Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.10.2012, Az. 10 W (pat) 16/10

10. Senat | REWIS RS 2012, 2377

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren - Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Jahresgebühr – Nichtweiterleitung von amtlichen Gebührenmitteilungen durch anwaltlichen Vertreter - Zurechnung des Verschuldens


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 699 39 333 ([X.] 036)

wegen Wiedereinsetzung

hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2012 durch [X.] sowie die Richterin [X.] und den Richter Eisenrauch

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Antragstellerin ist auf die [X.] Anmeldung 99 965 231.6 vom 13. Dezember 1999 das Patent [X.] 036 mit Wirkung u. a. auch für das Hoheitsgebiet der [X.] erteilt worden. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 13. August 2008 veröffentlicht. Der nationalisierte Teil des [X.]n Patents hat beim [X.] ([X.]) das Aktenzeichen 699 39 333.7-08 erhalten. Nachdem die Gebühr für das 10. Patentjahr am 31. Dezember 2008 fällig geworden war und diese Gebühr nicht innerhalb des "[X.]" Zeitraums von 2 Monaten entrichtet wurde, hat das [X.] auf der Grundlage von § 7 Abs. 1 PatKostG mit Gebührenmitteilung ("Wichtige Mitteilung!") vom 15. Mai 2009 den [X.] Inlandsvertreter der Antragstellerin darüber informiert, dass die Aufrechterhaltung des Patents von der Zahlung einer Gebühr in Höhe von 350,00 € zuzüglich eines Verspätungszuschlags in Höhe von 50,00 € (insgesamt 400,00 €) bis zum 30. Juni 2009 abhänge. Da eine fristgerechte Zahlung nicht erfolgt war, hat das [X.] im Register vermerkt, dass das Patent mit Wirkung zum 1. Juli 2009 erloschen sei.

2

Mit Eingabe vom 8. Oktober 2009, eingegangen beim [X.] am selben Tag, hat die Antragstellerin durch ihren [X.] Inlandsvertreter die Wiedereinsetzung in die versäumte Zahlungsfrist beantragt und gleichzeitig mit beigefügter Einzugsermächtigung die in Rede stehende 10. Jahresgebühr (nebst dem Verspätungszuschlag) nachentrichtet. Die Antragstellerin trägt vor, sie sei ohne Verschulden daran gehindert gewesen, die Einzahlung der 10. Patentjahresgebühr vorzunehmen. Für die Zahlung der Jahresgebühr wäre an sich das [X.] [X.] zuständig gewesen, das von der Antragstellerin für derartige Dienstleistungen allgemein beauftragt worden sei. [X.] habe jedoch nicht handeln können, da die [X.] Vertreter der Antragstellerin, die [X.] W…  mit Sitz in [X.], es unterlassen hätten, die Antragstellerin über die Erteilung des [X.]n Patents und dessen Validierung in [X.] zu informieren. Die Antragstellerin habe allerdings keinen Anlass gehabt, an der Zuverlässigkeit ihrer [X.] Vertreter zu zweifeln. Darüber hinaus habe auch die später vom [X.] an den [X.] Inlandsvertreter abgesandte Gebührenmitteilung vom 15. Mai 2009 die Antragstellerin nie erreicht. Die Mitteilung sei zwar dem [X.] Inlandsvertreter am 22. Mai 2009 zugegangen und von diesem an die [X.] Vertreter der Antragstellerin, die Kanzlei [X.] mit Sitz in L…, weitergeleitet worden. Diese hätten sich aber "nach [X.] Berufspraxis aus Gründen der Haftung" zur Weiterleitung der Mitteilung an die Antragstellerin oder an ihre [X.] Vertreter außer Stande gesehen, da sie von der Antragstellerin ausdrücklich von der [X.]überwachung und -einzahlung entbunden gewesen seien. Somit beruhe die Nichtzahlung der [X.] letztlich auf einer Häufung unglücklicher Umstände, die der Antragstellerin nicht als eigenes Verschulden zugerechnet werden könne.

3

Aufmerksam geworden auf mögliche Unregelmäßigkeiten bei [X.] sei die Antragstellerin erst durch eine Mitteilung des [X.] Patentamts über den Verlust ihres dort geführten, parallelen Patents. Sie habe sodann bei der Kanzlei [X.] um eine Überprüfung gebeten. Daraufhin habe sie von diesen Vertretern am 13. August 2009 die Information erhalten, dass auch der [X.] Teil ihres [X.]n Patents wegen Nichtzahlung der 10. Patentjahresgebühr erloschen sei.

4

Das [X.] – [X.] - hat nach entsprechendem Zwischenbescheid mit Beschluss vom 4. Februar 2010 den Antrag auf Wiedereinsetzung als unzulässig verworfen. Grund für die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung sei, dass die Antragstellerin die zweimonatige Antragsfrist nicht eingehalten habe. Ein "Wegfall des Hindernisses" im Sinne von § 123 Abs. 2 Satz 1 [X.] sei bereits am 22. Mai 2009 eingetreten, da an diesem Tag der [X.] Inlandsvertreter der Antragstellerin die Gebührenmitteilung des [X.] vom 15. Mai 2009 erhalten habe. Der beim [X.] eingetragene Inlandsvertreter sei für alle Verfahrenshandlungen zuständig. Dies ergebe sich aus § 25 Abs. 4 [X.], wonach eine Änderung des Inlandsvertreters gegenüber dem [X.] erst mit der Bestellung eines anderen Inlandsvertreters wirksam werde. Da der bisherige Inlandsvertreter im Register eingetragen geblieben sei, müsse sich die Antragstellerin auch dessen Wissen über die versäumte Zahlung der 10. Patentjahresgebühr zurechnen lassen. In der Sache selbst sei festzustellen, dass die Fristversäumung die Folge eines von den anwaltlichen Vertretern verschuldeten [X.] gewesen sei.

5

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. [X.] hat sie beantragt,

6

den Beschluss der [X.] des [X.]s vom 4. Februar 2010 aufzuheben und der beantragten Wiedereinsetzung stattzugeben.

7

Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Antragstellerin im Wesentlichen das Gleiche wie im patentamtlichen Verfahren vorgetragen.

II.

8

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Die von der Antragstellerin vorgetragenen Tatsachen rechtfertigen keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

9

1. Der Wiedereinsetzungsantrag ist gemäß § 123 Abs. 1 [X.] statthaft. Die Antragstellerin hat die Frist zur Zahlung einer nach § 17 Abs. 1 [X.] zu entrichtenden Patentjahresgebühr versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten. Gemäß Art. II § 7 [X.] [X.] m. § 17 Abs. 1 [X.] und § 3 Abs. 2 Satz 1 PatKostG war die 10. Patentjahresgebühr für das hier in Rede stehende, am 13. August 2008 veröffentlichte, nationalisierte [X.] Patent am 31. Dezember 2008 fällig geworden. Diese Gebühr konnte gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 PatKostG bis zum 2. März. 2009 (der 28. Februar 2009 war ein Sonnabend, vgl. § 222 Abs. 2 ZPO) zuschlagfrei und bis zum 30. Juni 2009 mit Verspätungszuschlag entrichtet werden (§ 7 Abs. 1 Satz 2 PatKostG). Da eine Zahlung nicht erfolgte, ist das Patent nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 [X.] erloschen.

2. Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch zulässig und nicht etwa - wie die [X.] im angefochtenen Beschluss meint - nach Ablauf der zweimonatigen Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 [X.] gestellt worden. Ist die Frist zur Zahlung einer Patentjahresgebühr versäumt worden, so gilt grundsätzlich, dass die Kenntnis des Vertreters von der Fristversäumung der Kenntnis der Partei gleichsteht (vgl. [X.] in: [X.]/[X.]/[X.], PatRKomm, 4. Aufl., [X.] § 123 Rn. 29; [X.] in: [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 234 Rn. 5). In gegenteiliger Weise ist die Rechtslage aber dann zu beurteilen, wenn - wie hier - der Vertreter nicht mit der Überwachung und Zahlung von [X.] beauftragt ist (vgl. [X.], [X.], 10. Aufl., § 123 Rn. 54; B[X.]E 13, 87, 91 f.; Senatsbeschluss vom 27.10.2011 – 10 W (pat) 28/07 -). Vorliegend ist es daher wie die Antragstellerin zu Recht eingewandt hat   für den Zeitpunkt des "Wegfalls des Hindernisses" unerheblich, wann der [X.] Inlandsvertreter oder die Anwälte der [X.] Kanzlei [X.] bei Beachtung der zu erwartenden Sorgfalt Kenntnis von der Fristversäumung hätten haben können. Die Antragstellerin hat demgegenüber glaubhaft vorgetragen, dass sie nach dem offenkundig gewordenen Verlust ihres [X.] Patents selbst Nachforschungen in Auftrag gegeben hatte und hierbei erst am 13. August 2009 durch die [X.] Kanzlei [X.] Kenntnis von der Versäumung der hier in Rede stehenden Zahlungsfrist erhielt. Mit ihrem am 8. Oktober 2009 gestellten Wiedereinsetzungsantrag hat sie daher die zweimonatige Frist des § 123 Abs. 2 Satz 1 [X.] ersichtlich eingehalten.

3. Die sachlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung sind allerdings nicht gegeben. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 [X.] darf eine Wiedereinsetzung nur gewährt werden, wenn der Antragsteller glaubhaft darlegt, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Daran fehlt es hier.

a) Die Nichtzahlung der 10. Patentjahresgebühr (nebst dem Verspätungszuschlag) beruht im Wesentlichen darauf, dass die anwaltlichen Vertreter der [X.] W… die Antragstellerin nicht darüber informiert hatten, dass die [X.] Patentanmeldung 99 965 231.6 zwischenzeitlich zum Patent [X.] 036 geführt hatte und in [X.] validiert worden war. Hierdurch war die Antragstellerin nicht in der Lage, dem von ihr mit der Gebührenzahlung allgemein beauftragten [X.] [X.] die für die Zahlung der Patentjahresgebühr notwendigen Informationen zu geben. Nach dem vorgetragenen Sachverhalt kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem Unterlassen der Informationsweitergabe eine Sorgfaltspflichtverletzung innerhalb der [X.] W… zugrunde lag, die sich die Antragstellerin über § 85 Abs. 2 ZPO als eigenes Verschulden zurechnen lassen muss.

Wie in der Beschwerdebegründung ausgeführt ist, nahm die [X.] W… im entscheidenden Zeitraum für die Antragstellerin die Funktion einer "Schnittstelle" für ihre weltweiten Patentaktivitäten wahr. Zu den näheren Umständen, weshalb die Information über die erfolgte Patenterteilung nicht rechtzeitig den Weg zur Antragstellerin gefunden hatte, macht die Antragstellerin jedoch kaum Angaben. Es wird lediglich mitgeteilt, dass die [X.] Kanzlei [X.] mit einem Schreiben vom 18. November 2008 der [X.] W… die Validierung des [X.]n Patent in [X.] mitgeteilt hatte und dieses Schreiben von der [X.] W…  nicht an die Antragstellerin weitergeleitet worden war. Den tatsächlichen Geschehensablauf hat die Antragstellerin offen gelassen, insbesondere hat sie nicht mitgeteilt, welche Personen innerhalb der [X.] W… durch welches konkrete Verhalten die Absendung des Schreiben vom 18. November 2008 an die Antragstellerin verhindert hatte. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine Wiedereinsetzung nur dann gewährt werden kann, wenn das [X.] glaubhaft gemacht ist. Die Unklarheit, ob vorliegend innerhalb der [X.] W… eine anwaltliche Person schuldhaft gehandelt hat, deren Verschulden sich die Antragstellerin in entsprechender Anwendung von § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, geht daher zu ihren Lasten (vgl. [X.], 3501, 3502).

b) Darüber hinaus steht einer Wiedereinsetzung im Wege, dass die spätere Gebührenmitteilung des [X.] vom 15. Mai 2009, die in die Hände der [X.] Kanzlei [X.] gelangt war, von dieser offenbar vorsätzlich zurückgehalten wurde. Die unterlassene Weiterleitung der Mitteilung stellt eine Sorgfaltspflichtverletzung der anwaltlichen Vertreter dar, die sich die Antragstellerin wiederum über § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Es mag zwar sein, dass "professionelle, qualifizierte Inlandsvertreter" im [X.] rechtlich nicht dazu verpflichtet sind, einem Patentinhaber oder seinem Vertreter irgendwelche Informationen in Bezug auf die Zahlung von [X.] zukommen zu lassen, wenn die Überwachung und Zahlung dieser Gebühren vom [X.] ausgenommen wurde. Dies entspricht aber nicht der Rechtslage nach [X.]m Recht, die nach der hier einschlägigen Rechtsanwendungsregel der "lex fori" zu berücksichtigen ist. Insoweit gilt nämlich, dass ein Anwalt, sei er auch ausdrücklich von der [X.]überwachung und Einzahlung entbunden, dennoch verpflichtet bleibt, seinen Mandanten die ihm zur Kenntnis gelangten amtlichen Gebührenmitteilungen unverzüglich zuzuleiten; andernfalls genügt er seiner Sorgfaltspflicht nicht (vgl. B[X.]E 13, 87, 93 f.; Senatsbeschlüsse vom 27.10.2011 - [X.]. 10   (pat) 28/07 - und vom 17.12.2009   [X.]. 10 W (pat) 47/06 -).

c) Da eine Wiedereinsetzung bereits nach dem vorgetragenen Sachverhalt ausgeschlossen ist, kommt es auf dessen Glaubhaftmachung nicht mehr an.

Meta

10 W (pat) 16/10

11.10.2012

Bundespatentgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 85 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.10.2012, Az. 10 W (pat) 16/10 (REWIS RS 2012, 2377)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2377

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

10 W (pat) 20/12

Zitiert

10 W (pat) 28/07

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