Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.10.2013, Az. II ZR 229/12

2. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2249

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Kommanditgesellschaft: Inanspruchnahme eines Mitgesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Drittgeschäften


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des [X.] vom 10. Juli 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war Initiatorin und Gründungsgesellschafterin sowie Darlehensgeberin der [X.] gegründeten „[X.] ([X.])“ (im Folgenden: [X.]), einer Publikumsgesellschaft, deren Zweck die Vermietung einer von ihr erworbenen Immobilie ist. Der Beklagte ist an der [X.] seit 1993 als Kommanditist beteiligt. Nach Gründung des Fonds erhielten die Kommanditisten zunächst Verlustzuweisungen und in den Jahren 1995 bis 2000 gewinnunabhängige Ausschüttungen. Die Klägerin nimmt in einer Vielzahl von Verfahren Kommanditisten in Höhe der jeweils erhaltenen Ausschüttungen wegen Darlehenszinsverbindlichkeiten der [X.] in Anspruch.

2

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin gewährte der [X.] ursprünglich für den Erwerb der Gewerbeimmobilie ein Darlehen in Höhe von 200 Mio. DM. Da die Immobilie sich ab September 2003 nicht mehr in der gewünschten Weise vermieten ließ, geriet die [X.] in wirtschaftliche Schwierigkeiten und konnte das Darlehen nicht länger bedienen. Die Klägerin gewährte der [X.] zur Vermeidung der Insolvenz mit Vertrag vom 22. März/15. Juni 2004 ein Folgedarlehen in Höhe von 35 Mio. €, mit dem die noch offene Teilforderung aus dem ersten Darlehen abgelöst wurde. Die fälligen Tilgungs- und Zinsraten stundete die Klägerin immer wieder zu großen Teilen. Parallel dazu forderte die [X.] ihre Kommanditisten auf, die erhaltenen Ausschüttungen zurückzuzahlen, um die wirtschaftliche Situation zu verbessern. Die Klägerin erstattete ihre als Kommanditistin erhaltenen Auszahlungen. Der Beklagte kam der Aufforderung nicht nach.

3

Nach der Behauptung der Klägerin besteht eine Verbindlichkeit der [X.] in Höhe von 500.000 €. Hierbei handele es sich um von den Stundungsvereinbarungen ausgenommene Darlehenszinsen für den Zeitraum 2. Juli 2010 bis 30. August 2011. Von dem Beklagten werde ein letztstelliger Teilbetrag der im August 2011 aufgelaufenen Zinsen verlangt.

4

Die auf Zahlung von 8.883,70 € gerichtete Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der Klägerin hat Erfolg.

6

I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

7

Es könne dahinstehen, ob die Klägerin nachvollziehbar dargelegt habe, dass ihr gegen die [X.] eine fällige Forderung zustehe, die nicht bereits durch Zahlungen anderer Kommanditisten erfüllt worden sei. Der Beklagte könne die Klägerin jedenfalls darauf verweisen, in erster Linie die [X.] in Anspruch zu nehmen. Kommanditisten hafteten für Verbindlichkeiten der [X.] aus sogenannten Drittgeschäften mit [X.]ern lediglich subsidiär. Bei der Klägerin sei die Pflicht, gegenüber den Anlegern Rücksicht zu nehmen, aufgrund ihrer Stellung als Initiatorin und Gründungsgesellschafterin sogar besonders ausgeprägt. Dass eine Inanspruchnahme der [X.] aussichtslos wäre, sei nicht ersichtlich. Die [X.] sei zur Leistung des von der Stundung ausgenommenen [X.] in der Lage, aber nicht bereit. Damit könne die subsidiäre Haftung der [X.]er nicht begründet werden.

8

II. Das Urteil des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, zunächst die [X.] in Anspruch zu nehmen, bevor sie ihre Drittgläubigerforderung gegen die Kommanditisten geltend macht.

9

Im Schrifttum wird teilweise vertreten, dass persönlich haftende [X.]er und damit auch Kommanditisten, die Ausschüttungen im Sinne des § 172 Abs. 4 [X.] erhalten haben, einem [X.]er-Gläubiger lediglich subsidiär haften und sich der Gläubiger zunächst an die [X.] halten muss. Der [X.]er-Gläubiger werde zwar grundsätzlich wie jeder dritte Gläubiger behandelt, wenn es sich um ein Drittgeschäft handele. Die unbeschränkte Haftung werde aber von der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht überlagert, die gebiete, dass der Mitgesellschafter - in der Regel - nur dann in Anspruch genommen werden dürfe, wenn eine Befriedigung aus dem [X.]svermögen nicht zu erwarten sei (vgl. [X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., § 128 Rn. 13, 26; [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/Strohn, [X.], 2. Aufl., § 128 Rn. 10; [X.] in Baumbach/[X.], [X.], 35. Aufl., § 128 Rn. 24; [X.] in Henssler/Strohn, [X.], § 128 [X.] Rn. 10; [X.], [X.]srecht, 4. Aufl., § 49 I 2, S. 1412; [X.] in Schlegelberger, [X.], 5. Aufl., § 128 Rn. 12, 20; MünchKomm[X.]/[X.], 3. Aufl., § 128 Rn. 12, 20; [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl., § 128 Rn. 21; [X.], [X.] 1983, 258, 260; a.A. [X.]/[X.], 5. Aufl., § 705 Rn. 203, 220; [X.] in Erman, [X.], 13. Aufl., § 705 Rn. 61; [X.] in [X.], [X.], Bearbeitung 2003, § 705 Rn. 43; [X.]/[X.] in Soergel, [X.], Stand 2011, § 705 Rn. 57; Prediger, BB 1971, 245, 248 f.).

Das [X.] hat stattdessen angenommen, dass der [X.]er-Gläubiger einem Dritten vollständig gleichgestellt sei und sich deshalb nicht zunächst an die [X.] halten müsse. Es sei lediglich darauf zu achten, dass der Anteil abgezogen werde, der seiner eigenen Mithaftung entspreche. Anderenfalls erhalte der [X.]er-Gläubiger etwas, das er unter Umständen zurückgewähren müsse und was damit die [X.] begründe ([X.], Urteil vom 16. Juni 1914 - III 37/13, [X.]Z 85, 157, 162 f.; Urteil vom 5. Januar 1937 - II 182/36, [X.]Z 153, 305, 313 f.; dem folgend [X.], Urteil vom 1. Dezember 1982 - [X.], [X.], 30, 32; Urteil vom 15. Januar 1988 - [X.], [X.]Z 103, 72, 76).

Der erkennende Senat hat die Frage in einer Entscheidung vom 10. November 1969 ([X.], [X.], 280) offen gelassen. Sie ist im Sinne der Rechtsprechung des [X.]s zu entscheiden. Der [X.]er einer Kommanditgesellschaft, der eine Drittgläubigerforderung gegen einen persönlich haftenden Mitgesellschafter geltend macht, muss nicht zunächst die [X.] in Anspruch nehmen. Eine generell nur subsidiäre Haftung der [X.]er für Verbindlichkeiten der [X.] mit anderen [X.]ern lässt sich aus der Treuepflicht mangels Schutzbedürftigkeit der Mitgesellschafter nicht ableiten. Zwar ist anzuerkennen, dass ein [X.]er, wenn möglich nicht sein eigenes Vermögen einsetzen soll, vielmehr [X.]en vor allem aus dem [X.]svermögen beglichen werden sollen. Der Mitgesellschafter, der von dem [X.]er-Gläubiger in Anspruch genommen wird, hat jedoch in der Regel nicht nur einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die [X.] gemäß § 110 [X.], wenn er die [X.] begleicht. Er kann auch bereits aufgrund der drohenden Inanspruchnahme Freistellung verlangen ([X.] in [X.]/Boujong/[X.]/Strohn, [X.], 2. Aufl., § 110 Rn. 33; MünchKomm[X.]/[X.], 3. Aufl., § 128 Rn. 35 mwN). Ist die [X.] in der Lage, sollte es somit gar nicht dazu kommen, dass der Mitgesellschafter auf sein privates Vermögen zurückgreifen muss, selbst wenn sich der [X.]er-Gläubiger direkt an ihn wendet. Kann oder will die [X.] ihre Schuld dagegen nicht tilgen, würde der [X.]er auch unter grundsätzlicher Annahme der Subsidiarität haften.

Aus der Rechtsprechung des Senats zum Innenausgleich zwischen [X.]ern, nachdem ein [X.]er einen (dritten) [X.] befriedigt hat, lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten. Diese Fallgestaltung ist mit der Geltendmachung einer Drittgläubigerforderung durch den [X.]er nicht vergleichbar. Obwohl der Aufwendungsersatzanspruch des leistenden [X.]ers gegen die [X.] aus § 110 [X.] ein Sozialanspruch ist und Sozialansprüche während des Bestehens der [X.] grundsätzlich nicht gegen die [X.]er geltend gemacht werden können, ist eine Regressmöglichkeit des leistenden [X.]ers nach § 426 [X.] bei Leistungsunfähigkeit der [X.] anerkannt. Diese Ausnahme ist geboten, da es mehr oder weniger vom Zufall abhängen kann, welcher [X.]er von einem [X.] in Anspruch genommen wird. Insoweit reicht aber eine Haftung in den Fällen aus, in denen von der [X.] keine Befriedigung zu erlangen ist. Diese Besonderheit schlägt auf den gemäß § 426 Abs. 2 [X.] übergehenden Anspruch durch (vgl. [X.], Urteil vom 2. Juli 1962 - [X.], [X.]Z 37, 299, 302 f.; Urteil vom 15. Januar 1988 - [X.], [X.]Z 103, 72, 76 ff.; Urteil vom 17. Dezember 2001 - [X.], [X.], 394, 396; Urteil vom 15. Oktober 2007 - [X.], [X.], 2313, 2314 Rn. 17), so dass auch dieser nicht mit der hier vorliegenden Konstellation eines Anspruchs eines [X.]er-Gläubigers aus einem Drittgeschäft vergleichbar ist.

III. Eine abschließende Sachentscheidung des Senats nach § 563 Abs. 3 ZPO ist nicht möglich, da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und in welcher Höhe eine fällige Forderung der Klägerin gegen die [X.] besteht, für die der Beklagte in Höhe der erhaltenen Ausschüttungen einstehen muss. Ferner fehlen Feststellungen zu dem vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruch auf Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinn. Die Sache ist daher

zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat weist ergänzend auf seine Ausführungen in dem in einem Parallelverfahren am heutigen Tag ergangenen Urteil ([X.]/12, juris) hin.

Strohn                     Reichart                      Drescher

              Born                          Sunder

Meta

II ZR 229/12

08.10.2013

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 10. Juli 2012, Az: 17 U 218/11

§ 171 Abs 1 HGB, § 172 Abs 4 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.10.2013, Az. II ZR 229/12 (REWIS RS 2013, 2249)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2249

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

II ZR 229/12 (Bundesgerichtshof)


II ZR 310/12 (Bundesgerichtshof)

Kommanditgesellschaft: Inanspruchnahme eines Mitgesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Drittgeschäften


II ZR 310/12 (Bundesgerichtshof)


II ZR 186/13 (Bundesgerichtshof)

Kommanditgesellschaft: Inanspruchnahme eines Mitgesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Drittgeschäften; Direkthaftung ohne vorherige Inanspruchnahme der …


II ZR 290/13 (Bundesgerichtshof)

Kommanditgesellschaft: Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Drittgeschäften mit anderen Gesellschaftern


Referenzen
Wird zitiert von

II ZR 229/12

Zitiert

II ZR 310/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.