Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.01.2017, Az. VII B 158/16

7. Senat | REWIS RS 2017, 17191

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Gegenstand

Inhaltliche Anforderungen an die Rechtsbehelfsbelehrung in einer Einspruchsentscheidung


Leitsatz

NV: Eine Rechtsbehelfsbelehrung in einer Einspruchsentscheidung ist nicht deshalb "unrichtig" i.S. des § 55 Abs. 2 FGO, weil dort das anzurufende FG ohne dessen Faxnummer angegeben ist .

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 11. März 2016  9 K 2161/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) hat die  [X.]lägerin und Beschwerdeführerin ([X.]lägerin) mit Haftungsbescheid vom 3. Juli 2012 als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen. Der Einspruch hatte nur teilweise Erfolg. Die vom zuständigen Sachbearbeiter des [X.] erstellte Einspruchsentscheidung vom 22. Mai 2014, der eine Rechtsbehelfsbelehrung unter Angabe der Telefaxnummer des [X.], nicht jedoch der Telefaxnummer des Finanzgerichts ([X.]) beigefügt war, wurde mit einfachem Brief an die [X.]lägerin persönlich versendet. Am 27. Juni 2014 ging die gegen die Verwaltungsentscheidungen gerichtete [X.]lage beim [X.] ein, die das [X.] als unzulässig zurückwies. Zur Begründung führte es aus, dass nach erfolgter Beweiserhebung und Vernehmung des [X.] als Zeugen feststehe, dass die Einspruchsentscheidung am 22. Mai 2014 zur Post aufgegeben und der [X.]lägerin gemäß § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) am 26. Mai 2014 bekanntgegeben worden sei. Infolgedessen habe der [X.]lageeingang erst am 27. Juni 2014 die Monatsfrist des § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) nicht gewahrt. Entgegen der Auffassung der [X.]lägerin erfordere eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung nicht die Angabe der Telefaxnummer des [X.]. Darauf deute bereits der insoweit eindeutige Wortlaut des § 55 Abs. 1 [X.]O hin. Hinsichtlich der Einspruchseinlegung (§ 357 Abs. 1 Satz 1 [X.]) habe der [X.] ([X.]) entschieden, dass eine Rechtsmittelbelehrung, die nur den Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung wiederhole, nicht wegen des fehlenden Hinweises auf die Möglichkeit der [X.]lageerhebung auf elektronischem Wege rechtsfehlerhaft sei. Im Übrigen hätte die [X.]lägerin die [X.]lage fristwahrend beim [X.] erheben können, worauf in der streitgegenständlichen Rechtsbehelfsbelehrung ausdrücklich hingewiesen worden sei.

2

Mit ihrer Beschwerde begehrt die [X.]lägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) und wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O). Für die Aufgabe der Einspruchsentscheidung zur Post trage das [X.] die [X.]. Ein Absendevermerk durch [X.] oder die Poststelle des [X.] sei weder auf der Einspruchsentscheidung vom 22. Mai 2014 noch in den Akten. Zur [X.]lärung der Frage, wann die Einspruchsentscheidung zur Post aufgegeben worden sei, sei die Vernehmung des [X.] nicht geeignet gewesen, zumal dieser lediglich ausgesagt habe, die Entscheidung in das in [X.] befindliche Postausgangsfach gelegt zu haben. Eine Vernehmung eines Mitarbeiters der Poststelle des [X.] --z.[X.] zum Beweisthema der Sortierung der versandfertigen Bescheide nach Datum in unterschiedliche [X.] habe das [X.] unterlassen. Zu ihren Gunsten sei im Streitfall davon auszugehen, dass die Einspruchsentscheidung nicht vor dem 26. Mai 2014 zur Post gegeben worden sei. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung nach § 55 Abs. 1 [X.]O neben der Angabe des Sitzes des Gerichts, bei dem die [X.]lage anzubringen ist, auch die Angabe der Telefaxnummer erfordert bzw. ob eine Rechtsbehelfsbelehrung in einer Einspruchsentscheidung jedenfalls dann nicht unrichtig i.S. des § 55 [X.]O ist, wenn dort zwar das anzurufende [X.] nicht konkret angegeben ist, zugleich jedoch auf die Möglichkeit des Anbringens der [X.]lage beim [X.] hingewiesen wird und das hierfür zuständige [X.] zutreffend bezeichnet worden ist.

3

Das [X.] ist der Beschwerde entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

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II. [X.] ist als unbegründet zurückzuweisen. Der aufgeworfenen Frage kommt mangels [X.]lärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung zu. Der behauptete Verfahrensmangel unzureichender Sachaufklärung liegt nicht vor.

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1. Einer Rechtsfrage kommt nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie klärungsbedürftig ist. Das ist sie, wenn ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, so dass mehrere Lösungen vertretbar sind (vgl. Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 28). An der zu fordernden [X.]lärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das [X.] in seiner Entscheidung getan hat, wenn die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.] vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, [X.], 559, [X.] 1999, 231, und vom 31. Mai 2000 X B 111/99, [X.], 1461). Darüber hinaus ist eine Rechtsfrage auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie durch die Rechtsprechung des [X.] hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den [X.] geboten erscheinen lassen ([X.]-Beschluss vom 4. Mai 1999 IX B 38/99, [X.]E 188, 395, [X.] 1999, 587).

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Nach § 55 Abs. 1 [X.]O beginnt die Frist für einen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Zutreffend hat das [X.] darauf hingewiesen, dass dem Wortlaut dieser Bestimmung das Erfordernis der Angabe einer Telefaxnummer nicht zu entnehmen ist. Zudem ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] eine Rechtsmittelbelehrung nicht deshalb unrichtig, weil das [X.] nicht auf die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsbehelfs statt in schriftlicher in elektronischer Form hingewiesen hat ([X.]-Urteile vom 20. November 2013 [X.], [X.]E 243, 158, [X.] 2014, 236; vom 5. März 2014 VIII R 51/12, [X.]/NV 2014, 1010; vom 18. März 2014 VIII R 33/12, [X.]E 246, 1, [X.] 2014, 922, und vom 18. Juni 2015 IV R 18/13, [X.]/NV 2015, 1349) oder wenn dort zwar das anzurufende [X.] nicht konkret angegeben, jedoch auf die Möglichkeit des Anbringens der [X.]lage beim [X.] hingewiesen und das hierfür zuständige [X.] zutreffend bezeichnet worden ist ([X.]-Urteil vom 17. Mai 2000 I R 4/00, [X.]E 192, 15, [X.] 2000, 539). Daraus folgt, dass die Angabe des Gerichts und seines Sitzes als ausreichend zu betrachten ist, wobei es offen bleiben kann, ob die Bezeichnung des Sitzes die Angabe der postalischen Anschrift erfordert. Über die Wiedergabe des Wortlauts des § 55 Abs. 1 [X.]O hinaus ist es somit nicht erforderlich, in der Rechtsbehelfsbelehrung zusätzlich eine Internet-Verbindung oder eine Telefaxnummer anzugeben, zumal die Ermittlung einer Internet-Verbindung oder einer Telefaxnummer bei Nutzung moderner Recherchemöglichkeiten keine besonderen Schwierigkeiten bereiten dürfte.

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Auch die überwiegende Ansicht im Schrifttum geht davon aus, dass die Angabe der Telefaxnummer nicht erforderlich ist ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 55 [X.]O Rz 26; [X.] in [X.], [X.]O § 55 Rz 16; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 55 Rz 17; [X.] in [X.]/ [X.], [X.], [X.]O, § 55 [X.]O Rz 16b; a.[X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 55 [X.]O Rz 9, und [X.], Muss die Rechtsbehelfsbelehrung die [X.] des [X.] angeben?, [X.] 1995, 563). Selbst eine unterlassene Angabe des Gerichts ist dann unschädlich, wenn in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die Möglichkeit hingewiesen wird, dass die [X.]lageschrift fristwahrend bei der Finanzbehörde eingereicht werden kann. Der von der [X.]lägerin aufgeworfenen Frage kommt daher keine grundsätzliche Bedeutung zu.

8

Im Übrigen ergaben sich im Streitfall die Bezeichnung des Gerichts und dessen postalische Anschrift sowie der Hinweis auf die fristwahrende [X.]lageerhebung durch die Anbringung der [X.]lage beim [X.] aus der vom [X.] erteilten Rechtsbehelfsbelehrung, so dass es der [X.]lägerin möglich gewesen wäre, ihre [X.]lage fristwahrend beim [X.] oder schriftlich beim [X.] einzureichen. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass sie zur Wahrnehmung ihrer Rechte auf die Angabe einer Telefaxnummer des [X.] angewiesen gewesen wäre.

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2. Soweit die [X.]lägerin eine Verletzung der dem [X.] nach § 76 Abs. 1 [X.]O obliegenden Sachaufklärungspflicht rügt, liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor. Das [X.] hat in seiner Urteilsbegründung nachvollziehbar dargelegt, warum es zu dem Ergebnis einer Absendung der Einspruchsentscheidung am 22. Mai 2014 gekommen ist. Dabei hat es sich auf die Aussage des als Zeugen vernommenen [X.] und auf das beim [X.] praktizierte Postausgangsverfahren bezogen. In verfahrensrechtlich zulässiger Weise hat es als zusätzliches Indiz für das angenommene Absendedatum den Umstand gewertet, dass ein weiteres Schreiben mit Datum vom 22. Mai 2014 nachweisbar am Folgetag eingegangen war. Dabei hat es ersichtlich einer Sortierung der versandfertigen Bescheide nach Datum in unterschiedliche Fächer keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Die Schlussfolgerungen des [X.] sind zwar nicht zwingend, jedoch möglich ([X.]-Urteil vom 9. Dezember 2009 II R 52/07, [X.]/NV 2010, 824).

Soweit die [X.]lägerin beanstandet, das [X.] habe die Vernehmung eines Mitarbeiters der Poststelle unterlassen, ist dem Protokoll über die mündliche Verhandlung ein entsprechender Beweisantrag nicht zu entnehmen, so dass die in der Verhandlung fachkundig vertretene [X.]lägerin insoweit ihr [X.] verloren hat (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, [X.], 597).

3. Die [X.]ostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII B 158/16

18.01.2017

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 11. März 2016, Az: 9 K 2161/14, Urteil

§ 55 Abs 2 S 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.01.2017, Az. VII B 158/16 (REWIS RS 2017, 17191)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17191

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