Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.03.2015, Az. I R 16/13

1. Senat | REWIS RS 2015, 14263

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Gegenstand

Prämien für eine Betriebsunterbrechungsversicherung einer GmbH als vGA - Aktenverstoß


Leitsatz

NV: Die von einer GmbH gezahlten Versicherungsprämien für eine Betriebsunterbrechungsversicherung, die u.a. das Erkrankungsrisiko der (Gesellschafter-)Geschäftsführer abdeckt, sind dann nicht als verdeckte Gewinnausschüttungen zu qualifizieren, wenn die GmbH alleinige Bezugsberechtigte im Versicherungsfall ist .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Februar 2013  6 [X.]/11 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen, soweit sie die gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1, § 37 Abs. 2, § 38 Abs. 1 des [X.] zum 31. Dezember 2003 bis 31. Dezember 2005 betrifft.

Im Übrigen wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung zu den Kosten des gesamten Verfahrens wird dem Finanzgericht übertragen.

Tatbestand

1

A. Streitig ist der einkommens- und gewerbeertragserhöhende Ansatz von verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) in den Jahren 2003 bis 2005 (Streitjahre) betreffend Aufwendungen für eine [X.] bzw. [X.]etriebsunterbrechungsversicherung.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist ein [X.]eratungsunternehmen. [X.]eteiligt sind zu je 50 % die zudem zu alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführerinnen bestellten A und [X.].

3

Der [X.]eklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte in [X.] über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbeträge der Streitjahre vGA in Höhe der auf dem [X.] 4360 "Versicherungen" der Klägerin erfassten [X.]eiträge zur "[X.]etriebsunterbrechungsversicherung für freiberuflich Tätige" bei der [X.] (je 3.100,68 € p.a.). Im Übrigen ergingen im Zuge der Auswertung der Prüfungsfeststellungen einer Außenprüfung auch [X.]escheide über die gesonderte Feststellung der [X.]esteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1, § 37 Abs. 2 und § 38 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 ([X.] 2002) zum 31. Dezember 2003 bis 31. Dezember 2005.

4

Die Versicherungsscheine (adressiert an [X.] [X.], jeweils verbunden mit dem Namen der Klägerin und ihrer Geschäftsadresse) weisen als "Versicherungsnehmer" jeweils [X.] [X.] und den Namen der Klägerin aus. Als versicherte Person sind jeweils [X.] [X.] bezeichnet, versicherter [X.]etrieb ist die Geschäftsadresse der Klägerin. Der Versicherungsumfang ist mit dem Leistungspaket "…" beschrieben; es geht um den Versicherungsschutz bei [X.]etriebsunterbrechung durch Krankheit, Unfall, Feuer, [X.], Leitungswasser, Einbruchdiebstahl, verordneter Quarantäne sowie Tod und Erwerbsunfähigkeit. Die Versicherungsscheine sehen sowohl für A als auch für [X.] eine "einschränkende Klausel" vor ("schriftliche Erklärung des Versicherungsnehmers"), die einen Unterbrechungsschaden, der auf bestimmte Erkrankung zurückzuführen ist, ausschließt. Darüber hinaus weisen sie jeweils eine Versicherungssumme von 100.000 €, eine Karenzzeit von 21 Tagen und eine Haftzeit von zwölf Monaten aus. Daraus folgt eine Zahlung der Versicherung ab dem 22. Tag der [X.]etriebsunterbrechung, längstens für die Dauer von zwölf Monaten, wobei im Fall des krankheitsbedingten Ausfalls täglich 1/360 der Versicherungssumme gezahlt wird.

5

Vertragsgrundlage sind die [X.]edingungen für die [X.]etriebsunterbrechungs-Versicherung für freiberuflich Tätige ([X.]UFT 2000). Nach § 1 [X.]UFT 2000 ist Gegenstand der Versicherung die [X.]etriebsunterbrechung durch einen Personenschaden, eine verordnete Quarantäne oder einen Sachschaden.

6

Das [X.] ([X.]) hat als [X.]ezugsberechtigte der Versicherungsleistung die Klägerin angesehen; es liege weder eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis vor noch sei die für die Annahme einer vGA erforderliche Vorteilseignung gegeben. Das [X.] gab daher der gegen die Festsetzungen bzw. Feststellungen gerichteten Klage statt (Urteil vom 14. Februar 2013  6 K 107/11, abgedruckt in [X.]Entscheidungsdienst 2014, 214). Einen Antrag des [X.] ("[X.]ezugsberechtigte der Versicherungsleistung sind nach den [X.]UFT 2000 und den gesetzlichen [X.]estimmungen die Versicherungsnehmer.") hat das [X.] abgelehnt ([X.]eschluss vom 28. März 2013  6 K 107/11).

7

Das [X.] rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

[X.]. I. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--), soweit das Urteil die gesonderte Feststellung von [X.]esteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1, § 37 Abs. 2, § 38 Abs. 1 KStG 2002 zum 31. Dezember 2003 bis 31. Dezember 2005 betrifft. Der Streit um den einkommens- und gewerbeertragserhöhenden Ansatz einer vGA begründet kein eigenständiges Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellungen.

II. Im Übrigen wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O). Die Feststellung des [X.], ausschließlich die Klägerin sei [X.]ezugsberechtigte einer Versicherungsleistung, ist [X.] getroffen worden. Das [X.] wird im zweiten Rechtsgang die [X.]ezugsberechtigung erneut zu würdigen haben und auf dieser Grundlage prüfen, ob der Abschluss der Versicherungsverträge jedenfalls auch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und eine sog. Vorteilseignung vorliegt.

1. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 2002 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG 2002) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002 auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des Senats, seit Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, [X.], 208, [X.]St[X.]l III 1967, 626). Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahe stehende Person erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.[X.]. Senatsurteile vom 9. Dezember 2005 I R 89/04, [X.], 287, [X.]St[X.]l II 2008, 523; vom 11. Oktober 2012 I R 75/11, [X.], 242, [X.], 1046, jeweils m.w.[X.]). Außerdem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen [X.]ezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 2002 auszulösen (ständige Rechtsprechung, z.[X.]. Senatsurteile vom 7. August 2002 I R 2/02, [X.], 197, [X.], 131; vom 8. September 2010 I R 6/09, [X.], 75, [X.], 186).

2. Die vom [X.] erhobene Verfahrensrüge ist begründet. Das [X.] hat bei seiner Feststellung, ausschließlich die Klägerin sei [X.]ezugsberechtigte einer Versicherungsleistung, gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O verstoßen.

a) Das [X.] hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Klägerin ein Risiko ihrer [X.]etriebssphäre (Unterbrechung des Geschäftsbetriebs) versichert habe und ihr für die Zahlung der Versicherungsprämien der Anspruch auf die Versicherungsleistung zustehe. Als (indirekte) Finanzierungsmaßnahme für die bei Eintritt des Versicherungsfalles notwendigen finanziellen Maßnahmen (z.[X.]. für die [X.]eauftragung eines fremden Geschäftsführers) sei der Abschluss der Versicherung auch nicht geeignet, einen korrespondierenden vermögensmäßigen Vorteil bei den Gesellschafterinnen auszulösen.

b) Diese Würdigung beruht auf der Feststellung, [X.]ezugsberechtigte der Versicherungsleistung sei die Klägerin, nicht jedoch die beiden Gesellschafterinnen (s. zu 1.a(2) der Gründe des [X.]-Urteils). Damit hat das [X.] § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O verletzt.

aa) Zum Gesamtergebnis des Verfahrens i.S. des § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten (Senatsurteil vom 9. Oktober 1985 I R 163/82, [X.] 1986, 288). Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und damit gegen § 96 [X.]O ist dann gegeben, wenn das [X.] seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der [X.]eteiligten nicht entspricht, oder wenn es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat und die angefochtene Entscheidung darauf beruht (z.[X.]. Urteil des [X.] --[X.]FH-- vom 30. Juli 2003 [X.], [X.], 419, [X.], 408; [X.] vom 24. April 2007 VIII [X.] 251/05, [X.] 2007, 1521; vom 29. Oktober 2009 IV [X.] 5/09, [X.] 2010, 445; vom 22. März 2011 [X.]7/11, [X.] 2011, 1005; vom 11. Januar 2012 IV [X.] 142/10, [X.] 2012, 784).

bb) Nach diesen Maßstäben liegt der vom [X.] gerügte Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O vor. Denn die [X.], die von der Klägerin zu den Akten des finanzgerichtlichen Verfahrens gereicht wurden, weisen zumindest auch die Gesellschafterinnen als Versicherungsnehmer aus. Eine Klausel, welche A und [X.] im Versicherungsfall von einer Erstattungsberechtigung gegenüber der Versicherung ausschlösse, ist weder den [X.]n noch den Versicherungsbedingungen ([X.]UFT 2000) zu entnehmen, sie lässt sich auch nicht aus dem Umstand einer Zahlung der Versicherungsprämien aus dem Vermögen der Klägerin ableiten. Nicht zuletzt kann dem auch vom [X.] im Verfahren nicht ausdrücklich bestrittenen und vom [X.] in seinem den Antrag auf [X.] ablehnenden [X.]eschluss hervorgehobenen Umstand, dass die Zahlungen bei einem (zukünftigen) Eintritt des Versicherungsfalles voraussichtlich dem Vermögen der Klägerin zufließen werden, keine ausschlaggebende [X.]edeutung zukommen. Denn allein ein Mittelzufluss lässt keinen ausreichenden Rückschluss auf seinen Rechtsgrund (hier als alleinige Erstattungsberechtigung aus den Versicherungsverträgen oder teilweise als Gegenstand einer Verfügung von [X.]) zu.

c) Im Übrigen fehlen für die Würdigung des [X.], die jeweilige Versicherung beziehe sich auf einen betrieblichen (Unterbrechungs-)Schaden der Klägerin und daraus sei auf eine Erstattungsberechtigung (ausschließlich) der Klägerin zu schließen, ausreichende tatsächliche Feststellungen. Zwar ist, was die Klägerin hervorhebt, der "[X.]" auf der Grundlage des § 7 [X.]UFT 2000 u.a. nach dem entgehenden [X.]etriebsgewinn zu berechnen, der sich aus den Kennzahlen der Klägerin ergibt. Es fehlen allerdings Feststellungen zum Inhalt der Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihren Gesellschafterinnen über eine Geschäftsführervergütung und insbesondere zur Vergütung im Krankheitsfall. Jene könnten Einfluss auf den finanziellen Umfang des betrieblichen Risikos der Klägerin und damit auf die auch im Streitfall entscheidungserhebliche Frage haben, ob die Versicherungen ausschließlich zur Abdeckung eines finanziellen Risikos der Klägerin abgeschlossen wurden (s. insoweit Senatsurteil in [X.], 197, [X.], 131).

3. Das [X.] wird im zweiten Rechtsgang die [X.]ezugsberechtigung aus den Versicherungsverträgen erneut zu würdigen haben und auf dieser Grundlage prüfen, ob der Abschluss der Versicherungsverträge jedenfalls auch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und eine sog. Vorteilseignung vorliegt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O. Dies gilt wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch, soweit der Senat in der Sache selbst entschieden hat (z.[X.]. [X.]FH-Urteil vom 18. August 2005 IV R 37/04, [X.], 155, [X.]St[X.]l II 2006, 165, m.w.[X.]).

Meta

I R 16/13

11.03.2015

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 14. Februar 2013, Az: 6 K 107/11, Urteil

§ 8 Abs 3 S 2 KStG 2002, § 96 Abs 1 S 1 FGO, KStG VZ 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.03.2015, Az. I R 16/13 (REWIS RS 2015, 14263)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14263

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