Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.08.2014, Az. 3 StR 283/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 3434

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 283/14
vom
19. August 2014
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
versuchter Anstiftung zum Mord

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 19.
August 2014 gemäß §
349 Abs.
4 [X.] einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10.
Januar 2014, soweit es diese Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen aufgeho-ben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen versuchter Anstif-tung zum Mord zur Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten ([X.]

) bzw. von drei Jahren und zwei Monaten ([X.]

) verurteilt. Hiergegen [X.] sich die Angeklagten mit ihren auf [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben mit der von beiden Angeklagten erhobenen
Verfahrensrüge Erfolg, bei dem Urteil habe ein [X.] mitgewirkt, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden war und das Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen worden ist (§
24 Abs.
1 und 2, §
338 Nr. 3 [X.]).
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-
3
-
1. Der Beanstandung liegt der folgende Verfahrensablauf zugrunde:
Am ersten Hauptverhandlungstag, dem 22.
November 2013, lehnte der Angeklagte [X.]

den beisitzenden [X.] am Amtsgericht P.

wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung führte der Angeklagte aus, der abgelehnte [X.] -
der als Ermittlungsrichter den Haftbefehl gegen die Angeklagten und den Mitangeklagten vom 6.
Mai 2013 erlassen sowie dabei deren Untersuchungshaft angeordnet hatte -
habe am 27.
Mai 2013 in
einem Telefonat mit seinem Verteidiger, in dem über die Einlegung und die Aussich-ten einer Haftbeschwerde in der vorliegenden Sache gesprochen worden war, u.a. geäußert: "Unter uns gesagt, machen Sie sich doch nichts vor, die Drei gehören dahin, wo
sie sind, und zwar ganz lange und ganz tief. Solche Leute haben in Freiheit nichts zu suchen". Der Angeklagte [X.]

schloss sich [X.] an. Durch den -
in der Hauptverhandlung vom 13.
Dezember 2013 verkündeten -
Beschluss vom 11.
Dezember 2013 wies die Strafkammer -
ohne Mitwirkung des abgelehnten [X.]s -
die [X.] als unbegründet zurück.
2. Die Ablehnung erfolgte mit Recht. Aus Sicht der Angeklagten lag bei objektiver Beurteilung ein Grund vor, der geeignet war, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten [X.]s zu rechtfertigen (§
24 Abs.
2 [X.]).
a) Entgegen der Ansicht des [X.] haben die Ange-klagten die behaupteten Äußerungen des abgelehnten [X.]s hinreichend glaubhaft gemacht. Sie
sind insbesondere auch nicht aufgrund des zwischen-zeitlichen Verhaltens des Verteidigers des Angeklagten [X.]

, der die Ab-lehnungsgründe im Rahmen weiterer Haftentscheidungen sowie bis zum Be-ginn der Hauptverhandlung nicht geltend gemacht hatte, oder infolge der dienstlichen Äußerung des Abgelehnten zweifelhaft.
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b) In der Sache bestand für die Angeklagten bei verständiger Würdigung des ihnen bekannten Sachverhaltes Grund zu der Annahme, der abgelehnte [X.] nehme ihnen gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unpartei-lichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. [X.]/[X.], [X.], 57. Aufl., §
24 Rn. 8 [X.]).
Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines er-kennenden [X.]s ist allerdings, soweit
sie nicht die Tatbestände eines [X.] gemäß §
22 Nr. 4 und 5, §
23 oder
§
148a Abs. 2 Satz 1 [X.] erfüllt, nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht geeignet, die [X.] der Befangenheit des [X.]s im Sinne von §
24 Abs. 2 [X.] zu
be-gründen; denn eine solche Beteiligung an Vorentscheidungen im nämlichen und in damit zusammenhängenden Verfahren ist von der Strafprozessordnung und dem Gerichtsverfassungsgesetz ausdrücklich vorgesehen. Dies gilt nicht nur für die Vorbefassung mit Zwischenentscheidungen im selben Verfahren, insbesondere etwa die Mitwirkung am Eröffnungsbeschluss oder an Haftent-scheidungen, sondern etwa auch die Befassung eines erkennenden [X.]s in Verfahren gegen andere Beteiligte derselben Tat (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Ur-teile vom 9.
September 1966 -
4 [X.], [X.]St 21, 142;
vom 10.
November 1967 -
4 [X.], [X.]St 21, 334, 341 und vom 27.
April 1972 -
4 [X.], [X.]St 24, 336, 337 sowie Beschluss vom 7.
August 2012 -
1 [X.]/12,
NStZ-RR 2012, 350; vgl. auch [X.]/[X.], aaO, §
24 Rn. 12 ff. [X.]). Anders verhält es sich lediglich bei Hinzutreten [X.] Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen. Dies ist
etwa der Fall, wenn frühere Entscheidungen unnötige und sachlich un-begründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten oder wenn ein [X.] sich bei oder in Verbindung mit einer Vorentscheidung in 6
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sonst unsachlicher Weise zum Nachteil
des Angeklagten geäußert hat (vgl.
[X.]/[X.], aaO, Rn. 15 f.).
So war es hier. Die vorliegend geltend gemachten Äußerungen des im Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagten als Haftrichter tätigen beisitzen-den [X.]s gegenüber dem Verteidiger des Angeklagten [X.]

sind be-sondere Umstände im Sinne dieser Rechtsprechung. Schon nach ihrem Inhalt bestand aus Sicht der Beschwerdeführer mit Recht die Besorgnis, der bei-sitzende [X.] stehe ihnen (auch) im Hauptverfahren nicht unbefangen ge-genüber, sondern habe sich in der Sache bereits eine endgültige, zu ihren Las-ten gehende Meinung gebildet. Daran vermag im Ergebnis nichts zu ändern, dass sich die Äußerungen des [X.]s nach dem Anlass des Telefonats und seinem weiteren Inhalt (allein) auf die Erfolgsaussicht einer Haftbeschwerde des Angeklagten [X.]

bezogen hatten, und zum Zeitpunkt der Ablehnung bereits geraume Zeit zurücklagen.
3. Das Ablehnungsgesuch durfte nach alledem nicht zurückgewiesen werden, weil die früheren Äußerungen des beisitzenden [X.]s den Eindruck der Voreingenommenheit hervorrufen mussten. Deshalb liegt der absolute [X.] des §
338 Nr. 3 [X.] vor, der den Senat dazu zwingt, das ange-fochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben.
Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung rein vorsorglich darauf hin, dass es bei Verneinung des Vorliegens von Mordmerkmalen beim Anstifter selbst hinsichtlich der rechtlichen Einordnung der (hier: geplanten) Tat für ihn darauf ankommt, ob diese für den Täter ein Mord wäre und ob dem Anstifter die hierfür maßgeblichen Umstände bewusst waren. Hätte der Täter bei [X.] der Tat einen Mord begangen, weil er einen Menschen gegen eine Be-lohnung getötet und daher aus Habgier im Sinne von §
211 Abs. 2 StGB ge-8
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handelt hätte, so kommt bei dem Anstifter -
bei Vorliegen der erforderlichen subjektiven tatbestandlichen Voraussetzungen -
ein Schuldspruch wegen (hier: versuchter) Anstiftung zum Mord in Betracht. Hinsichtlich des für den Anstifter anzuwendenden Strafrahmen ist allerdings zu beachten, dass bei einem [X.] Versuch der Beteiligung die in §
211 Abs. 1 StGB bestimmte Strafe nicht nur gemäß §
30 Abs. 1 Satz 2 StGB, sondern weiter im Hinblick auf §
28 Abs. 1 StGB und mithin zweifach gemäß §
49 Abs. 1 StGB zu mildern wäre (vgl. [X.], Beschluss vom 30.
Juni 2005 -
1
StR 227/05, [X.], 34, 35
sowie Urteil vom 24.
November 2005 -
4
StR 243/05, [X.], 288, 290).
[X.]

Pfister

Hubert

Mayer

Ri'in[X.] Dr. Spaniol befindet

sich im Urlaub und ist daher

gehindert zu unterschreiben.

[X.]

Meta

3 StR 283/14

19.08.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.08.2014, Az. 3 StR 283/14 (REWIS RS 2014, 3434)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3434

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3 StR 283/14

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