Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2015, Az. VI ZB 40/14

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 16558

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB
40/14

vom

27. Januar 2015

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 520
1.
Eine Berufungsbegründung bedarf einer aus sich heraus verständlichen Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger be-kämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Sie muss auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Hierfür reicht es nicht aus, auf Vorbringen in der Klageschrift zu verweisen und einen Ge-hörsverstoß wegen Verletzung der Hinweispflicht zu rügen, ohne auszuführen, was auf einen entsprechenden Hinweis vorgetragen worden wäre.
2.
Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhän-gige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die [X.] in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist die Berufung unzulässig.
[X.], Beschluss vom 27. Januar 2015 -
VI [X.]/14 -
OLG Zweibrücken

LG Frankenthal

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
27. Januar 2015
durch den Vorsitzenden [X.], die
Richter
Pauge, Stöhr
und Offenloch
und die Richterin Dr. Oehler
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des [X.] vom 21. Mai 2014 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf bis zu
125.000

festgesetzt.

Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen
einer angeblich fehlerhaften ärztlichen Behandlung auf Schadensersatz in Anspruch.
In den Jahren 2001 bis 2005 befand sich die Klägerin beim Beklagten, der eine orthopädische Praxis betreibt, wegen eines massiven Lymphödems im Ausmaß einer Elephantiasis, das die Versorgung der Klägerin mit orthopädischen Maßschuhen erforderlich machte, in Behandlung. Der Beklagte verordnete der Klägerin in dieser Zeit mehrere Paar Schuhe (Halbschuhe, Hausschuhe und Stiefel). Mit der Behauptung, diese Schuhe seien mangelhaft 1
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-

gefertigt worden, hätten gedrückt und gerieben, was zu schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen geführt habe, nahm die Klägerin
zunächst das Sanitätshaus, das die
Schuhe hergestellt hatte, auf Schadensersatz in Anspruch. Diese Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. Nunmehr nimmt die Klägerin
den Beklagten mit der Behauptung in Anspruch, bereits die Verordnungen
der Schuhe
seien sämtlich fehlerhaft gewesen.
Das [X.] hat
die Klage abgewiesen.
Zur Begründung
hat es
im Wesentlichen ausgeführt, es fehle bereits an einer Pflichtverletzung des Beklagten; es lasse sich auch nicht feststellen, dass die Beschwerden der Klägerin auf die Verordnungen des Beklagten zurückzuführen seien; zudem seien die von der Klägerin verfolgten Ansprüche verjährt.
Die von der Klägerin dagegen geführte Berufung hat das [X.] -
nach vorherigem Hinweis
-
durch
Beschluss als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer
Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist gemäß §
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz 4 ZPO statthaft, aber nicht zulässig. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts
oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] (§
574 Abs.
2 ZPO).
Insbesondere verletzt der angefochtene Beschluss die Klägerin
weder
in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechts-schutz (Art.
2 Abs.
1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip) noch in ihrem
Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG).
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-
4
-

1.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die Berufung der Klägerin sei mangels ausreichender Berufungsbegründung unzulässig. Diese genüge den Anforderungen des §
520 Abs.
1 und 3 ZPO nicht, weil sie sich hinsichtlich der vom [X.] festgestellten Verjährung der streitgegenständlichen Ansprüche, die die klageabweisende Entscheidung allein trage, auf den
Hinweis beschränke, bereits in der Klageschrift sei vorgetragen worden, dass eine Verjährung nicht eingetreten sei. Unabhängig von der Frage,
ob dieser allgemeine Hinweis
bzw. die darin liegende Bezugnahme auf die Klageschrift ausreichend sei, seien die in der Klageschrift niedergelegten Ausführungen zur Verjährungsproblematik auch nicht geeignet, insoweit einen wirksamen Berufungsangriff zu führen.
2.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
a)
Nach
§
520 Abs.
3 Satz 2 Nr.
2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben; nach §
520 Abs.
3 Satz
2
Nr.
3 ZPO muss sie konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen 5
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-
5
-

Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (st. Rspr., vgl. nur [X.], Beschluss
vom 22.
Mai 2014 -
IX
ZB 46/12, juris Rn.
7
mwN).
Hat das Erstgericht
die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (Senat, Beschluss vom 18. Oktober 2005 -
VI
ZB 81/04, [X.], 285 Rn. 8; [X.], Beschlüsse
vom 28. Januar 2014 -
III
ZB 32/13, juris Rn.
13;
vom 23. Oktober 2012 -
XI
ZB 25/11, [X.], 174 Rn.
11; vom 15. Juni 2011 -
XII
ZB 572/10, NJW 2011, 2367 Rn.
10;
vgl.
auch
Hk-ZPO/[X.], 5.
Aufl., §
520 Rn.
23; [X.]/[X.], ZPO, 30.
Aufl., §
520 Rn.
37a; jeweils mwN).
b)
Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung der Klägerin nicht gerecht. Hinsichtlich der das landgerichtliche Urteil selbständig tragenden Annahme der Verjährung
fehlt es -
wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat
-
an
einem hinreichenden Berufungsangriff
(vgl. [X.], Urteil vom 18. Juni 1998 -
IX
ZR 389/97, NJW 1998, 3126; Beschluss vom 25. Januar 1990 -
IX
ZB 89/89, [X.], 543).
aa)
Bei der Annahme des [X.]s, die streitgegenständlichen Ansprüche seien verjährt, handelt es sich
um eine rechtliche Erwägung, die das Urteil selbständig und unabhängig von den anderen rechtlichen Erwägungen trägt, und nicht nur um einen bloßen Hinweis des Gerichts, hinsichtlich dessen es keines Berufungsangriffs bedürfte
(vgl. hierzu [X.], Urteil vom 18.
Dezember 2003 -
I
ZR 195/01, NJW-RR 2004, 1002; Hk-ZPO/[X.], 5.
Aufl., §
520 Rn.
23).
Zwar führt das [X.] einleitend
aus, die Kammer weise nur der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die klägerseits verfolgten 8
9
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-

Ansprüche zudem verjährt wären und der Beklagte auch die dahingehende Einrede erhoben habe. Aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe ergibt sich aber, dass das [X.] seine Entscheidung auch auf diesen Gesichtspunkt stützt. So belässt es das [X.]
-
anders als
im dem Urteil des [X.] vom 18. Dezember 2003 ([X.] aaO) zugrundeliegenden Fall
-
nicht
bei
einem
kurzen Hinweis. Vielmehr legt es -
in der Gliederung den anderen, ohne weiteres tragenden Erwägungen gleichgeordnet
-
ausführlich dar, warum es zum Ergebnis gelangt, die "insoweit zugunsten der Klägerin unterstellte[n]"
Ansprüche wären "jedenfalls"

nicht mehr durchsetzbar. Den Schluss, die Klage stelle sich "sungsreif dar", zieht es
im Anschluss daran

und legt diesem damit auch die Ausführungen zur Verjährung zugrunde.
bb)
Hinsichtlich der vom [X.] angenommenen
Verjährung fehlt es an einem hinreichend dargelegten (§
520 Abs.
3 Satz 2 Nr.
2, 3 ZPO)
Berufungsangriff. Die
bloße Bezugnahme
auf
Ausführungen in der Klageschrift erschöpft sich in einem -
wie ausgeführt
-
nicht
ausreichenden Verweis auf das erstinstanzliche Vorbringen. Ob die Ausführungen in der Klageschrift selbst -
wie die Rechtsbeschwerde von der Bewertung des Berufungsgerichts abweichend meint
-
geeignet
sind, das angefochtene Urteil in Frage zu stellen, ist deshalb unerheblich
(vgl. [X.], Beschluss vom 18. Juni 1998 -
IX
ZR 389/97, NJW 1998, 3126).
Soweit die Berufungsbegründung darüber hinaus rügt, das [X.] habe es verfahrensfehlerhaft
unterlassen, darauf hinzuweisen, dass es die streitgegenständlichen Ansprüche
auch für verjährt halte, und das erstinstanzliche Verfahren in einer Weise betrieben, die darauf habe schließen lassen, dass es vom Eintritt der Verjährung gerade nicht ausgehe, hilft dies der 11
12
-
7
-

Klägerin nicht weiter. Denn ein tauglicher Berufungsangriff kann auch darin nicht erblickt werden. Die Rüge eines
Verstoßes gegen §
139 ZPO
und/oder Art.
103 Abs.
1 GG ist nämlich in einem solchen Fall nur
dann in ausreichender Weise erhoben, wenn dargelegt wird, was auf einen entsprechenden
Hinweis vorgetragen worden wäre
(vgl. [X.], Beschluss vom 22.
Mai 2014 -
IX
ZB 46/12, juris Rn.
10; [X.]/[X.], ZPO, 30.
Aufl., §
139 Rn.
20; jeweils mwN).
Dies hat die Klägerin in der Berufungsbegründung nicht getan.
cc)
Die von der Rechtsbeschwerde gegen den angefochtenen Beschluss im Übrigen
erhobenen Einwände greifen nicht.
Dies gilt zunächst für den Einwand, im [X.] -
wie vorliegend
-
seien auch an die Berufungsbegründung nur maßvolle und verständig geringe Anforderungen zu stellen, wie generell an die Substantiierungspflicht des klagenden Patienten. Dies mag im Ansatz zutreffen, betrifft aber nur Vortrag zu fachspezifischen Fragen, der besondere Sachkunde erfordert, insbesondere also Vortrag zu medizinischen Vorgängen, bezüglich derer vom Patienten regelmäßig keine genaue Kenntnis erwartet werden kann (vgl. Senatsurteile vom 18. Oktober 2005 -
VI
ZR 270/04, [X.]Z 164, 330, 335; vom 8. Juni 2004 -
VI
ZR 199/03, [X.]Z 159, 245, 252; vom 19. Mai 1981 -
VI
ZR 220/79, [X.], 752).
Die Frage nach dem Verjährungsbeginn ist
im Streitfall
gerade keine solche Frage. Zudem ist auch bezüglich fachspezifischer Fragen kein Grund ersichtlich, die [X.] in der Berufungsbegründung so weit abzuschwächen, dass hier -
anders als sonst
-
der bloße Verweis auf die Klageschrift ausreichend
wäre.
Weiter ist für die Frage der Zulässigkeit der Berufung entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ohne Bedeutung, dass sich die Klägerin in ihrem beim Berufungsgericht nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist 13
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-
8
-

eingegangenen Schriftsatz vom 12. November 2013 vertieft mit der Verjährungsfrage auseinandersetzt.
Denn eine unzulängliche Berufungsbegrün-dung kann nach Fristablauf nicht mehr geheilt werden (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Februar 1997 -
III
ZR 285/95, [X.], 643 f.). Erst recht sind -
anders als die Rechtsbeschwerde offenbar meint
-
Ausführungen des Berufungsbe-klagten in der [X.] nicht geeignet, eine unzulängliche Berufungsbegründung zu heilen.
c)
Das Berufungsgericht hat die Berufung mithin zu Recht als unzulässig verworfen. Auf Fragen der Begründetheit
der Berufung, also insbesondere auf die den Streitfall betreffenden Ausführungen der Rechtsbeschwerde zur Frage des Verjährungseintritts und der den Tatrichter nach ihrer Auffassung treffenden

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-
9
-

Pflicht, ein neues Sachverständigengutachten einzuholen, kommt es deshalb
nicht mehr an.
Galke
Pauge
Stöhr

Offenloch
Oehler

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.02.2013 -
4 O 446/11 -

OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 21.05.2014 -
5 U 10/13 -

Meta

VI ZB 40/14

27.01.2015

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2015, Az. VI ZB 40/14 (REWIS RS 2015, 16558)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16558

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VI ZB 40/14

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