Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.03.2012, Az. VIII ZR 93/11

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8181

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 93/11
Verkündet am:

14. März 2012

Ring,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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2 -
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2011
durch den Vorsitzenden [X.], [X.]
Frellesen, die Richterin [X.] sowie [X.] [X.] und Dr.
Schneider
für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil
des [X.], Zivilkammer 20, vom 18. Februar 2011
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, verlangt von dem Beklagten, einem ehemaligen (Norm-)Sondervertragskunden, den sie [X.] mit Erdgas versorgt
hat, die Zahlung restlichen Entgelts für Gasliefe-rungen im Zeitraum vom 20. Januar 2004 bis zum 1. Februar 2008.
Der Beklagte hatte mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin einen als Sondervertrag überschriebenen [X.] abgeschlossen. [X.] war der 1. Januar 1998. Als Bruttoarbeitspreis waren in der [X.] (Jah-1
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3 -
resabnahme zwischen 11.001 kWh bis 60.000 kWh) 4,8645 Pfennig (etwa 2,49 Cent) pro Kilowattstunde vereinbart.
Ziffer 4 des Vertrages lautet:
"[Das Energieversorgungsunternehmen] ist berechtigt, [seine] Preise der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt anzupassen."
Ziffer 5 Satz 1 des
Vertrages lautet:
"Im übrigen erfolgt die Gaslieferung nach der "Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von [X.]"
([X.]) vom 21. [X.] 1979 (BGBl. S. 676) in der jeweils gültigen Fassung. Bei Widersprüchen ha-ben die Bestimmungen dieses Vertrages vor denen der [X.] den Vor-rang."

Die Klägerin erhöhte mehrfach den Arbeitspreis. Der Beklagte [X.] zunächst nicht, erbrachte die geforderten Abschlagszahlungen und wandte sich auch nicht gegen die Jahresabrechnungen. Mit
Schreiben vom 12.
Juli 2005 widersprach der Beklagte erstmalig
unter anderem wie folgt und behielt -
wie auch bei den anschließend erfolgten Erdgaslieferungen
-
erhebli-che Rechnungsbeträge ein:
"Ihrem Schreiben entnehme ich eine weitere Preisanpassung zum 1.8.2005. Diese Erhöhung halte ich angesichts der Entwicklung des Gasein-kaufspreises für unbillig. Da Sie mit keinem Ihrer Schreiben den Nachweis der Billigkeit erbracht haben, ist der von Ihnen geltend gemachte Anspruch nach §
315 Abs. 3 S. 2 BGB nicht fällig.

Ihre Preiserhöhung halte ich sowohl hin-sichtlich der Erhöhung zum April 2005 als auch zum August 2005 nach billigem Schon jetzt weise ich eine eventuell von Ihrer Seite vorgenommene Verrechnung meiner Zahlungen
auf der Basis der
von Ihnen geforderten Erhöhungssätze
zurück und fordere Sie auf, meine Zah-lungen nur auf der Basis des billigen [X.] von 1,54 ct/kWh zu 3
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4 -
verrechnen. Ich behalte [X.] vor, auch die Billigkeit dieses Betrages gegebenen-falls gerichtlich prüfen zu lassen und Überzahlungen zurückzufordern.

"
Die Klägerin, die die Belieferung bis zum 1. Februar 2008 fortsetzte
und den Arbeitspreis dabei noch mehrfach erhöhte,
hat behauptet, sie habe dem
Beklagten, und zwar zusammen mit einem Exemplar der [X.], durch Schreiben vom 10. April 2007 Folgendes mitgeteilt:

"Bisher war die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von [X.] ([X.]) mit ihren Ergänzenden Bestimmungen Bestandteil des Vertrages. Diese
wird hiermit durch die [X.] und die zugehörigen [X.] der [Klägerin] ersetzt.

künftig nach § 5 Abs. 2 [X.]. Dies bedeutet für Sie, dass z. B. eine Preisan-passung Ihnen gegenüber nicht wirksam wird, sollten Sie Ihren [X.] und innerhalb eines Monats nach Zugang der Kündigung einen Vertragsschluss mit einem anderen Anbieter nachweisen können.
Änderungen wie z.B. Preiserhöhungen gelten nur dann, wenn wir sie mindestens 6 Wochen vor Inkrafttreten öffentlich und auf unserer Internetseite bekannt ge-ben. Zusätzlich werden Sie von uns per Brief persönlich informiert."

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin

n-sen. Das Amtsget-gegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten
hat das Berufungsgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen; die Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbe-gehren weiter.

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5 -
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat
Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Der Klägerin stehe für den streitgegenständlichen Zeitraum kein weiterer Zahlungsanspruch für das gelieferte Gas aus § 433 Abs. 2 BGB zu. Denn die von der Klägerin vorgenommenen Preiserhöhungen seien nicht wirksam gewe-sen.
Die von der Klägerin verwendete Preisanpassungsklausel in Ziffer 4 des Vertrages sei gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, da die Klausel hinsichtlich des Umfangs der Preisänderung nicht klar und verständlich sei und die Kunden deswegen unangemessen benachteilige. Ein einseitiges Preisanpassungsrecht der Klägerin
ergebe sich auch nicht aus einem Rückgriff auf die [X.] be-ziehungsweise die [X.]. Denn § 4 [X.] gelte nicht subsidiär, wenn ein Vertrag eine eigenständige Vereinbarung zur Preisanpassung enthalte, die sich als abschließende Regelung darstelle. Ziffer 4 des Vertrages stelle eine solche abschließende Vereinbarung über die Preisanpassung dar. Da es sich um einen Sonderkundenvertrag handle, sei nach der Rechtsprechung des [X.] ein Rückgriff auf § 4 [X.] auch nicht auf der Grundlage des § 306 Abs. 2 BGB möglich.
Die Parteien hätten den Vertrag auch nicht dahingehend geändert, dass sich ein Preisanpassungsrecht der Klägerin seit dem 1. Juni 2007 aus § 5 [X.] ergebe. Denn das Schreiben der Klägerin vom 10. April 2007 stelle schon kein Angebot auf Ersetzung der Preisänderungsklausel in Ziffer 4 des 8
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Vertrages durch die Regelungen der [X.] dar. Ebenso wenig habe der [X.] die Preiserhöhungen durch den bloßen Weiterbezug von Gas
anerkannt.

Ein Recht der Klägerin zur einseitigen Preisänderung ergebe sich auch nicht durch ergänzende Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB. Eine sol-che komme nur in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch [X.] Gesetzesrecht füllen lasse und dies zu einem Ergebnis führe, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trage, sondern das Vertragsgefüge völlig ein-seitig zugunsten des Kunden verschiebe. Dies sei hier nicht der Fall. Der
Kläge-rin stehe gemäß § 32 Abs. 1 [X.], § 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] das Recht zu, sich mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Ablauf der Mindestver-tragslaufzeit von einem Jahr und sodann mit einer Frist von einem Monat auf das Ende des Kalendermonats vom Vertrag zu lösen. Bleibe sie bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden, führe dies nicht ohne weiteres zu einem unzumutbaren Ergebnis.
Für die Klägerin habe zudem
hin-reichender Anlass bestanden, eine Kündigung des [X.] zu ziehen. Dies gelte auch dann, wenn in dem [X.] neben der Reklamation der Preiserhöhung ausgeführt werde, welche Preiserhöhung der Kunde aufgrund eigener Erkundigungen für angemessen hielte
und mit welcher er einverstanden wäre. Insoweit mache sich die Kammer die Ausführungen des [X.] in einem Beschluss vom [X.] 2010 (1 S 28/10) zu eigen: Wenn der Kunde aufgrund der vom Energiever-sorger verwendeten Klausel rechtsirrig davon ausgehe, diese sei wirksam, so dass er
eine angemessene Preiserhöhung akzeptieren
müsse, könne eine da-hingehende Äußerung gegenüber dem Versorger nicht zu einem schutzwürdi-gen Vertrauen des Letzteren führen.

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7 -
Eine unzumutbare Belastung der Klägerin ergebe sich auch nicht daraus, dass sie befürchte, den Rückforderungen zahlreicher anderer Kunden ausge-setzt zu sein. Eine derartige -
dem Zivilrecht grundsätzlich fremde
-
Gesamtbe-trachtung liefe letztlich darauf hinaus, den Verwender gerade und nur deshalb zu privilegieren,
weil er eine rechtlich unhaltbare Klausel in einer Vielzahl von Vertragsverhältnissen verwende. Aus den in § 18 [X.] enthaltenen [X.] ergebe sich nichts anderes. Auch eine ergänzende Ver-tragsauslegung scheide deshalb aus, weil keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorhanden seien, welche Regelung die Parteien bei Kenntnis der [X.] der beanstandeten Klausel vereinbart hätten.
Der Klägerin stehe danach kein Anspruch auf Zahlung in der vom [X.] erkannten Höhe zu. Denn zwischen den Parteien gelte der im [X.] vereinbarte Preis als Festpreis. Der Beklagte habe bei einem Verbrauch von insgesamt 176.555,76 kWh im streitgegenständlichen Zeitraum einen Betrag -
abzüglich der geschuldeten Grundpreise
-
einem Gaspreis von gerundet 2,8 Cent je Kilowattstunde
entspreche und damit ober-halb des im [X.] vereinbarten Preises liege, so dass die Klägerin keine weitere Zahlung verlangen könne.

II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Zu Recht geht das Berufungsgericht zwar von der Unwirksamkeit der von der Klägerin verwendeten Preisanpassungsklausel
aus. Das Berufungsgericht hat aber
der Berechnung des Zahlungsanspruchs der Klägerin rechtsfehlerhaft den im Jahre 1998 vereinbarten [X.] je Kilowatt-stunde
zugrunde gelegt.
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8 -
1. Das Berufungsgericht ist im [X.] an die Rechtsprechung des [X.]s (vgl. [X.]surteil vom 28. Oktober 2009 -
VIII
ZR 320/07, NJW 2010, 993
Rn.
25 mwN) zutreffend vom Vorliegen eines (Norm-)Sonderkunden-vertrages und von der Unwirksamkeit des in diesem Vertrag vorgesehenen Preisänderungsrechts der Klägerin
ausgegangen. Gegen diese rechtliche Be-wertung wendet sich die Revision nicht.
Die Revision macht jedoch geltend, dass die
Unwirksamkeit der von der Klägerin
verwendeten Preisanpassungsklausel
zu einer
Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 [X.] führen müsse. Dem kann nicht gefolgt werden (vgl. da-zu [X.]surteile vom 28. Oktober 2009
-
VIII
ZR 320/07, aaO
Rn. 36 ff.; vom 13. Januar 2010 -
VIII
ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 Rn. 23 ff.).
a) Die
in Ziffer 5 Satz 1 des Vertrages enthaltene
Verweisung auf die [X.] in der jeweils gültigen Fassung
führt nicht zu einer Anwendbarkeit des im Verhältnis zu [X.] gemäß § 4 Abs. 1 und 2 [X.] bestehen-den Preisänderungsrechts des [X.].
Denn der
Ver-trag
enthält in Ziffer 4
eine eigenständige Vereinbarung zur Preisanpassung, die sich als abschließende Regelung darstellt. Eine ergänzende oder (für den Fall der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel) hilfsweise Anwendbarkeit von § 4 Abs. 1 und 2 [X.] lässt sich der ausgesprochenen Verweisung nicht, zumindest nicht mit der erforderlichen Klarheit,
entnehmen
(vgl. [X.]surteil vom 13. Januar 2010 -
VIII
ZR 81/08, aaO Rn. 24).

b) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen -
hier die formularmäßige Preisänderungsklausel
-
nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag grundsätzlich nach § 306 Abs. 1 BGB im Übrigen wirksam und richtet sich sein Inhalt gemäß § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. § 4 Abs. 1 und 2 [X.] zählt schon deshalb nicht zu den an 17
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die Stelle der unwirksamen Preisanpassungsklausel tretenden gesetzlichen Vorschriften, weil
es sich bei dem Beklagten
um einen ([X.] und nicht um einen [X.] im Sinne von § 1 Abs. 2 [X.] handelt.
Auch eine entsprechende Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 [X.] auf den zwischen den Parteien bestehenden (Norm-)Sonderkundenvertrag kommt nicht in Betracht (vgl. [X.]surteile
vom 28. Oktober 2009 -
VIII
ZR 320/07, aaO
Rn. 41 f.; vom 13. Januar 2010 -
VIII
ZR 81/08, aaO
Rn. 25).
2.
Zutreffend und von der Revision unbeanstandet ist das Berufungsge-richt ferner davon ausgegangen, dass der
Vertrag durch das Schreiben der Klägerin vom 10. April 2007
nicht dahingehend abgeändert worden ist, dass sich ein Preisanpassungsrecht der Klägerin aus § 5 [X.] ergibt. Dieses Schreiben stellt nach dem objektiven Verständnis des Erklärungsgegners schon kein Angebot auf Ersetzung der Preisänderungsklausel in Ziffer 4 des Vertrages durch die Regelungen der [X.] dar. Aus dem Schreiben wird nur deutlich, dass die bis dahin Ziffer 5 Satz 1 des Vertrages ergänzend anwendbaren [X.] der [X.]
nunmehr durch die Regelungen der [X.] er-setzt werden sollten. Dass darüber hinaus auch die Regelung in Ziffer 4 des Vertrages ersetzt und damit bedeutungslos werden sollte, lässt sich dem Schreiben
jedoch nicht, zumindest nicht
mit der erforderlichen
Klarheit
entneh-men.
3. Das Berufungsgericht hat -
von der Revision unbeanstandet
-
eben-falls zu
Recht angenommen, dass weder in der Zahlung der Abrechnungsbe-träge
noch in dem Weiterbezug von Gas eine
konkludente Zustimmung des Beklagten zur Erhöhung der Gaspreise gesehen werden kann.
Eine Vertragsänderung bedarf entsprechender übereinstimmender Wil-lenserklärungen der vertragschließenden Parteien. Hier fehlt es schon an einem 21
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entsprechenden Vertragsangebot der Klägerin. Aus der maßgeblichen Sicht des Kunden lässt sich der Übersendung einer Jahresabrechnung, die einseitig erhöhte Preise ausweist, nicht der Wille des Versorgungsunternehmens ent-nehmen, eine Änderung des [X.] hinsichtlich
des [X.]n Preises herbeizuführen (vgl. [X.]surteil vom 14. Juli 2010 -
VIII
ZR 246/08, [X.], 180 Rn. 57 mwN).
4. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Berechnung des Zahlungsanspruchs der Klägerin jedoch nicht der bei Vertragsschluss ge-schuldete Anfangspreis zugrunde zu legen. Dies ergibt sich aus einer ergän-zenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des [X.], de-ren Voraussetzungen das Berufungsgericht zu Unrecht verneint hat und die dazu führt, dass sich der
Beklagte nicht darauf berufen kann, nur zur Zahlung des ursprünglich vereinbarten Anfangspreises verpflichtet zu sein.
Beide Parteien waren sich bei Vertragsschluss einig, dass der [X.] ([X.] nur zu Beginn des [X.] gelten und bei späteren Änderungen der Preise auf dem Wärmemarkt
ein anderer Preis ge-schuldet sein sollte. Da die von ihnen vereinbarte Preisänderungsklausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) nicht standhält, ist im Regelungsplan der Parteien eine Lücke eingetreten ([X.]surteil vom heutigen Tage
-
VIII
ZR 113/11 unter [X.] mwN, zur Veröffentlichung bestimmt).
Diese Lücke im Vertrag ist im Wege einer ergänzenden Vertragsausle-gung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise zu schließen, dass der Beklagte
die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen 24
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-
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Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
a) Zwar hat der [X.] in Fällen, in denen auf Feststellung der [X.] bestimmter Preiserhöhungen gerichtete Klagen von (Norm-)Son-dervertragskunden Erfolg hatten, die Voraussetzungen einer ergänzenden Ver-tragsauslegung mit dem Ziel der Ersetzung einer unwirksamen Preisanpas-sungsklausel durch eine wirksame Klausel als nicht erfüllt angesehen (vgl. Se-natsurteile vom 9.
Februar 2011 -
VIII
ZR 295/09, NJW 2011, 1342 Rn. 38 f.; vom 13. Januar 2010 -
VIII
ZR 81/08, aaO
Rn. 27
f.; jeweils mwN). Diese Fälle waren aber dadurch gekennzeichnet, dass das Energieversorgungsunterneh-men es selbst in der Hand
hatte, einer nach Widerspruch oder Vorbehaltszah-lung des Kunden zukünftig drohenden unbefriedigenden Erlössituation durch Ausübung des ihm vertraglich eingeräumten Kündigungsrechts in zumutbarer Weise zu begegnen.
Offen gelassen hat der [X.] die -
im Streitfall entscheidungserhebliche
-
Frage, ob eine nicht mehr hinnehmbare Störung des Vertragsgefüges dann an-zunehmen ist, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basieren-den Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die [X.] der Preiserhöhungen geltend macht ([X.]surteil vom 14. Juli 2010 -
VIII ZR 246/08, aaO Rn. 52). Das ist -
wie der [X.] in seinem
Urteil vom
heu-tigen Tage ([X.] unter [X.] b -
e) näher ausgeführt
hat
-
zu bejahen.
In diesen Fällen vermag die vertraglich vorgesehene, nur in die Zukunft wirkende Kündigungsmöglichkeit des Energieversorgungsunternehmens die [X.] im Vertrag nicht in einer für beide Seiten zumutbaren Weise zu schließen. Denn bevor der
Kunde
Widerspruch
erhoben
oder nur noch unter Vorbehalt 27
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gezahlt hatte, hatte das Energieversorgungsunternehmen keinen Anlass, das bis dahin praktizierte Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung in Frage gestellt zu sehen und dementsprechend das [X.] zu kündigen.
Das trifft auch hier zu.

Etwas anderes ergibt sich vorliegend
nicht daraus, dass nicht der Kunde die Rückforderung eines nach seiner Ansicht überhöhten Gaspreises begehrt,
sondern der Versorger seinerseits gegenüber dem Kunden den Kaufpreis für das entnommene Gas beansprucht. Denn dass der Versorger und nicht der Kunde als Kläger auftritt, ändert an der maßgeblichen Interessenlage der Par-teien nichts.
b) Unter Berücksichtigung dieser im [X.]surteil vom heutigen Tage ([X.] aaO) näher dargestellten Interessenlage
hätten sich die Parteien nach Ansicht des [X.]s zu einer Regelung des Inhalts bereitgefunden, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berück-sichtigt
worden ist, beanstandet hat.
5. In Anwendung vorstehender
Grundsätze ergibt sich für den Streitfall Folgendes:
a) Der Beklagte wendet sich gegen die Berechnung des [X.] der Klägerin, indem er sich allgemein auf die Unwirksamkeit der [X.] und damit auf eine Fortgeltung des
im Jahre
1998 verein-barten Ausgangspreises
von 4,8645 Pfennig pro Kilowattstunde beruft. Der [X.] hat den von der Klägerin vorgenommenen Preiserhöhungen aber erst-mals
mit Schreiben vom
12. Juli 2005 widersprochen und erst danach erhebli-29
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13 -
che Rechnungsbeträge nicht bezahlt.
Während einer vorausgegangenen Ver-tragslaufzeit von über sieben Jahren hat der Beklagte die Preiserhöhungen und Jahresabrechnungen dagegen
ohne Beanstandungen hingenommen, so dass für den Energieversorger zuvor keine Veranlassung bestanden hat, eine Been-digung des (Norm-)Sondervertragskundenverhältnisses in Erwägung zu ziehen. Die Klägerin kann mithin nicht an dem bei Vertragsschluss vereinbarten Preis festgehalten werden.
b) Welchen Arbeitspreis die Klägerin ihrem
Zahlungsanspruch zugrunde legen kann, hängt davon ab, wann dem Beklagten die einzelnen Jahresabrech-nungen der Klägerin zugegangen sind und gegen welche der darin enthaltenen Preiserhöhungen der Widerspruch des Beklagten vom 12. Juli 2005 somit noch rechtzeitig innerhalb der bezeichneten Dreijahresfrist erfolgt ist. Hierzu hat das Berufungsgericht -
von seinem Standpunkt aus folgerichtig
-
keine Feststellun-gen getroffen.
c) Anders als die Revision meint, kommt eine noch weitergehende Ver-tragsauslegung dahin, dass der Beklagte sich auch auf die Unwirksamkeit spä-terer Preiserhöhungen nicht berufen könne, weil die Klägerin vor Ende des [X.] 2009 keinen Anlass zur Kündigung des [X.] gehabt habe, nicht in Betracht. Der vom Beklagten mit Schreiben vom
12. Juli 2005 erhobene Widerspruch hat vielmehr auch alle ihm zeitlich nachfolgenden [X.] erfasst. Hierin hatte der Beklagte deutlich gemacht, dass er mit den [X.] nicht einverstanden war, und sich vorbehalten, auch die Billigkeit des von ihm für angemessen gehaltenen [X.] gerichtlich prüfen zu lassen sowie
Überzahlungen zurückzufordern. Das
zeigt, dass es dem [X.]n nicht nur
darauf ankam, von der Klägerin einen Billigkeitsnachweis zu erhalten, sondern dass er gegebenenfalls die Berechtigung der Klägerin, einen bestimmten Preis zu verlangen, in vollem Umfang gerichtlich nachprüfen lassen 33
34

-
14 -
wollte. Dies wiederum gab der Klägerin Anlass, nunmehr eine Beendigung des mit dem Beklagten bestehenden (Norm-)Sonderkundenverhältnisses
in Erwä-gung zu ziehen.
aa) Die
Revision
meint, ein
solcher
Anlass
habe sich erst
aufgrund
zwei-er
Urteile des [X.] vom 24. April 2008 ([X.], [X.], 244 ff.) und
vom 17. Dezember 2008 ([X.]/06,
BGHZ 179, 186 ff.)
erge-ben, weil erst hierdurch klargestellt worden sei, dass eine zuvor in der [X.]s-rechtsprechung für die [X.] Überprüfung anerkannte Leitbildfunktion der [X.] nicht mehr uneingeschränkt angenommen werden könne. Bis dahin sei diese Leitbildfunktion Grundlage für die allgemeine Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum gewesen, dass in Strom-
und Gaslieferungsver-trägen auch offene [X.] zulässig seien. Das trifft indessen nicht zu.
Die Rechtslage war
schon vorher nicht derart
klar, dass die Klägerin
kei-ne Veranlassung zu sehen brauchte, sich auf den Widerspruch des Beklagten hin auch einer Überprüfung der von ihr verwendeten Preisanpassungsklausel auf deren Wirksamkeit zu stellen (vgl. [X.]surteil vom 13. Dezember 2006
-
VIII
ZR 25/06, NJW 2007, 1054 Rn. 25, 30, 34 ff. sowie vorausgehend [X.], [X.], 341, 342 f.; ferner zum [X.], [X.], 262, 266 ff.).
Wenn die Klägerin
dies unterlassen und/oder sich dafür entschie-den hat, das Vertragsverhältnis gleichwohl
fortzuführen, trägt sie das Risiko, dass sich die Klausel -
entgegen ihrer Einschätzung
-
später als unwirksam er-weist
(vgl. [X.]surteil vom 5. März 2008 -
VIII
ZR 95/07, [X.], 278 Rn.
20 mwN).
bb) Soweit
die Revision
auf
eine
Pressemitteilung des [X.] vom 2. November
2006 verweist, wonach Änderungskündigungen als Reaktion 35
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15 -
auf [X.], mit denen die Billigkeit einer Preisänderung [X.] wird,
kartellrechtlich unzulässig seien,
und daraus die Unzumutbarkeit einer Kündigung des (Norm-)Sonderkundenvertrages herzuleiten versucht, zeigt sie bereits keinen dahin gehenden Sachvortrag
in den Tatsacheninstan-zen auf. Zudem betrifft dies -
worauf die Revisionserwiderung mit Recht hin-weist
-
nicht diejenigen Fälle, in denen der Versorger Anlass hat, eine Beendi-gung des mit dem (Norm-)Sonderkunden bestehenden [X.] deshalb in Erwägung zu ziehen, weil die Wirksamkeit des in Anspruch genom-menen Preisänderungsrechts Zweifeln unterliegt.
cc) Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ei-ne Überführung des Vertragsverhältnisses in einen [X.]vertrag zu deut-lich höheren Preisen für den Beklagten geführt hätte, so dass sie im Interesse des Kunden auf eine Kündigung verzichtet habe. Denn sie hätte dem Kunden auch einen neuen Sonderkundenvertrag mit vereinbarten günstigeren Preisen als in der Grundversorgung anbieten können.

38

-
16 -
III.
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen zum Zugang der Jahresabrechnungen getrof-fen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ball
Dr. Frellesen
[X.]

[X.]
Dr. Schneider
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.05.2010 -
410A [X.]/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 18.02.2011 -
320 S 129/10 -

39

Meta

VIII ZR 93/11

14.03.2012

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.03.2012, Az. VIII ZR 93/11 (REWIS RS 2012, 8181)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8181

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 93/11

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