Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.07.2016, Az. IX ZB 88/15

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 7788

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:210716BIXZB88.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX [X.]/15
vom

21. Juli 2016

in dem
Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2
Zum notwendigen Inhalt der [X.] bei auf mehrere selbstän-dig tragende Gründe gestützte Entscheidung.
[X.], Beschluss vom 21. Juli 2016 -
IX [X.]/15 -
Brandenburgisches OLG

[X.]

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.],
die
Richter
Dr. [X.], [X.],
die Richterin Möhring
und [X.] Schoppmeyer

am
21.
Juli 2016
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6.
Zivilsenats des Brandenburgischen
Oberlandesgerichts vom 24.
September 2015 in der Fassung des [X.] vom 17.
No-vember 2015 wird auf Kosten der
Klägerin, die auch die dem Streithelfer erwachsenen Kosten zu tragen hat,
als unzulässig verworfen.

Der Streitwert für das Verfahren der Rechtsbeschwerde wird auf 135.169,19

Gründe:

I.

Die Klägerin wurde vom Beklagten zu
1, bei dem der Streithelfer als [X.] Mitarbeiter tätig war, im Zusammenhang mit einem Unternehmensverkauf anwaltlich beraten und im sich anschließenden Prozess gegen die Käuferin an-waltlich vertreten. Der Streithelfer erbrachte für den Beklagten zu
1 gegenüber der Klägerin die anwaltlichen Leistungen. Der Beklagte zu
2 war ihr [X.]
-

3

-
ter und hat im Rahmen der Verkaufsverhandlungen an Gesprächen teilgenom-men. Die Klägerin wirft beiden
Beklagten vor, sie während der laufenden [X.] falsch beraten zu haben, dem Beklagten zu
1 wirft sie zusätzlich vor, für sie einen aussichtslosen Prozess gegen die Käuferin geführt zu haben. Der Streithelfer ist dem Rechtsstreit auf Seiten der
Beklagten beigetreten. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die rechtzeitig eingelegte und begrün-dete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht durch Beschluss als unzu-lässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbe-schwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin ist zwar kraft Gesetzes statthaft, §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4 ZPO, im Übrigen jedoch unzu-lässig. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.], §
574 Abs.
2 Nr.
2 Fall
2 ZPO, weil das Berufungsgericht §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
2 ZPO rechtsfehlerfrei angewendet hat und die Klägerin we-der in ihrem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf
rechtliches Gehör
nach Art.
103 Abs.
1 GG noch in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz nach Art.
2 Abs.
1 GG in Verbin-dung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzt ist.

1.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt,
die Berufungsbegründung erfülle nicht die von §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
2 und 3 ZPO gestellten Anforderungen. Zwar wende sich die Berufung gegen jeden der die klageabweisende Entschei-dung selbständig tragenden Gründe
des landgerichtlichen Urteils. Hinsichtlich 2
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-

4

-
der Annahmen des [X.]s, die Klage sei mangels hinreichender Darle-gung einer Pflichtverletzung sowie wegen Fehlens nachvollziehbaren Vortrags zu Schaden und Kausalität unbegründet, fehle es aber an einem
hinreichenden Berufungsangriff. Ein solcher sei in der [X.], das landgerichtliche Urteil stelle unter Verletzung von §
139 ZPO und Art.
103 Abs.
1 GG eine Überraschungs-entscheidung dar, nicht zu sehen. Denn die Berufung setze sich insoweit mit den inhaltlichen Ausführungen des [X.]s nicht auseinander. Auch werde nicht vorgetragen, was die Klägerin nach Erteilung des vermissten Hinweises vorgetragen hätte.

2.
Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass die Zulässigkeitsvoraus-setzungen des §
574 Abs.
2 ZPO erfüllt sind.

a)
Die Anforderungen an eine Berufungsbegründung sind geklärt. Nach §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des [X.] die Rechtsver-letzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen nicht; für die Zulässigkeit der [X.] ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Jedoch muss die Berufungsbegründung auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein, es
reicht nicht aus, die Auffas-sung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Rede-wendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu [X.]. Dabei muss die Berufung die tragenden Erwägungen des Erstgerichts angreifen
und darlegen, warum diese aus Sicht des [X.] nicht zu-4
5
-

5

-
treffen; die Begründung muss also -
ihre Richtigkeit unterstellt
-
geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen ([X.], Beschluss vom 10.
Dezember 2015 -
IX
ZB 35/15, ZInsO
2016, 410 Rn.
7 mwN).
Entsprechendes gilt für die Bezeichnung der konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
3 ZPO; vgl. [X.], Beschluss vom 20.
Oktober 2015 -
VI
ZB 18/15, VersR
2016, 616 Rn.
8).

b)
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe genügt
die klägerische [X.] nicht den Anforderungen des §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
2 ZPO.

aa)
Das [X.] hat angenommen, etwaige Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten seien verjährt, zudem habe die Klägerin die Pflichtverlet-zungen der Beklagten, die Kausalität und den Schaden nicht hinreichend darge-legt. Die Berufungsbegründung setzt sich im Wesentlichen mit der Ansicht des erstinstanzlichen Urteils auseinander, die Ansprüche seien verjährt. Zu der al-ternativen Begründung führt die Berufungsbegründung lediglich am Ende des Schriftsatzes in einem Satz aus, die Darlegungen in der Urteilsbegründung
auf Seite
13, in denen das erstinstanzliche Gericht inhaltliche Ausführungen ge-macht habe, seien völlig überraschend, weil es hierzu weder Gespräche in der mündlichen Verhandlung noch anderweitige Hinweise gegeben habe.

bb)
Den an
eine Berufungsbegründung zu stellenden Anforderungen wird die Berufungsbegründung der Klägerin damit nicht gerecht.
Hinsichtlich der das landgerichtliche Urteil selbständig tragenden Annahme, die Klägerin habe zu den Anspruchsvoraussetzung der Anwalts-
und Steuerberaterhaftung nicht hin-6
7
8
-

6

-
reichend vorgetragen, fehlt es -
wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat
-
an einem hinreichenden Berufungsangriff.

(1)
Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere [X.] unabhängige, selbständig tragende rechtliche
Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig ([X.], Beschluss vom 27.
Januar 2015 -
VI
ZB 40/14, [X.], 728 Rn.
8 mwN; vom 3.
März 2015 -
VI
ZB 6/14, [X.], 480
Rn.
6). Bei der Annahme des [X.]s, die Anspruchsvorausset-zungen der streitgegenständlichen Ansprüche seien nicht hinreichend dargetan, handelt es sich um eine rechtliche Erwägung, die das Urteil selbständig und unabhängig von den anderen rechtlichen Erwägungen, etwaige Ansprüche sei-en verjährt, trägt und deswegen auch insoweit ein Berufungsangriff erforderlich macht (vgl. [X.], Beschluss vom 27.
Januar 2015,
aaO
Rn.
10). Dies wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht in Frage gestellt.

(2)
Die Berufungsbegründung hätte sich deswegen entweder mit den Ausführungen des [X.]s auseinandersetzen müssen, die Klägerin habe nicht hinreichend zu den Anspruchsvoraussetzungen eines Regressanspruchs vorgetragen, und darlegen müssen, dass sie dies sehr wohl
gemacht und das [X.] die Anforderungen an die Substantiierung überspannt habe. Oder sie hätte, die Ansicht des [X.]s hinnehmend, der Vortrag sei bislang nicht hinreichend, ausführen müssen, wie sie ihren Vortrag zu den [X.] und des Steuerberaters nach [X.] ergänzt hätte.

(a)
Ein tauglicher Berufungsangriff kann nicht darin erblickt werden, dass die Berufungsbegründung geltend macht, das erstinstanzliche Gericht habe 9
10
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-

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-
trotz Hinweispflicht gemäß §
139 ZPO keinen weiteren ergänzenden Vortrag gefordert. Die [X.] eines Verstoßes gegen §
139 ZPO und/oder Art.
103 Abs.
1 GG ist nämlich nur dann in ausreichender Weise erhoben, wenn darge-legt wird, was auf einen entsprechenden Hinweis vorgetragen worden wäre ([X.], Beschluss vom 22.
Mai 2014 -
IX
ZB 46/12, nv
Rn.
10; vom 27.
Januar 2015, aaO Rn.
12; vom 3.
März 2015,
aaO
Rn.
8). Dies hat die Klägerin in der Berufungsbegründung nicht getan.

(b)
Ebenso wenig hat sich die Klägerin mit der Auffassung des Landge-richts auseinandergesetzt, ihr erstinstanzlicher Vortrag zu den Anspruchsvo-raussetzungen der Beraterhaftung sei nicht ausreichend gewesen.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde genügen
die im [X.] mit dem Berufungsangriff gegen die Ansicht des [X.]s, etwai-ge Forderungen gegen die Beklagten seien verjährt, gehaltenen Ausführungen zu den Anspruchsvoraussetzungen nicht. Sie enthalten keinen eigenständigen Berufungsangriff gegen die alternative Begründung der Klageabweisung im landgerichtlichen Urteil.
Denn die Berufungsbegründung führt an den genann-ten Stellen nicht aus, dass die Klägerin entgegen der Ansicht des [X.]s hinreichend zu den Anspruchsvoraussetzungen vorgetragen habe und deswe-gen die entgegengesetzte Ansicht des [X.]s falsch sei.
Mit den konkre-ten Erwägungen des [X.]s zu den Anspruchsvoraussetzungen der Be-raterhaftung befasst sich die Berufungsbegründung nämlich nicht. Damit lässt sie nicht erkennen, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen die Klägerin bezogen auf die Anspruchsvoraussetzungen das angefochtene Urteil für unrichtig hält (vgl. [X.], Beschluss vom 11.
März 2014 -
VI
ZB 22/13, VersR
2014, 895 Rn.
8; [X.], Beschluss vom 22.
Mai 2014, aaO Rn.
9).
Dass sie rügt, das
[X.] habe erforderliche Hinweise nicht erteilt, legt sogar 12
13
-

8

-
nahe, die Berufungsbegründung teile die Ansicht des [X.]s, ihr Vortrag zu den Anspruchsvoraussetzungen sei nicht substantiiert.

(3)
Die Klägerin kann sich mit der Rechtsbeschwerde auch nicht darauf berufen, das [X.] habe ihren Vortrag fehlerhaft als unsubstantiiert be-handelt und sie dadurch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (Art.
103 Abs.
1 GG). Diese [X.] hat sie in der [X.] nicht ausdrücklich erhoben, wie die Rechtsbeschwerde einräumt. Aber auch aus dem Zusammenhang der Berufungsbegründung erschließt sich eine solche [X.] nicht. Die Klägerin hat an keiner Stelle behauptet, das [X.] habe klägerischen Vortrag übergangen. Sie hat den angeblich übergangenen Vortrag weder benannt noch die entsprechenden Fundstellen nachgewiesen. Deswegen hat das Berufungsgericht auch nicht gehörswidrig eine in der [X.] erhobene [X.] übergangen.

Der [X.] verlangt es, für jede "neue und eigenständige Verletzung" des Art.
103 Abs.
1 GG durch eine gerichtliche Entscheidung die einmalige Möglichkeit gerichtlicher Kontrolle zu gewähren. Wird im Zivilprozess die erstmalige Verletzung des Art.
103 Abs.
1 GG durch das Eingangsgericht gerügt, so ist der danach erforderliche Rechtsbehelf mit der Berufung gemäß §
520 ZPO gegeben und nach den hierfür maßgeblichen Bestimmungen durch-zuführen. Ein zusätzlicher Rechtsbehelf im Wege der Rechtsbeschwerde ist danach nur erforderlich, wenn eine neue und eigenständige Verletzung durch das Berufungsgericht gerügt werden könnte; dies ist aber im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung des §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
2 ZPO durch das Berufungsgericht zu verneinen ([X.], Beschluss vom 22.
Mai 2014 -
IX
ZB 46/12, nv
Rn.
11).

14
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-

9

-

c)
Der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 14.
September 2015 er-folgte erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist (§
520 Abs.
2 Satz
1 ZPO) und konnte die Berufung nicht mehr zulässig machen (vgl. [X.],
[X.] vom 27.
Januar 2015 -
VI
ZB 40/14,
[X.], 728
Rn.
15; vom 20.
Oktober 2015 -
VI
ZB 18/15, VersR
2016, 616 Rn.
9 aE).

Kayser
[X.]
[X.]

Möhring
Schoppmeyer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 20.03.2015 -
12 O 403/13 -

OLG Brandenburg, Entscheidung vom 24.09.2015 -
6 U 49/15 -

16

Meta

IX ZB 88/15

21.07.2016

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.07.2016, Az. IX ZB 88/15 (REWIS RS 2016, 7788)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7788

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