Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.02.2010, Az. VII R 41/08

7. Senat | REWIS RS 2010, 9303

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Gegenstand

Steuererstattung bei als rechtsstaatswidrig aufgehobenem DDR-Steuerbescheid


Leitsatz

Die Erstattung in der DDR gezahlter Steuern, deren Rechtsgrund durch Aufhebung des als rechtsstaatswidrig erkannten Verwaltungsakts gemäß Art. 19 Satz 2 EinigVtr entfallen ist, richtet sich nicht nach § 37 Abs. 2 AO, sondern nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG). § 1 Abs. 1 Satz 2 des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes schließt die Anwendung des § 1 Abs. 7 VermG auf die Rückgabe von Vermögenswerten im Zusammenhang mit rechtsstaatswidrigen steuerrechtlichen Entscheidungen nicht aus .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die ein Unternehmen im Gebiet der ehemaligen [X.] ([X.]) betrieb, wurde 1964 liquidiert. Auf einen anlässlich der Liquidation entstandenen Buchgewinn wurden mit Bescheid vom 17. August 1965 Steuern (Körperschaft- und Gewerbesteuer) festgesetzt, die zum Teil durch Verwertung von Forderungen beglichen, zum Teil erlassen wurden.

2

Auf Antrag der Klägerin hob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) im Januar 1998 den Steuerbescheid vom 17. August 1965 gemäß Art. 19 Satz 2 des Vertrags zwischen der [X.] und der [X.] über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag --[X.]--) vom 31. August 1990 ([X.] 1990, 889) auf, lehnte jedoch die Erstattung der entrichteten Steuern ab. Die hiergegen erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) mit der Begründung ab, dass der Erstattungsanspruch durch einen Antrag auf Erlass eines [X.]s geltend zu machen sei. Der daraufhin auf Antrag der Klägerin unter dem 18. April 2005 erlassene [X.] wies aus der Aufhebung des Steuerbescheids vom 17. August 1965 zu erstattende Steuern und Nebenleistungen in Höhe von 0 € aus.

3

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das [X.] wiederum ab. Das [X.] urteilte, dass Art. 19 Satz 2 [X.] nur eine Rechtsgrundlage für die Aufhebung von Verwaltungsakten sei, jedoch keinen Anspruch auf Erstattung aufgrund des aufgehobenen Verwaltungsakts erbrachter Leistungen begründe. Ein solcher Anspruch sei vielmehr nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen ([X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 2005 ([X.], 205) geltend zu machen, denn gemäß § 1 Abs. 7 [X.], der als spezialgesetzliche Regelung die Anwendung des § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) ausschließe, gelte das [X.] entsprechend für die Rückgabe von Vermögenswerten, die im Zusammenhang mit der nach anderen Vorschriften erfolgten Aufhebung rechtsstaatswidriger straf-, ordnungsstraf- oder verwaltungsrechtlicher Entscheidungen stehe. "[X.] Entscheidungen" seien alle von Verwaltungsstellen der [X.] getroffenen Entscheidungen. Sei eine rechtsstaatswidrige verwaltungsrechtliche Entscheidung aufgehoben worden, werde die auf dieser Entscheidung beruhende Vermögensverschiebung durch die Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen nach Maßgabe des [X.] rückabgewickelt. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass nach § 1 Abs. 1 Satz 2 des später erlassenen Gesetzes über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche ([X.]s Rehabilitierungsgesetz --[X.]--) vom 23. Juni 1994 in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Juli 1997 ([X.] 1997, 1620) Verwaltungsentscheidungen in Steuersachen von diesem Gesetz nicht erfasst würden, denn Art. 19 Satz 2 [X.] gelte gleichwohl als "andere Vorschrift" i.S. des § 1 Abs. 7 [X.] weiter.

4

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass das [X.] auf Verwaltungsentscheidungen in Steuersachen keine Anwendung finde und damit --auch nach Ansicht des [X.] (BMF)-- ebenso die Anwendbarkeit des [X.] entfalle. Der Erstattungsanspruch ergebe sich aus § 37 Abs. 2 [X.].

5

Das [X.] ist der Ansicht, dass sich der Erstattungsanspruch nach dem [X.] richte, was auch durch den Umstand, dass das [X.] auf Verwaltungsentscheidungen in Steuersachen keine Anwendung finde, nicht infrage gestellt werde.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

7

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das [X.] hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

8

Die Klägerin hat keinen durch Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 [X.]) auszuweisenden Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 [X.]. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die Erstattung in der [X.] gezahlter Steuern, deren Rechtsgrund durch Aufhebung des als rechtsstaatswidrig erkannten Verwaltungsakts entfallen ist, nicht nach § 37 Abs. 2 [X.], sondern nach den Vorschriften des [X.] zu erfolgen hat, denn das [X.] enthält für die Erstattung gezahlter Steuern aufgrund von Verwaltungsakten der [X.], die nach dem Beitritt als rechtsstaatswidrig aufgehoben worden sind, eine spezialgesetzliche Grundlage.

9

Nach § 1 Abs. 7 [X.] gilt das Gesetz entsprechend für die Rückgabe von Vermögenswerten, die im Zusammenhang mit der nach anderen Vorschriften erfolgten Aufhebung rechtsstaatswidriger (u.a.) verwaltungsrechtlicher Entscheidungen steht. Nach der Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 25. Februar 1999  7 C 9.98, BVerwGE 108, 315), der der erkennende [X.] folgt, handelt es sich bei dieser Vorschrift um eine Rechtsfolgenverweisung, welche die nach anderen Wiedergutmachungs- oder Rehabilitierungsvorschriften begründete Pflicht zur Rückgabe von Vermögenswerten den Regelungen des [X.] unterwirft. Wird eine rechtsstaatswidrige Vermögensentziehung nicht nach dem [X.], sondern aufgrund anderer Vorschriften aufgehoben, soll der entsprechende Herausgabeanspruch des Geschädigten aus Gründen der Gleichbehandlung gleichwohl denselben Beschränkungen wie ein durch das [X.] begründeter [X.] unterliegen. Ist also auf einer ersten Stufe eine (u.a.) verwaltungsrechtliche Entscheidung der [X.], die zu einer Vermögensentziehung geführt hat, als rechtsstaatswidrig aufgehoben worden und steht damit der [X.] des Geschädigten dem Grunde nach fest, wird auf der zweiten Stufe die nunmehr rechtsgrundlose Vermögensentziehung nach Maßgabe des [X.] von den insoweit zuständigen Behörden rückabgewickelt.

Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 [X.] liegen im Streitfall vor. Zu den "anderen Vorschriften" im Sinne dieser Vorschrift gehören nicht nur diejenigen des [X.], welches nach dessen § 1 Abs. 1 Satz 2 auf Verwaltungsentscheidungen in Steuersachen und auf Maßnahmen, die vom [X.] oder vom Entschädigungsrentengesetz erfasst werden, keine Anwendung findet, sondern auch Art. 19 Satz 2 [X.]. Dies ergibt sich --wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat-- aus der Entstehungsgeschichte des [X.]. Nach der Begründung zum Entwurf der Bundesregierung eines [X.] von [X.] hatte sich Art. 19 Satz 2 [X.] als Rechtsgrundlage für die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen in Steuersachen bewährt und sollte hierfür auch nach dem Inkrafttreten des [X.] bestehen bleiben, weshalb die Anwendbarkeit dieses Gesetzes auf steuerrechtliche Entscheidungen der [X.] für nicht erforderlich gehalten wurde (BTDrucks 12/4994, [X.]). Anders als die Revision meint, lässt sich somit aus der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht schließen, dass die vermögensrechtliche Rückabwicklung rechtsstaatswidriger Steuerbescheide der [X.], die nach Art. 19 Satz 2 [X.] aufgehoben wurden, nicht in den Anwendungsbereich des [X.] fällt.

Mit der Rückzahlung der aufgrund des Bescheids vom 17. August 1965 gezahlten Steuern begehrt die Klägerin somit die Rückgabe von Vermögenswerten, die im Zusammenhang mit der Aufhebung einer rechtsstaatswidrigen verwaltungsrechtlichen Entscheidung nach "anderen Vorschriften" (andere als solche des [X.]), nämlich nach Art. 19 Satz 2 [X.], steht. Dass der Bescheid vom 17. August 1965 --wie das [X.] geurteilt hat-- eine "verwaltungsrechtliche Entscheidung" ist, hält der erkennende [X.] für zweifelsfrei. Der in § 1 Abs. 1 Satz 2 [X.] geregelte Ausschluss steuerrechtlicher Verwaltungsentscheidungen lässt sich --insbesondere in Anbetracht der vorstehend erwähnten Motive des [X.] auf § 1 Abs. 7 [X.] nicht übertragen.

Der mit Schreiben des [X.] vom 27. April 2006, auf das sich die Revision beruft, vertretenen Ansicht, wonach das [X.] auf Maßnahmen der Steuerverwaltung der [X.] grundsätzlich keine Anwendung findet, vermag sich der [X.] aus den dargelegten Gründen nicht anzuschließen. Zweifelhaft ist überdies, ob das [X.] mit dieser Aussage überhaupt Fälle der vorliegenden Art, in denen der Steuerbescheid nach Art. 19 Satz 2 [X.] aufgehoben worden ist, gemeint hat, denn das [X.] führt lediglich aus, dass das [X.] auf Verwaltungsentscheidungen in Steuersachen keine Anwendung findet und dass deshalb auch keine Rückgewähr der Steuern nach dem [X.] möglich ist. Dem ersten Satz in Abs. 5 dieses Schreibens kann aber entnommen werden, dass das [X.] eine Anwendung des [X.] für möglich hält, wenn der [X.]-Steuerbescheid nach Art. 19 Satz 2 [X.] aufgehoben worden ist.

Ob die Klägerin nach dem [X.] einen Anspruch auf Rückgewähr des aufgrund des inzwischen aufgehobenen Bescheids vom 17. August 1965 gezahlten Steuerbetrags hat, ist mangels Rechtswegzuständigkeit (§ 33 [X.]O) vom erkennenden [X.] nicht zu entscheiden.

Meta

VII R 41/08

17.02.2010

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 12. August 2008, Az: 3 K 2037/05, Urteil

§ 37 Abs 2 AO, § 1 Abs 7 VermG, § 1 Abs 1 S 2 VwRehaG, Art 19 S 2 EinigVtr

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.02.2010, Az. VII R 41/08 (REWIS RS 2010, 9303)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9303

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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