Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.11.2011, Az. IV S 15/10

4. Senat | REWIS RS 2011, 1316

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Gegenstand

Streitwert für Klage wegen dem Fünftelsteuersatz unterliegenden Gewinns - Keine Änderung des Streitwerts für Verfahren wegen AdV


Leitsatz

1. Der Streitwert für ein Verfahren, in dem um die Qualifikation gesondert und einheitlich festgestellter Gewinne als der Fünftel-Regelung unterliegende außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG gestritten wird, ist pauschal mit 10 % des streitigen Gewinns zu bemessen, wenn nicht Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die betroffenen Mitunternehmer zu einem Großteil die Tarifvergünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG beanspruchen können.

2. Unter den Senaten des BFH gibt es keine Mehrheit für eine Anhebung des Streitwerts von Verfahren wegen AdV. Der Streitwert solcher Verfahren wird auch künftig mit 10 % des Streitwerts in der Hauptsache bemessen.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist ein [X.] in der Rechtsform der [X.], an der ca. ... Kommanditisten unmittelbar oder mittelbar über einen Treuhänder beteiligt waren. Den im Streitjahr 2003 entstandenen Gewinn aus der Veräußerung des verleasten Flugzeugs behandelte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) nach einer Außenprüfung abweichend von der bisherigen [X.] als nicht tarifbegünstigten laufenden Gewinn. Gegen den geänderten [X.]sbescheid hatte die Antragstellerin Einspruch erhoben und die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Bescheids beantragt. Nach Ablehnung des Antrags durch das Finanzgericht ([X.]) blieb auch die Beschwerde ohne Erfolg; sie wurde durch Beschluss des Senats vom 24. September 2010 [X.]/10 ([X.]NV 2011, 241) zurückgewiesen.

2

Mit Schriftsatz vom 26. November 2010 begehrt die Antragstellerin eine gerichtliche Festsetzung des Streitwerts. Hierzu trägt sie vor, von der pauschalen Ermittlung des Streitwerts für [X.]en mit 25 % des Gewinns oder Verlusts sei abzuweichen, wenn ohne besondere Ermittlungen erkennbar sei, dass der Satz den einkommensteuerlichen Auswirkungen nicht gerecht werde. Zwar lasse sich hier der genaue Steuereffekt nicht ermitteln. Es sei aber erkennbar, dass es von dem Ausgang des Verfahrens positiv und negativ betroffene Gesellschafter gebe. Negativ betroffen seien diejenigen, die nicht mehr von der [X.] des § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Gebrauch machen könnten, was maximal einen [X.] von 24 % ausmache. Negativ seien auch Gesellschafter betroffen, die von der Anrechnung der Gewerbesteuer nach § 35 EStG keinen oder keinen umfassenden Gebrauch machen könnten. Positiv wirke sich der Ausgang des Rechtsstreits demgegenüber auf solche Gesellschafter aus, die ursprünglich nicht in den Genuss der tarifbegünstigten Besteuerung eines Veräußerungsgewinns gekommen wären, jetzt aber von der Anrechnung nach § 35 EStG Gebrauch machen könnten und daraus ggf. sogar eine Überkompensation erreichen würden. Der Anteil von Verlierern und Gewinnern unter den Gesellschaftern lasse sich aus dem Abstimmungsverhalten zu dem Beschluss darüber ablesen, ob ein Rechtsbehelf gegen den geänderten [X.]sbescheid eingelegt werden solle. An dem betreffenden Beschluss hätte sich etwa die Hälfte der Gesellschafter beteiligt, wovon wiederum ca. 50 % für einen Rechtsbehelf gestimmt hätten. Demnach sei der Streitwert folgendermaßen zu ermitteln: Gewinn ... Mio. € x 25 % pauschaler Streitwert x 21 % [X.] unter Berücksichtigung der [X.] x 50 % abstimmende Gesellschafter x 50 % zustimmende Gesellschafter. Daraus ergebe sich ein Streitwert im Hauptsacheverfahren von rund ... €.

3

Die Antragstellerin beantragt, den Streitwert des Verfahrens [X.]/10 auf ... € festzusetzen.

4

Das [X.] beantragt, den Streitwert für das Verfahren [X.]/10 auf mindestens ... € festzusetzen.

5

Es trägt vor, der Antrag auf Streitwertfestsetzung sei zulässig, weil unterschiedliche Auffassungen über die Höhe des Streitwerts bestünden. Nach der Rechtsprechung werde der Streitwert im [X.]sverfahren unabhängig von den persönlichen Verhältnissen der Gesellschafter mit 25 % des Gewinns bemessen. [X.] der Streit die Höhe eines Veräußerungsgewinns, seien allerdings im Regelfall nur 15 % des Gewinns anzusetzen. Hier sei jedoch nicht die Höhe, sondern die Qualifikation des Gewinns streitig. Dafür seien 10 % bis 25 % bei sehr hohen Gewinnen anzusetzen. Ein derart hoher Gewinn sei bereits bei einem Betrag von ca. 327.000 DM angenommen worden ([X.] Köln, Beschluss vom 9. Februar 2009  10 Ko 2120/08, 10 Ko 2598/08, Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2009, 978). Hier sei deshalb von 25 % auszugehen, so dass der Streitwert in einem Hauptsacheverfahren ... € betragen würde.

6

Im Verfahren wegen AdV belaufe sich der Streitwert auf 10 % bis 25 % des Streitwerts im Hauptsacheverfahren. Der höhere Satz werde für gerechtfertigt gehalten, wenn sich die Bedeutung des Verfahrens nicht in einer späteren Steuerzahlung erschöpfe. Unter diesem Aspekt könne der Streitwert sogar bis zum Wert des Hauptsacheverfahrens angehoben werden. Hier habe der [X.] ([X.]) umfassend zur im Hauptsacheverfahren streitigen Rechtsfrage Stellung genommen, so dass der Streitwert mit 25 % des [X.] zu bemessen sei. Insgesamt betrage der Streitwert deshalb ... €.

Entscheidungsgründe

7

II. 1. Der Antrag auf Streitwertfestsetzung ist zulässig.

8

Nach § 63 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) setzt in der Finanzgerichtsbarkeit das Prozessgericht den Wert des Streitgegenstandes durch Beschluss fest, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] muss für den Antrag ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis bestehen (vgl. z.B. Beschlüsse vom 17. November 1987 [X.], [X.]E 152, 5, [X.] 1988, 287; vom 14. Juli 2009 [X.], Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, [X.]). Dieses fehlt in der Regel, wenn sich die Höhe des Streitwerts aus den Anträgen der Beteiligten und der bisherigen Rechtsprechung des [X.] zur Bemessung des Streitwerts in gleichartigen Fällen eindeutig ermitteln lässt (vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 2. Oktober 1980 IV R 235/75, [X.]E 131, 288, [X.] 1981, 38; vom 23. Mai 2001 IV S 1/01, [X.]/NV 2001, 1431).

9

Es ist zwar geklärt, dass der Streitwert im Falle eines Streits über die Höhe des festzustellenden Veräußerungsgewinns im Regelfall 15 % des streitigen Betrags beträgt und bei sehr hohen Veräußerungsgewinnen in angemessenem Umfang anzuheben ist (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 14. Februar 2007 IV E 3/06, [X.]/NV 2007, 1155, m.w.N.). Betrifft der Rechtsstreit nicht die Höhe, sondern die Qualifikation des Gewinns als Veräußerungsgewinn, ist der Streitwert unter Berücksichtigung des einkommensteuerlichen Vorteils aus der [X.] zu bemessen. Auf der Grundlage einer [X.] von 50 % des [X.] hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit einen pauschalen Streitwert von 20 % ([X.]-Beschluss vom 7. Dezember 1988 IV E 2/88, [X.]/NV 1990, 51) bzw. 10 % bis 25 % (Beschluss des [X.] in [X.], 978) für angemessen gehalten. Zur im Streitfall maßgeblichen Rechtslage, nach der die [X.] in erster Linie in Gestalt der sog. [X.] des § 34 Abs. 1 EStG zu gewähren ist, hat der [X.] noch nicht Stellung genommen.

2. Der Streitwert für ein Verfahren, in dem um die Qualifikation gesondert und einheitlich festgestellter Gewinne als der [X.] unterliegende außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG gestritten wird, ist pauschal mit 10 % des streitigen Gewinns zu bemessen, wenn nicht Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die betroffenen Mitunternehmer zu einem Großteil die [X.] nach § 34 Abs. 3 EStG beanspruchen können.

Die Höhe des Streitwerts ist gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des [X.] für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Zuordnung eines Gewinns zu den außerordentlichen Einkünften i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG bedeutet für den Steuerpflichtigen, dass dieser Gewinn mit dem Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG belastet wird, wenn nicht ein Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG gestellt werden kann und gestellt wird. Nach § 34 Abs. 1 EStG beträgt die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer das Fünffache des [X.] zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte. Diese sog. [X.] bewirkt eine Tarifglättung, die je nach individuellem progressivem Tarif zu einem meist deutlich hinter dem Steuervorteil des ehemals halben [X.] zurückbleibt und bei Erreichen des Spitzensteuersatzes bereits aufgrund der regelbesteuerten Einkünfte keinen Steuervorteil bedeutet.

Dies rechtfertigt nach Ansicht des [X.]s eine Reduzierung des pauschalen Streitwerts gegenüber dem bisher für nach dem halben Regelsteuersatz begünstigte Gewinne verwendeten Satz von bis zu 25 %. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Bemessung der Tarifbegünstigung nach einem Prozentsatz des [X.] umso größer ausfällt, je näher der Regelsteuersatz dem Spitzensteuersatz kommt, während der Steuervorteil aus der [X.] umgekehrt bei steigendem Steuersatz abnimmt. Der [X.] hält danach einen Satz von 10 % für angemessen. Dieser ist nur auf bis zu 20 % anzuheben, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Großteil der Feststellungsbeteiligten in den Genuss der antragsgebundenen [X.] nach § 34 Abs. 3 EStG kommen werden. Derartige Anhaltspunkte gibt es im Streitfall jedoch nicht.

3. Der Streitwert in einem Verfahren wegen AdV ist unter Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung des [X.] grundsätzlich mit 10 % des im Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts zu bemessen (vgl. zuletzt [X.]-Beschluss vom 14. Dezember 2007 [X.], [X.]E 220, 22, [X.] 2008, 199).

a) Der [X.] hat zwar erwogen, von der bisherigen Handhabung abzuweichen und den Streitwert auf 25 % des [X.] festzusetzen. Er hält die von einigen Finanzgerichten für eine Erhöhung genannten Gründe für überzeugend und geht davon aus, dass eine vom [X.] vorgenommene Anhebung des Streitwerts auch zu einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung der Finanzgerichte beitragen würde. Der [X.] hat deshalb informell bei allen anderen [X.]en des [X.] angefragt, ob sie der vorgeschlagenen Anhebung des Streitwerts zustimmen würden. Mehrheitlich haben sich die [X.]e jedoch dagegen ausgesprochen.

Eine Entscheidung durch den Großen [X.] des [X.] kann nach Auffassung des beschließenden [X.]s nicht erreicht werden. Da die Höhe des Streitwerts gemäß § 52 Abs. 1 GKG "nach Ermessen" zu bestimmen ist, würde der [X.] mit der beabsichtigten Anhebung des Streitwerts nicht i.S. des § 11 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung von der Rechtsprechung anderer [X.]e abweichen. Denn eine Abweichung in einer Rechtsfrage kommt insoweit nicht in Betracht, als das Gericht im Rahmen des ihm durch die Vorschrift eingeräumten Spielraums auf der Grundlage zur Ermessensentscheidung tauglicher Gesichtspunkte entscheidet ([X.]-Beschluss vom 10. November 1971 [X.], [X.]E 104, 39, [X.] 1972, 222; zustimmend insoweit [X.]-Beschluss vom 29. Juli 1976 [X.], [X.]E 120, 9, [X.] 1977, 119; [X.] in: [X.]/v. [X.], 19. Aufl., FGO, § 11 Rz 4; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 11 FGO Rz 58).

b) Angesichts der Unmöglichkeit, eine bindende Entscheidung des Großen [X.]s des [X.] herbeizuführen, muss der [X.] in eigener Verantwortung über die Bemessung des Streitwerts entscheiden. Um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung des [X.] zu wahren, hält es der beschließende [X.] angesichts der fehlenden Mehrheit für eine Rechtsprechungsänderung im [X.] für geboten, an den bisherigen Grundsätzen festzuhalten. Er bemisst den Streitwert für ein Verfahren betreffend AdV demgemäß weiterhin mit 10 % des [X.].

4. Der Streitwert beläuft sich danach auf ... € (streitiger Gewinn ... € x 10 % [Streit über [X.]] x 10 % [AdV]).

Meta

IV S 15/10

17.11.2011

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

§ 52 Abs 1 GKG, § 63 Abs 2 S 2 GKG, § 69 Abs 3 FGO, § 34 Abs 1 EStG 2002, § 11 Abs 3 FGO, § 52 Abs 2 GKG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.11.2011, Az. IV S 15/10 (REWIS RS 2011, 1316)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1316

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