Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2016, Az. 4 StR 293/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 4744

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[X.]:[X.]:BGH:2016:280916B4STR293.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 293/16

vom
28. September
2016
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen vorsätzlichen Bankrotts u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des [X.] und der
Beschwerdeführer am 28.
September
2016
gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 3.
Februar 2016 mit den Feststellungen auf-gehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschafts-strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten wegen vorsätzlichen Bankrotts in Tateinheit mit Untreue zu einer Geldstrafe von jeweils 180
Tagessätzen zu je
30
Euro verurteilt und festgestellt, dass hiervon jeweils 30
Tagessätze als voll-streckt gelten. Von weiteren Tatvorwürfen sind die Angeklagten freigesprochen worden. Die gegen ihre Verurteilung gerichteten Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge
Erfolg

349 Abs.
4 StPO).
1.
Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen ge-troffen:
Die Angeklagten waren Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter der
P.

& F.

GmbH sowie der P.

& F.

1
2
3
-
3
-

[X.]. Über die GmbH mieteten die Angeklagten von
Einkaufsmärkten Flächen zum Betrieb von kleineren Verkaufsständen für medi-terrane Lebensmittel

-e--ch nicht selbst, sondern dies erfolgte über so-genannte Systempartner, an welche die einzelnen Flächen untervermietet [X.]. Die Systempartner wurden für den Geschäftsbetrieb von der [X.] mit me-diterranen Lebensmitteln beliefert.
Zunächst entwickelte sich
das Geschäftsmodell der Angeklagten sehr er-folgreich mit deutschlandweit bis zu 70
Standortbetreibern. Die GmbH hatte im Jahr 2005 einen
Umsatz in Höhe von circa 1,5
Millionen Euro, im Jahr 2006 in Höhe von circa 2,6
Millionen Euro.
Als sich im [X.]

unter anderem wegen ausbleibender Zahlungen des [X.] durch einzelne Systempartner

der Geschäftsbetrieb der GmbH trotz weiterhin hohen Umsatzes als defizitär darstellte, entschlossen sich die Angeklagten, im Rahmen eines Sanierungskonzeptes
die Anzahl der Standorte zu reduzieren und ertragreiche Untermietverträge auf hierfür neu ge-gründete Gesellschaften zu übertragen.
Am 20.
Juli 2007 übertrugen die Angeklagten 13
Untermietverträge auf die am 16.
Juli 2007 gegründeten Gesellschaften D.

1 Ltd. & Co. KG, D.

2
Ltd. & Co. KG und D.

3 Ltd. & Co. KG. Diese drei Gesellschaften erhielten in
der Folge für die betroffenen Flächen die Zahlungen des [X.] sei-tens der Systempartner, während sie ihrerseits den gegenüber den [X.] geschuldeten Mietzins entrichteten.
Die D.

1-

Untermietverträge im Zeitraum Dezember 2007 bis 17.
März 2008 zusammen 4
5
6
7
-
4
-
durchschnittlich einen monatlichen Überschuss von insgesamt rund 5.294
Euro, welcher

auch in den Monaten August bis Dezember 2007 vereinnahmt wurde.
Bis einschließlich Juli 2007 lag weder eine buchmäßige noch eine rech-nerische Überschuldung der GmbH vor noch bestand oder drohte eine [X.]. Durch die Übertragung der 13
Untermietverträge verschärfte sich die Situation der GmbH indes wesentlich, was ihre spätere Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit mitursächlich herbeiführte.
Am 30.
September 2007 ergab sich erstmals eine buchmäßige Über-schuldung der GmbH in Höhe von 62.652
Euro. Am 1.
Februar 2008 wurde aufgrund eines am 7.
Dezember 2007 gestellten Eigenantrages das Insolvenz-verfahren über die GmbH eröffnet. Diese war zu diesem Zeitpunkt überschuldet und zahlungsunfähig. Es bestand eine Liquiditätslücke von etwa 1,9
Millionen Euro.

13
Untermietverträge bedingte Wegfall erheblicher liquider Mittel mitursächlich für die spätere Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der GmbH sein würde.
2.
Die Annahme des [X.], die Angeklagten hätten durch die

13
Untermietverträge die Überschuldung und Zahlungsunfä-higkeit der P.

& F.

GmbH herbeigeführt, ist
nicht
tragfähig begründet.
a)
Das [X.] ist zwar von dem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen, wonach im Rahmen von §
283 Abs.
2 StGB eine Mitursächlich-keit der Tathandlung für die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit ausrei-8
9
10
11
12
-
5
-
chend ist ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], Wirtschafts-
und Steuerstrafrecht, §
283 Rn.
64; [X.], StGB, 63.
Aufl., §
283 Rn.
31; [X.], 12.
Aufl., §
283 Rn.
180; MüKo-StGB/[X.]/[X.], 2.
Aufl., §
283 Rn.
70; [X.] in: [X.], §
12 Rn.
271).

Untermietver-träge für die letztlich eingetretene Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der GmbH wird durch das Urteil jedoch nicht in ausreichender Weise
belegt. In der Beweiswürdigung
verweist das [X.] lediglich darauf,
dass die Feststel-lung der Mitursächlichkeit auf einer Gesamtschau des [X.] und einer Bewertung der festgestellten Vermögensverhältnisse beruhe. Die Beja-hung eines Kausalzusammenhangs hätte jedoch einer eingehenderen Begrün-dung

gegebenenfalls auf Grundlage sachverständiger Beratung zu dieser Frage

bedurft. Dies gilt insbesondere, weil es sich bereits nach den getroffe-nen Feststellungen zu dem Finanzstatus der GmbH keineswegs von selbst ver-steht, dass ein monatlicher Fehlbetrag in Höhe von 5.294
Euro ab August
2007 mitursächlich war für die nur wenige Monate später eingetretene Überschul-dung und Zahlungsunfähigkeit. Denn bereits zum 30.
September 2007 lag eine Überschuldung der GmbH in Höhe von 62.652
Euro vor
und zum 1.
Februar 2008 bestand eine Liquiditätslücke in Höhe von etwa
1,9
Millionen Euro. Es [X.] angesichts dieser Umstände der näheren Erläuterung bedurft, inwiefern sich das zusätzliche Fehlen eines monatlichen Betrages von 5.294
Euro noch maß-geblich
auswirkte für die letztlich eingetretene Überschuldung und Zahlungs-unfähigkeit der GmbH.
b)
Zudem wird durch die Beweiswürdigung nicht nachvollziehbar belegt, r-haupt profitabel waren.
13
14
-
6
-
aa)
Soweit sich die [X.] für das Vorliegen der Profitabilität [X.] auf die Ausführungen des Sachverständigen B.

bezogen hat, werden
weder der wesentliche Inhalt seines Gutachtens noch konkrete

zahlenmäßig bezifferte

Ergebnisse des Sachverständigen zu erzielten Überschüssen im Urteil mitgeteilt, so dass hierdurch die Feststellungen zur Mitursächlichkeit nicht belegt werden.
bb)
Die von der [X.] selbst angestellten Erwägungen zur Profi-tabilität der betroffenen Flächen sind
ebenfalls nicht tragfähig.
Es begegnet bereits im Ansatz Bedenken, wenn die [X.] davon ausgeht, es könne von dem durchschnittlichen Zahlungsverhalten der [X.] 13
Systempartner im Zeitraum von Dezember 2007 bis 18.
März 2008 auf das zeitlich vorgelagerte Zahlungsverhalten von August bis Dezember
2007

sicher

rückgeschlossen werden. Die in dem Urteil tabellarisch erfassten [X.] im Zeitraum von Dezember 2007 bis 18.
März 2008 belegen nämlich ein äußerst unregelmäßiges Zahlungsverhalten der Systempartner

teils wurden Mietzinsen mit erheblicher Verspätung, teils für ganze Monate gar nicht gezahlt.
Zudem leidet die von dem [X.] angestellte Berechnung der mo-natlich durchschnittlich erzielten Überschüsse bezüglich der D.

1 Ltd. & Co.
KG und der D.

2 Ltd. & Co. KG an einem Fehler. Die [X.] hat für die
Berechnung der durchschnittlich von den Systempartnern an die vorgenannten Gesellschaften geleisteten [X.] die Kontoeingänge von vier [X.] (Dezember 2007 sowie Januar bis März 2008) addiert. Wie eine rechne-rische Nachverfolgung ergibt, wurde die sich hieraus jeweils ergebende Summe jedoch anschließend in beiden Fällen durch drei
geteilt anstatt richtigerweise

der Anzahl der zugrunde gelegten
Monate entsprechend

durch vier. Hier-15
16
17
18
-
7
-
durch ergeben sich zu hohe Durchschnittswerte bezüglich der monatlichen Mietzinseinnahmen, was auf die Berechnung der erzielten Überschüsse durch-schlägt. Teilt man die Summe der auf den Konten eingegangenen [X.] richtigerweise durch vier und legt die sich hieraus ergebenden Werte der Berechnung zugrunde, ergibt sich für die D.

1 Ltd. & Co. KG nur noch ein mo-
natlicher Überschuss von circa 90
Euro und für die D.

2 Ltd. & Co. KG
sogar
ein Defizit.
Schon aus diesem Grund ist auch das Vorliegen einer [X.] Vermögensverfügung zu Lasten der GmbH als Grundlage der [X.] wegen Untreue
nach §
266 Abs.
1 StGB nicht rechtsfehlerfrei belegt.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak

Bender
Paul
19

Meta

4 StR 293/16

28.09.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2016, Az. 4 StR 293/16 (REWIS RS 2016, 4744)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4744

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