Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.05.2011, Az. 2 AZR 384/10

2. Senat | REWIS RS 2011, 6716

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Gegenstand

(Sonderkündigungsschutz nach § 18 Abs 1 BEEG)


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. Januar 2010 - 4 [X.] - aufgehoben, soweit es ihre Berufung gegen die Entscheidung des [X.] vom 29. April 2008 - 11 [X.] - über die Feststellungsanträge des [X.] und hinsichtlich ihres Auflösungsantrags zurückgewiesen hat.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit zweier fristloser, vorsorglich ordentlicher Kündigungen sowie über einen in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellten [X.] der [X.]; dabei steht im Vordergrund die Frage, ob dem Kläger der besondere Kündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] zuteil wird.

2

Der Kläger, promovierter Jurist, trat Anfang April 2000 in die Dienste der [X.]. Er war zunächst als internationaler Direktor für Personalangelegenheiten (Human Resources) zuständig.

3

Mit Schreiben vom 31. Dezember 2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter Berufung auf betriebliche Gründe zum 30. Juni 2004. Alsbald danach einigten sich die Parteien auf die Weiterbeschäftigung des [X.] als nationaler Personalleiter.

4

Am 28. Mai 2003 wurde der Kläger Vater eines [X.]. Mit Schreiben vom 17. Januar 2005 begehrte er Elternzeit mit Elternteilzeitbeschäftigung im Umfang von 30 Wochenstunden. Die Parteien einigten sich auf eine entsprechende Elternteilzeit bis zum 15. März 2007.

5

Seit dem 1. Januar 2006 war der Kläger unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freigestellt.

6

Mit Schreiben vom 15. August 2006 und vom 29. August 2006 sprach die Beklagte dem Kläger außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigungen aus, deren Rechtsunwirksamkeit das [X.] mit Urteil vom 22. August 2007 rechtskräftig feststellte.

7

Im Mai 2007 wurde der Kläger Vater einer Tochter. Als voraussichtlicher Geburtstermin war der 6. Mai 2007 errechnet worden. Tatsächlich kam das Kind am 18. Mai zur Welt.

8

Mit Schreiben vom 14. März 2007, am selben Tage dem Geschäftsführer der [X.] übergeben, beanspruchte der Kläger Elternzeit aus Anlass der bevorstehenden Geburt seiner Tochter für die [X.] vom 10. Mai 2007 bis zum 28. Februar 2010, und zwar „unter der Bedingung“, dass seinem gleichzeitig gestellten Antrag auf Elternteilzeit im Umfang von 30 [X.] entsprochen werde.

9

Mit Schreiben vom 16. März 2007, dem Kläger am gleichen Tag zugegangen, kündigte die Beklagte fristlos und hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen [X.]punkt.

Mit Schreiben vom 30. April 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut fristlos und vorsorglich fristgerecht. Zugleich lehnte sie den Antrag auf Elternteilzeit ab, weil das Arbeitsverhältnis bereits beendet sei und dem Begehren dringende betriebliche Gründe entgegenstünden.

Für keine der Kündigungen lag eine Zulässigkeitserklärung nach § 18 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 [X.] vor.

Der Kläger hat mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage die Auffassung vertreten, die Kündigungen seien wegen Verstoßes gegen § 18 [X.] unwirksam. Bei § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] sei für die achtwöchige Schutzfrist der medizinisch errechnete Entbindungstermin maßgeblich und nicht eine uU spätere Geburt. Außerdem fehle es an Kündigungsgründen.

Der Kläger hat, soweit für die Revision noch von Bedeutung, beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die mit Schreiben der [X.] vom 16. März 2007 ausgesprochene fristlose noch durch die hilfsweise fristgerechte Kündigung beendet wird,

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die mit Schreiben der [X.] vom 30. April 2007 ausgesprochene fristlose noch durch die hilfsweise fristgerechte Kündigung beendet wird.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen,

        

hilfsweise, das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2007 bzw. zum nächstmöglichen [X.]punkt gegen Zahlung einer durch das Gericht zu erkennenden nach Maßgabe des § 10 [X.] festzusetzenden Abfindung aufzulösen, die 0,5 durchschnittliche Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr des Klägers bei der [X.] jedoch nicht überschreiten sollte.

Sie hat die Auffassung vertreten, für keine der beiden Kündigungen bestehe Kündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 [X.]. Die Mitteilung des [X.] über die Inanspruchnahme von Elternzeit vom 14. März 2007 habe unter einer aufschiebenden Bedingung, nämlich der Gewährung von Elternteilzeit gestanden. Da diese Bedingung durch ihre Ablehnung des Elternteilzeitbegehrens am 30. April 2007 nicht eingetreten sei, habe die Mitteilung zu keinem [X.]punkt Wirksamkeit erlangt. Im Hinblick auf die Kündigung vom 16. März 2007 sei die in § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] gesetzlich normierte achtwöchige Frist für die Vorwirkung des besonderen Kündigungsschutzes überschritten. Ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB liege vor. Der Kläger habe sie über Jahre getäuscht und ihr nicht unerheblichen Schaden zugefügt. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.], so dass sie die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ohne Angabe von Gründen verlangen könne. Im Übrigen lägen auch erhebliche [X.] iSd. § 9 Abs. 1 Satz 2 [X.] vor.

Der Kläger hat beantragt, den [X.] abzuweisen. Er hat geltend gemacht, er sei nicht leitender Angestellter und [X.] lägen nicht vor.

Die Vorinstanzen haben nach den [X.] erkannt und den [X.] der [X.] abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter und beantragt hilfsweise weiterhin die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch gerichtliches Urteil.

Entscheidungsgründe

[X.]ie Revision ist begründet. [X.]as [X.] durfte mit der von ihm gegebenen Begründung weder den Kündigungsschutzanträgen stattgeben noch den [X.] der Beklagten abweisen. [X.]as Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG) und der Rechtsstreit ist an das [X.] zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Nach den bisherigen Feststellungen kann der [X.] nicht abschließend beurteilen, ob sich die Entscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). [X.]er Rechtsstreit ist nicht entscheidungsreif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

A. Ob die Kündigungen das Arbeitsverhältnis aufgelöst haben, steht noch nicht fest.

I. [X.]as [X.] hat die Unwirksamkeit der Kündigung vom 16. März 2007 zu Unrecht mit einem Verstoß gegen § 18 [X.] begründet (1.). [X.]ie Kündigung ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht unwirksam nach § 612a BGB iVm. § 134 BGB (2.). Ob die Voraussetzungen des § 626 BGB vorliegen oder eine [X.] Rechtfertigung iSd. § 1 [X.] gegeben ist, vermag der [X.] auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht zu beurteilen (3.).

1. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit beantragt worden ist, höchstens aber acht Wochen vor Beginn der Elternzeit nicht kündigen (Vorwirkung). [X.]arin liegt ein gesetzliches Verbot, das sich gegen die Kündigungserklärung selbst richtet. Eine Kündigung, die trotzdem erfolgt, ist nach § 134 BGB nichtig ([X.] 26. Juni 2008 - 2 [X.] - Rn. 20, [X.] BErzGG § 18 Nr. 11 = EzA BErzGG § 18 Nr. 9; 11. März 1999 - 2 [X.] - [X.]E 91, 101, 103).

a) [X.]as Kündigungsverbot des § 18 [X.] besteht grundsätzlich nur dann, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für die Elternzeit vorliegen. Zum Kündigungszeitpunkt müssen deshalb sowohl die Voraussetzungen des § 15 [X.] als auch die des § 16 [X.] erfüllt sein ([X.] 26. Juni 2008 - 2 [X.] - Rn. 23, aaO zu § 18 BErzGG). Nach diesen gesetzlichen Vorgaben müssen alle Arbeitnehmer, die Elternzeit in Anspruch nehmen können, nicht nur die persönlichen Voraussetzungen gem. § 15 Abs. 1 [X.] erfüllen, sondern auch die Elternzeit schriftlich und ordnungsgemäß gegenüber ihrem Arbeitgeber verlangt haben ([X.] 26. Juni 2008 - 2 [X.] - Rn. 24, aaO; Hk-MuSchG/[X.]/Rancke 2. Aufl. § 18 [X.] Rn. 13).

b) [X.]er Kläger hat Elternzeit gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht wirksam in Anspruch genommen.

aa) Eine wirksame Inanspruchnahme von Elternzeit im Sinne dieser Bestimmung setzt zum einen das Verlangen der Elternzeit vom Arbeitgeber, und zwar spätestens sieben Wochen vor dem Zeitpunkt, von dem ab er verwirklicht werden soll, in schriftlicher Form voraus und zum anderen gleichzeitig mit diesem Verlangen die Erklärung, für welche Zeiträume Elternzeit in Anspruch genommen werden soll (vgl. [X.] 17. Februar 1994 - 2 [X.] - [X.]E 76, 35, 42 zur Regelung des § 16 BErzGG).

(1) [X.]amit dem Arbeitnehmer der besondere Kündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] zukommt, muss das Verlangen in einem Zeitraum von höchstens acht Wochen vor Beginn der Elternzeit liegen. Erfolgt das Verlangen früher, so ist der Kündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht bereits mit dem Verlangen gegeben, sondern setzt erst acht Wochen vor Beginn der Elternzeit ein (vgl. [X.] 17. Februar 1994 - 2 [X.] - [X.]E 76, 35, 41 zum BErzGG).

(2) [X.]ie Inanspruchnahme der Elternzeit ist von keiner Zustimmung des Arbeitgebers abhängig. Sie führt aufgrund des dem Arbeitnehmer eingeräumten Gestaltungsrechts unmittelbar zum Ruhen der sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden wechselseitigen Hauptpflichten ([X.] 19. April 2005 - 9 [X.] - [X.]E 114, 206, 211).

(3) [X.]er Arbeitnehmer kann den Antrag auf Elternteilzeit gleichzeitig mit der Inanspruchnahme von Elternzeit stellen und diese Inanspruchnahme ihrerseits von der Bedingung abhängig machen, dass Elternteilzeit gewährt wird ([X.] 15. April 2008 - 9 [X.]/07 - [X.]E 126, 276, 280). [X.]er Anspruch auf Elternteilzeit kann also frühestens mit dem Verlangen von Elternzeit iSv. § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] erhoben werden ([X.] 5. Juni 2007 - 9 [X.] - [X.]E 123, 30, 37).

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das [X.] zu Unrecht den besonderen Kündigungsschutz des [X.] bejaht.

(1) [X.]as Schreiben des [X.] vom 14. März 2007 genügt dem Erfordernis der Schriftlichkeit. Es enthält zudem eine Mitteilung, für welchen Zeitraum (10. Mai 2007 bis 28. Februar 2010) der Kläger die Elternzeit begehrt. Auch die siebenwöchige Frist vor Beginn der beantragten Elternzeit am 10. Mai 2007 nach § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat der Kläger eingehalten.

(2) [X.]as Verlangen nach Elternzeit vom 14. März 2007 fällt in den Acht- Wochen-Zeitraum vor Beginn der Elternzeit nach § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Als Endtermin der Frist ist der Tag der prognostizierten Geburt maßgeblich, wenn dieser vor dem Tag der tatsächlichen Geburt liegt.

(a) [X.]er Wortlaut des § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist allerdings nicht eindeutig. Er spricht nicht von Geburt, sondern von „Beginn der Elternzeit“. [X.]ies rührt daher, dass die Elternzeit sich nicht unmittelbar an die Geburt des Kindes anschließen muss, sondern auch erst im [X.] an die ablaufende Mutterschutzfrist nach § 6 Abs. 1 MuSchG oder noch später genommen werden kann. [X.]er Zeitpunkt der tatsächlichen Geburt ist damit nur der frühestmögliche Zeitpunkt für den Beginn der Elternzeit.

(b) [X.]ie Systematik des Gesetzes und der Zusammenhang mit den Vorschriften des Mutterschutzgesetzes sprechen dafür, dass es für die Frage des Beginns der [X.] und des Eingreifens des Kündigungsschutzes auf den ärztlich prognostizierten Beginn der Elternzeit ankommt. [X.]er gesetzliche Kündigungsschutz nach dem [X.] bliebe im Zeitraum vor dem Beginn der Elternzeit zunächst in der Schwebe, wenn man die tatsächliche Niederkunft als maßgeblich für die Berechnung ansähe (vgl. [X.] 27. Oktober 1983 - 2 [X.] - zu [X.] 2 a der Gründe, [X.] MuSchG 1968 § 9 Nr. 14 = EzA MuSchG § 9 nF Nr. 25 zu § 9 MuSchG). [X.] verlangen Rechtssicherheit. Bestimmt der Gesetzgeber eine Vorfrist und räumt er dem Arbeitnehmer ein innerhalb der Vorfrist auszuübendes Recht - hier auf das [X.] von Elternzeit - ein, so muss die Vorfrist auch schon vor dem Tag, an dem sie endet, sicher berechnet werden können. [X.]as aber setzt voraus, dass es nicht auf den tatsächlichen, sondern auf den voraussichtlichen Tag der Entbindung ankommt. In dieselbe Richtung weist auch die - in ähnlichem Zusammenhang stehende - Regelung des § 3 Abs. 2 MuSchG. Für die Berechnung des Beginns der in § 3 Abs. 2 MuSchG vorgesehenen Frist sieht § 5 Abs. 2 Satz 2 MuSchG bei [X.]ifferenzen zwischen dem tatsächlichen Zeitpunkt der Entbindung und dem mutmaßlichen Tag der Entbindung die Prognose des Arztes als maßgeblich an.

(c) [X.]iese Betrachtungsweise steht im Einklang mit der Rechtsprechung zu § 9 Abs. 1 MuSchG. Auch hier ist der mutmaßliche [X.] maßgeblich. [X.]er Berechnung ist der voraussichtliche Tag der Entbindung und eine mutmaßliche Schwangerschaftsdauer von 280 Tagen zugrunde zu legen ([X.] 7. Mai 1998 - 2 [X.] - [X.]E 88, 357, 360).

(d) Auch Sinn und Zweck des § 18 [X.] gebieten es, für den Beginn des achtwöchigen Schutzzeitraums auf den ärztlich prognostizierten Tag der Geburt abzustellen. Werdende Mütter und ungeborene Kinder sind besonders schutzbedürftig und schutzwürdig. [X.]en Staat trifft eine Schutzpflicht zugunsten des ungeborenen Lebens ([X.] 27. Oktober 1998 - 1 [X.], 2314/96, 1108/97, 1109/97, 1110/97 - zu [X.] 2 b bb der Gründe, [X.]E 98, 265). Zeichnet sich eine Abweichung vom errechneten Geburtstermin ab, könnte - käme es auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Geburt an - ein Anreiz für die Eltern geschaffen werden, den Geburtstermin nicht nach medizinischen, sondern nach juristischen Gesichtspunkten zu beeinflussen. [X.]as liefe dem Gesetzeszweck zuwider.

(3) Gleichwohl unterliegt die Kündigung vom 16. März 2007 nicht dem Verbot des § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.]. [X.]er Kläger war zu keinem Zeitpunkt in Elternzeit. [X.]eshalb konnte er auch nicht den Kündigungsschutz im [X.] erwerben: Mangels Elternzeit fehlte es bereits an einem Anknüpfungspunkt für die Bestimmung eines [X.]s. [X.]er Kläger hat die Elternzeit unter der Bedingung der Gewährung der beantragten Elternteilzeit geltend gemacht. [X.]ie Beklagte hat die beantragte Elternteilzeit jedoch abgelehnt. Es kann dahinstehen, ob das Schreiben des [X.] vom 14. März 2007 im Sinne einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung zu verstehen ist. In keinem Fall hat das Verlangen des [X.] dazu geführt, dass er in Elternzeit gewesen wäre. [X.]ies entsprach auch dem ausdrücklichen Willen des [X.]. Elternzeit wollte er gerade nicht in Anspruch nehmen, wenn es nicht zur Elternteilzeit käme. Handelte es sich um eine aufschiebende Bedingung, so traten die Rechtswirkungen, da die Bedingung ausgefallen ist, zu keinem Zeitpunkt ein (vgl. [X.] BGB 13. Aufl. § 158 Rn. 7). Stand das Verlangen des [X.] unter der auflösenden Bedingung der Ablehnung des Teilzeitantrags, so war mit Ablehnung des Teilzeitantrags der Zustand wiederhergestellt, der vor dem Verlangen von Elternzeit bestand (vgl. [X.] BGB § 158 Rn. 8). In keinem Fall war der Kläger in Elternzeit. § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] setzt dagegen voraus, dass tatsächlich Elternzeit genommen wird.

(4) Sinn und Zweck des § 18 [X.] gebieten keine Erweiterung seines Anwendungsbereichs über den Wortlaut hinaus. § 18 Abs. 1 [X.] unterscheidet hinsichtlich des Kündigungsschutzes zwischen den Zeiträumen vor Beginn und während der Elternzeit. So soll die Kündigungsschutzwirkung selbst dann nur ex nunc und nicht nachträglich ex tunc wegfallen, wenn die Elternzeit zB wegen einer Abrede gem. § 16 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 [X.] gar nicht tatsächlich in Anspruch genommen worden ist (KR/[X.] 9. Aufl. § 18 [X.] Rn. 23; [X.]/[X.] 4. Aufl. [X.] Rn. 444). [X.]ie Fallkonstellation der vorzeitigen Beendigungsvereinbarung zwischen den Parteien ist mit dem hier vom Kläger gewählten Weg einer Bedingung nicht vergleichbar. Anders als in den Fällen des § 16 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 [X.] ist im Streitfall die Inanspruchnahme von Elternzeit nicht nachträglich wieder entfallen, sondern diese wurde gar nicht erst in Anspruch genommen. [X.]er Arbeitnehmer, der sich - wie hier auch der Kläger - bewusst für den unsicheren Weg entscheidet, indem er die Entscheidung über die Inanspruchnahme der Elternzeit wegen der Verknüpfung mit der Gewährung von Elternteilzeit in die Hände des Arbeitgebers legt, ist nicht schutzwürdig.

2. [X.]ie Kündigung ist nicht gem. § 612a BGB iVm. § 134 BGB unwirksam.

a) § 612a BGB enthält ein Verbot der Maßregelung. Als „Maßnahmen“ im Sinne des Gesetzes kommen auch Kündigungen in Betracht. Voraussetzung ist, dass die Maßnahme eine Benachteiligung wegen einer zulässigen Rechtsausübung des Arbeitnehmers darstellt. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei der Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil er in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. [X.]as Maßregelungsverbot ist nur dann verletzt, wenn zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. [X.]ie zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet ([X.] 25. Mai 2004 - 3 [X.] - zu III 2 der Gründe, [X.] [X.] § 1b Nr. 5 = EzA [X.] § 1b Gleichbehandlung Nr. 1; 22. Mai 2003 - 2 [X.] - zu [X.] 2 b der Gründe, [X.] [X.] 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2; 12. Juni 2002 - 10 [X.]/01 - [X.]E 101, 312, 318).

b) Nach diesen Grundsätzen liegt hier kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vor. Es ist nicht erkennbar, dass die Rechtsausübung des [X.] durch Inanspruchnahme von Elternzeit unter der Bedingung von Elternteilzeit das tragende Motiv der Beklagten für den Ausspruch der Kündigung gewesen ist. [X.]ie Beklagte hat am 31. [X.]ezember 2003, 15. August 2006 und am 29. August 2006 bereits drei - wenn auch erfolglose - Kündigungen ausgesprochen und damit ihren Beendigungswillen zum Ausdruck gebracht. Zudem hat sie im [X.] vom 30. April 2007 ausdrücklich betriebliche Gründe für die Verweigerung der Elternteilzeit genannt.

3. Ob die außerordentliche Kündigung die Voraussetzungen des § 626 BGB bzw. die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung die des § 1 [X.] erfüllt, kann der [X.] nicht entscheiden. [X.]as [X.] hat sich mit der Frage, ob ein sachlicher Kündigungsgrund vorliegt, bisher nicht auseinandergesetzt. Feststellungen sind nicht getroffen. [X.]as führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.].

II. Sollte das [X.] erneut auf die Unwirksamkeit der Kündigung vom 16. März 2007 erkennen, wird es bei der Beurteilung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 30. April 2007 davon auszugehen haben, dass dem Kläger auch hinsichtlich dieser nicht der besondere Schutz des § 18 Abs. 1 [X.] zustand, wie aus den vorstehenden Erwägungen folgt. [X.]ie Kündigung vom 30. April 2007 ist auch nicht nach § 612a BGB iVm. § 134 BGB unwirksam. Auch insoweit wird auf die obigen Ausführungen (Ziffer I 2) verwiesen. Ob die Kündigung sich als fristlose Kündigung nach § 626 BGB bzw. als hilfsweise ordentliche Kündigung gemessen an § 1 [X.] als wirksam erweist, kann der [X.] auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen durch das [X.] nicht beurteilen.

III. [X.]a die Beklagte den [X.] nach § 14 Abs. 2 Satz 2, § 9 Abs. 1 Satz 2 [X.] hilfsweise für den Fall gestellt hat, dass sich die streitgegenständlichen Kündigungen als sozialwidrig erweisen sollten, ist dem [X.] auch diesbezüglich eine Entscheidung nicht möglich. So sind insbesondere noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger - wie die Beklagte vorträgt - leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist. In diesem Fall bedürfte der [X.] gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] keiner Begründung.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Baerbaum    

        

    Bartz    

                 

Meta

2 AZR 384/10

12.05.2011

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Köln, 29. April 2008, Az: 11 Ca 2902/07, Urteil

§ 18 Abs 1 S 1 BEEG, § 134 BGB, § 612a BGB, § 626 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.05.2011, Az. 2 AZR 384/10 (REWIS RS 2011, 6716)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6716

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