Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.07.2010, Az. 10 W (pat) 27/08

10. Senat | REWIS RS 2010, 4752

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

- verschuldete Fristversäumnis - Verschuldensmaßstab


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent …

(wegen Wiedereinsetzung)

hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli  2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] sowie der Richterin [X.] und des Richters Eisenrauch

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin ist die eingetragene Inhaberin des am 9. Februar 2000 angemeldeten Patents … mit der Bezeichnung "…", das ihr vom [X.] ([X.]) mit Beschluss vom 8. November 2006 erteilt worden war.

2

Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 19. Juli 2007 hat der weitere Beteiligte Einspruch gegen das Patent erhoben. Das Einspruchsverfahren ist gegenwärtig noch vor der [X.] des [X.] anhängig.

3

Nachdem die Gebühr für das 8. Patentjahr am 28. Februar 2007 fällig geworden und diese Gebühr nicht innerhalb des "[X.]" Zeitraums von zwei Monaten entrichtet worden war, hat das [X.] mit Bescheid vom 9. Juli 2007 die [X.] Vertreter der Patentinhaberin darüber benachrichtigt, dass die Aufrechterhaltung des Patents von der Zahlung einer Gebühr in Höhe von 240,00 Euro zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von 50,00 Euro (insgesamt 290,00 Euro) bis zum 31. August 2007 abhänge. Eine fristgerechte Zahlung erfolgte nicht.

4

Mit Eingabe vom 6. Januar 2008, eingegangen beim [X.] am 7. Januar 2008, hat die Patentinhaberin zur der von ihr versäumten Zahlungsfrist durch ihre [X.] Vertreter einen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt und mit beigefügter Einzugsermächtigung die 8. Patentjahresgebühr nebst dem Zuschlag (290,00 Euro) nachentrichtet. Der Wiedereinsetzungsantrag wird damit begründet, dass die für Auslandskontakte der Patentinhaberin zuständigen koreanischen Vertreter, das Patentanwaltsbüro [X.] in [X.] (im Folgenden: [X.]), ohne Verschulden verhindert gewesen seien, einen Kostenvorschuss an die [X.] Vertreter der Patentinhaberin zu übermitteln. Daneben sei auch die Patentinhaberin ohne Verschulden außer Stande gewesen, den [X.] Vertretern einen Auftrag zur Zahlung der Jahresgebühr zu erteilen.

5

Im Einzelnen führt die Patentinhaberin aus, dass [X.] zwar rechtzeitig mit Telefax vom 21. Februar 2007 den [X.] Vertretern den Auftrag zur Zahlung der 8. Patentjahresgebühr erteilt habe. Diese seien aber ohne Zahlung eines Kostenvorschusses nicht zur Ausführung des Auftrags bereit gewesen, da [X.] Leistungen, die die [X.] Vertreter in der Vergangenheit zugunsten der Patentinhaberin erbracht hätten, stets nur zögerlich oder überhaupt nicht erstattet hätten. Die [X.] Vertreter der Patentinhaberin hätten [X.] in dem hier in Rede stehenden Fall u. a. mit Schreiben vom 26. Februar 2007, 2. Mai 2007 und 20. Juni 2007 vergeblich um eine Stellungnahme und/oder Zahlung gebeten. Erst später habe man erfahren, dass [X.] sich zu diesem Zeitpunkt bereits personell und wirtschaftlich in Auflösung befunden habe. Die innerhalb von [X.] bisher für die Auslandskorrespondenz verantwortliche Person, eine Frau

6

Die Versäumung der Zahlungsfrist sei den [X.] Vertretern der Patentinhaberin am 6. November 2007 aufgefallen, als sie - wegen des erhobenen Einspruchs - die Patentakte wieder in Bearbeitung genommen hätten.

7

Das [X.] - [X.] - hat mit Beschluss vom 1. April 2008 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Die Abteilung hat ihre Entscheidung damit begründet, dass sowohl ein fahrlässiges Verhalten des koreanischen Patentanwaltsbüros [X.] als auch ein fahrlässiges Verhalten der Patentinhaberin zum Fristversäumnis geführt habe. [X.] sei zwischen dem 23. Februar und 20. Juni 2007 von den [X.] Vertretern der Patentinhaberin mehrfach über den drohenden [X.] informiert worden. Obwohl die Dringlichkeit der Zahlung aus den zahlreichen Schreiben deutlich hervorgegangen sei, habe [X.] nicht reagiert. Auch das Ausscheiden von Frau

8

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Patentinhaberin mit ihrer Beschwerde. Sie lässt mit ihrer im Juli 2010 beim [X.] eingegangenen Beschwerdebegründung ergänzend vortragen, innerhalb der koreanischen Patentanwaltskanzlei [X.] sei die Frist für die Zahlung der hier in Rede stehenden Patentjahresgebühr mit größter Sorgfalt überwacht worden. Die verantwortliche Sachbearbeiterin, Frau

9

[X.] hat weder im patentamtlichen Verfahren noch im Beschwerdeverfahren Mittel zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags vorgelegt.

[X.] beantragt (sinngemäß),

den Beschluss des [X.]s vom 1. April 2008 aufzuheben und ihr Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 8. Patentjahresgebühr (mit Zuschlag) zu gewähren.

Der weitere Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Umstand, dass sich das für die Auslandskontakte der Patentinhaberin zuständige koreanische Patentanwaltsbüro [X.] offenbar in Zahlungsschwierigkeiten befunden habe, rechtfertige keine Wiedereinsetzung. [X.] hätte zudem selbst reagieren müssen, nachdem sich ihre [X.] Vertreter unmittelbar bei ihr gemeldet hätten.

II.

Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin ist unbegründet. Die Zurückweisung ihres Antrags auf Widereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 8. Jahresgebühr durch das [X.] ist nicht zu beanstanden. Die hiergegen von der Patentinhaberin vorgebrachten Einwände verhelfen ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg.

1.[X.] hat die Frist zur Zahlung der nach § 17 Abs. 1 [X.] zu entrichtenden 8. Jahresgebühr versäumt. Diese war gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 PatKostG am 28. Februar 2007 fällig geworden und konnte gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 PatKostG bis zum 30. April 2007 zuschlagfrei und bis zum 31. August 2007 mit Verspätungszuschlag (§ 7 Abs. 1 Satz 2 PatKostG) gezahlt werden. Da keine fristgerechte Zahlung erfolgt ist, ist das Patent gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 [X.] erloschen.

2.a) Der am 7. Januar 2008 gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig, insbesondere ist durch ihn auch die 2-monatige Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 [X.] gewahrt worden. Gemäß dieser Regelung beginnt die [X.] mit "Wegfall des Hindernisses" zu laufen, was jedenfalls dann der Fall ist, wenn der Säumige oder sein Vertreter bei der Aufwendung der ihm zuzumutenden Sorgfalt nicht mehr gehindert ist, die versäumte Handlung vorzunehmen (vgl.

b) Die sachlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung sind allerdings nicht gegeben. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann Wiedereinsetzung nur gewährt werden, wenn der Antragsteller glaubhaft darlegt, dass er ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten, deren Versäumnis nach den gesetzlichen Vorschriften einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Bei der Beurteilung des Verschuldens ist als Maßstab die Beachtung der üblichen, im Einzelfall zumutbaren Sorgfalt zugrunde zu legen, wobei die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden dürfen (vgl. [X.], 1709, 1710; NJW 2000, 3143 [unter II]; B[X.]E 24, 140, 142 ff.;

Gemäß dem unstreitigen Sachverhalt war die Patentinhaberin (beginnend) mit dem Schreiben ihrer [X.] Vertreter vom 14. Juni 2007, das den deutlichen Hinweis "[X.] [X.], [X.] OF [X.]" enthielt, unmittelbar von den Schwierigkeiten mit ihrem für Auslandskontakte zuständigen, örtlichen Patentanwaltsbüro [X.] und von dem drohenden [X.] in Kenntnis gesetzt worden. Dieses Schreiben war mit der vollständigen Postadresse der Patentinhaberin an deren "Patent Division" gerichtet und sowohl per Telefax als auch per Post ("[X.]") übermittelt worden. Nachdem die Patentinhaberin hierauf nicht reagiert hatte, wurden dieser von ihren [X.] Vertretern im Zeitraum vom 20. bis 27. Juni 2007 fast im Tagesrhythmus sechs "Reminder" zum Schreiben vom 14. Juni 2007 per Telefax zugesandt. Danach folgte noch ein entsprechendes Schreiben vom 4. Juli 2007. Letztmalig war die Patentinhaberin von ihren [X.] Vertretern mit Schreiben vom 31. Juli 2007 nochmals ausführlich darüber informiert worden, dass zum Patent noch eine Jahresgebühr offen sei, diese Gebühr ohne ausdrückliche Weisung oder Kostenvorschuss nicht gezahlt werden könne und andernfalls der Verlust des Patents mit Wirkung zum 31. August 2007 die Folge sei. Dieses letzte Schreiben war als eingeschriebene Sendung mit Rückschein übermittelt worden, wobei die vorgelegte Kopie des Rückscheins einen Poststempel mit Datum "[X.]" und den Schriftzug "[X.]" zeigt, was auf den erfolgreichen Zugang bei der in der Nähe des "[X.]-Parks" in [X.] ansässigen Patentinhaberin schießen lässt. Der Umstand, dass die Patentinhaberin offenbar nicht in der Lage war, auf eines dieser Schreiben und Telefaxe ihrer [X.] Vertreter zu reagieren, lässt auf einen vorwerfbaren, schweren Mangel in der Organisationsstruktur der Patentinhaberin schließen.

Nach [X.] Recht muss ein Mandant, der Kenntnis von einer wichtigen Antrags-, Rechtsmittel- oder Zahlungsfrist hat, stets sicherstellen, dass sein anwaltlicher Vertreter ihn rechtzeitig vor Ablauf der Frist zumindest telefonisch erreichen kann. Wird dagegen - wie hier - eine wichtige Frist auch deshalb versäumt, weil der Mandant untätig geblieben ist und folglich keine Entscheidung über die Vornahme einer fristgebundenen Handlung getroffen werden konnte, so trifft ihn ein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden (vgl. [X.], 1608). Auf das Verhalten der Patentinhaberin trifft dies in vollem Umfang zu, da diese offensichtlich in organisatorischer Hinsicht nicht die notwendige Sorgfalt aufgewandt hat, die man verständlicherweise von einem großen Unternehmen, das über eine eigene Patentabteilung verfügt, erwarten konnte. Dies spiegelt sich auch in den geschilderten Arbeitsanweisungen der Patentinhaberin wieder, die zwar die Anweisung enthalten, dass bei Erhalt irgendeines Schreibens eines ausländischen [X.] dieses zunächst zur Bearbeitung an das lokale Büro des patentanwaltlichen Vertreters in [X.] abgegeben werden muss, die aber offenbar keine Notzuständigkeit für solche Fälle regeln, in denen ein unmittelbar bevorstehender Rechtsnachteil droht, der nur durch ein rasches Handeln durch die zuständigen und verantwortlichen Personen der Patentinhaberin selbst abgewendet werden kann. Der Umstand, dass die Patentinhaberin den Inhalt ihrer Arbeitsanweisungen oder die tatsächlichen Abläufe möglicherweise nicht vollständig und geschlossen geschildert hat, geht hierbei zu ihren Lasten (vgl. [X.], 3501, 3502).

Da bereits durch ein schuldhaftes Verhalten der Patentinhaberin selbst eine Wiedereinsetzung nicht in Frage kommt, kann dahingestellt bleiben, ob ein solches Verhalten auch den Vertretern der Patentinhaberin vor Ort oder den [X.] Vertretern der Patentinhaberin vorzuwerfen sein könnte. Bei den [X.] Vertretern dürfte allerdings ein schuldhaftes Verhalten zu verneinen sein, da diese Vertreter gemäß der Regelung des § 9 RVG, die auf [X.] Patentanwälte entsprechend anzuwenden ist, berechtigt waren, die Zahlung der 8. Patentjahresgebühr von der Leistung eines Kostenvorschusses abhängig zu machen (vgl. [X.], 143, 145), und diese sich ansonsten - soweit ersichtlich - mit allen ihnen möglichen und zumutbaren Mitteln bemüht hatten, auf die Einhaltung der Zahlungsfrist hinzuwirken.

Meta

10 W (pat) 27/08

15.07.2010

Bundespatentgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.07.2010, Az. 10 W (pat) 27/08 (REWIS RS 2010, 4752)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4752

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

10 W (pat) 16/10 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren - Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Jahresgebühr – Nichtweiterleitung von amtlichen …


10 W (pat) 20/12 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – „Vorrichtung zur Abdichtung von Kabeln, Leitungen bzw. Rohren in Wanddurchbrüchen“ – qualifizierte elektronische …


10 W (pat) 37/08 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Patentjahresgebühr nebst Zuschlag - Versäumung der …


10 W (pat) 16/09 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – "Verfahren und Vorrichtung zur plasma-chemischen Reduzierung von gasförmigen und/oder festen Schadstoffen in Abgasen …


10 W (pat) 32/10 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – "Objektfassung" – Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Patentjahresgebühr nebst Verspätungszuschlag – …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.