Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.12.2012, Az. 5 StR 431/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 541

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Nachschlagewerk: ja

[X.]St : ja

Veröffentlichung : ja

StGB §§ 66, 67d Abs. 2
GG Art. 2, Art. 104

Fortdauer der Sicherungsverwahrung bei zu erwartenden
Raubtaten mit Scheinwaffe.

[X.], Beschluss vom 11. Dezember 2012

5 StR 431/12

OLG [X.]

5 StR 431/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 11. Dezember 2012
in der Maßregelvollstreckungssache
gegen

wegen räuberischer Erpressung

hier:
[X.] des OLG [X.] gemäß § 121 [X.]

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2
-

Der 5. Strafsenat des [X.] hat am
11. Dezember 2012
beschlossen:

Die Sache wird an das [X.] [X.] zurückgege-ben.

[X.]e

I.

Dem Vorlegungsverfahren liegt Folgendes zugrunde:

1. Das [X.] verhängte gegen den Verurteilten am 19.
Januar 1998 wegen räuberischer Erpressung eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und ordnete seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach §
66 Abs.
1 StGB in der damals geltenden Fassung an. Gegenstand des [X.] war ein vom Verurteilten während eines Urlaubs aus dem [X.] im alkoholisierten Zustand begangener Überfall auf eine Imbissbude, bei dem er mit seiner rechten Hand in der Westentasche eine Waffe vortäuschte Er erbeutete mindestens 800 DM; die beiden von ihm bedrohten [X.] gerieten in große Angst, eine von ihnen in Todesangst.

2. Bereits zuvor
war der Verurteilte
unter anderem [X.] wegen Raubtaten, die er überwiegend während gewährter Lockerungen aus dem Straf-
oder Maßregelvollzug und zum Teil unter Verwendung von objektiv ungefährlichen [X.] begangen hatte, verurteilt worden:

Am 3.
Juli 1984 wurde er wegen räuberischer Erpressung in zwei Fäl-len sowie wegen Diebstahls in vier Fällen unter Einbeziehung einer früheren 1
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Verurteilung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei
Jahren und neun Mona-ten verurteilt. [X.] hatte er unter Vorhalt einer ungeladenen Gaspisto-le in einem Geschäft die Herausgabe von 150 DM und in einem Altersheim die Herausgabe von rund 1.600
DM erzwungen.

Am 30. Mai 1985 wurde gegen ihn wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Verur-teilung vom 3.
Juli 1984 eine Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und vier Monaten verhängt. Während eines Hafturlaubs war der unbewaffnete Verur-teilte dem Geschädigten bis an dessen Wohnungstür gefolgt und hatte zu-näGeschädigten, bis dieser ihm 10
DM aushändigte.

Am 19.
Dezember 1985 wurde er wegen schweren Raubes und eines Vergehens gegen das [X.] unter Einbeziehung der Ver-urteilung vom 30.
Mai 1985 zu einer Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren verurteilt. In alkoholisiertem Zustand und mit einer Strumpfmaske maskiert hatte er während eines Hafturlaubs ein Juweliergeschäft überfallen. Dabei hatte er eine Verkäuferin und eine Kundin mit einem Küchenmesser bedroht, anschließend der Verkäuferin das Küchenmesser an den Nacken gehalten und so die Herausgabe von ca. 850
DM Bargeld erzwungen.

Am 4.
Dezember 1987 wurde er wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer zu einer Freiheitsstrafe von zwei
Jahren und sechs
Monaten ver-urteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. [X.] eines Hafturlaubs hatte der Verurteilte nach erheblichem Alkoholkon-sum eine Taxifahrerin bedroht und zur Herausgabe von Bargeld zwingen wollen, indem er mit der rechten Hand in der Innentasche seiner Jacke eine Schusswaffe vorgetäuscht hatte. Die Taxifahrerin geriet in große Angst. Sie konnte nach einer Vollbremsung aus dem Taxi flüchten.

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Am 27.
November 1991 wurde er wegen schwerer räuberischer [X.] zu einer Freiheitsstrafe von vier
Jahren verurteilt und es wurde er-neut seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Nach er-heblichem Alkoholkonsum hatte der Verurteilte eine ungeladene [X.] in [X.] auf die Kassiererin eines Supermarktes gerichtet s-gabe von 6.700
DM erzwungen. Die Kassiererin hatte die Pistole für echt gehalten und hatte Angst um ihr
Leben.

Mit Urteil vom 19.
September 1994 wurde gegen ihn wegen schwerer räuberischer Erpressung eine Freiheitsstrafe von vier
Jahren und sechs
Monaten verhängt und wiederum die Unterbringung in einer Entzie-hungsanstalt angeordnet. Während eines Urlaubs aus dem Maßregelvollzug hatte der Verurteilte auf der Rückfahrt im Zug Alkohol getrunken und an-schließend maskiert ein Ladengeschäft überfallen. Dabei hielt er dem Inha-ber eine täuschend echt aussehende Spielzeugpistole an den Kopf und zwang ihn zur Herausgabe von über 5.000
DM. Beim Verlassen des Ge-schäfts drohte er, man solle ihm nicht folgen, sonst schieße er. Eine Ange-stellte litt in der Folgezeit lange unter Angstphantasien.

3. [X.] wird gegen den Verurteilten im An-schluss
an die vollständige Strafverbüßung seit dem 5.
Mai 2006 gemäß §
67a Abs. 2 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus vollzogen.

Nachdem es im Rahmen eines Urlaubs bei ihm zu einem Alkoholrück-fall gekommen war, ordnete die Strafvollstreckungskammer beim [X.] mit dem angegriffenen Beschluss vom 27.
April 2012 die Überfüh-rung des Untergebrachten in den Vollzug der Sicherungsverwahrung an, weil mit dem Vollzug der Maßregel in einem psychiatrischen Krankenhaus kein Erfolg erzielt werden könne und die Rücküberweisung in die Sicherungsver-wahrung verhältnismäßig sei.

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Gegen diesen Beschluss hat der Verurteilte sofortige Beschwerde er-hoben. Das [X.] [X.] beabsichtigt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Es nimmt an, dass die Voraussetzungen der Rücküberweisung in den Vollzug der Sicherungsverwahrung nach § 67a Abs.
3 Satz 2 StGB gegeben sind. In Anbetracht des konkret und wiederholt bei früheren Straftaten zum Ausdruck gekommenen [X.] des Untergebrachten geht es davon aus, [X.] der Sicherungsverwahrung rechtfertigenden, ausreichend hohen Wahrscheinlichkeit nur Raubtaten im Sinne des §
250 Abs.
1 Nr.
1b StGB zu erwarten sind, die der Untergebrachte unter Verwendung von [X.] ausübt, ohne dass eine objektive Gefährdung der Tatopfer gegeben ist, und [X.] bewertet
auch diese Taten als schwere Gewalttaten
im Sinne der Wei-tergeltungsanordnung des [X.] vom 4.
Mai 2011 (2
BvR 2365/09 u.a., [X.] 128, 326, 404 ff.); deshalb betrachtet es den weiteren Vollzug der Sicherungsverwahrung als verhältnismäßig.

Es sieht sich an seiner beabsichtigten Entscheidung jedoch durch den Beschluss des [X.] vom 16. März 2012
(3
Ws 63/12, [X.], 171) gehindert. Dieser folgt einem Urteil des 2.
Strafsenats des [X.] ([X.], Urteil vom 19.
Oktober 2011

2
[X.], [X.], 213), wonach Verbrechen nach §
250 Abs.
1 Nr.
1b StGB für sich genommen in der Regel keine ausreichend schweren Prognosetaten für die Anordnung der Sicherungsverwahrung aufgrund der Weitergeltungsanordnung darstellten, wenn aufgrund konkreter Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit allein der Einsatz objektiv ungefährlicher [X.] zu erwarten sei. Eine allein psychische Beeinträchtigung reiche in der Regel nicht aus.

4. Das [X.] [X.] hat deshalb mit Beschluss vom 8.
August 2012 (2 [X.]) die Sache dem Senat zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage vorgelegt:
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r-geltungsentscheidung des [X.] vom 4.
Mai 2011 (2
BvR 2365/09 u.a.) erfüllt, wenn von einem in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten aufgrund konkreter Umstände in seiner Person künftig Straftaten des schweren Raubes i. S. d. §
250 Abs.
1 Nr.
1b StGB zu erwar-ten sind, bei denen der Untergebrachte nur objektiv ungefährliche Scheinwaf-fen einsetzt und die Tatopfer nur psychisch

5. Der [X.] hat beantragt, die Sache an das Ober-landesgericht zurückzugeben, weil sich die vom [X.] Abweichung auf die Bewertung von Tatsachen, nicht aber auf eine Rechtsfrage beziehe.

II.

Die Sache ist an das [X.] zurückzugeben.

1. Die Voraussetzungen des §
121 Abs.
2 Nr.
3 [X.] sind nicht gege-ben, weil das [X.] [X.] durch den Beschluss des Oberlan-desgerichts Frankfurt ungeachtet einer Ähnlichkeit der
zu beurteilenden Sachverhalte in dem von ihm zu entscheidenden Fall nicht gehindert ist, über die sofortige Beschwerde des Untergebrachten in dem beabsichtigten Sinne zu entscheiden.

Die [X.] betrifft zwar die Auslegung eines Rechtsbegrif-fWeitergeltungsanordnung des [X.]
auferlegten strik-ten Verhältnismäßigkeitsprüfung. Dieser wird durch den Beschluss des [X.] auf der Grundlage des Urteils des 2.
Strafsenats des [X.] vom 19.
Oktober 2011 (2
[X.], aaO [X.])
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weils zugrundeliegenden Einzelfall abstellen, nicht dem Verständnis entge-gen, welches das vorlegende [X.] seinem Beschluss zugrunde legen möchte.

a) Das [X.] hat in seinem Urteil vom 4.
Mai
2011 (aaO) sämtliche Regelungen über die Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung sowie im Einzelnen angeführte Nachfolgeregelungen wegen der Verletzung des Abstandsgebots
mit dem Freiheitsgrundrecht
aus Art.
2 Abs.
2 Satz
2 i.V.m. Art.
104 Abs.
1 Satz
1 GG für unvereinbar erklärt und zugleich gemäß §
35 [X.] die zum 31.
Mai 2013 befristete Weiter-geltung dieser Vorschriften entsprechend seinen Vorgaben angeordnet. [X.] dürfen die gesetzlichen Regelungen während der Übergangszeit nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt wer-den. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die [X.] und die gefährdeten Rechtsgüter. Der [X.] wird daher in der Regel nur unter der Voraussetzung gewahrt sein, dass eine Gefahr schwerer Gewalt-
oder Sexualstraftaten aus konkreten Umstän-den in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist ([X.] aaO S. 406).

b) Seither hat die Rechtsprechung des [X.] der gefor-
e-geben (vgl. [X.], Beschlüsse vom 2. August 2011

3 [X.], [X.]R StGB §
66 Strikte Verhältnismäßigkeit 1, und vom 24. Januar 2012

5 [X.] mwN). Ungeachtet dessen bleibt die Verhältnismäßigkeits-prüfung aber im Grundsatz ein Akt der tatgerichtlichen Wertung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles; dies gilt

innerhalb der vom Bun-desgerichtshof gezogenen Grenzen

auch für die nähere Bestimmung des

aa) Nicht alle Straftaten, die bislang für die Anordnung der Siche--
oder Sexual-20
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[X.]s anzusehen ([X.], Urteil vom 28.
März 2012

5
StR 525/11,
NStZ-RR
2012,
205, 206, und vom 13.
März 2012

5
StR 497/11; Beschlüs-se
vom 2.
August 2011

3
[X.], aaO, und vom 27.
September 2011

4
StR 362/11, [X.], 109). Bei der auf den Einzelfall bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung kommt es, über die gesetzgeberische Aufnah-me in den Katalog tauglicher Vor-
und Anlasstaten hinaus, prinzipiell nicht auf die Bezeichnung des Straftatbestands an, dessen Verletzung für die Zu-kunft droht, auch nicht letztentscheidend auf den durch gesetzliche Strafrah-men im Voraus gewichteten Schuldumfang, sondern

neben dem Grad der Wahrscheinlichkeit der künftigen Rechtsgutsverletzung

auf die Bedeutung des vor Rückfalltaten zu schützenden Rechtsgutes, gegebenenfalls auf die mögliche Verletzungsintensität (vgl. [X.], Urteile vom 19.
Oktober 2011

2 [X.], aaO,
und vom 28.
März 2012

5
StR 525/11, aaO).

bb) Auch nach dieser Rechtsprechung sind allerdings bestimmte [X.] im Hinblick auf das besondere Gewicht der zu schützenden e Gewalt-

werten. Dies gilt im Bereich der Gewaltstraftaten jedenfalls für vorsätzliche Tötungsdelikte und Vorsatzdelikte mit qualifizierender Todesfolge ([X.], [X.] vom 24.
Januar 2012

5
[X.]).

Hinsichtlich der Sexualstraftaten wird dies

unabhängig von körperli-cher Gewaltanwendung

([X.], Urteil vom 4.
August 2011

3
StR 175/11, [X.], 692, 693) so-d-sätzlich

auch für den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern ([X.], Beschluss vom 26.
Oktober 2011

5
StR 267/11, [X.],
9; vgl. auch [X.], [X.] vom 2.
August 2011

3
[X.], und vom 11.
August 2011

3
StR 221/11). Der [X.] hat damit anerkannt, dass auch 23
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Prognosetaten, die typischerweise (lediglich) schwerwiegende und nachhal-tige psychische Schäden bei ihren Opfern hervorrufen, die Vorgaben der Weitergeltungsanordnung des [X.] erfüllen können. Der 3. Strafsenat des [X.] will schließlich auch mit einer Scheinwaffe begangene Raubtaten nach §
250 Abs.
1 Nr.
1b StGB im [X.] der angedrohten Mindeststrafe und die für die Tatopfer damit regelmäßig verbundenen psychischen Auswirkungen grundsätzlich als verstehen ([X.], Beschluss vom 4. August 2011

3 [X.], [X.], 673, nicht tragend; vgl. auch den Beschluss des 4. Strafsenats vom [X.]

4 StR 594/11, [X.], 141, 142; noch offen gelassen im Beschluss vom 27.
September 2011

4
StR 362/11, [X.], 109, 110).

c) Das Urteil des 2. Strafsenats des [X.] vom 19.
Oktober 2011 (2
[X.], aaO), auf das sich das [X.] Frankfurt in seinem Beschluss vom 16.
März 2012 (3
Ws 63/12, aaO) stützt, ist im Lichte dieser Rechtsprechung der übrigen
Strafsenate des Bundesg[X.]shofs und in seinem Bezug auf den entschiedenen Fall zu sehen, in dem -

f-fen begangenen Banküberfällen als Prognosetaten zu erwarten waren und Konstellation hat der 2. Strafsenat zum Anlass genommen zu entscheiden, dass Verbrechen nach §
250 Abs.
1 Nr.

ür sich genommen in der Sicherungsverwahrung aufgrund der Weitergeltungsanordnung darstellten, wenn aufgrund konkreter Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit allein der Einsatz objektiv ungefährlicher [X.] zu erwarten sei; eine allein

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Damit hat der 2. Strafsenat von vornherein keine Stellungnahme dazu abgegeben, wie Fälle zu bewerten sind, in denen Gewalteskalationen mög-lich sind, weil sich die Tat z.
B. gegen Opfer richtet, von denen

anders als von Bankangestellten

Bedrohungssituation erwartet werden kann und die Reaktion des Opfers auf die Bedrohung und der Verlauf der daran anschließenden Interaktion mit dem Täter unabsehbar sind. Er hat ferner keine Festlegung in dem Sinne getroffen, dass mögliche psychisch vermittelte körperliche Schäden künftiger Raubopfer nicht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung begründen [X.], schließt er darüber hinaus auch nicht aus, dass die Erwartung schwerwiegender und nachhaltiger psychischer Schäden hierfür sehr wohl ausreichen kann.

Dass das [X.] Frankfurt dieses Verständnis des Begriffs von ihm zitierte Urteil des 2.
Strafsenats, ist nicht ersichtlich.

2. Der erkennende Senat hat

unter Bezugnahme auf den genannten Beschluss des 2. Strafsenats

in seinem Beschluss vom 24. Januar 2012 (5
[X.]) ebenfalls verdeutlicht, dass [X.] ungeachtet der ho-hen Strafdrohungen und der für die Tatopfer oftmals gewichtigen psychi-schen Auswirkungen nicht ohne Weiteres als schwere Gewaltstraftaten [X.] sind und nur in Abhängigkeit von ihren vorhersehbaren individuellen Umständen als schwere Gewalttaten gewertet werden können. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest.

a) Schwere Gewalttaten im Sinne der Weitergeltungsanordnung des [X.] sind danach einerseits nicht nur solche schwe-ren [X.], die mit der Anwendung physischer Gewalt verbunden sind. Denn auch Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben können 26
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über die Beeinträchtigung des seelischen Gleichgewichts hinaus zu körperli-chen Auswirkungen oder nachhaltigen psychischen Auswirkungen mit Krankheitswert führen (vgl. dazu [X.], Urteil vom 26.
November 1985

1
StR 393/85, [X.], 166 und [X.], Beschluss vom 19.
Oktober 1999

4 [X.], [X.], 106), wobei die durch die Drohwirkung her-vorgerufenen psychischen Folgen ungeachtet der objektiven Ungefährlichkeit des Tatmittels entstehen können, wohingegen die Drohung mit einer gefähr-lichen Waffe bereits wegen einer möglichen Gewalteskalation eine Gefahr für Leib und Leben des Opfers begründet.

b) Anderseits ist aber nicht jede Raubtat allein wegen der mit der Ein-schüchterung und Bedrohung einhergehenden psychischen Beeinträchtigung der Opfer als schwere [X.] in diesem Sinne einzustufen. Denn ein prä-ventiver Eingriff in das Freiheitsgrundrecht, der

wie die Sicherungsverwah-rung

nicht dem Schuldausgleich dient, ist nur zulässig, wenn der Schutz hochwertiger Rechtsgüter dies unter Beachtung des strikten Verhältnismä-ßigkeitsgrundsatzes erfordert (vgl. [X.], aaO S.
372 f.). Die gesteigerten Anforderungen an die Erheblichkeit der zu erwartenden Straftaten haben sich deshalb an
Art und Ausmaß der drohenden Rechtsgutsverletzung zu orien-tieren. Je existentieller die betroffenen Güter für den Einzelnen sind, desto intensiver muss der staatliche Schutz vor Beeinträchtigungen sein (vgl. [X.], Urteil vom 5.
Februar 2004

2 BvR 2029/01, [X.] 109, 133, 186).

In diesem Sinne kann die Verursachung schwerwiegender und nach-haltiger psychischer Schäden durchaus von existentiellem Gewicht für die Betroffenen sein, sie z.
B. in ihrem täglichen Leben schwer behindern oder zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Berufsfähigkeit führen. Solche Schäden können auch bei Verwendung von [X.] in Abhängigkeit von individuellen Umständen, z.
B. aufgrund der besonderen Bedrohlichkeit der Begehungsweise oder der besonderen Schutzbedürftigkeit oder Zufällig-keit der ausgewählten Opfer, typischerweise zu erwarten sein. Auch psy-30
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-

chisch vermittelte körperliche Schäden, z.
B. im Rahmen einer [X.] posttraumatischen Belastungsstörung ([X.]: [X.]), sind hier in Betracht zu ziehen.

c) Ist indes im Fall des Einsatzes einer ungefährlichen Scheinwaffe des §
250 Abs.
1 Nr.
1b StGB objektiv weder eine Lebens-
noch eine Lei-besgefahr begründet, weil mit einer Eskalation der angedrohten [X.] gerechnet werden kann, und gibt
es keine Anhaltspunkte dafür, dass psychische Beeinträchtigungen der Tatopfer das Ausmaß schwerwiegender und nachhaltiger psychischer Schäden erreichen oder Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit der Opfer haben können, so ist kein Rechtsgut be-droht,
dessen Schutz die Anwendung der verfassungswidrigen Norm [X.] könnte (im Ergebnis auch [X.], Urteil vom 19.
Oktober 2011

2
[X.], aaO [X.]).

Im Ergebnis stellen demnach zu erwartende Raubtaten im Sinne des §
250 Abs. 1 Nr. 1b StGB, bei denen nur objektiv ungefährliche [X.] eingesetzt werden, schwere Gewalttaten im Sinne der strikten Verhältnismä-ßigkeitsprüfung nach der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungs-gerichts dar, wenn aufgrund ihrer vorhersehbaren individuellen Umstände mit schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Schäden oder psychisch vermittelten körperlichen Folgen bei den Opfern zu rechnen ist.

[X.]Schaal Schneider

Dölp Bellay

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Meta

5 StR 431/12

11.12.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.12.2012, Az. 5 StR 431/12 (REWIS RS 2012, 541)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 541

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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