Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.04.2010, Az. Xa ZB 20/08

10a. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 7379

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Gegenstand

Patenschutz für ein Verfahren zur dynamischen Generierung strukturierter Dokumente - Dynamische Dokumentengenerierung


Leitsatz

Dynamische Dokumentengenerierung

1. Ein Verfahren, das das unmittelbare Zusammenwirken der Elemente eines Datenverarbeitungssystems (hier: eines Servers mit einem Client zur dynamischen Generierung strukturierter Dokumente) betrifft, ist stets technischer Natur, ohne dass es darauf ankäme, ob es in der Ausgestaltung, in der es zum Patent angemeldet wird, durch technische Anweisungen geprägt ist .

2. Ein solches Verfahren ist nicht als Programm für Datenverarbeitungsanlagen vom Patentschutz ausgeschlossen, wenn es ein konkretes technisches Problem mit technischen Mitteln löst. Eine Lösung mit technischen Mitteln liegt nicht nur dann vor, wenn Systemkomponenten modifiziert oder in neuartiger Weise adressiert werden. Es reicht vielmehr aus, wenn der Ablauf eines Datenverarbeitungsprogramms, das zur Lösung des Problems eingesetzt wird, durch technische Gegebenheiten außerhalb der Datenverarbeitungsanlage bestimmt wird oder wenn die Lösung gerade darin besteht, ein Datenverarbeitungsprogramm so auszugestalten, dass es auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage Rücksicht nimmt .

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des 17. Senats ([X.]) des [X.] vom 17. Januar 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das [X.] zurückverwiesen.

Der Wert des Gegenstands des [X.] wird auf 25.000 [X.] festgesetzt.

Gründe

1

I. Das [X.] hat die zehn Patentansprüche umfassende, im Jahr 2002 eingereichte Patentanmeldung 102 32 674 mit der Bezeichnung "Verfahren zur dynamischen Generierung strukturierter Dokumente" wegen Fehlens erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen. Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt, mit der sie Patentanspruch 1 in der nachfolgend wiedergegebenen, geänderten Fassung und die Patentansprüche 2 bis 9 unverändert, aber in Rückbeziehung auf den geänderten Patentanspruch 1, weiterverfolgt hat:

"1. Verfahren zur dynamischen Generierung strukturierter Dokumente ([X.]) an mindestens einem mit einem Client ([X.]) kommunizierenden, in seinen Ressourcen limitierten, mikrocontrollerbasierten [X.] ([X.]), umfassend die Schritte:

Empfang von [X.] ([X.]) des Clients ([X.]) am [X.] ([X.]),

Extraktion von [X.]n aus den [X.] ([X.]),

Abbildung der [X.] durch ein Kontrollmodul (CRT) auf einen Befehlssatz eines softwarearchitekturspezifischen Schnittstellenmoduls ([X.]) des [X.]s ([X.]),

dynamische Generierung des strukturierten Dokuments ([X.]) unter Verwendung mindestens eines [X.] (TD) mit enthaltenen Aufrufen von Dienstnehmern ([X.]), wobei Anweisungen der Dienstnehmer ([X.]) durch das Schnittstellenmodul ([X.]) extrahiert und auf einen korrespondierenden, auf einen Ausschnitt der Dienstnehmer beschränkten Befehlssatz des Schnittstellenmoduls ([X.]) abgebildet werden,

welche unter Hinzuziehung der abgebildeten [X.] in einer Laufzeitumgebung des Kontrollmoduls (CRT) ausgeführt werden und nach erfolgter Ausführung Inhalte und/oder Struktur des strukturierten Dokuments ([X.]) definieren,

Übermittlung des dynamisch generierten strukturierten Dokuments ([X.]) an den Client ([X.])."

2

Patentanspruch 10 hat sie in folgender Fassung weiterverfolgt:

"10. System zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorstehenden Ansprüche."

3

Das Patentgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen; seine Entscheidung ist in [X.], 626 veröffentlicht. Es hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.

4

II. [X.] ist kraft Zulassung statthaft und wirksam eingelegt. In der Sache führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht (§ 108 Abs. 1 [X.]).

5

1. Die der Rechtsbeschwerde zugrunde liegende Patentanmeldung betrifft nach ihrem Patentanspruch 1 ein Verfahren zur dynamischen Generierung strukturierter Dokumente,

(1) das an mindestens einem mikrocontrollerbasierten [X.] durchgeführt wird,

(1.1) der in seinen Ressourcen limitiert ist und

(1.2) mit einem Client kommuniziert,

(2) mit folgenden Verfahrensschritten:

(2.1) [X.] des Clients werden am [X.] empfangen,

(2.2) aus den [X.] werden [X.] extrahiert,

(2.3) die [X.] werden durch ein Kontrollmodul auf einen Befehlssatz eines Schnittstellenmoduls des [X.]s abgebildet,

(2.3.1) wobei das Schnittstellenmodul softwarearchitekturspezifisch ist,

(2.4) das strukturierte Dokument wird dynamisch generiert

(2.4.1) unter Verwendung mindestens eines [X.] mit enthaltenen Aufrufen von Dienstnehmern,

(2.5) dabei werden Anweisungen der Dienstnehmer durch das Schnittstellenmodul extrahiert und auf einen korrespondierenden Befehlssatz des Schnittstellenmoduls abgebildet,

(2.5.1) wobei der Befehlssatz auf einen Ausschnitt der Dienstnehmer beschränkt ist,

(2.6) die Anweisungen

(2.6.1) werden unter Hinzuziehung der abgebildeten [X.] in einer Laufzeitumgebung des Kontrollmoduls ausgeführt und

(2.6.2) definieren nach erfolgter Ausführung Inhalte und/oder Struktur des strukturierten Dokuments,

(2.7) das dynamisch generierte strukturierte Dokument wird an den Client übermittelt.

6

2. Das Patentgericht hat ausgeführt, mit der Anmeldung solle ein Verfahren angegeben werden, das eine Generierung strukturierter Dokumente mit dynamischem Inhalt und/oder dynamischer Struktur ermögliche, wobei eine Portierung der [X.]e zwischen ressourcenbegrenzten [X.]n bzw. Servern und [X.]n mit ausreichend Ressourcen in einfacher Weise möglich sein solle. Es solle mithin eine Möglichkeit geschaffen werden, strukturierte Dokumente (d.h. Dokumente, die neben der darzustellenden Information auch rechnerlesbare Instruktionen über Struktur und Darstellung enthielten, wie Dokumente im HTML-Format) aus [X.]en, die in einer Script- oder scriptähnlichen Sprache wie [X.] abgefasst seien, auch auf solchen [X.]n dynamisch zu generieren, deren zu geringe Leistungsfähigkeit die Installation einer vollständigen Scriptsprachen-Laufzeitumgebung nicht zulasse.

7

Zur Lösung dieses Problems lehre Patentanspruch 1, dass der [X.] (Server) aus den [X.] für ein Dokument die [X.] extrahiere und diese durch ein Kontrollmodul auf den Befehlssatz des [X.]s abbilde. Unter der Abbildung sei zu verstehen, dass die Parameter in für das Schnittstellenmodul des [X.]s verständliche Befehle umgesetzt oder auch ignoriert würden. Mit den (restlichen) [X.] werde im [X.] auf ein entsprechendes [X.] samt der in diesem enthaltenen Aufrufe von Dienstnehmern zugegriffen. Die von den Dienstnehmern enthaltenen Anweisungen sollten ebenfalls extrahiert, auf den beschränkten spezifischen Befehlssatz des Schnittstellenmoduls des [X.]s abgebildet und unter Hinzuziehung der abgebildeten [X.] in der Laufzeitumgebung des Kontrollmoduls, d.h. ohne Zwischenschaltung einer vollständigen Scriptsprachen-Laufzeitumgebung, ausgeführt werden. Auf diese Weise könne das angeforderte Dokument dynamisch generiert und an den Client übermittelt werden, ohne dass auf dem [X.] eine komplexe, umfassende Laufzeitumgebung für eine Scriptsprache wie "[X.]" installiert sein müsse.

8

Das - ausführbar offenbarte - Verfahren nach Patentanspruch 1 liege nicht auf technischem Gebiet. Die Lehre des Streitpatents gehe dahin, in einer Scriptsprache abgefasste Dokumente auf einem [X.] geringer Leistungsfähigkeit dadurch verarbeitbar zu machen, dass ein beschränkter Ausschnitt von Anweisungen der Scriptsprache ohne eine Scriptsprachen-Laufzeitumgebung direkt in den Befehlssatz des Schnittstellenmoduls des [X.]s umgesetzt werde. Dies betreffe zwar keine konkrete Folge von Arbeitsschritten, die für die Ausführung durch eine Datenverarbeitungsanlage bestimmt seien, sondern das grundsätzliche Konzept für die Generierung dynamischer Dokumente und sei daher wohl nicht als Programm für eine Datenverarbeitungsanlage "als solches" vom Patentschutz ausgeschlossen. Ein Verfahren, das sich zur Herbeiführung des angestrebten Erfolgs eines Programms bediene, sei aber nach der Rechtsprechung des [X.] nicht schon wegen der elektronischen Datenverarbeitung dem Patentschutz zugänglich; die beanspruchte Lehre müsse vielmehr Anweisungen enthalten, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienten. Zwar möge die beanspruchte Lehre der Lösung eines (grundsätzlich) technischen Problems dienen, soweit sie versuche, durch eine bestimmte Weise der Erzeugung von Dokumenten die unterschiedliche Leistungsfähigkeit von [X.]n zu kompensieren. Dies werde aber nicht durch den Einsatz technischer Mittel bewirkt, sondern beruhe auf konzeptionellen Überlegungen. Der dabei vorausgesetzte Einsatz von Datenverarbeitungsmitteln führe nach höchstrichterlicher Rechtsprechung noch nicht dazu, dass die Lehre dem Patentschutz zugänglich sei. Um zu dem Vorschlag der Patentanmeldung zu gelangen, seien nach herkömmlichem Technikverständnis auch keine konkreten technischen Kenntnisse erforderlich, da eine bestimmte interne Arbeitsweise des [X.]s als gegeben angenommen werde.

9

Hinsichtlich des Patentanspruchs 10 ergebe sich keine andere Bewertung. Mit diesem Anspruch, der auf die Verfahrensmerkmale Bezug nehme, betone die Anmelderin lediglich den gegenständlichen Charakter des zur Ausführung des Verfahrens verwendeten Datenverarbeitungssystems, dessen gegenständliche Merkmale jedoch bereits der Lehre des Patentanspruchs 1 unterlegt worden seien.

3. [X.] macht geltend, Computer und deren Programmierung gehörten zum Gebiet der Technik. Die Verneinung der Technizität von Computerprogrammen sei eine von der Wirklichkeit nicht gedeckte Fiktion. Art. 27 Abs. 1 des [X.] gebiete die Erteilung von Patenten für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik. Der im [X.] vorgesehene Ausschluss für "Computerprogramme als solche" könne nur dann mit Art. 27 des [X.] im Einklang stehen, wenn darunter ein nichttechnischer Gegenstand zu verstehen sei. Da Computerprogramme aber per se technisch seien, ließe sich ein Widerspruch zum TRIPS-Übereinkommen nur dann vermeiden, wenn es nichttechnische "Computerprogramme als solche" gäbe. Dem stehe indessen entgegen, dass Computerprogramme dem Grunde nach technisch seien. Ein Ausweg lasse sich nur finden, wenn allen Computerprogrammen ein "Doppelcharakter" mit technischen und nichttechnischen Eigenschaften zugesprochen werde. Die technischen Eigenschaften seien hier in der Steuerung des Computers wie in allen sonstigen technischen Effekten zu sehen, die durch programmgesteuerte Computer bei der Ausführung der Programme bewirkt würden, die nichttechnischen in den textuellen Aspekten. Die bisherige Rechtsprechung des [X.] habe zwei Arten von offensichtlich technischen Anweisungen zur Computersteuerung nicht erfasst, nämlich computergerechte Anweisungen, die zwar ein technisches Problem lösten, den Patentanspruch aber nicht prägten, sowie computergerechte Anweisungen, die für den Patentanspruch prägend seien, aber kein technisches Problem lösten.

4. Der Lehre, für die die Patentanmeldung Schutz beansprucht, betrifft eine Erfindung im Sinne des § 1 Abs. 1 [X.] (in der seit dem 13.12.2007 anzuwendenden Fassung) und ist nicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 [X.] vom Patentschutz ausgeschlossen.

a) Die Lehre, für die die Anmelderin Schutz beansprucht, betrifft das unmittelbare Zusammenwirken mehrerer Elemente einer Datenverarbeitungsanlage, nämlich eines - beispielsweise durch beschränkte [X.] ([X.]. Abs. 6, 7) - in seiner Leistungsfähigkeit beschränkten [X.]s (Server; [X.]), der ein Schnittstellenmodul (Interface, [X.]) aufweist, mit einem Client ([X.]), der Anforderungen an den [X.] sendet und vom [X.] anforderungsgemäß dynamisch generierte strukturierte Dokumente empfängt. Damit stellt das in Patentanspruch 1 vorausgesetzte und mit Patentanspruch 10 beanspruchte "System" aus [X.] und Client insgesamt eine (komplexe) Datenverarbeitungsanlage dar, deren Funktionsfähigkeit durch die beschränkten Ressourcen des [X.]s beeinträchtigt sein kann.

Aus dieser Beeinträchtigung ergibt sich das der Anmeldung zugrunde liegende Problem (vgl. [X.]. Abs. 16), ein Verfahren bereitzustellen, das es ermöglicht, auch auf [X.]n mit beschränkten Ressourcen ein vom Client angefordertes strukturiertes Dokument dynamisch zu generieren (und das so generierte Dokument sodann an den Client zu übermitteln).

Dazu werden aus den vom Client empfangenen [X.] [X.] extrahiert (Merkmal 2.2) und durch ein "Kontrollmodul" des Servers auf einen Befehlssatz eines softwarearchitekturspezifischen Schnittstellenmoduls abgebildet (Merkmale 2.3, 2.3.1). Darunter ist, wie die [X.]eibung erläutert (Abs. 18), zu verstehen, dass die [X.] durch für das Schnittstellenmodul verständliche Befehle ersetzt - oder auch ignoriert - werden. Unter Verwendung mindestens eines [X.] wird sodann ein den [X.] entsprechendes strukturiertes Dokument erzeugt (Merkmal 2.4). Das [X.] enthält einen oder mehrere Dienstnehmer (Merkmal 2.4.1), d.h. dynamische Aufrufe von Objekten oder Java-Komponenten ("[X.]"), die zusammen mit statischen Bestandteilen wie beispielsweise [X.] in ein gemeinsames Dokument eingebunden sind, das beispielsweise die Struktur einer [X.] ([X.]) aufweist. Die im [X.] enthaltenen Anweisungen können mittels einer auf dem [X.] installierten Laufzeitumgebung - im Fall von [X.] die so genannte [X.] zur Umsetzung der [X.] und die so genannte [X.] ([X.]) zur Ausführung des Java-Codes - verarbeitet werden. Hierbei entsteht ein dynamisch erzeugtes strukturiertes Dokument, beispielsweise ein HTML-Dokument mit dem angeforderten Inhalt, das an den Client übermittelt wird (vgl. [X.]. Abs. 12 zu 2). Nach der Lehre der Patentanmeldung werden die Anweisungen der Dienstnehmer ("[X.]") durch ein auf dem [X.] vorhandenes Schnittstellenmodul extrahiert, auf einen korrespondierenden - beschränkten (Merkmal 2.5.1) - Befehlssatz abgebildet (Merkmal 2.5) und in einer Laufzeitumgebung des ebenfalls auf einem [X.] angeordneten Kontrollmoduls ausgeführt (Merkmal 2.6.1). Die Abbildung kann, wie die [X.]eibung erläutert, sehr vereinfacht gestaltet sein, indem sie sich beispielsweise auf einen kleinen Ausschnitt der Java-Beans-Syntax beschränkt (Abs. 43). Dies ermöglicht es, [X.]n auch auf einem Rechner umzusetzen, auf dem keine [X.] installiert ist, sondern eine angepasste Laufzeitumgebung, die weniger Rechenkapazität oder Speicherplatz benötigt. Als Vorteil dieses Verfahrens wird in der Patentanmeldung angegeben, dass ein beispielsweise in Form einer [X.] vorliegendes [X.] sowohl in einem [X.] mit begrenzten Ressourcen als auch in einem besser ausgestatteten [X.] zur dynamischen Generierung strukturierter Dokumente herangezogen werden kann, also keine unterschiedlichen [X.]e für die beiden [X.] entwickelt werden müssen (Abs. 19). Einschränkungen können sich daraus ergeben, dass das Schnittstellenmodul des in seinen Ressourcen begrenzten [X.]s nur einen beschränkten Befehlssatz aufweist und deshalb nicht ohne weiteres alle in dem [X.] enthaltenen Anweisungen in gleicher Weise umsetzen kann wie ein besser ausgestatteter [X.].

b) Damit liegt nach der Rechtsprechung des [X.] eine technische Lehre vor, die als Erfindung grundsätzlich dem Patentschutz zugänglich ist.

Der [X.] hat bereits 1991 entschieden, dass eine programmbezogene Lehre technisch ist, wenn sie die Funktionsfähigkeit einer Datenverarbeitungsanlage als solche betrifft und damit das unmittelbare Zusammenwirken ihrer Elemente ermöglicht ([X.], 11 - Seitenpuffer). Die Funktionsfähigkeit der Datenverarbeitungsanlage hat er im damaligen Streitfall insofern als betroffen angesehen, als es die erfindungsgemäße Lehre ermögliche, die Datenverarbeitungsanlage unter besserer Ausnutzung des Arbeitsspeichers und mit kürzeren Speicherzugriffszeiten zu betreiben ([X.], 11, 21). Er hat dies damit begründet, dass die angemeldete Lehre ein Verfahren betreffe, das in der Erfassung und Speicherung der Information über den aktuellen Speicherbereich eines in einer Datenverarbeitungsanlage ablaufenden Rechenprozesses und in einer bestimmten Ladestrategie für einen dem bevorzugten Zugriff unterliegenden, aber nur eine Auswahl von Speicherseiten fassenden Speicher (Seitenpuffer) bestehe. Dieses Verfahren betreffe die Funktionsfähigkeit der Datenverarbeitungsanlage als solche, denn es enthalte die Anweisung, die Elemente einer Datenverarbeitungsanlage beim Betrieb unmittelbar auf bestimmte Art und Weise zu benutzen ([X.], 11, 22).

Das Patentgericht hat in der Begründung, die es für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegeben hat, den Unterschied zum Streitfall darin gesehen, dass sich die Erfindung im Fall "Seitenpuffer" mit der internen Arbeitsweise einer Datenverarbeitungsanlage befasse, die für sich als technische Vorrichtung im Mittelpunkt der Betrachtung stehe. Entsprechend seien (prinzipielle) Abwandlungen dieser Arbeitsweise in technischer Hinsicht als dem Patentschutz zugänglich bewertet worden, auch wenn sie ohne Änderung der Hardwarestruktur allein durch eine Programmmodifikation bewirkt worden seien. Um jedoch zur beanspruchten Lehre zu gelangen, seien technisches Fachwissen und eine Auseinandersetzung mit den konkreten Baugruppen und Funktionsabläufen in der Datenverarbeitungsanlage erforderlich gewesen, während im Streitfall die Arbeitsweise des Servers als gegeben hingenommen und auf Grund konzeptioneller Überlegungen zur Verarbeitung von Daten der Einsatz bestimmter Softwaremodule vorgeschlagen werde.

Diese Unterscheidung lehnt sich an die Entscheidung "[X.] Schriftzeichen" ([X.], 23) an. In dieser hat der [X.] das zum Patent angemeldete Verfahren zur Eingabe [X.] Zeichen in [X.], das zur Einsparung von Speicherplatz, zur Verringerung der Zugriffszeit und zur Erhöhung der Geschwindigkeit des Verarbeitungsvorgangs insgesamt eine bestimmte Speicheradressierung vorsah, nicht als technische Lehre angesehen, weil das Verfahren im Gegensatz zum Fall "Seitenpuffer" nicht die Funktionsfähigkeit der Datenverarbeitungsanlage als solche betreffe; die gegenständlichen Merkmale der Datenverarbeitungsanlage gäben der beanspruchten Lehre nicht das entscheidende Gepräge, die mit den gedanklichen Maßnahmen des Ordnens der verarbeiteten Daten stehe und falle ([X.], 23, 31).

Für das Technizitätserfordernis ist es jedoch, wie der X. Zivilsenat des [X.] in der Entscheidung "[X.]" ([X.]. v. [X.] - [X.], [X.], 479) klargestellt hat, unerheblich, ob der Gegenstand einer Anmeldung neben technischen Merkmalen auch nichttechnische aufweist und welche dieser Merkmale die beanspruchte Lehre prägen. Ob Kombinationen von technischen und nichttechnischen bzw. vom Patentschutz ausgeschlossenen Merkmalen im Einzelfall patentfähig sind, hängt vielmehr - abgesehen von etwa einschlägigen Ausschlusstatbeständen des § 1 Abs. 3 [X.] - allein davon ab, ob sie neu sind und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen ([X.] [X.], 479 [X.]. 10 m.w.N.). Einer Vorrichtung (Datenverarbeitungsanlage), die in bestimmter Weise programmtechnisch eingerichtet ist, kommt deshalb ohne weiteres technischer Charakter zu, auch wenn die Vorrichtung erfindungsgemäß der Textbearbeitung dient ([X.], 282 - Sprachanalyseeinrichtung). Nichts anderes kann im Streitfall für das mit Patentanspruch 10 beanspruchte System gelten, das aus Rechnern besteht, auf denen das mit Patentanspruch 1 beanspruchte Verfahren zur dynamischen Generierung strukturierter Dokumente ausgeführt werden kann.

Da unerheblich ist, welche Merkmale die zum Patentschutz angemeldete Lehre prägen, kommt es indessen auch bei einem Verfahrensanspruch für das Technizitätserfordernis nicht darauf an, ob die Erfindung (prinzipielle) Abwandlungen der Arbeitsweise der Komponenten einer Datenverarbeitungsanlage lehrt. Es genügt vielmehr, dass sie die Nutzung solcher Komponenten lehrt und damit eine Anweisung zum technischen Handeln gibt ([X.] [X.], 479 [X.]. 8 - [X.]; [X.].Urt. v. [X.] - [X.] 4/07 [X.]. 20 - Glasflaschenanalysesystem, zur [X.] vorgesehen). Auch Patentanspruch 1 enthält damit eine grundsätzlich dem Patentschutz zugängliche technische Lehre.

c) Die zum Patent angemeldete technische Lehre ist auch nicht als Programm für Datenverarbeitungsanlagen vom Patentschutz ausgeschlossen.

aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] muss eine Anmeldung, die ein Computerprogramm oder ein durch ein Datenverarbeitungsprogramm verwirklichtes Verfahren zum Gegenstand hat, über die für die Patentfähigkeit unabdingbare Technizität hinaus verfahrensbestimmende Anweisungen enthalten, die die Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln zum Gegenstand haben ([X.]Z 149, 68, 74 - Suche fehlerhafter Zeichenketten; [X.], 197, 204 - elektronischer Zahlungsverkehr; [X.], 305 [X.]. 17 - [X.]; [X.] [X.], 479 [X.]. 11 - [X.]). Wegen des Patentierungsausschlusses für Computerprogramme als solche (§ 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 [X.]) vermögen regelmäßig erst solche Anweisungen die Patentfähigkeit eines Verfahrens zu begründen, die eine Problemlösung mit derartigen Mitteln zum Gegenstand haben. Nicht der Einsatz eines Computerprogramms selbst, sondern die Lösung eines technischen Problems mit Hilfe eines (programmierten) Rechners kann vor dem Hintergrund des Patentierungsverbotes eine Patentfähigkeit zur Folge haben.

Dies hat zur weiteren Folge, dass auch bei der Prüfung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit die Lösung des technischen Problems in den Blick zu nehmen ist. [X.] ist eine programmbezogene Lehre nur dann, wenn die Lösung des konkreten technischen Problems neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Außerhalb der Technik liegende Anweisungen genügen in diesem Zusammenhang grundsätzlich nicht; sie sind nur in dem Umfang von Bedeutung, in dem sie auf die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln Einfluss nehmen ([X.], 197, 205 f. - elektronischer Zahlungsverkehr; [X.], [X.]. v. 19.10.2004 - [X.], [X.], 143, 144 - [X.]; [X.] [X.], 479 [X.]. 11 - [X.]).

Nur im Hinblick auf diese Prüfung der erfinderischen Tätigkeit kann, wie der [X.] bereits klargestellt hat ([X.] aaO), die Frage Bedeutung gewinnen, inwiefern die technischen Lösungselemente die Erfindung "prägen". Hingegen kann - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - aus der Entscheidung "Suche fehlerhafter Zeichenketten" ([X.]Z 149, 68) nicht abgeleitet werden, nur einen Patentanspruch prägende technische Anweisungen seien geeignet, den Patentierungsausschluss zu überwinden (vgl. auch [X.], [X.]. v. 19.10.2004 - [X.], [X.], 141, 142 - Anbieten interaktiver Hilfe; [X.], Entsch. v. 21.4.2004 - [X.]/03 - 3.5.1, [X.]. [X.] 2004, 575 = GRUR Int. 2005, 332, 333 - Auktionsverfahren/HITACHI).

bb) Das Patentgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Erfindung ein technisches Problem zugrunde liegt, da es durch sie ermöglicht werde, vom Client angeforderte strukturierte Dokumente auch auf [X.]n dynamisch zu generieren, die nicht über die für den Einsatz einer eher anspruchsvollen Laufzeitumgebung wie beispielsweise einer [X.] erforderliche oder wünschenswerte Rechenkapazität verfügen. Damit ist mit der besseren Ausnutzung begrenzter Ressourcen eines Servers bei der dynamischen Generierung strukturierter Dokumente die Funktionalität eines Kommunikationssystems betroffen und infolgedessen ein konkretes technisches Problem und nicht etwa ein außerhalb der Technik liegendes Ziel (vgl. hierzu [X.], 197, 206 - elektronischer Zahlungsverkehr; [X.] [X.], 141, 142 - Anbieten interaktiver Hilfe; [X.] [X.], 143, 144 - [X.]; [X.].Urt. v. 30.7.2009 - [X.] 22/06, [X.], 44 - Dreinahtschlauchfolienbeutel) angesprochen.

cc) Das Patentgericht hat gemeint, der erfindungsgemäße Erfolg werde nicht mit technischen Mitteln herbeigeführt, weil er auf konzeptionellen Überlegungen beruhe, die in den Vorschlag mündeten, ein bestimmtes Softwaremodul vorzusehen und auf diese Weise die systemnahe Software zu optimieren. Dieser Beurteilung kann nicht beigetreten werden.

Ein technisches Mittel zur Lösung eines technischen Problems liegt nicht nur dann vor, wenn Gerätekomponenten modifiziert oder grundsätzlich abweichend adressiert werden. Es reicht vielmehr aus, wenn der Ablauf eines Datenverarbeitungsprogramms, das zur Lösung des Problems eingesetzt wird, durch technische Gegebenheiten außerhalb der Datenverarbeitungsanlage bestimmt wird oder wenn die Lösung gerade darin besteht, ein Datenverarbeitungsprogramm so auszugestalten, dass es auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage Rücksicht nimmt. Die zuletzt genannte Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Die erfindungsgemäße Lehre betrifft, wie das Patentgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, das grundsätzliche Konzept für die Generierung dynamischer Dokumente. Sie richtet sich deshalb nicht an den Programmierer, sondern an den [X.], der die Gesamtarchitektur des Datenverarbeitungssystems im Auge hat und die unterschiedlichen Eigenschaften und die Leistungsfähigkeit von Hard- und Softwarekomponenten berücksichtigt. Gerade deshalb betrifft sie den Einsatz technischer Mittel zur Lösung des zu Grunde liegenden technischen Problems. Dass die Lehre nicht auf konkrete Maßnahmen zur Abbildung der [X.] auf einen begrenzten Befehlssatz beschränkt, sondern eher abstrakt formuliert ist, wird bei der noch vorzunehmenden Prüfung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit zu berücksichtigen sein.

5. Die Sache ist somit zur Prüfung der weiteren Anforderungen an die Patentfähigkeit einer Erfindung an das Patentgericht zurückzuverweisen.

III. Eine mündliche Verhandlung hat der [X.]at nicht als erforderlich angesehen.

[X.]

                           [X.]

Meta

Xa ZB 20/08

22.04.2010

Bundesgerichtshof 10a. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 17. Januar 2008, Az: 17 W (pat) 71/04, Beschluss

§ 1 Abs 1 PatG, § 1 Abs 3 Nr 3 PatG, § 1 Abs 4 PatG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.04.2010, Az. Xa ZB 20/08 (REWIS RS 2010, 7379)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7379


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 17 W (pat) 71/04

Bundespatentgericht, 17 W (pat) 71/04, 28.07.2011.


Az. Xa ZB 20/08

Bundesgerichtshof, Xa ZB 20/08, 22.04.2010.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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