Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.05.2022, Az. 6 StR 128/22

6. Strafsenat | REWIS RS 2022, 7901

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Gegenstand

Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Berücksichtigung der Sicherstellung im Rahmen der Strafzumessung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. Dezember 2021 aufgehoben

a) im Strafausspruch und

b) soweit die Vollstreckung der Freiheitsstrafe und der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückver-wiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Seine auf die Sachbeschwerde gestützte Revision hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Während die sachlich-rechtliche Überprüfung des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist, hält der Rechtsfolgenausspruch nur teilweise revisionsgerichtlicher Überprüfung stand.

3

a) Die Strafbemessung erweist sich in einem wesentlichen Punkt als lückenhaft. Zwar braucht das Tatgericht im Urteil nur diejenigen Umstände anzuführen, die für die Bemessung der Strafe bestimmend gewesen sind (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), wobei eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen weder vorgeschrieben noch möglich ist. Hier hat das [X.] aber bereits bei der Prüfung des minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG einen strafmildernden Umstand unerörtert gelassen, dessen Berücksichtigung sich ihm aufdrängen musste.

4

Denn das gesamte für den Eigenkonsum bestimmte Betäubungsmittel konnte sichergestellt werden, so dass es nicht zu einer Gefährdung von Drogenkonsumenten kommen konnte. Entfällt aber die auch beim Besitz von Betäubungsmitteln stets bestehende - strafbegründende (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], BtMG, 10. Aufl., § 29 Rn. 993; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 1319) - abstrakte Gefahr für die Allgemeinheit durch eine Weitergabe, ist dies - ebenso wie beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 19. Januar 1990 - 2 StR 588/89, [X.]R BtMG § 29 Strafzumessung 10; vom 10. September 2014 - 5 [X.]; vom 5. Februar 2020 - 2 StR 517/19, NStZ-RR 2020, 146) - schon bei der [X.] regelmäßig zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen (vgl. [X.], Beschluss vom 7. März 2017 - 2 Rv 31/17, NJW spezial 2017, 665; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], aaO, Vor § 29 Rn. 823).

5

b) Auch gegen die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Das [X.] hat seine Entscheidung nicht begründet. Unabhängig von der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO sind im Urteil aus materiell-rechtlichen Gründen Ausführungen zur Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung erforderlich, wenn eine Erörterung dieser Frage als Grundlage für die revisionsgerichtliche Nachprüfung geboten ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. Juli 2011 - 4 StR 283/11 mwN; vom 6. März 2012 - 1 StR 50/12; [X.]/[X.], 2016, § 267 Rn. 401 f. mwN). Dies ist hier der Fall, weil der - seit 2017 nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getretene - Angeklagte die Tat umfassend eingeräumt und seine Bezugsquelle frühzeitig benannt hat. Überdies blieb sein Bemühen vor der hier abgeurteilten Tat um eine stationäre Entgiftung oder eine Krisenintervention als Reaktion auf einen Rückfall nach längerer Zeit der Abstinenz nur deshalb ohne Erfolg, weil hierauf wegen „Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie“ nicht adäquat reagiert werden konnte. Vor diesem Hintergrund käme, ohne dass die Vorstrafe des Angeklagten und sein Bewährungsbruch dem zwingend entgegenstünden, eine - mit Weisungen (§ 56c StGB) zu verbindende - Strafaussetzung zur Bewährung grundsätzlich in Betracht. Dies hätte ebenfalls der Prüfung und Erörterung bedurft.

6

c) Der Rechtsfehler entzieht zugleich der nach dem Standpunkt der [X.] konsequenten (vgl. § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB) Entscheidung die Grundlage, auch die Vollstreckung der - für sich rechtsfehlerfrei angeordneten - Maßregel nach § 64 StGB nicht zur Bewährung auszusetzen (§ 67b Abs. 1 Satz 1 StGB).

7

2. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Da es sich um reine Wertungsfehler handelt, können die Feststellungen bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen, sind möglich.

[X.]     

        

König     

        

Feilcke

        

[X.]     

        

von [X.]     

        

[X.] vom 12. Juli 2022

Tenor:

Der Senatsbeschluss vom 31. Mai 2022 wird dahingehend berichtigt, dass es in der Entscheidungsformel wie folgt heißen muss:

Urteil des [X.]s Stralsund vom 14. Oktober 2021

[X.]     

  

Feilcke     

  

Tiemann

  

[X.]     

  

von [X.]     

  

Meta

6 StR 128/22

31.05.2022

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stralsund, 14. Oktober 2021, Az: 22 KLs 2/21

§ 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 267 Abs 3 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.05.2022, Az. 6 StR 128/22 (REWIS RS 2022, 7901)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7901

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