Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.05.2017, Az. 2 StR 169/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 10893

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Gegenstand

Insolvenzverschleppung: Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit einer GmbH; ernsthaftes Einfordern einer Leistung durch den Gläubiger; Herstellung von Liquidität durch illegale Einkünfte aus Straftaten


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25. September 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges und vorsätzlicher Insolvenzverschleppung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

A.

2

Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen:

3

I. Der Angeklagte war zunächst Geschäftsführer der Kreisverbände   D.    und [X.]     der „V.      “. Die „V.      “ war in der ehemaligen [X.] eine große [X.] Organisation, die sich der Betreuung älterer Menschen gewidmet hatte. Nach der [X.] wurden ihre Kreisverbände in eingetragene Vereine umorganisiert. Die Kreisverbände    D.     und [X.]    der „V.    “ gründeten im Jahr 1996 die [X.] (im Folgenden: [X.]) und im Jahr 1998 die [X.] (im Folgenden: [X.]). Der Angeklagte wurde Geschäftsführer dieser Gesellschaften. Der frühere Mitangeklagte [X.].   war faktischer Geschäftsführer. Komplementärin der Kommanditgesellschaft war die [X.], während die im Jahre 1998 zur V.      Kreisverband   D.    /[X.]      e.V. fusionierten Kreisverbände der V.       sowie die als Treuhänderin für die Anleger fungierende und ebenfalls neu gegründete [X.] (im Folgenden: [X.]) die Stellung von Kommanditisten hatten.

4

Nachdem zunächst die [X.] einen Fonds betrieben und eine [X.]elzahl von Anlegern geworben hatte, die sich nach den Urteilsfeststellungen „jeweils mit Darlehen als stille Gesellschafter an dieser Gesellschaft beteiligten“, dafür eine jährliche Ausschüttung erhielten und bezüglich ihrer Einlage durch Grundpfandrechte oder Bankbürgschaften abgesichert waren, legte die [X.] ihrerseits einen Fonds auf. [X.].   war „mutmaßlich“ der Initiator des Anlagemodells. Anders als bei dem vorher betriebenen Fonds der [X.], fand bei dem Fonds der [X.] aus Kostengründen keine aufwändige Besicherung der Kapitalanlagen mehr statt. Als Geschäftszweck vorgesehen war der Betrieb von Wohnanlagen, Kindergärten und [X.], die an die Kreisverbände der V.       vermietet werden sollten, um dadurch Einnahmen zu erwirtschaften. Nach einer Laufzeit von achtzehn bis fünfundzwanzig Jahren sollten die Sozialimmobilien durch die Kreisverbände käuflich erworben werden. Die stets über die [X.] als Treuhänderin zu zeichnenden Anteile an dem Fonds konnten mit einer Mindestanlage von 1.500 Euro und einer Mindestlaufzeit von sechs Jahren erworben werden.

5

In Werbeflyern wurde eine Rendite von jährlich mindestens 4,5 % in der [X.] sowie von 5 % in der [X.] in Aussicht gestellt. Außerdem wurde erklärt, dass der jeweilige Anleger mit seiner Einlage einen „bevorzugten [X.]“ in einer der Seniorenresidenzen erwerbe. Die Geldanlage wurde als sicher dargestellt, weil das Geld in Immobilien „stecke“. Außerdem wurde darauf verwiesen, dass neben dem Kapital der Anleger auch „Geld von Banken zum Einsatz“ komme. Der Fonds könne auf die langjährige Erfahrung kompetenter Mitarbeiter der Banken zurückgreifen. Geworben wurde ferner mit Hinweis darauf, dass die Fondsgesellschaft auf dem „wirtschaftlich starken Fundament ihrer mitgliederstarken Kreisverbände“ ruhe. Außerdem wurde behauptet, die Gesellschaft erwerbe Immobilien nach einem langfristig angelegten und gründlich geprüften Investitionsplan.

6

Die [X.] gab auch einen Prospekt heraus, der im Wesentlichen dieselben Kriterien nannte wie der [X.]. Er betonte aber zusätzlich, wegen der [X.]n Bindung sei eine Beteiligung an Spekulationsobjekten ausgeschlossen. Zudem wurde behauptet, von dem ursprünglichen Investitionsplan seien fünf Objekte fertiggestellt, während die [X.] tatsächlich nur drei Objekte betrieb. Eine darüber hinaus erwähnte Seniorenwohnanlage in [X.]      gab es noch nicht. Das weiterhin erwähnte [X.] in [X.]    existierte zwar, gehörte aber nicht der [X.] und wurde nicht von dieser betrieben. Risiken für die Kapitalanleger wurden in dem Prospekt nur versteckt angedeutet. Die Angaben im [X.] und im Prospekt waren in weiteren Punkten falsch. Einen direkten Anspruch auf einen Heimplatz erwarben die Anleger mit der Zeichnung von Anteilscheinen nicht. Banken standen allenfalls als Kreditgeber, aber entgegen dem erweckten Anschein nicht als Investoren und Berater zur Verfügung. Versprechungen über garantierte Renditen waren unzutreffend, weil das Geld der Anleger in ein unkontrolliertes cash-pooling der zur Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaften [X.]. Die Kreisverbände der „V.         “ waren entgegen dem Anschein nicht zur Mithaftung verpflichtet. Einen Investitionsplan gab es nicht. Stattdessen war nur ein Konglomerat von Programmideen vorhanden.

7

Der Vertrieb der Fondsbeteiligungen erfolgte über die Geschäftsstellen der Kreisverbände der „V.      “. Deren Mitarbeiterinnen übergaben Interessenten den [X.] und den Prospekt. Sie nahmen gegebenenfalls unterschriebene [X.]e entgegen, die als ein „Angebot zum Abschluss eines [X.] gegenüber der [X.] als Treuhandkommanditistin“ formuliert waren, und leiteten diese an die Geschäftsführung weiter. Die Mitarbeiterinnen beantworteten zum Teil auch Fragen, die allerdings selten gestellt wurden. Soweit überhaupt welche gestellt wurden, betrafen sie zumeist den angeblichen „[X.]“ der Anleger für Senioreneinrichtungen. Auf Veranlassung des Angeklagten wurde dazu mitgeteilt, dass ihnen im Bedarfsfall ein solcher Platz garantiert sei. Genaue Kenntnisse von den Einzelheiten des Anlagemodells hatten die Mitarbeiterinnen der Geschäftsstellen nicht. Sie waren nur kurz eingewiesen worden.

8

In dem vom [X.] zu Grunde gelegten Tatzeitraum vom 12. Juli 2004 bis zum 21. Oktober 2005 schlossen Anleger insgesamt 143 Verträge über eine Beteiligung an dem Fonds und zahlten die vereinbarte Anlagesumme. Es handelte sich um Beträge zwischen 1.500 Euro und 75.000 Euro, teilweise zuzüglich eines Agios in Höhe von 25 Euro. Die Gesamtsumme aller Anlagen belief sich auf 1.111.960 Euro an Kapital und 2.375 Euro Agio. Im genannten Tatzeitraum erzielte die Kommanditgesellschaft durch Vermietungen Einnahmen in Höhe von 126.876,41 Euro und hatte im gleichen Zeitraum Verwaltungskosten in Höhe von 226.000 Euro.

9

Die Anleger verloren ihr Kapital, wobei einzelne mehr als 50.000 Euro einbüßten. Ausschüttungen erfolgten nur, wenn Anleger diese ausdrücklich einforderten. Sie wurden durch Verwendung des Kapitals anderer Anleger finanziert.

Dies hat das [X.] als eine einheitliche Tat des Betruges durch den Angeklagten als mittelbaren Täter gewertet.

II. Die [X.] war spätestens seit dem 24. März 2003 überschuldet und zahlungsunfähig.

In einem Brief vom 8. Juli 2001 an [X.].   hatte der Angeklagte erklärt, dass er sich große Sorgen mache; dem „Fonds“ - gemeint war die [X.] - gehe es finanziell schlecht, der [X.] noch schlechter. [X.] Geld sei bereits „mehrfach verteilt“. Ein durch die [X.] zum Stichtag 31. Dezember 2001 erstellter und Ende 2002 bekannt gewordener Jahresabschluss ergab für die [X.] einen Verlust von 424.476,88 [X.] sowie einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 180.542,60 [X.] ([X.] Euro).

Dieser bilanziellen Überschuldung standen keine stillen Reserven gegenüber. Der Angeklagte gab zwar in einem Schreiben vom 4. Dezember 2002 an: „Unter Berücksichtigung der erheblichen stillen Reserven aus der Beteiligung an der [X.] und in den Anlagen im Bau, die für Ferienwohnungen und ein Parkdeck in [X.]      aufgewendet wurden, ist die Überschuldung abgewendet.“ Zum Zeitpunkt dieser Erklärung hatte der Angeklagte die für den Anlagenbau erforderlichen Erbbaurechte sowie eine Kommanditbeteiligung an der [X.] GmbH & Co. KG und deren Komplementär-GmbH aber gerade gegen Erstattung von angeblichen Planungskosten in Höhe von 210.000 Euro veräußert. Diese Verträge wurden zwar zu einem späteren Zeitpunkt rückabgewickelt; Einzelheiten dazu und zur Verwendung der Gelder hat das [X.] aber nicht festgestellt. Mit dem Bau von Ferienwohnungen in [X.]      wurde erst nach dem Ausscheiden des Angeklagten als Geschäftsführer begonnen. Die [X.], an welcher die [X.] zu 30 % beteiligt war, wies nach ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2001 einen Überschuss von 240.650,02 [X.] aus. Ende 2002 wurde ihre Tätigkeit jedoch als unwirtschaftlich angesehen. Später wurde das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet.

Die Mitteilung des Angeklagten über stille Reserven im Anhang zum Jahresabschluss für 2001 war daher falsch. Ein im Strafverfahren aus der Handelsbilanz zum 31. Dezember 2001 erstellter Überschuldungsstatus der [X.] ergab, bezogen auf den Zerschlagungswert, einen [X.] von 972.063,09 [X.] (497.007,97 Euro).

Der Angeklagte unternahm zur Tatzeit nichts, um sich ein zutreffendes Lagebild zu erstellen. Eine Buchführung der [X.] war praktisch nicht existent. [X.] wurden nicht erstellt. Der Geschäftsbetrieb lief gleichwohl unverändert weiter. Die Überschuldung wurde auch in der Folgezeit nicht beseitigt.

Unter dem 24. März 2003 äußerte der Angeklagte in einem Schreiben an [X.].    und die Mitglieder des [X.], einzige Einnahmequelle seien neue Einzahlungen durch Kapitalanleger. Daran änderte sich in den folgenden Wochen nichts. Einen Insolvenzantrag stellte der Angeklagte dennoch nicht. Dieser wurde erst am 2. Juli 2009 durch einen späteren Geschäftsführer gestellt.

Das [X.] hat eine Insolvenzverschleppung durch den Angeklagten bezüglich der [X.] abgeurteilt. Das Verfahren wegen Insolvenzverschleppung hinsichtlich der [X.] wurde gemäß § 154 StPO vorläufig eingestellt.

B.

Die Revision des Angeklagten ist mit der Sachrüge begründet, so dass es auf die Verfahrensbeanstandungen nicht ankommt.

I. Die Verurteilung wegen Betruges ist rechtsfehlerhaft.

1. Das [X.] hat Einzelakte des Betruges zum Nachteil der verschiedenen Anleger nicht festgestellt. Es hat zwar den Tatzeitraum angegeben, die Zahl der Vertragsabschlüsse innerhalb dieses Zeitraums aufgeführt, mögliche [X.] benannt und den entstandenen Gesamtschaden beziffert. Im Übrigen aber hat es den Zeitpunkt, die Durchführung und den Umfang der einzelnen Kapitalanlagen nicht konkretisiert. Unbeschadet der Tatsache, dass dem Angeklagten nur eine einzige Tat als „uneigentliches Organisationsdelikt“ vorgeworfen wird, genügen diese Feststellungen deshalb nicht den rechtlichen Anforderungen.

Für die Tatfeststellung und Darstellung im Urteil gelten bei einer aus vielen Einzelakten bestehenden Tat im Sinne eines uneigentlichen Organisationsdelikts (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Juli 2009 - 2 [X.], [X.], 103, 104; [X.], Beschluss vom 31. Januar 2012 - 3 StR 285/11, [X.], 653 f.) keine anderen Anforderungen als bei einer Mehrzahl gleichartiger, rechtlich selbständiger Straftaten. Die Urteilsgründe müssen auch hier die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO). Rechtliche Konkurrenzfragen haben darauf keinen Einfluss (vgl. für das Verhältnis einer „fortgesetzten Handlung“ zu Tatmehrheit [X.], Beschluss vom 3. Mai 1994 - [X.] und 3/93, [X.]St 40, 138, 159). Dies schließt zwar eine zusammenfassende, insbesondere tabellarische Darstellung der Einzelfälle und eine Wiedergabe von Gemeinsamkeiten der Tatbegehung nicht aus. Jedoch macht dies grundsätzlich Feststellungen zu den Einzelakten des Betruges zum Nachteil verschiedener Geschädigter im Urteil nicht entbehrlich.

2. Ungenügend sind die Urteilsgründe vor allem, weil das [X.] auf jede Feststellung zur Frage des jeweiligen Irrtums der Geschädigten verzichtet.

Da der [X.] voraussetzt, dass die Vermögensverfügung durch den Irrtum des [X.] veranlasst worden ist, müssen die Urteilsgründe regelmäßig ergeben, wer die durch Täuschung verursachte Vermögensverfügung getroffen hat und welche irrtümlichen Vorstellungen dieser Geschädigte dabei hatte (vgl. [X.], Urteil vom 22. Mai 2014 - 4 [X.], NJW 2014, 2132, 2133; Senat, Urteil vom 22. Februar 2017 - 2 StR 573/15, Rn. 30 [X.]). Die Überzeugung des Gerichts setzt dazu in der Regel die Vernehmung der Geschädigten voraus (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juni 2014 - 2 [X.], [X.], 644, 645). Diese hat das [X.] nicht vorgenommen und deshalb keine auf die einzelnen Geschädigten bezogenen Feststellungen zu deren Vorstellungsbild getroffen.

Allerdings stößt die Feststellung des Irrtums bisweilen auf Schwierigkeiten, die dazu führen können, dass ein Tatgericht im Bereich gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte, die von selbstverständlichen Erwartungen geprägt sind, seine Überzeugung von täuschungsbedingten Fehlvorstellungen auf der Grundlage eines sachgedanklichen Mitbewusstseins auf Indizien stützen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 4. September 2014 - 1 [X.], [X.], 98, 100; krit. [X.]/Berghäuser in Festschrift für [X.], 2017, [X.], 27; [X.], [X.] 128 [2016], 804, 810 ff.; [X.], [X.], 101 f.; [X.], [X.] 2015, 105 f.; [X.], [X.], 40, 44 ff.; [X.], [X.] 2015, 106, 115 ff.). In Fällen eines normativ geprägten [X.] kann es deshalb nach der Rechtsprechung ausreichen, einzelne Zeugen zu vernehmen und aus einem regelhaften Vorstellungsbild auf einen Irrtum auch bei weiteren Geschädigten zu schließen oder der Verurteilung wegen eines Organisationsdelikts zur Bemessung des Schuldumfangs eine bestimmte [X.] zugrunde zu legen (vgl. [X.], Urteil vom 22. Mai 2014 - 4 [X.], NJW 2014, 2132, 2133; krit. [X.], [X.] 128 [2016], 804, 818 ff.). [X.] Vereinfachungen der Tatsachenfeststellung können sich im Einzelfall dadurch erreichen lassen, dass Geschädigte schriftlich befragt werden, worauf das Ergebnis unter den Voraussetzungen gemäß § 251 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann (Senat, Urteil vom 22. Februar 2017 - 2 StR 573/15; krit. [X.]/Berghäuser, aaO [X.], 26 f.). Handelt es sich um Tatserien, bei denen nicht erst durch die [X.]elzahl von [X.] mit jeweils kleinen Schadensbeträgen der Unrechts- und Schuldgehalt des Gesamtgeschehens gekennzeichnet wird, können prozessökonomische Ergebnisse durch sachgemäße Anwendung der §§ 154, 154a StPO erzielt werden (krit. zur Beschränkung auf eine Verurteilung nur wegen versuchten Betruges [X.]/Berghäuser in Festschrift für [X.], 2017, [X.], 16 ff.; [X.], [X.], 40, 42 f.).

Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob in bestimmten Massenbetrugsfällen auf jede Befragung von Geschädigten ganz verzichtet und deren Irrtum insgesamt nur aus [X.] aufgrund von äußeren Umständen festgestellt werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 4. September 2014 - 1 [X.], [X.], 98, 100 mit [X.]. [X.]). Ein Fall mit Betrugshandlungen zum Nachteil von tausenden Geschädigten, deren Befragung zum Zweck der Feststellung des individuellen Irrtums aufgrund von [X.] praktisch unmöglich wäre, liegt nicht vor. Auch versteht es sich nicht bereits aufgrund der Art der Vortäuschung von Tatsachen von selbst, dass sich die Anleger bei dem Fonds der [X.] selbstverständlich über bestimmte Punkte geirrt haben müssen. Wie die einzelnen Anleger von dem Fondsmodell erfahren haben, auf welche Weise sie von den unrichtige Angaben enthaltenden [X.]n oder dem Werbeprospekt Kenntnis hatten und ob etwa täuschende Angaben der von den Angeklagten angewiesenen Mitarbeiterinnen der Geschäftsstellen Einfluss auf die jeweilige Anlageentscheidung gehabt haben, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Da insoweit individuelle Vorstellungsbilder zu verschiedenen Aspekten des Anlagemodells denkbar sind, bleibt letztlich offen, ob und inwieweit die Geschädigten sich bei der Zeichnung der Anlagen aufgrund einer dem Angeklagten zuzurechnenden Täuschung geirrt haben.

Allein aus der durch Angaben der [X.] der Geschäftsstellen der Kreisverbände getroffenen Feststellung des [X.]s, Rückfragen durch Interessenten seien selten gewesen und hätten sich gegebenenfalls zumeist auf die Frage des [X.]s für einen Platz in einem Seniorenheim bezogen, konnte auch nicht tragfähig darauf geschlossen werden, die Anleger hätten „regelhaft“ ihre Kapitalanlagen aufgrund eines Irrtums über das tatsächliche Bestehen eines durchsetzbaren [X.]s getätigt.

II. Die Verurteilung wegen Konkursverschleppung (§ 84 Abs. 1 Nr. 2, § 64 Abs. 1 Satz 1 und 2 GmbHG aF) beziehungsweise Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 1 und Abs. 4, § 17 Abs. 2 Satz 1 [X.]; zum maßgeblichen Recht bei [X.] in Festschrift für [X.], 2011, [X.], 480) ist ebenfalls rechtlich zu beanstanden.

Hinsichtlich der Annahme einer Überschuldung der Gesellschaft zum 24. März 2003 ist das [X.] davon ausgegangen, dass die bilanzielle Überschuldung der [X.], wie sie sich im Dezember 2002 aus dem Jahresabschluss für 2001 ergeben hatte, nicht durch stille Reserven ausgeglichen worden sei. Dazu hat es darauf verwiesen, dass die vom Angeklagten in seiner ergänzenden Erklärung als stille Reserven genannten Erbbaurechte und Beteiligungen an der [X.] GmbH & Co. KG sowie deren Komplementär-GmbH durch Verträge vom 3. Dezember 2002 veräußert worden seien. Die wirtschaftliche Bedeutung dieses Veräußerungsakts ist aber ebenso wenig wie die anschließende Rückabwicklung der [X.] im Urteil nachvollziehbar erläutert worden, erst recht nicht mit Blick auf den Stichtag am 24. März 2003. Daher kann der Senat die Schlussfolgerung des [X.]s, dass die Erklärung des Angeklagten zum Jahresabschluss für 2001 falsch gewesen sei und wegen fehlender Verbesserungen der wirtschaftlichen Lage der [X.] bis zum Stichtag eine entsprechende bilanzielle Überschuldung vorgelegen habe, nicht nachvollziehen.

2. Auch hinsichtlich der Annahme von Zahlungsunfähigkeit der [X.] tragen die Urteilsfeststellungen den Schuldspruch nicht.

a) Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel durch eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der zu diesem Zeitpunkt fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits festzustellen. Eine solche im Einzelnen nachvollziehbare Gegenüberstellung hat das [X.] nicht erstellt. Es hat die Zahlungsunfähigkeit vielmehr aus einem Schreiben des Angeklagten an den faktischen Geschäftsführer [X.].    und die Mitglieder des [X.] vom 24. März 2003 abgeleitet, in dem dieser mitgeteilt hatte, dass die Fondsanlagen der [X.] die einzige Einnahmequelle seien, die zur Bezahlung von Rechnungen oder Auszahlung von Zinsen und Einlagen früherer Anleger (der [X.]) verwendet werden könnten, und auch diese Einnahmen nicht zur Bedienung aller Ansprüche aus den Anlagen des Fonds der [X.] ausreichen würden. Weiter gestützt auf eine summarische Zusammenstellung von Einnahmen und Ausgaben der [X.] vom 2. August 2004 bis zum 31. Oktober 2005, die ein rechnerisches Plus von etwa 8.000 Euro ergeben habe, ist es für den Tatzeitraum von Zahlungsunfähigkeit ausgegangen, weil unter den Einzahlungen siebenundzwanzig Zahlungen der [X.] in Höhe von zusammen 395.000 Euro gewesen seien, die als Darlehenszahlungen verschleiert worden seien und faktische Entnahmen aus dem Vermögen der [X.] darstellten. Diese Zahlungen seien zur Herstellung von Liquidität nicht geeignet, da sie betrügerisch erlangt und treuwidrig weitergereicht worden seien.

b) Diese auf wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen gestützte Annahme der Zahlungsunfähigkeit der [X.] hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

aa) Zum einen hätte das [X.] bedenken müssen, dass Zahlungsansprüche in eine Gegenüberstellung von Forderungen und verfügbaren Mitteln nur einzustellen sind, soweit sie im insolvenzrechtlichen Sinne fällig sind (§ 17 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Nach der Rechtsprechung des [X.], die auch nach Inkrafttreten der [X.] nicht aufgegeben wurde (vgl. [X.] in Festschrift für [X.], 2011, [X.], 483 ff. [X.]), setzt Fälligkeit von Forderungen, zu deren vollständiger Erfüllung der Schuldner wegen Zahlungsunfähigkeit zum Fälligkeitszeitpunkt oder innerhalb angemessener Zeit nicht mehr in der Lage ist, im insolvenzrechtlichen Sinn voraus, dass - über die Fälligkeit im Sinne von § 271 BGB hinaus - die geschuldete Leistung „ernsthaft eingefordert“ wird. Dies ist der Fall, wenn eine Handlung des Gläubigers gegeben ist, aus der sich der Wille ergibt, Erfüllung möglicher Zahlungsansprüche zu verlangen (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Juli 2007 - [X.] 36/07, [X.]Z 173, 286, 293 mit [X.]. [X.], [X.], 695 ff.; s.a. [X.], Urteil vom 22. Februar 2001 - 4 [X.], NJW 2001, 1874, 1875). An ein solches Einfordern sind zwar keine hohen Anforderungen zu stellen. Das [X.] hat aber im Urteil für keinen Gläubiger der [X.] eine solche Handlung festgestellt und hätte dies auch im Rahmen der Bewertung des Schreibens des Angeklagten, der dies womöglich nicht bedacht hat, berücksichtigen müssen.

bb) Zum anderen fehlt es für die Außerachtlassung von der [X.] durch die [X.] überlassenen Geldern bei der Feststellung ihrer Zahlungsunfähigkeit an einer tragfähigen Grundlage.

Nach den Feststellungen hatte die [X.] 395.000 Euro an die [X.] geleistet, die als Darlehen bezeichnet wurden, wobei es sich aber tatsächlich um Anlegergelder im Vermögen der [X.] gehandelt hatte. Das [X.] ist wegen der treuwidrigen Verwendung der Mittel durch Weitergabe an die [X.] davon ausgegangen, dass diese Mittel nicht zur Herbeiführung von Liquidität bei der [X.] geeignet waren. Grundsätzlich ist es für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit im insolvenzrechtlichen Sinn jedoch ohne Bedeutung, aus welchen Quellen tatsächlich vorhandene Mittel des Schuldners stammen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], 3. Aufl. § 17 Rn. 17). Es kommt nicht darauf an, ob sich der Schuldner die Zahlungsmittel auf redliche oder unredliche Weise beschafft hat. [X.] sind selbst aus Straftaten herrührende illegale Einkünfte als liquide Mittel anzusehen (vgl. [X.], Urteil vom 14. Mai 2009 - [X.], [X.]Z 181, 132, 139). Eine mögliche zweck- und treuwidrige Verschiebung von Vermögen der [X.] an die [X.] war deshalb nicht von vornherein ungeeignet, die Zahlungsunfähigkeit der [X.] aufzuheben.

Ob etwas anderes gilt, weil die strafgerichtliche Rechtsprechung annimmt, hinsichtlich Kapitalzuflüssen aus Betrugshandlungen bestünden bereits mit der Zahlung fällige [X.] aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 31 BGB in entsprechender Höhe (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Juli 2015 - 3 StR 518/14, [X.], 341, 342 mit [X.]. [X.], EWiR 2016, 103, 104), die als fällige Gegenforderung einzustellen seien, kann hier dahinstehen. Die Erfüllung des [X.]s steht bisher aus den oben genannten Gründen nicht fest. Zudem richtete sich ein Rückzahlungsanspruch der Kapitalanleger vornehmlich gegen die [X.].

C.

Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:

I. Das „uneigentliche Organisationsdelikt“ des Betruges umfasst alle Einzelakte, die infolge des dem mittelbaren Täter zurechenbaren Organisationsakts verursacht wurden (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Juli 2015 - 3 StR 518/14, [X.], 341 f.).

Der Beginn einer Verjährung der Strafverfolgung wegen Betruges bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Erlangung des Vermögensvorteils (vgl. [X.], Beschluss vom 18. November 2015 - 4 [X.], [X.], 42). Bei einer tatbestandlichen Handlungseinheit beginnt die Verjährungsfrist nach deren Beendigung; es bestehen keine gesonderten Fristen für die Verjährung von unselbständigen Einzelakten (vgl. [X.]/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 78a Rn. 6; [X.]/[X.]/[X.]/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 78a Rn. 9/10; NK/[X.], StGB, 4. Aufl., § 78a Rn. 32 f.; LK/[X.], StGB, 12. Aufl., § 78a Rn. 13; a.[X.]/[X.], StGB, 9. Aufl., § 78a Rn. 11).

II. Die Verjährungsfrist für die Insolvenzverschleppung beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB); absolute Verjährung (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB) tritt nach zehn Jahren ein. Die Frist für die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist (§ 78a Satz 1 StGB). Dieser Zeitpunkt ist den Urteilsgründen nicht genau zu entnehmen. Die Verjährung beginnt beim Unterlassen einer Insolvenzanmeldung erst dann, wenn die Pflicht erlischt, die Eröffnung des Verfahrens zu beantragen (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1979 - 3 [X.], [X.]St 28, 371, 380). Das ist, wenn die Handlungspflicht innerhalb einer bestimmten Frist zu erfüllen ist, nicht stets schon bei deren Ablauf der Fall. Jedoch entfällt die Pflicht, wenn die Überschuldung überwunden wird. Ob und gegebenenfalls wann dies der Fall gewesen ist, bleibt in den Urteilsgründen unklar.

[X.]   

        

Eschelbach   

        

[X.] und
Ri'n[X.] Dr. Bartel
sind an der Unterschriftsleistung
gehindert.

                                   

[X.] 

                          

Wimmer   

        

Meta

2 StR 169/15

16.05.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Rostock, 25. September 2014, Az: 11 KLs 23/12 (1)

§ 64 Abs 1 S 1 GmbHG vom 05.10.1994, § 84 Abs 1 Nr 2 GmbHG vom 05.10.1994, § 15a Abs 1 InsO, § 15a Abs 4 InsO, § 17 Abs 2 S 1 InsO, § 271 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.05.2017, Az. 2 StR 169/15 (REWIS RS 2017, 10893)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10893

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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