Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2018, Az. 3 StR 645/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 13658

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2018:200218B3STR645.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3
StR 645/17

vom
20. Februar 2018
in der Strafsache
gegen

wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu 2. auf dessen Antrag
-
am 20.
Fe-bruar 2018 gemäß §
349 Abs.
2 und 4, §
354 Abs.
1a Satz
1 StPO einstimmig beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der auswär-tigen großen [X.] des [X.] in [X.] vom 12.
Oktober 2017
a)
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ab-gesehen worden ist,
b)
im Ausspruch über die Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis dahin neu gefasst, dass die Verwaltungs-behörde angewiesen wird, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen und ihm vor Ablauf dieser [X.] das Recht, von einer ausländi-schen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, nicht wieder zu erteilen.
Im
Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungs-mitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten ver-urteilt; zudem hat es die Verwaltungsbehörde angewiesen, "dem Angeklagten vor Ablauf von 12
Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen und ihm vor Ablauf dieser [X.] das Recht von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen wieder zu erteilen". Die auf die allgemeine Sachrüge ge-stützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersicht-lichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Hinsichtlich des Schuld-
und Strafausspruchs weist das Urteil keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Trotz der zweifelhaften Bewertung von MDMA als "harte Droge"
(vgl. [X.], Beschluss vom 3.
Februar 1999
-
5
StR
705/98, juris Rn.
2; zum [X.] in Körner/[X.]/[X.], BtMG, 8.
Aufl., [X.]. zu §§
29
ff. Rn.
213 mwN; [X.], BtMG, 5.
Aufl., §
1 Rn.
364 mwN) hat der Strafausspruch Bestand, da die verhängte Rechtsfolge jedenfalls angemessen ist (§
354 Abs.
1a Satz
1 StPO). Auch die Überprüfung der Entscheidung zur Maßregel nach §
69a Abs.
1 Satz
1, §
69b Abs.
1 Satz
3, §
69 Abs.
1 StGB hat keinen Rechtsfehler ergeben; der Senat hat jedoch den Ausspruch über die Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis wegen eines offensichtlichen Schreibversehens des Land-gerichts neu gefasst und um das Wort "nicht"
ergänzt.
1
2
-
4
-
2.
Die Entscheidung des [X.], von der Unterbringung des Ange-klagten in einer Entziehungsanstalt gemäß §
64 StGB abzusehen, begegnet hingegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a)
Nach den Feststellungen des [X.] konsumierte der Angeklag-te "nach seinen Angaben"
zunächst gelegentlich und seit dem Verlust seines Arbeitsplatzes vor etwa eineinhalb Jahren zunehmend Kokain, gelegentlich auch Heroin und vermehrt Alkohol, ohne dass es "zu einer verfestigten [X.] gekommen sei". In finanziell bedrängter Lage nutzte er seine Kontak-te in die [X.], um sich als Kurier an einem größeren Betäu-bungsmittelgeschäft zu beteiligen. Nachdem er am Morgen des [X.], Kokain und Alkohol "in den für ihn üblichen Bereichen"
konsumiert hatte, transportierte er am Nachmittag -
unter dem Einfluss der Rauschmittel, indes ohne erhebliche Beeinträchtigung seiner Einsichts-
und Steuerungsfähigkeit
-
im Kofferraum seines PKW 1.703,5
g einer MDMA-Zubereitung mit einem Wirk-stoffanteil von 369
g [X.] und 1.924,75
g Haschisch mit einem Wirk-stoffanteil von ca. 273
g THC aus [X.] über die Grenze in das [X.], wo die Drogen gewinnbringend verkauft werden sollten. Über eine zum Führen des Kraftfahrzeugs erforderliche Fahrerlaubnis verfügte der Angeklagte nicht. Nach seiner Inhaftierung stellte er "nach eigenen Angaben"
den [X.] von [X.] ein; ernsthafte Entzugserscheinungen habe er nicht gehabt.
Die [X.] hat -
ohne einen Sachverständigen beizuziehen
-
einen Hang des Angeklagten zum übermäßigen [X.] von [X.] verneint und hierzu ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der "weitgehend vage ge-bliebenen Angaben des Angeklagten"
dazu nicht mehr als eine bloße Neigung zum Betäubungsmittel-
und Alkoholkonsum erkennbar sei.
3
4
5
-
5
-
b)
Zu dem [X.]verhalten des Angeklagten fehlt es bereits an hinrei-chenden Feststellungen. Die Ausführungen des [X.] lassen zudem besorgen, dass es seiner Entscheidung ein fehlerhaftes Verständnis des Be-griffs "Hang"
im Sinne des §
64 StGB zugrunde gelegt hat.
aa)
Hinsichtlich des Rauschmittelkonsums des Angeklagten sind die Feststellungen lückenhaft, weil das Urteil insoweit lediglich mitteilt, wie sich der Angeklagte dazu eingelassen hat; es fehlt indes an einer Darlegung, von wel-chem Ausmaß des [X.]s sich die [X.] überzeugt hat. Auch im Rahmen der Begründung der Maßregelentscheidung verweist die [X.] nur auf die weitgehend vage gebliebenen Angaben des Angeklagten und [X.], dass er diese auf Nachfrage nicht habe ergänzen wollen, ohne hinrei-chende eigene Feststellungen zu treffen.
bb)
Für die Annahme eines Hangs im Sinne des §
64 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer [X.] Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von [X.] ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. [X.], [X.] vom 12.
Januar 2017 -
1
StR
587/16, juris Rn.
9; vom 14.
Oktober
2015 -
1
StR
415/15, juris Rn.
7; Urteile vom 10.
November 2004 -
2
StR
329/04, [X.], 210; vom 15.
Mai 2014 -
3
StR
386/13, juris Rn.
10). Wenn-gleich erheblichen Beeinträchtigungen der Gesundheit, Arbeits-
und Leistungs-fähigkeit des Betreffenden indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs
zukommen und in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einherge-hen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annah-6
7
8
-
6
-
me eines Hangs aus ([X.], Beschlüsse vom 10.
November 2015 -
1
StR
482/15, [X.], 113, 114; vom 2.
April 2015 -
3
StR
103/15, juris Rn.
6;
vom 1.
April 2008 -
4
StR
56/08, [X.], 198, 199). Auch stehen das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz der An-nahme eines Hangs nicht entgegen ([X.], Beschlüsse vom 12.
April 2012
-
5
StR
87/12, [X.], 271; vom 30.
März 2010 -
3
StR
88/10, [X.], 216). Er
setzt auch nicht voraus, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genü-gen, wenn der Täter von [X.] zu [X.] oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt ([X.], Beschluss vom 7.
Januar 2009
-
5
StR 586/08, [X.], 137).
Eine die aufgezeigten rechtlichen Maßstäbe in den Blick nehmende Ge-samtwürdigung lässt sich dem Urteil nicht
entnehmen. Zudem lässt die Erwä-gung, bei dem Angeklagten sei (aufgrund seiner Angaben) nicht mehr als eine "bloße Neigung zum Betäubungsmittel-
und Alkoholmissbrauch"
erkennbar ge-worden, besorgen, dass die [X.] rechtsirrig die nach der mitgeteilten
Einlassung des Angeklagten naheliegende eingewurzelte Neigung, immer [X.] harte Drogen (Kokain und Heroin) sowie Alkohol zu konsumieren, als nicht ausreichend erachtet hat. Dieser hat (unwiderlegt) angegeben, seit längerer [X.] und seit eineinhalb Jahren zunehmend Rauschmittel konsumiert zu haben,
und stand -
positiv festgestellt
-
auch zum Tatzeitpunkt "in den für ihn üblichen Bereichen"
unter dem Einfluss von Kokain, Heroin und Alkohol. Angesichts die-ses [X.]verhaltens erscheint der Angeklagte ersichtlich sozial gefährdet und -
wie das Fahren unter Einfluss von [X.] und die Kuriertätigkeit zeigen
-
gefährlich. Demgegenüber kommt dem vom [X.] hervorgeho-benen Fehlen ernsthafter Probleme oder Entzugserscheinungen in der Unter-suchungshaft nur eingeschränkte Aussagekraft zu; soweit auf die Abstinenz des 9
-
7
-
Angeklagten nach der Inhaftierung abgestellt wird, ist überdies nicht ersichtlich, dass diese als vom Angeklagten ausgehend zu werten ist und der Annahme eines Hangs entgegensteht.
c)
Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil im Hinblick auf die unter-bliebene Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt. Angesichts dessen, dass der Angeklagte sich in finanziellen Schwierigkeiten befand, ist es wahrscheinlich, dass er die Taten jedenfalls auch begangen hat, um den mitge-teilten Eigenkonsum befriedigen zu können; der erforderliche symptomatische Zusammenhang liegt daher nahe. Die Begehung weiterer [X.] ist nach dem geschilderten [X.]verhalten des Angeklagten nicht
ausgeschlossen. Gleiches gilt bezüglich einer hinreichend konkreten
Erfolgs-aussicht der Maßregel für den bisher nicht therapierten Angeklagten.
3.
In der neuen Verhandlung wird die Vernehmung eines Sachverständi-gen erforderlich
sein (§
246a Abs.
1 Satz
2 StPO).
Becker
Spaniol
Tiemann

Berg
Hoch
10
11

Meta

3 StR 645/17

20.02.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2018, Az. 3 StR 645/17 (REWIS RS 2018, 13658)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13658

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 645/17 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wegen einer Betäubungsmittelstraftat: Anforderungen an die tatrichterliche Feststellung eines …


2 StR 174/13 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Vorliegen eines Hanges zum Betäubungsmittelkonsum; symptomatischer Zusammenhang zwischen abgeurteilter Tat und …


1 StR 415/17 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmitteldelikt: Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


1 StR 600/18 (Bundesgerichtshof)

Zum Entziehungsanstalts-Symptomcharakter einer Tat


4 StR 56/08 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.