Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.11.2017, Az. 5 StR 520/17

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 1713

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:271117B5STR520.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS

5 StR 520/17

vom
27. November 2017
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 27. November 2017 gemäß § 349 Abs. 4 [X.] beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 31. Mai 2017 mit den zugehörigen [X.] aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverlet-zung in vier Fällen und wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Die gegen seine Verurteilung gerichtete
Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Die im angefochtenen Urteil vorgenommene Beweiswürdigung unter-liegt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Das [X.] hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigespro-chen, die Nebenklägerin, seine 1998 geborene Großnichte, von Oktober 2007 bis Mai 2013 in mindestens 69 Fällen sexuell missbraucht zu haben, wobei er 1
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in allen Fällen den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohle-nen (§ 174 StGB), darüber hinaus in 60 Fällen den Tatbestand des (schweren) sexuellen Missbrauchs eines Kindes (§§ 176, 176a StGB) verwirklicht habe. Der Freispruch ist aus tatsächlichen Gründen erfolgt, weil sich die [X.] namentlich aufgrund von das jeweilige Kerngeschehen betreffenden Inkonstan-zen im [X.] der Nebenklägerin sowie im
Blick auf insoweit vage und detailarme Bekundungen keine Überzeugung von deren Glaubhaftigkeit zu verschaffen vermochte. Die Verwerfungen sprächen im Rahmen einer [X.] gegen ein tatsächliches Erleben der Nebenklägerin ([X.]). Daran könnten auch Bekundungen von deren Mutter nichts ändern, wonach ihr von der Nebenklägerin erzählt worden sei, der Angeklagte [X.] sie mit der Folge von blauen Flecken in den Oberschenkel, ziehe sie an den Schamhaaren und habe ihr verboten, jemandem etwas zu erzählen. Denn die Nebenklägerin habe dies in der Hauptverhandlung nicht bestätigt.
Ferner hat das [X.] den Angeklagten vom Vorwurf weiterer drei Körperverletzungstaten freigesprochen. In einem Fall (Ziffer 71 der Anklage) hatte die Nebenklägerin angegeben, die von ihrer Mutter vor der Polizei ge-schilderte Tat habe nicht stattgefunden.
Hingegen hat das [X.] die Aussage der Nebenklägerin zu den abgeurteilten sechs Körperverletzungsdelikten als glaubhaft eingestuft. Bei den Taten 1 bis 5 habe diese Bestätigung gefunden in

gleichfalls glaubhaften

Angaben ihrer Mutter, im Fall 2 auch in solchen einer Nachbarin.
b) Die Darlegungen der [X.] in den [X.] genügen nicht den Anforderungen, die die Rechtsprechung in Konstellationen wie der vorliegenden stellt. Zwar existiert kein Erfahrungssatz des Inhalts, dass einem Zeugen nur entweder insgesamt geglaubt oder insgesamt nicht geglaubt wer-4
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den darf (vgl. [X.]/[X.], 2016, § 261 Rn. 225 mwN). Jedoch [X.] die Urteilsgründe dann erkennen lassen, dass das Tatgericht alle [X.], die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überle-gungen einbezogen hat; wird dem Zeugen hinsichtlich weiterer Taten nicht ge-folgt oder handelt es sich gar um bewusst falsche Angaben, so muss das [X.] zudem jedenfalls regelmäßig außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe nennen, die es ihm ermöglichen, der Zeugenaussage im Übrigen dennoch zu glauben (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 29. Ju-li
1998

1 [X.], [X.]St 44, 153, 159; vom 17. November 1998

1 [X.], [X.]St
44, 256, 257). Daran fehlt es hier.
aa) In Bezug auf alle abgeurteilten Taten lässt das angefochtene Urteil die Entstehung und Entwicklung der Aussage der Nebenklägerin nicht bzw. nicht

Nebenklägerin und ihrer Familie aus der Wohnung des Angeklagten in ein Umstände lassen sich den Urteilsgründen
nicht mit der notwendigen Klarheit entnehmen; das Gleiche gilt für Anlass und Zeitpunkt der Anzeigeerstattung. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob bei der Nebenklägerin ein Motiv für eine Falschbezichtigung des Angeklagten vorhan-den gewesen ist. Entsprechendes gilt für die Bekundungen der Mutter der Ne-benklägerin, die die Familie des Angeklagten überdies nach dem Auszug in einer [X.] beschimpft hat ([X.]). Darüber hinaus haben sich deren Anga-ben zu einer weiteren Körperverletzungstat des Angeklagten (Fall 71 der [X.]) als unzutreffend erwiesen ([X.]). Deren Aussagen können daher nicht ohne Weiteres als außerhalb der Bekundungen der Nebenklägerin [X.] Gründe im vorgenannten Sinne herangezogen werden, sondern hätten einer eingehenden Überprüfung auf ihren Wahrheitsgehalt unter Erörterung 7
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etwaiger Falschbelastungsmotive bedurft. Die Beweiswürdigung in den [X.] kann bereits deshalb insgesamt keinen Bestand haben.
bb) Die Darlegungen der [X.] zu
den einzelnen Taten sind zu-dem lückenhaft.
[X.]) So ergibt sich aus der Aussage der Mitarbeiterin des allgemeinen
Sozialen Dienstes, dass sich die Nebenklägerin nach anonymen Anrufen einer echtsmedi-nicht mitgeteilt.
(2) Der Verurteilungsfall 2 (Ziffer 73 der Anklage) weist starke Ähnlichkei-ten mit dem [X.] unter Ziffer 71 der Anklage auf. In beiden Fällen ist dem Angeklagten vorgeworfen worden, den Kopf der Nebenklägerin während der Hausaufgaben auf die Tischplatte geschlagen bzw. diese so stark auf den Kopf geschlagen zu haben, dass der Kopf auf den Tisch fiel. Aus welchem Grund das [X.] die hierzu referierte Aussage der Zeugin Si.

dem Verurteilungsfall zuordnet, wird nicht deutlich. Der Inhalt der auch hier in Bezug genommenen Bekundungen der Mutter der Nebenklägerin wird nicht wiederge-geben ([X.]).
(3) Maßgebend auch aufgrund der Angaben der Mutter der Nebenkläge-rin hat das nicht sachverständig beratene [X.] zu Tat 3 festgestellt, der -

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oder 13-jährigen Nebenklägerin gestellt e-r-e-8
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liegend verursachten bleibenden Verletzungen verhalten sich die Urteilsgründe genauso wenig wie zu den Gründen, aus denen sich die Nebenklägerin und ihre Mutter angesichts dieser gravierenden Tat nicht wenigstens im Nachhinein zu einer Benachrichtigung öffentlicher Stellen entschlossen haben.
(4) Zu Fall 4 verweist das [X.] in Bezug auf einen Erinnerungs-d-u-lässig (vgl. [X.], [X.], 60. Aufl., § 267 Rn. 2 mwN).
(5) Zu Fall 5 ist den Urteilsgründen zu entnehmen, dass die Mutter der S.

cht [X.].
(6) Zu Fall 6 fehlen beweiswürdigende Ausführungen des [X.] völlig. Solche wären jedoch auch angesichts des eher ungewöhnlichen Ge-massiven Fleischermessers ohne sichtbare Verletzungen der Nebenklägerin) unabdingbar gewesen.
Die Sache bedarf danach in Bezug auf die [X.] insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
2. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch die Strafzumessung rechtlicher Prüfung nicht standgehalten hätte. Das [X.] hat bei der [X.] hinsichtlich der Taten 3 und 6 (jeweils gefährliche Körperver-letzung) und der Strafhöhenbemessung bei Tat 3 (Einsatzstrafe) erschwerend berücksichtigt, dass der Angeklagte die Tat während laufender Bewährung be-12
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gangen hat. Wie der [X.] zutreffend bemerkt, hätte indessen nach dem [X.] zugrunde gelegt werden müssen, dass die [X.] außerhalb der Bewährungszeit gelegen haben.

Sander

Schneider Dölp

König [X.]

Meta

5 StR 520/17

27.11.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.11.2017, Az. 5 StR 520/17 (REWIS RS 2017, 1713)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1713

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