Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2018, Az. 4 StR 622/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 14021

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:140218B4STR622.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 622/17

vom
14. Februar
2018
in der Strafsache
gegen

wegen versuchter räuberischer Erpressung u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers
am 14.
Februar 2018
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] ([X.].) vom 19.
September 2017

soweit es ihn betrifft

mit den zugehörigen Feststellungen aufgeho-ben, soweit von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2.
Im Umfang der Aufhebung
wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des
§
349 Abs.
2 StPO.
1
-
3
-
1.
Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entzie-hungsanstalt gemäß §
64 StGB hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil die [X.] die Verneinung eines Hangs nicht tragfähig be-gründet hat.
a)
Nach den Feststellungen nimmt der Angeklagte seit etwa 22
Jahren Amphetamine zu sich. Zu einem Anstieg des Konsums kam es über die Jahre nicht. Nach seiner Inhaftierung und dem damit einhergehenden Konsumverzicht traten bei dem Angeklagten weder Entzugserscheinungen noch

auf.
Die ihm zur Last gelegte Betäubungsmittelstraftat beging er zur Finanzierung seines Eigenkonsums. Neben den bei ihm sichergestellten, für den Verkauf vorgesehenen Betäubungsmitteln
hielt er weiteres Rauschgift für den Eigenkonsum vorrätig. [X.] wurde er wegen unerlaubten [X.] von Betäubungsmitteln in 25
Fällen verurteilt. Die [X.] hat ohne weitere Ausführung angenommen, dass bei dem Angeklagten auf der Grundla-ge dieser Feststellungen ein Hang im Sinne des §
64 StGB nicht bejaht werden könne.
b)
Dies lässt besorgen, dass die [X.] für die Annahme eines Hangs im Sinne von §
64 StGB einen unzutreffenden Maßstab angelegt hat.
aa)
Einen
Hang im Sinne von §
64 StGB hat, wer aufgrund einer chroni-schen, auf körperlicher Sucht beruhenden Abhängigkeit oder aufgrund einer eingewurzelten, auf psychischer Disposition beruhenden oder durch Übung er-worbenen intensiven Neigung immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich nimmt
(st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 10.
Januar 2018

3
StR
563/17, Rn.
7; Urteil vom 4.
Dezember 1952

3
StR
671/52, [X.]St 3, 339, 340). Das Fehlen ausgeprägter Entzugssymptome sowie Intervalle der Abstinenz stehen 2
3
4
5
-
4
-
der Annahme einer solchen Neigung nicht grundsätzlich entgegen (vgl. [X.], Beschluss vom 30.
März 2010

3
StR
88/10, [X.], 216). Für die An-nahme eines Rauschmittelkonsums im Übermaß ist es ausreichend, dass der Betroffene aufgrund seiner Konsumgewohnheiten sozial gefährdet oder gefähr-lich erscheint. Eine [X.] Gefährdung oder [X.] Gefährlichkeit kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Betroffene Rauschmittel in einem solchen Um-fang zu sich nimmt, dass
seine Gesundheit, Arbeits-
und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt werden, sondern insbesondere auch bei Be-schaffungskriminalität (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
Januar 2018

3
StR
563/17, Rn.
7; Beschluss vom 6.
Dezember 2017

1
StR
415/17, Rn.
10; [X.] vom 9.
August 2016

3
StR 287/16, Rn.
3 jew. mwN).
bb)
Dass der Angeklagte eine intensive Neigung hat, immer wieder Rauschmittel zu sich zu nehmen, liegt angesichts der Feststellungen zu seinem Konsumverhalten auf der Hand. Da die verfahrensgegenständliche Betäu-bungsmittelstraftat auch der Finanzierung des Eigenkonsums des Angeklagten dienen sollte, kann auch eine [X.] Gefährlichkeit als Folge seines jahrelan-gen Missbrauchs von verschiedenen Betäubungsmitteln nicht ohne nähere Be-gründung verneint werden. Dabei ist auch die Vorahndung des Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln im Jahr 2010 von Bedeu-tung, weil
sie
in den Zeitraum seines fortdauernden Betäubungsmittelkonsums fällt.
2.
Zu den weiteren Anordnungsvoraussetzungen oder Ausschlussgrün-den verhält sich das landgerichtliche Urteil nicht. Ein symptomatischer Zusam-menhang zwischen der Betäubungsmittelstraftat und dem Konsumverhalten wird bereits durch die festgestellte Eigenkonsumfinanzierung nahegelegt (vgl. [X.], Beschluss vom 6.
Dezember 2017

1
StR
415/17, Rn.
12 mwN).
6
7
-
5
-
Über die Frage der Anordnung der Unterbringung des
Angeklagten in
einer Entziehungsanstalt muss deshalb unter Beachtung des §
246a Abs.
1 Satz
2 StPO (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
September 2011

4
StR
434/11, [X.], 463) neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Ange-klagte Revision eingelegt hat, hindert die etwaige Nachholung einer [X.] nicht (§
358 Abs.
2 Satz
3 StPO;
vgl. [X.], Beschluss vom 10.
Januar
2018

3
StR
563/17, Rn.
9; Urteil vom 10.
April 1990

1
StR
9/90, [X.]St 37, 5); der Angeklagte hat die Nichtanwendung des §
64 StGB durch das Tatgericht auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. [X.], Urteil vom 7.
Oktober 1992

2
StR
374/92, [X.]St 38, 362).
3.
Der Senat schließt aus, dass die rechtsfehlerhafte Nichtanordnung der Maßregel nach §
64 StGB Einfluss auf den Strafausspruch gehabt hat. Dieser kann daher bestehen bleiben.
Sost-Scheible
Cierniak
Franke

Bender
Quentin
8
9

Meta

4 StR 622/17

14.02.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2018, Az. 4 StR 622/17 (REWIS RS 2018, 14021)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14021

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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