Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.07.2020, Az. X R 35/18

10. Senat | REWIS RS 2020, 3397

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Gegenstand

Steuerfreiheit der Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen


Leitsatz

1. Die Beitragserstattungen der Deutschen Rentenversicherung Bund i.S. des § 210 SGB VI sind als "andere Leistungen" steuerbare Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG. Sie können deshalb nicht zugleich "negative Sonderausgaben" sein.

2. Die Erstattung der Rentenversicherungsbeiträge nach § 210 Abs. 1a SGB VI ist gemäß § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG steuerfrei.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 22.11.2018  - 14 K 1629/18 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), die im Streitjahr 2017 mit dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, hatte als Arbeitnehmerin in den Jahren 2010, 2011 und 2013 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet. Auf ihren Antrag hin erstattete die [X.] ([X.]) mit [X.] vom 24.03.2017 gemäß § 210 Abs. 1a des [X.] (SGB VI) Beiträge in Höhe von 2.781,26 €. Die Erstattung überstieg ihre geleisteten Arbeitnehmerbeiträge um rund 17 €.

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) minderte die Altersvorsorgeaufwendungen der Kläger um den Erstattungsbetrag.

3

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2019, 410). Die Beitragserstattung sei steuerbar, aber nach § 3 Nr. 3 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei.

4

Das [X.] macht im Rahmen seiner Revision geltend, die Qualifikation der Beitragserstattung als steuerfreie Einnahme nach § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG schließe einen negativen Sonderausgabenabzug nicht aus. Steuerfreiheit und Sonderausgabenerstattung seien nicht generell inkompatibel. Trotz der Steuerfreiheit sei § 10 Abs. 4b EStG anzuwenden. Dies entspreche sowohl der Gesetzessystematik wie auch der historischen Entwicklung der Vorschriften und deren Sinn und Zweck.

5

§ 3 Nr. 3 Buchst. b EStG komme in Bezug auf die Beitragserstattungen lediglich eine klarstellende Funktion zu. Demgegenüber enthalte § 10 Abs. 4b EStG eine spezialgesetzliche Regelung für erstattete Sonderausgaben. Sie seien im Jahr der Erstattung zu erfassen, um eine Korrektur im [X.] nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung aus Steuervereinfachungsgründen zu vermeiden.

6

Sozialversicherungsrechtlich handele es sich bei den Beitragserstattungen nach § 210 SGB VI nicht um einen Erstattungsanspruch im engeren Sinn, sondern um eine von der gesetzlichen Rentenversicherung zu erbringende einmalige Leistung im Sinne des Sozialrechts (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d des [X.]). Der Steuerpflichtige wende folglich diesen Teil seiner Beiträge nicht für den Versicherungsschutz auf. Wirtschaftlich sei er in Höhe des [X.] zwischen den gezahlten und erstatteten Beiträgen belastet. Nur insoweit liege eine Minderung seiner subjektiven Leistungsfähigkeit vor, die eine Berücksichtigung von Sonderausgaben rechtfertige.

7

Es komme für die steuerliche Beurteilung nicht darauf an, ob die Beitragsrückerstattung eine von der gesetzlichen Rentenversicherung zu erbringende einmalige Leistung sei, zumal die Einnahme nach § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG steuerfrei sei. Entscheidend sei, dass mit der Erstattung der Beiträge der Versicherungsschutz entfalle. Die nachgelagerte Besteuerung liefe ins Leere, so dass eine Änderung der bisherigen steuerlichen Bewertung nötig sei.

8

Das [X.] beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen.

Die [X.] der [X.] sind als Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 [X.] steuerbar (unter 1.). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass diese Einkünfte gemäß § 3 Nr. 3 Buchst. b [X.] steuerfrei sind (unter 2.). Sie sind nicht mit den Altersvorsorgeaufwendungen der Kläger im Streitjahr zu verrechnen (unter 3.).

1. Die [X.] der [X.] sind als Einnahmen i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] [X.] anzusehen. Es handelt sich um eine "andere Leistung aus den gesetzlichen Rentenversicherungen", die hier von der [X.] erbracht wird.

a) Eine einmalige Kapitalleistung ist eine "andere Leistung" i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] [X.], wenn sie Teil der Basisversorgung ist.

[X.]) Wiederholt hat der [X.] entschieden, dass eine Kapitalauszahlung auch dann als "andere Leistung" i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a [X.] anzusehen ist, wenn keine "wiederkehrenden Bezüge" nach § 22 Nr. 1 Satz 1 [X.] gegeben sind (etwa [X.]surteile vom 23.11.2016 - X R 13/14, [X.], 445, Rz 12, und vom 23.10.2013 - X R 3/12, [X.], 287, [X.] 2014, 58, Rz 21 ff.). Diese Rechtsprechung bezieht sich auf Leistungen, die zur Basisversorgung gehören. Deshalb hat der [X.] auch die Erträge aus der Kapitalversorgung eines Versorgungswerks, die als kapitalbildende Lebensversicherung ausgestaltet war, nicht als "andere Leistung" i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a [X.] angesehen, da eine Kapitallebensversicherung nicht Teil der Basisversorgung, sondern (grundsätzlich) Teil der dritten Schicht im sog. Drei-Schichten-Modell ist, welches durch das Alterseinkünftegesetz ([X.]) umgesetzt wurde ([X.]surteil vom 12.12.2017 - X R 39/15, [X.], 203, [X.] 2018, 579, Rz 26).

bb) Das wesentliche Charakteristikum der Einkünfte aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] [X.] ist, dass sie der Basisversorgung dienen und somit die erste Schicht des "[X.]" bilden. Zu dieser ersten Schicht gehören insbesondere die Leibrenten, die auf einem durch Beiträge erworbenen Anspruch gegen einen gesetzlichen Vermögensträger auf lebenslängliche Versorgung beruhen, frühestens ab seinem 60. Lebensjahr gezahlt werden und bei denen die Anwartschaften nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht veräußerbar und nicht kapitalisierbar sein dürfen (vgl. [X.]surteil in [X.], 203, [X.] 2018, 579, Rz 17, m.w.N.).

Soweit der Finanzausschuss des [X.] in seinem Bericht zum [X.] die von einigen Versorgungswerken eingeräumte Möglichkeit von [X.] anführt, handelt es sich lediglich um ein Beispiel für eine "andere Leistung" (vgl. BTDrucks 15/3004, S. 19) im Rahmen der Basisversorgung. Der Anwendungsbereich dieses gesetzlichen Tatbestands beschränkt sich aber nicht hierauf (so schon [X.]surteil in [X.], 445, Rz 13), denn die grundlegenden Erwägungen, die mit der Neugestaltung der Rentenbesteuerung durch das [X.] verbunden waren (ausführlich [X.]surteil in [X.], 287, [X.] 2014, 58, Rz 26 ff.), sprechen für eine Einbeziehung sämtlicher Auszahlungen aus der Basisversorgung in die nachgelagerte Besteuerung (weiterführend auch [X.]surteil in [X.], 445, Rz 14).

b) Die streitgegenständlichen [X.] gemäß § 210 Abs. 1a [X.] VI stellen auch "andere Leistungen" der [X.] dar.

[X.]) Wie bereits in der gesetzlichen Überschrift der Norm genannt, beinhaltet § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d [X.] I neben Witwen- und Witwerrentenabfindungen die [X.] als Leistungen der [X.] (vgl. [X.], in: [X.], jurisPK-[X.] I, 3. Aufl., § 23 [X.] I, Rz 76 f.). § 210 Abs. 1 [X.] VI sieht eine Beitragserstattung vor, wenn der Versicherte nicht mehr versicherungspflichtig ist und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung hat. Beiträge können auch an Versicherte erstattet werden, die die Regelaltersgrenze erreicht und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben, oder an Hinterbliebene, die wegen nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit keinen Hinterbliebenenanspruch haben. Auf Antrag kann der Versicherte sich daneben nach § 210 Abs. 1a Satz 1 [X.] VI die Beiträge erstatten lassen, wenn er versicherungsfrei ist und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt hat, nicht jedoch u.a. bei Beamten auf [X.] oder auf Probe sowie bei Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst. Es handelt sich dabei um die Erstattung solcher Beiträge, die zu Recht gezahlt worden sind. Bei zu Unrecht gezahlten Versicherungsbeiträgen ist § 26 Abs. 2 und 3 des [X.] einschlägig (vgl. [X.] in: [X.]/[X.], [X.], 06/18, § 23 [X.] I, Rz 64).

bb) [X.] werden diese Beitragsrückerstattungen den Leistungen der Rentenversicherung zugeordnet (vgl. [X.] für das [X.], Urteil vom 23.02.2001 - L 14 RA 59/99, [X.], Rz 23; auch [X.] in: [X.]/[X.], [X.], 06/18, § 23 [X.] I, Rz 1). Für den [X.] ist kein Grund erkennbar, diese sozialversicherungsrechtliche Zuordnungsentscheidung nicht auch für das Steuerrecht als maßgeblich anzusehen.

c) Folge der Qualifikation der Erstattungen nach § 210 Abs. 1a Satz 1 [X.] VI als "andere Leistungen" gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] [X.] ist die Steuerbarkeit dieser Zahlungen. Soweit vor der Umstellung auf die "nachgelagerte Besteuerung" der Altersrenten durch das [X.] von einer fehlenden Steuerbarkeit der [X.] der gesetzlichen Rentenversicherung ausgegangen worden sein sollte (so [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 3 Nr. 3 [X.], Rz 1, unter Bezug auf das Urteil des [X.] vom 26.05.1971 - I R 79/69, [X.], 502, [X.] 1971, 655), ist diese Ansicht durch die Erweiterung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] [X.] auf "andere Leistungen" der gesetzlichen Rentenversicherungen überholt. Darüber hinaus zeigen die Änderungen in § 3 Nr. 3 [X.], dass der Gesetzgeber zumindest nunmehr von einer Steuerbarkeit ausgeht (vgl. weiterführend unter II.2.c).

2. Die streitgegenständlichen [X.] der [X.] sind zwar steuerbar gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 [X.], jedoch steuerfrei gemäß § 3 Nr. 3 Buchst. b [X.].

a) Gemäß § 3 Nr. 3 Buchst. b [X.] sind u.a. die Erstattungen von zu Recht gezahlten Beiträgen an den Versicherten nach § 210 [X.] VI steuerfrei. Diese werden, wie hier, nach Ablauf einer Wartefrist von 24 Kalendermonaten seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht ausgezahlt, wenn nicht erneut eine Versicherungspflicht eingetreten ist (§ 210 Abs. 2 [X.] VI).

b) Das Jahressteuergesetz 2007 --[X.] [X.] (BStBl I 2007, 28) führte zu einer Neufassung der Steuerbefreiungsvorschrift und einer Präzisierung ihres Anwendungsbereichs.

[X.]) Während seit dem Steueränderungsgesetz 1950 ([X.] 1950, 95) [X.] u.a. aufgrund der gesetzlichen Rentenversicherung steuerfrei waren, wurden durch das [X.] 2007 die steuerfreien Leistungen durch Angabe der sozialrechtlichen Bestimmungen konkretisiert. Daneben wurde die Steuerfreiheit aus Gleichbehandlungsgründen auf berufsständische Versorgungseinrichtungen ausgedehnt. Ausdrücklich ist seitdem u.a. die Erstattung von Versichertenbeiträgen, in denen das mit der Einbeziehung in die Rentenversicherung verfolgte Ziel eines Rentenanspruchs nicht oder voraussichtlich nicht erreicht oder nicht vollständig erreicht werden kann, steuerfrei (BTDrucks 16/3368, S. 16).

bb) Die so gefasste Steuerfreiheit in § 3 Nr. 3 [X.] hat der Gesetzgeber ausdrücklich als Ausnahme vom Grundsatz der nachgelagerten Besteuerung bestehen gelassen. Der Bitte des Bundesrates, zu prüfen, ob die Regelung zur Steuerfreiheit von [X.] nach § 3 Nr. 3 [X.] im Hinblick auf den durch das [X.] eingefügten Grundsatz der nachgelagerten Beststeuerung aufgehoben werden sollte (Stellungnahme des Bundesrates, BTDrucks 16/3036, S. 2), ist der Finanzausschuss des [X.] nicht gefolgt. Vielmehr hat er in seiner Beschlussempfehlung die der späteren gesetzlichen Regelung entsprechende Änderung des § 3 Nr. 3 Buchst. a bis d [X.] vorgeschlagen, um u.a. klarzustellen, auf welche Leistungen sich die Steuerfreiheit beziehen soll. Dazu gehören auch Beitragsrückerstattungen (BTDrucks 16/3368, S. 16).

c) Der [X.] sieht sich durch diese Gesetzesänderung zudem in seiner Auffassung bestärkt, dass die Erstattung der Rentenversicherungsbeiträge gemäß § 210 Abs. 1a [X.] VI als steuerbare Einnahmen zu qualifizieren sind (vgl. oben unter [X.]). Da sich die Steuerfreistellung gemäß § 3 Nr. 3 Buchst. b [X.] ausdrücklich auch auf Erstattungen nach § 210 [X.] VI bezieht, liefe sie leer, wenn man diese nicht als steuerbar ansähe. Ein solches Leerlaufen einer Vorschrift gilt es in der Regel zu verhindern (vgl. [X.] in Tipke/ [X.], § 4 AO Rz 306a).

d) Da eine Beitragserstattung gemäß § 210 Abs. 1a Satz 1 [X.] VI vorliegt, sind die Zahlungen der [X.] an die Klägerin im Streitjahr gemäß § 3 Nr. 3 Buchst. b [X.] steuerfrei, und zwar in Höhe der insgesamt von der [X.] ausgezahlten Beträge. Zwar ist die Erstattung von [X.] zur Rentenversicherung der Höhe nach gemäß § 210 Abs. 1a, Abs. 3 Satz 1 [X.] VI auf die geleisteten Arbeitnehmerbeiträge begrenzt. Doch geht der [X.] wie das [X.] in Bezug auf den übersteigenden Betrag von rund 17 € von einem bloßen Fehler aus, der der Gesamtzahlung nicht den Charakter der (steuerfreien) Beitragserstattung nimmt.

3. Eine Verrechnung der [X.] mit den Altersvorsorgeaufwendungen des Klägers i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 [X.] kommt nicht in Betracht. Die [X.] sind keine "negativen Sonderausgaben".

a) Das Gesetz kennt weder "negative Sonderausgaben" noch "negative außergewöhnliche Belastungen". § 11 Abs. 1 [X.] ist auf die Erstattung und Rückzahlung von Aufwendungen, die nach den §§ 10, 33 ff. [X.] abgezogen worden sind, nicht anwendbar (Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, Rz 703). Doch setzt der Sonderausgabenabzug voraus, dass der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist (Hey, a.a.[X.], Rz 704). Wirtschaftlich gesehen kommt diese durch Erstattungen bedingte Korrektur der Belastungswirkung bei Sonderausgaben aber ihrem Gegenteil gleich, so dass auch von "negativen Sonderausgaben", ähnlich negativen Betriebsausgaben oder negativen Werbungskosten, gesprochen werden kann.

b) Liegen wie hier sonstige Leistungen i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] [X.] vor, die gemäß § 3 Nr. 3 [X.] steuerfrei sind, können diese erhaltenen Beträge ihrer Rechtsnatur nach aber nicht gleichzeitig auch als rückfließende (negative) Sonderausgaben behandelt werden (vgl. auch [X.]/Neudenberger, in: [X.]/[X.] --[X.]--, [X.], § 22 Rz B 167). Es entspricht der Grundsystematik des Einkommensteuergesetzes, dass solche Zahlungen lediglich einmal --entweder als Einkünfte oder als "negative Sonderausgaben"-- erfasst werden können. Um eine Doppelberücksichtigung zu vermeiden, muss ausgehend vom Steuergegenstand der Einkommensteuer den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 7 [X.] der Vorrang eingeräumt werden. Die Einordnung von Zahlungen als Einkünfte schließt damit deren gleichzeitige Berücksichtigung als negative Aufwendungen aus, sofern gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist.

c) § 10 Abs. 4b Satz 1 [X.] widerspricht dem nicht, bestätigt das gefundene Ergebnis vielmehr. In dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber ausdrücklich erhaltene steuerfreie Zuschüsse mit erstatteten Aufwendungen gleichgestellt. Für [X.], die vorrangig Leistungen der [X.] sind, fehlt indes eine gesetzliche Verrechnungsanordnung.

d) § 10 Abs. 4b Satz 2 [X.] steht dem Ergebnis ebenfalls nicht entgegen. Zunächst regelt die Vorschrift nur partiell den Rückfluss bestimmter Sonderausgaben (Hey, a.a.[X.], Rz 702). Auch sind die [X.] über die Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a [X.] und die Verrechnung von Sonderausgaben, insbesondere auch § 10 Abs. 4b [X.], nicht aufeinander abgestimmt (so zu Recht [X.]/Neudenberger in: [X.], [X.], § 22 Rz B 167). Sollte § 10b Abs. 4b Satz 2 [X.], der von seinem Wortlaut her zunächst einmal nur die Behandlung des Erstattungsüberhangs regeln will, zudem auch eine Regelung der zeitlichen Berücksichtigung von Erstattungen beinhalten, ersetzte dies die (vorrangige) Einkünftequalifizierung nicht.

e) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]. Hiernach können Vorsorgeaufwendungen nur abgezogen werden, wenn sie nicht im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Ein solcher Zusammenhang ist nach der [X.]srechtsprechung immer dann anzunehmen, wenn die Einnahmen und die Aufwendungen durch dasselbe Ereignis veranlasst sind. Dies wiederum ist erfüllt, wenn ein Steuerpflichtiger steuerfreie Einnahmen erzielt und dieser Tatbestand gleichzeitig Pflichtbeiträge an einen Sozialversicherungsträger auslöst ([X.]surteil vom 05.11.2019 - X R 23/17, [X.], 34, [X.]NV 2020, 634, Rz 15).

§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] betrifft damit nur die (erstmalige) Berücksichtigung der Vorsorgeaufwendungen. Die Verrechnung oder Korrektur von Sonderausgaben, auch im Zusammenhang mit § 10 Abs. 4b [X.], wird vom Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] hingegen nicht erfasst.

4. Zur Klarstellung weist der [X.] darauf hin, dass in der Steuerbarkeit der Beitragserstattung an den Versicherten nach § 210 [X.] VI, die als Leistung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] Satz 1 [X.] anzusehen ist, der grundlegende Unterschied zu den [X.] anderer Sozialversicherungen liegt, etwa zu denen der gesetzlichen Krankenversicherungen. Deren Leistungen sind zwar gemäß § 3 Nr. 1a [X.] ebenfalls steuerfrei, können aber keiner Einkunftsart zugeordnet werden, so dass sich dort die Frage nach dem Vorliegen "negativer Sonderausgaben" durchaus stellen kann.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X R 35/18

07.07.2020

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 22. November 2018, Az: 14 K 1629/18 E, Urteil

§ 3 Nr 3 Buchst b EStG 2009, § 10 Abs 1 Nr 2 EStG 2009, § 10 Abs 4b S 2 EStG 2009, § 22 Nr 1 S 3 Buchst a DBuchst aa EStG 2009, § 210 Abs 1 SGB 6, § 210 Abs 1a SGB 6, § 2 Abs 1 S 1 Nr 7 EStG 2009, § 10 Abs 2 S 1 Nr 1 EStG 2009, EStG VZ 2017

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.07.2020, Az. X R 35/18 (REWIS RS 2020, 3397)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3397

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