 [X.] keine Betreuungsgebühr nach § 147 Abs. 2 [X.] entstehen kann. Demgegenüber vertreten jedenfalls das [X.] Düsseldorf, das [X.] Köln und das [X.] in den Vergleichsentscheidungen die Auffassung, dass die Prüfung der Umschreibungsreife durch die [X.] nicht abgegolten wird, sondern nach § 147 Abs. 2 [X.] gesondert zu vergüten ist. Diese Divergenz rechtfertigt die Vorlage.

III.

4

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 156 Abs. 2 Sätze 1 u. 2, Abs. 4 [X.] aF), bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die Annahme des [X.], der Kostengläubiger könne im vorliegenden Fall für die Überwachung der Umschreibungsreife keine Gebühr nach § 147 Abs. 2 [X.] in Ansatz bringen, ist zutreffend und beruht damit nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 156 Abs. 2 Satz 3 [X.] aF).

5

1. Bei dem Gebührentatbestand des § 147 Abs. 2 [X.] handelt es sich um eine Auffangregelung, deren Anwendung voraussetzt, dass die Kostenordnung für die betreffende Tätigkeit keine Gebühr bestimmt und auch keine Regelung enthält, aus der sich ergibt, dass dem Notar für diese Tätigkeit keine gesonderte Gebühr erwachsen soll (Senat, Beschluss vom 13. Juli 2006 - [X.], [X.], 3428, 3429 Rn. 8 mwN). Eine derartige, die Anwendung von § 147 Abs. 2 [X.] ausschließende Regelung stellt die Vorschrift des § 149 [X.] dar (Senat, Beschluss vom 2. April 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 1434 Rn. 6).

6

2. In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings umstritten, ob die [X.] als Teil des Verwahrungsgeschäfts anzusehen und daher durch die [X.] gemäß § 149 [X.] abgegolten ist.

7

a) Nach herrschender Meinung stellt die [X.] eine außerhalb des [X.] liegende notarielle Tätigkeit dar, die nach § 147 Abs. 2 [X.] selbständig zu vergüten ist ([X.], [X.] 1996, 101 und [X.] 1992, 823; [X.], MittRhNotK 1991, 89, 90; [X.], [X.] 1986, 903, 906 und [X.] 1975, 752, 753; Assenmacher/[X.], [X.], 16. Aufl., "[X.]" [X.] 9.2.5; [X.], [X.], 4. Aufl., § 149 Rn. 7; [X.]. Notarkasse, Streifzug durch die Kostenordnung, 6. Aufl., Rn. 1199; [X.], [X.] 2009, 273, 274; Brosette, MittRhNotK 1993, 134, 136; Mümmler, [X.] 1992, 823; Bund, [X.] 1997, 27, 30, [X.]. differenzierend nach der Prüfungstätigkeit des Notars, [X.] 2005, 45, 46). Es lägen verschiedene Geschäfte mit unterschiedlicher Zielrichtung vor: Während die mit der [X.] gemäß § 149 [X.] insbesondere abgegoltene Feststellung der Auszahlungsreife den Interessen des Käufers diene, solle durch die Überwachung des Eingangs des Kaufpreises das Interesse des Verkäufers gewahrt werden. Daher handle es sich bei der [X.] um ein zusätzliches Überwachungsgeschäft des Notars zur Sicherung des Verkäufers. Zudem gehöre zur Prüfung der Umschreibungsreife die weitere selbständige Feststellung, dass der Kaufpreis vollständig auf das [X.] eingezahlt worden sei. Die Überprüfung der Vollständigkeit der Kaufpreiszahlung sei aber nicht Teil des notariellen Verwahrungsgeschäfts.

8

b) Nach anderer Ansicht wird die Überwachung der Kaufpreiszahlung von der [X.] gemäß § 149 [X.] erfasst ([X.], [X.] 2011, 143, 144; [X.], [X.] 2005, 42, 43; [X.], NJW-RR 1999, 583, 584; [X.], [X.] 1989, 1142; Rohs/Wedewer, [X.], § 147 Rn. 13c, Stand: November 2009, und § 149 Rn. 12, Stand: September 2010; [X.]/[X.]/Bengel/[X.], [X.], 18. Aufl., § 149 Rn. 7b; an[X.] noch die Vorauflage). Diese gelte die gesamte auf das Verwahrungsgeschäft verwendete Tätigkeit ab, die der Notar zur Erfüllung der Anforderungen erbringe, die die Vertragsteile an die Hinterlegung und Auszahlung des auf das [X.] zu hinterlegenden Betrages gestellt hätten. Dazu gehöre auch die Überwachung des vollständigen Zahlungseingangs. Denn der Käufer sei gemäß § 266 BGB zu Teilzahlungen nicht berechtigt, so dass auch der Notar erst nach vollständigem Zahlungseingang die Beträge auskehren dürfe. Außerdem diene die Einrichtung des notariellen [X.]s nicht nur der Sicherstellung der vertragsgemäßen Verwendung des Kaufpreises, sondern auch des vollständigen [X.]-Austausches der bei[X.]eitigen Leistungen.

9

c) Die zuletzt genannte Auffassung verdient den Vorzug. Bei dem Hinterlegungsgeschäft und der Überwachung der Kaufpreiszahlung handelt es sich nicht um verschiedene Geschäfte mit unterschiedlicher Zielsetzung. Vielmehr ist die Überwachung des vollständigen Zahlungseingangs Teil des Verwahrungsgeschäfts.

aa) Die Kaufpreisabwicklung über ein [X.] dient der Abwicklung des grundsätzlich [X.] vorzunehmenden, bei [X.] in der praktischen Durchführung aber mit vielfältigen Schwierigkeiten verbundenen Leistungsaustausches. Es muss erreicht werden, dass keine der Vertragsparteien eine ungesicherte Vorleistung erbringt, ohne dass der Leistungsaustausch durch Zurückbehaltungsrechte beider Parteien nach § 320 BGB blockiert wird. Zur Bewältigung der technischen Abwicklungsprobleme stehen den Vertragsparteien unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Ist eine direkte Kaufpreiszahlung vorgesehen, können sie die Kaufpreisfälligkeit und die Umschreibung des Eigentums von bestimmten, ihren jeweiligen Leistungsanspruch sichernden Voraussetzungen abhängig machen und den Notar mit deren Überwachung beauftragen. Sie können, sofern ein berechtigtes Sicherungsinteresse im Sinne von § 54a Abs. 2 BeurkG anzunehmen ist, die Kaufpreisabwicklung aber auch über ein [X.] vornehmen. In diesem Fall wahrt der Notar ihr bei[X.]eitiges Interesse an dem [X.]-Austausch der geschuldeten Leistungen im Rahmen des [X.]. Auf den Kaufpreis bezogene notarielle Überwachungstätigkeiten sind deshalb immer dann als von der [X.] abgegoltener Teil des Verwahrungsgeschäfts anzusehen, wenn sie der Abwicklung des Leistungsaustausches dienen (Senat, Beschluss vom 2. April 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 1434, 1435 Rn. 12, 13).

bb) So liegt es hier. Die Prüfung des Notars vor Stellung des Umschreibungsantrags, ob der Kaufpreis auf dem [X.] eingegangen ist, dient der Sicherstellung des [X.] durchzuführenden Leistungsaustausches. Der Verkäufer soll seine Leistung - die Übertragung des Eigentums an den Käufer - erst erbringen, wenn gesichert ist, dass er die vereinbarte Gegenleistung erhält. Dies ist nur dann gewährleistet, wenn der Notar nicht lediglich den Zahlungseingang als solchen, sondern auch die Vollständigkeit der Kaufpreiszahlung überprüft. Da diese Tätigkeit somit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Hinterlegungsgeschäft steht, fällt hierfür neben der Gebühr nach § 149 [X.] keine weitere Gebühr nach § 147 Abs. 2 [X.] an.

cc) Für eine Gebühr nach § 147 Abs. 2 [X.] wäre nur dann Raum, wenn die Prüfung der Umschreibungsreife über die Prüfung des Kaufpreiseingangs auf dem [X.] hinaus eine gesonderte, nicht bereits durch die [X.] gemäß § 149 [X.] oder durch andere Gebühren, insbesondere durch die [X.] nach § 146 Abs. 1 [X.], abgegoltene Tätigkeit des Notars erforderte ([X.], [X.] 2005, 42, 44; [X.], [X.] 1987, 418, 419; [X.]/[X.]/Bengel/[X.], [X.], 18. Aufl., § 149 Rn. 9). Solche gesondert vergütungspflichtigen Tätigkeiten fielen hier - wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt - indes nicht an.

IV.

Einer Entscheidung über die gerichtlichen Kosten der weiteren Beschwerde (§ 156 Abs. 5 Satz 2, § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] aF) bedarf es nicht. Die Anordnung der Erstattung der der Beteiligten zu 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten durch den Notar beruht auf § 156 Abs. 4 Satz 4 [X.] a.F., § 13a Abs. 1 [X.] aF. Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 [X.] aF.

Krüger                                         Stresemann                                      Czub

                     Brückner                                             Weinland

Meta

V ZB 161/11

29.09.2011

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Rostock, 20. Juni 2011, Az: 5 W 125/10, Vorlagebeschluss

§ 147 Abs 2 KostO, § 149 KostO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.09.2011, Az. V ZB 161/11 (REWIS RS 2011, 2790)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2790

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

V ZB 161/11

Zitiert

XII ZB 197/10

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