Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.09.2015, Az. V B 20/15

5. Senat | REWIS RS 2015, 5086

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Gegenstand

Urteilszustellung an Rechtsanwalt - Zustellungsadressat bei Sozietät - Beweiskraft des Empfangsbekenntnisses


Leitsatz

1. NV: Das ausgefüllte Empfangsbekenntnis erbringt grundsätzlich vollen Beweis dafür, dass das darin angegebene Schriftstück tatsächlich zugestellt wurde .

2. NV: Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des Empfangsbekenntnisses erfordert, dass zur Überzeugung des Gerichts die Beweiswirkung des Empfangsbekenntnisses vollständig entkräftet wird und damit jede Möglichkeit seiner Richtigkeit ausgeschlossen ist .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 29. Januar 2015  4 K 94/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

2

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) entspricht; jedenfalls liegt der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vor.

3

1. Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

4

a) Der Kläger behauptet, "ein vollständig begründetes Urteil im Verfahren unter [X.]. 4 K 94/14 des [X.]" liege ihm unverändert bis zum heutigen Tag nicht vor, daher kenne er die Gründe der Urteilsfindung nicht. Das "unbegründete Urteil vom 29. Januar 2015" sei lediglich in das Protokoll der gemeinsamen mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2015 der Verfahren 4 K 93/14 und 4 K 94/14 "eingebunden und nicht begründet" worden. Mit diesem Vortrag macht der Kläger zwar einen Verfahrensmangel geltend, dieser liegt jedoch nicht vor.

5

b) Nach § 104 Abs. 1 Satz 2 [X.]O wird das Urteil im Falle einer mündlichen Verhandlung durch Verlesung der Formel verkündet; es ist den Beteiligten zuzustellen. Die Zustellung kann gemäß § 53 Abs. 2 [X.]O i.V.m. § 174 der Zivilprozessordnung (ZPO) bei einem Anwalt gegen [X.], auch durch [X.] (Fax) bewirkt werden (§ 174 Abs. 2 ZPO). Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 ZPO genügt zum Nachweis der Zustellung das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene [X.], welches auch durch [X.] an das Gericht zurückgesandt werden kann (§ 174 Abs. 4 Satz 2 ZPO; vgl. Beschluss des [X.] --BFH-- vom 22. Dezember 2003 VII B 358/02, [X.], 531).

6

c) Im Streitfall wurde der Kläger durch die [X.] vertreten, sodass eine Zustellung des Urteils mittels [X.] zulässig war. Nach der Verfügung der Geschäftsstelle des Finanzgerichts ([X.]) wurden am 9. Februar 2015 eine beglaubigte Abschrift des Urteils und eine beglaubigte Abschrift der Niederschrift vom 29. Januar 2015 übersandt. Ausweislich des in den Akten befindlichen [X.]ses zum Aktenzeichen 4 K 94/14 hat Frau [X.] bestätigt "das Urteil und die Niederschrift vom 29.01.2015" am 12. Februar 2015 erhalten zu haben.

7

d) Das ausgefüllte [X.] erbringt nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich den vollen Beweis dafür, dass das Schriftstück an dem vom Empfänger angegebenen Tag tatsächlich zugestellt wurde (§ 53 Abs. 2 [X.]O, §§ 174 und 418 Abs. 1 ZPO). Dem steht nicht entgegen, dass --wie vorliegend-- der [X.] als solcher in dem Formular namentlich nicht genannt, sondern das [X.] an die Sozietät gerichtet wird, der der Bevollmächtigte angehört. In einer Sozietät ist grundsätzlich jeder Sozius berechtigt, Zustellungen für die anderen Angehörigen der Gesellschaft entgegenzunehmen (Beschluss des [X.] --BGH-- vom 10. Juli 1969 VII ZB 13/69, Versicherungsrecht 1969, 887, und [X.] vom 10. Juni 1976 IX ZR 51/75, [X.], 10).

8

e) Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des [X.]ses ist zwar zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Er ist allerdings nicht schon dann erbracht, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht; vielmehr sind an einen solchen Gegenbeweis in dem Sinne "strenge Anforderungen" zu stellen, dass --zur Überzeugung des [X.] die Beweiswirkung des [X.]ses vollständig entkräftet und damit jede Möglichkeit seiner Richtigkeit ausgeschlossen sein muss (vgl. [X.] vom 1. Februar 2008 IV B 68/07, nicht veröffentlicht; vom 23. Februar 2006 IX B 206/05, [X.], 1667, und vom 31. Oktober 1996 VIII B 11/96, [X.] 1997, 459, sowie Gräber/Stapperfend, [X.]O, § 53 Rz 53).

9

Mit seinem unsubstantiierten Vortrag hat der Kläger die Beweiskraft des [X.]ses in keiner Weise erschüttert. Nach seinem Vorbringen bleibt bereits unklar, ob er überhaupt kein Urteil oder ob er lediglich ein nicht mit Gründen versehenes Urteil erhalten haben will. Abgesehen davon hat er in keiner Weise erläutert, aus welchen Gründen sein Sozia zwar im [X.] bestätigt hat, nicht nur die Niederschrift vom 29. Januar 2015, sondern auch das dazu gehörige Urteil erhalten zu haben, das Fehlen oder die Unvollständigkeit des Urteils aber unbemerkt bleiben konnte.

2. Von der Darstellung des Sachverhaltes und einer weiteren Begründung wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O abgesehen.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V B 20/15

22.09.2015

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend Thüringer Finanzgericht, 29. Januar 2015, Az: 4 K 94/14, Urteil

§ 53 FGO, § 104 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 174 Abs 2 ZPO, § 174 Abs 4 ZPO, § 418 Abs 1 ZPO, § 418 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.09.2015, Az. V B 20/15 (REWIS RS 2015, 5086)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5086

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6 ZB 23.1135

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