Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.11.2008, Az. 5 StR 506/08

5. Strafsenat | REWIS RS 2008, 628

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5 [X.][X.] vom 26. November 2008 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u. a. - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 26. November 2008 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 29. April 2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. G r ü n d e
1 Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung und wegen Vergewaltigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an. 1. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen: 2 a) Der Angeklagte lernte im August 2006 während einer Feier eines Freundes die damals 20 Jahre alte Nebenklägerin kennen. Sie ist leicht intel-ligenzgemindert und hat nur ein geringes Selbstwertgefühl. Ihre Kritikfähig-keit ist gemindert und ihre Fähigkeit, die Gedanken und die Gefühlswelt der sie umgebenden Menschen zu begreifen, herabgesetzt. Die junge Frau lieh dem Angeklagten mehrfach Geld. Dieser hielt während mehrerer Treffen mit ihr die gegebenen Versprechen, das Geld zurückzuzahlen, nicht ein. Der An-geklagte veranlasste die Nebenklägerin entgegen deren geäußertem Unwil-len bei einem seiner Besuche zur Vornahme des [X.]. Davon er-3 - 3 - zählte sie der Zeugin [X.]und auch davon, dass sie sich in den [X.] habe und nicht wisse, wie sie sich ihm gegenüber verhal-ten solle ([X.]). Während eines weiteren Besuches führte der [X.] den Analverkehr aus. b) Der Angeklagte gab auch am Tattag, dem 10. Dezember 2006, ge-genüber der Nebenklägerin vor, seine sich inzwischen auf 150 Euro belau-fenden Schulden zurückzahlen zu wollen. Er wartete indes nicht die verein-barte Besuchszeit ab, sondern überraschte die wegen Alkoholkonsums in der Nacht zuvor noch verschlafene Nebenklägerin bereits um 10.00 Uhr. —Der Angeklagte folgte der Nebenklägerin in ihr Schlafzimmer, setzte sich neben sie aufs Bett und betastete ihre Brüste und ihre Scheide unter der [X.], obwohl sie ihm sagte, er solle damit aufhören, da sie das nicht [X.]. Sie versuchte vergeblich, ihn mit beiden Händen von sich fernzuhalten und aufzustehen. Darauf drückte er sie kraftvoll aufs Bett nieder, entkleidete sie und betastete sie am ganzen Körperfi ([X.]). 4 5 Nach einer gemeinsamen [X.] auf der Wohnzimmercouch stand der Angeklagte auf, ließ seine Hose herunter und legte seinen Penis in die Hand der Nebenklägerin, deren eigene Hand er mit seiner Hand führte. Die Nebenklägerin verweigerte den vom Angeklagten verlangten Handver-kehr und den nachfolgend geforderten Oralverkehr. Er strich mit seinem [X.] an ihrem Gesicht entlang, —drückte sie unversehens kraftvoll zurück, nahm ihre Beine nach oben und führte eine leere Whiskyflasche – in ihre Scheide ein, wo er sie hin und her [X.] ([X.]). Er drückte ihre Beine auseinander und vollzog an ihr den Geschlechtsverkehr. c) Das [X.] stützt seine Feststellungen auf die als glaubhaft erachteten Aussagen der Nebenklägerin und hält die Einlassung des [X.] freiwilliger vaginaler Geschlechtsverkehr [X.] für widerlegt. 6 - 4 - 2. Die Beweiswürdigung des [X.] hinsichtlich der beiden als Vergewaltigung ausgeurteilten Taten hält der sachlichrechtlichen [X.] nicht stand. 7 a) Die Begründung der Reihenfolge dieser beiden Taten beruht auf widersprüchlichen Erwägungen (vgl. [X.], 384, 387; insoweit nicht in [X.], 144 abgedruckt). 8 Das [X.] folgt insoweit der Tatschilderung, wie sie die Neben-klägerin in der Hauptverhandlung bekundet hat (Penetration Flasche, vagina-ler Geschlechtsverkehr). Während ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung hatte die Nebenklägerin die Vorgänge in umgekehrter Reihenfolge (vaginaler Geschlechtsverkehr; Penetration Flasche) berichtet. Das [X.] hat —aber ein derart geringfügiges Abweichen von ihrer ursprünglichen Schilde-rung für unerheblichfi gehalten —und nicht für eine Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit der Zeuginfi ([X.]). Nach Auffassung des referierten [X.] seien leichte Inkonsistenzen in der [X.] mit gedächtnispsychologischen Phänomenen zu erklären. Danach hat das [X.] in der Sache die von der Nebenklägerin während der polizei-lichen Vernehmung geschilderte Reihenfolge der Taten als die glaubhaftere Version angesehen, seinem Urteil aber [X.] dem widersprechend [X.] den in der Hauptverhandlung bekundeten Tatablauf zugrunde gelegt. Die Reihenfolge der Vornahme der Tathandlungen war indes wesentlich. Dies gilt insbeson-dere, weil auch die Plausibilität der geschilderten Gewalteinwirkungen im Zusammenhang mit dem sexuellen Geschehen hätte bewertet werden müs-sen. Dem [X.] war es deshalb untersagt, hierzu aufgetretene Wider-sprüche dem nicht maßgeblichen Randgeschehen zuzuordnen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, widersprüchliche 1). 9 b) Auch der Schuldspruch wegen sexueller Nötigung hat keinen [X.]. Die Aufhebung der Feststellungen ist auch insoweit wegen der erfor-derlichen neuen Aufklärung und Bewertung der hauptsächlichen Tatvorwürfe 10 - 5 - geboten. Die Bewertung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin ist insofern untrennbar und deshalb insgesamt neu vorzunehmen. 3. Für die neu durchzuführende Hauptverhandlung bemerkt der Senat: 11 a) Der neue Tatrichter wird die Glaubhaftigkeit der Aussage der [X.] auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der maßgeblichen Indizien (vgl. BGHSt 44, 153, 158 f.; BGHR StGB § 177 Abs. 1 Beweiswürdi-gung 3) zu bestimmen haben. Dabei wird auch auf den Umstand abzustellen sein, dass die Nebenklägerin den ersten Oralverkehr mit dem Angeklagten gegenüber der Zeugin [X.]

zunächst ersichtlich als freiwillig vollzogen bewertet hat; die Tathandlungen des Angeklagten hatte sie gegenüber [X.] nicht als unter Einsatz von Gewalt erzwungen, sondern als gegen ihren Willen vorgenommen geschildert. 12 13 b) Das bisher erstattete [X.], das der [X.] lediglich —nachvollziehbar erscheintfi ([X.]), ist nach dessen [X.] durch das [X.] nicht geeignet, die Aussage der Nebenklägerin wesentlich zu stützen (vgl. BGHSt 45, 164, 178 f.). Die allgemein gehaltenen, die Einschätzung des [X.] der Nebenklägerin nicht aufgreifenden [X.] und die Wertung, es sei —wahrscheinlich, dass die Angaben der [X.] über die in Frage stehenden Handlungen grundsätzlich auf ei-nem realen Erlebnishintergrund beruhenfi ([X.]), leisten keinen Beitrag zur Klärung der hier maßgeblichen, eher schwierig zu beurteilenden Frage, ob der vom Angeklagten eingeräumte vaginale Geschlechtsverkehr unter Gewaltanwendung durchgeführt und von ihm die Flasche gewaltsam in die Vagina der Nebenklägerin eingeführt worden ist. c) Der neue Tatrichter wird bei seiner Subsumtion darauf Bedacht zu nehmen haben, dass Gewalt gegen eine Person im Sinne der §§ 177, 178 StGB eine nicht ganz unerhebliche, gegen den Körper des Opfers gerichtete Einwirkung voraussetzt, die von diesem nicht nur als seelischer, sondern 14 - 6 - auch als körperlicher Zwang empfunden wird und die einen psychisch deter-minierten Prozess in Gang setzt; ein besonderer Kraftaufwand ist nicht erfor-derlich (BGHR StGB § 177 Abs. 1 Gewalt 4 m.w.[X.]). Nach den bisherigen Feststellungen hat der Angeklagte bei den be-weiswürdigend zu seinen Lasten mit verwerteten nicht angeklagten [X.] keine Gewalt angewandt. Es ist offen geblieben, ob und welche Gewalt nötig war, um den von der Nebenklägerin im Rahmen der Beweis-würdigung mitgeteilten —nach ihren Kräften geleisteten [X.] zu über-winden ([X.]). 15 d) Der bisher festgestellte sehr geringe Widerstand der Nebenklägerin und deren eher allgemein bekundeter Abwehrwille (—in Ruhe lassenfi [X.]) werden eine genauere Feststellung des inneren Tatbestandes erfordern (vgl. BGHR StGB § 177 Abs. 1 Gewalt 8 m.w.[X.]; [X.], StGB 55. Aufl. § 177 Rdn. 51, 52, 54). 16 17 e) Sollte festgestellt werden, dass die Einführung der Flasche unter [X.], zur Durchführung des vaginalen Geschlechtsverkehrs ange-wandter Gewalt ausgeführt worden ist, wäre die Annahme von Tateinheit naheliegend (vgl. [X.], 356; [X.] aaO Vor § 52 Rdn. 28). Bei nicht erwiesener Gewalt wäre zu prüfen, ob in dem Einführen der [X.] wegen des hohen Verletzungsrisikos eines dagegen gerichteten Wider-standes zugleich die Drohung zu sehen ist, das Opfer zu verletzen, falls es die Penetration nicht erduldet. Das Einführen der Flasche in die Vagina der Nebenklägerin könnte unter diesem Gesichtspunkt als Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 StGB, bzw. [X.] abhängig von dem Maß der konkludent angedroh-ten körperlichen Beeinträchtigung (vgl. BGHR StGB § 177 Abs. 1 Drohung 8 und 13) [X.] als Vergewaltigung nach § 177 Abs. 1 Nr. 2 Abs. 2 Nr. 1 StGB - 7 - strafbar sein. Eine Anwendung des § 240 Abs. 4 Nr. 1 StGB schiede jeden-falls aus, weil das Gesetz insoweit das [X.] einer sexuellen Handlung nicht erfasst ([X.] aaO § 240 Rdn. 59 m.w.[X.]).
Brause Raum [X.]Schneider Dölp

Meta

5 StR 506/08

26.11.2008

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.11.2008, Az. 5 StR 506/08 (REWIS RS 2008, 628)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 628

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