Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2013, Az. XII ZB 429/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1747

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII [X.]/13
vom
23.
Oktober 2013
in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:

nein
[X.]R:

ja

[X.] § 4 Abs. 1 Satz 2

Durch die im Rahmen eines erfolgreichen Hochschulstudiums in der [X.] zur Diplomlehrerin für [X.] und Geschichte erfolgte Ausbildung in den Bereichen Pädagogik, Psychologie, Didaktik und Methodik wurden beson-dere, für die Führung der Betreuung nutzbare Kenntnisse im Sinn des §
4 Abs.
1 Satz 2 [X.] vermittelt.

[X.], Beschluss vom 23.
Oktober 2013 -
XII [X.]/13 -
LG [X.]

[X.]
-
2
-

Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 23.
Oktober 2013 durch [X.] und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Botur und Guhling
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der
2.
Zivilkammer
des Landgerichts [X.]
vom 12.
Juli
2013
wird
auf Kosten des
Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Verfahrenswert: 63

Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 2
(im Folgenden: Betreuerin) ist seit dem Jahr
2010 als Mitarbeiterin des Beteiligten zu 3, eines
Betreuungsvereins,
als Berufsbetreue-rin der
Betroffenen
bestellt. Die Betreuung für die unter [X.] und [X.] leidende Betroffene umfasst unter anderem die Aufgaben-kreise
der Gesundheits-
und der Vermögenssorge sowie der Aufenthaltsbe-stimmung und der Wohnungsangelegenheiten.
Die Betreuerin erwarb im Jahr 1982 in der ehemaligen [X.] den Hoch-schulabschluss als Diplomlehrerin
für die Fachkombination [X.] und Ge-1
2
-
3
-
schichte und erhielt damit die Lehrbefähigung zur Erteilung des entsprechenden Fachunterrichts an den allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen der [X.]. Im Jahr
1992 schloss
sie zudem eine Ausbildung an einer Fachschule für Sozialpädagogik zur staatlich anerkannten Erzieherin ab.
Für den Abrechnungszeitraum vom 20. Juli 2012
bis zum 19. Oktober 2012 hat die
Betreuerin
für ihre Tätigkeit die Festsetzung einer Betreuervergü-tung für sechs
Stunden in Höhe von 264

beantragt, der sie
im Hinblick auf ihre Ausbildung einen Stundensatz nach der höchsten Vergütungsstufe von 44

gelegt hat.
Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben
und die Beschwerde zu-gelassen. Die Beschwerde der Staatskasse
(Beteiligter
zu 1), mit der diese
un-ter Berücksichtigung des Abschlusses
der Betreuerin als staatlich anerkannte Erzieherin geltend gemacht hat, eine Abrechnung auf der Basis eines Stunden-satzes in Höhe von 33,50

sei zutreffend,
hat das Landgericht
zurückgewie-sen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt
die Staatskasse ihr Be-schwerdebegehren weiter.

II.
Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 70 Abs. 1 FamFG)
und auch im Übrigen zulässig. Sie hat jedoch in der [X.] keinen Erfolg.
1.
Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Betreuerin habe im Rahmen ihres Studiums psychologische und pädagogi-sche Kenntnisse erworben, die für die ihr übertragene
Betreuung nutzbar seien. Sie könnten hilfreich sein, aus der Erkrankung der Betroffenen folgende 3
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-
4
-
Schwierigkeiten im persönlichen Kontakt zu überwinden. Neben den Fächern Pädagogik und Psychologie einschließlich des Vertiefungsfachs Diagnostik der [X.] sei auch die Methodik des Unterrichts
teilweise betreu-ungsrelevant. Die entsprechende Ausbildung sei nicht lediglich bei Gelegenheit des Studiums erfolgt, sondern habe angesichts der praktischen Bedeutung für den geplanten späteren Beruf und des zeitlichen und inhaltlichen Umfangs so-wie der [X.] Anteil am Kernbereich des Studiums.
2.
Diese Ausführungen sind rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gemäß
§
4 Abs.
1 Satz
2 Nr.
2 [X.] die Bewil-ligung einer
erhöhten
Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrach-tung
des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf
überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe be-rücksichtigt und richtig angewandt hat (Senatsbeschlüsse vom 22.
August 2012 -
XII
ZB
319/11
-
NJW-RR 2012, 1475 Rn.
9 und
vom 4.
April 2012
-
XII
ZB
447/11
-
NJW-RR 2012, 774 Rn.
13).
b) Einer solchen Überprüfung hält die tatrichterliche Würdigung des Be-schwerdegerichts
stand, wonach die abgeschlossene
Hochschulausbildung der Betreuerin besondere, für die Führung der Betreuung nutzbare Kenntnisse vermittelt hat.
aa)
Dass die Betreuerin über eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule
im Sinne des §
4 Abs.
1 Satz
2 Nr.
2 [X.] verfügt, wird von der Rechtsbeschwerde zu Recht nicht in Zweifel gezogen.
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10
-
5
-

bb) Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde dagegen, dass
das Beschwerdegericht das Vorliegen auch der weiteren Voraussetzungen des §
4 Abs.
1 Satz
2 Nr.
2 [X.] angenommen hat.
(1) Besondere
und für die Betreuung nutzbare Kenntnisse
im Sinne des §
4 Abs.
1 Satz
2 [X.] sind solche,
die über das jedermann zu Gebote ste-hende Wissen hinausgehen und den Betreuer in die Lage versetzen, seine [X.] zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen. Angesichts der Pflichten des Betreuers, auf den Willen des Betreuten einzugehen, um [X.] zu erkennen und ihnen weitgehend zu entsprechen (§
1901 Abs.
2, Abs.
3 BGB), sind unter anderem Fachkenntnisse, die den Umgang mit und das Verständnis für die besondere Situation von psychisch Kranken oder Behinderten fördern, als für die Betreuung nutzbar anzusehen.
Nach Sinn und Zweck des
§
4 Abs.
1 Satz
2 [X.]
ist ein erhöhter Stun-densatz jedoch nicht bereits gerechtfertigt, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die [X.] solchen Wissens gerichtet und dadurch das erworbene betreuungsre-levante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (Senatsbeschluss vom 22.
August 2012
-
XII
ZB
319/11
-
NJW-RR 2012, 1475 Rn.
16 ff. mwN).
(2) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Beschwerdegericht zu Recht das Vorliegen besonderer und für die Betreuung nutzbarer
Kenntnisse der Betreuerin bejaht.
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-
6
-
(a) Nach den Feststellungen des [X.] absolvierte die Be-treuerin im zweiten Studienjahr ein dreiwöchiges pädagogisch-psychologisches Praktikum und im vierten Studienjahr ein 13-wöchiges "Großes Schulprakti-kum". Ab dem fünften Semester belegte sie vertiefend das Fach Psycholo-gie/Lehrgebiet Diagnostik der [X.] mit 188
Stunden. Weitere
116 der insgesamt 3.056 vorgesehenen Stunden entfielen auf Psychologie, 134 Stunden auf Pädagogik und 250 Stunden auf Methodik des Unterrichts. Gegen-stand der von der Betreuerin absolvierten Abschlussprüfung waren unter ande-rem Pädagogik, Psychologie sowie Methodik des Haupt-
und Nebenfachs. Im Abschlusszeugnis sind als "Abschlussprüfungen und Belege"
unter anderem die Fächer
"Diagnostik d.
[X.]"
und "Päd.
psych.
Praktikum"
aufgeführt.
(b) Ohne Rechtsfehler ist die Beurteilung des [X.], dass die durch das Studium vermittelten pädagogischen und psychologischen Kenntnisse für die Führung der Betreuung nutzbar sind. Denn sie können für die
Betreuerin
die Grundlage darstellen, um aus der Erkrankung der
Betroffe-nen resultierende Schwierigkeiten im persönlichen Kontakt zu
überwinden, die Bedürfnisse der
Betroffenen zu erkennen und auf sie
in sinnvoller Weise einzu-wirken (vgl.
[X.] 2008, 60, 62; [X.] NJW-RR 2002, 654, 655; OLG
Zweibrücken [X.] 2002, 21, 22; BayObLG FamRZ 2001, 306, 307; [X.] FamRZ 2000, 847, 848; vgl. auch [X.] Beschluss vom 21.
Januar 2008 -
20
W
378/05
-
juris Rn.
5; [X.]/Fröschle
6.
Aufl.
§
4 [X.] Rn.
11; [X.] Betreuungsrecht [Stand:
1.9.2011] §
4 [X.] Rn.
26; [X.]/Dodegge 3.
Aufl. Teil F Rn.
118).
Dies gilt entgegen der [X.] der Rechtsbeschwerde auch
für das Fach Diagnostik der Schülerper-sönlichkeit.
15
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-
7
-
(c) In rechtlicher Hinsicht ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass das Beschwerdegericht darüber hinaus auch die durch das Studium vermittelten Kenntnisse in den Bereichen Didaktik und Methodik als zumindest teilweise be-treuungsrelevant eingestuft hat. Denn sie können die Bewältigung der für die Kommunikation mit psychisch Kranken häufig besonders wichtigen, aber auch anspruchsvollen
Aufgabe der situationsgerechten Aufbereitung und Weitergabe von Inhalten wesentlich befördern.
(d) Schließlich hat das Beschwerdegericht zu Recht die betreuungsrele-vanten Fächer dem Kernbereich des von der Betreuerin absolvierten Hoch-schulstudiums zugeordnet und damit als erheblichen
Teil der Ausbildung ange-sehen.
Dem steht nicht entgegen, dass die Ausbildung schwerpunktmäßig eine andere Zielrichtung hatte
und im überwiegenden Teil der Gesamtstundenzahl auf die Wissenserlangung in den zu unterrichtenden Fächern [X.] und Ge-schichte ausgerichtet war. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass die im Rahmen des von der Betreuerin absolvierten Studiums erworbenen psychologi-schen und pädagogischen Kenntnisse auch in Anbetracht des prozentualen Anteils der entsprechenden Ausbildungsteile an der Gesamtstundenzahl als zentraler Teil des Lehrerstudiums anzusehen seien. Mit Blick auf den zeitlichen Umfang der insbesondere in den Bereichen Psychologie, Pädagogik und Diag-nostik der [X.] absolvierten Ausbildung sowie darauf, dass das dabei vermittelte Wissen selbständiger und maßgeblicher Bestandteil der 18
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-
Abschlussprüfung war, ist das nicht zu beanstanden (vgl. auch [X.] Be-schluss vom 15.
August 2006 -
15
W
139/06
-
juris Rn.
11; BayObLG
FamRZ 2001, 187, 188;
OLG
Köln FamRZ 2000, 1303, 1304;
OLG
Schleswig FamRZ 2000, 846, 847).

Dose
Schilling
Günter

Botur
Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.01.2013 -
4 [X.]/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 12.07.2013 -
2 [X.] -

Meta

XII ZB 429/13

23.10.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2013, Az. XII ZB 429/13 (REWIS RS 2013, 1747)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1747

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