Bundessozialgericht, Urteil vom 31.03.2015, Az. B 12 AL 4/13 R

12. Senat | REWIS RS 2015, 13149

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Gegenstand

(Sozialversicherung - Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge - Einrede der Verjährung - Aufhebung eines zu Unrecht die Versicherungspflicht feststellenden Bescheides hat ex-tunc-Wirkung - Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs 2 S 1 SGB 4)


Leitsatz

1. Die Frist für die Verjährung des Anspruchs auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Sozialversicherungsbeiträge beginnt auch dann mit dem Ablauf des Kalenderjahrs der Beitragsentrichtung, wenn der Anspruch erst später oder erst nach Ablauf der Verjährungsfrist entstehen sollte (Aufgabe von BSG vom 13.9.2006 - B 12 AL 1/05 R = SozR 4-2400 § 27 Nr 2).

2. Die sozialgerichtliche Aufhebung eines Bescheids, der zu Unrecht die Versicherungspflicht als Beschäftigter feststellt, hat ex-tunc-Wirkung; die vor und nach Bescheiderlass vorgenommene Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen ist in einem solchen Fall nicht allein mit Blick auf die Wirksamkeit des Bescheids "zu Recht" erfolgt.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 26. September 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung unter dem Gesichtspunkt der Verjährung.

2

Der 1962 geborene Kläger war ua vom 1.1. bis zum 30.11.2000 als Betriebsleiter für das Transportunternehmen seiner damaligen Ehefrau tätig, wofür - wegen angenommener Beschäftigung - ua Beiträge nach dem Recht der Arbeitsförderung entrichtet wurden. Ende September 2005 beantragte er bei der für ihn zuständigen [X.] als Einzugsstelle die Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status und machte geltend, insoweit selbstständig gewesen zu sein. Die mit Bescheid vom 5.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] getroffene Feststellung der [X.], dass es sich bei der Erwerbstätigkeit um eine versicherungspflichtige Beschäftigung gehandelt habe, griff der Kläger vor dem [X.] an. Das [X.] hob mit - rechtskräftig gewordenem - Urteil vom [X.] die genannten Bescheide auf und stellte fest, dass der Kläger im genannten Zeitraum nicht in einem die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden habe.

3

Am 17.12.2009 beantragte der Kläger bei der beklagten [X.] die Erstattung der von ihm getragenen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Das lehnte diese ab, soweit es für den Zeitraum 1.1. bis zum 30.11.2000 geleistete Beiträge betraf, da der Erstattungsanspruch insoweit bereits verjährt sei (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]).

4

Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Das L[X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen: Zwar seien die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung nach § 26 Abs 2 [X.]B IV wegen der - wie aufgrund des Urteils des [X.] vom [X.] feststehe - zu Unrecht erfolgten Beitragsabführung erfüllt, da im streitigen Zeitraum keine Versicherungspflicht des [X.] bestanden habe. Der Erstattungsanspruch nach § 27 Abs 2 S 1 [X.]B IV sei jedoch verjährt. Der Zeitpunkt seines Entstehens falle nämlich mit dem Zeitpunkt zusammen, in dem die Beiträge für die Tätigkeit [X.] entrichtet worden seien. Da die maßgebende [X.] nach Ablauf des Jahres 2000 (= Zeitpunkt der Anspruchsentstehung) zu laufen begonnen habe, sei bezüglich des streitigen Erstattungsanspruchs mit Ablauf des Jahres 2004 Verjährung eingetreten. Daran ändere der Bescheid vom 5.12.2005 nichts, weil er durch das [X.]-Urteil vom [X.] mit Rückwirkung aufgehoben worden sei. Der Sachverhalt unterscheide sich von einem vom B[X.] entschiedenen Fall ([X.]-2400 § 27 [X.] 2 ), da der Erstattungsanspruch dort noch nicht verjährt gewesen sei, als ein - später aufgehobener - Bescheid rückwirkend fehlerhaft die [X.] festgestellt habe (Urteil vom [X.]).

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 27 Abs 2 S 1, Abs 3 S 1 [X.]B IV. Erstmals mit Aufhebung des Bescheides vom 5.12.2005, wonach die [X.] vermeintlich rechtmäßig gewesen sei, durch das [X.] am [X.] habe überhaupt ein Beitragserstattungsanspruch entstehen können, weil erst damit die zu Unrecht erfolgte Beitragsentrichtung festgestanden habe. Allein dieser Zeitpunkt könne daher für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist entscheidend sein. Eine andere Betrachtung der zu Unrecht erfolgten Entrichtung sei dagegen verfehlt, schon weil Widerspruch und Klage gegen den Bescheid vom 5.12.2005 keine aufschiebende Wirkung gehabt hätten und dem Bescheid - trotz fehlender Bestandskraft - nach § 28h Abs 2 S 1 [X.]B IV Tatbestands- und Rechtswirkung für die Pflicht zur Beitragsentrichtung zugekommen sei. Spätestens der Widerspruch gegen den Bescheid müsse als [X.] gewertet werden. Der Lauf der Verjährungsfrist sei auf diese Weise gehemmt gewesen und habe nicht beginnen können. Überdies habe die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 26. September 2013 und des [X.] vom 14. Mai 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 1104,34 Euro zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des [[X.].] ist unbegründet.

Im Ergebnis zutreffend hat das [[X.].] die Berufung des [[X.].] gegen das die [X.]lage abweisende Urteil des [[X.].] zurückgewiesen. Der [X.]läger kann von der beklagten [[X.].] die Erstattung der von ihm für die [[X.].] vom 1.1. bis 30.11.2000 getragenen Arbeitnehmeranteile der nach dem Recht der Arbeitsförderung entrichteten Beiträge nicht verlangen. Dem - bestehenden - Erstattungsanspruch des [[X.].] (dazu im Folgenden 1.) steht die Einrede der Verjährung entgegen (dazu 2.), die die Beklagte rechtsfehlerfrei erhoben hat (dazu 3.). Der Bescheid der Beklagten vom [[X.].] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [[X.].] ist rechtmäßig.

1. Die von dem [X.]läger für die genannte [[X.].] getragenen Beiträge sind grundsätzlich nach § 26 Abs 2 Halbs 1 iVm Abs 3 S 1 [[X.].]B [[X.].] zu erstatten, weil sie zu Unrecht entrichtet wurden.

Nach § 26 Abs 2 Halbs 1 [[X.].]B [[X.].] (idF des Gesetzes vom 20.12.1988, [[X.].] 2330, 2331) sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten. Gemäß § 26 Abs 3 S 1 [[X.].]B [[X.].] (idF desselben Gesetzes) steht der Erstattungsanspruch demjenigen zu, der die Beiträge getragen hat.

Die von dem [X.]läger für den [[X.].]raum vom 1.1. bis 30.11.2000 getragenen Beiträge (Arbeitnehmeranteile) wurden - wie inzwischen feststeht - ursprünglich iS von § 26 Abs 2 Halbs 1 [[X.].]B [[X.].] zu Unrecht entrichtet, weil sie im [[X.].]punkt der Entrichtung - der maßgebender [[X.].]punkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist (B[[X.].]E 75, 298, 302 = [[X.].] 3-2400 § 26 [[X.].]; [[X.].] in jurisP[X.]-[[X.].]B [[X.].], 2. Aufl 2011, § 26 RdNr 62) - ohne Rechtsgrund (= fehlende Versicherungs- und Beitragspflicht) gezahlt wurden. Das [[X.].] stellte nämlich mit seinem rechtskräftig gewordenen Urteil vom [[X.].] fest, dass der [X.]läger im oa [[X.].]raum im Unternehmen seiner Ehefrau nicht versicherungspflichtig beschäftigt war. Es hob die entgegenstehenden Bescheide der Einzugsstelle (vom 5.12.2005; Widerspruchsbescheid vom [[X.].]) bezogen auf den [[X.].]punkt ihres Erlasses - ex tunc - auf (zur Maßgeblichkeit dieses [[X.].]punkts allgemein zB: [[X.].] in [[X.].]/[[X.].]/[[X.].], [[X.].]G, 11. Aufl 2014, § 131 Rd[X.]a).

2. Der vom [X.]läger geltend gemachte Erstattungsanspruch ist jedoch - ausgehend von der insoweit einschlägigen Rechtsgrundlage (dazu im Folgenden a) - verjährt. Entgegen seiner Ansicht begann die Verjährungsfrist nicht erst mit Aufhebung des Bescheides vom 5.12.2005 durch das Urteil des [[X.].] vom [[X.].] zu laufen. Das war vielmehr schon nach Ablauf des [X.]alenderjahres der Fall, in dem die Beiträge entrichtet wurden, hier also mit Ablauf des Jahres 2000 (dazu b). Der [X.] hält in diesem Zusammenhang nicht mehr an seiner Rechtsprechung (B[[X.].] [[X.].] 4-2400 § 27 [[X.].] Leitsatz und Rd[X.]3 ff) fest, wonach die Verjährungsfrist frühestens im [[X.].]punkt des Entstehens des Erstattungsanspruchs beginnen kann und der Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Sozialversicherungsbeiträge nicht entsteht, solange ein Verwaltungsakt dem Berechtigten gegenüber verbindlich das Bestehen von Versicherungspflicht feststellt (dazu c).

a) Nach § 27 Abs 2 S 1 [[X.].]B [[X.].] verjährt der sich aus § 26 Abs 2 [[X.].]B [[X.].] ergebende Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge in [[X.].]n nach Ablauf des [[X.].], in dem die Beiträge entrichtet worden sind.

Der Erstattungsanspruch des [[X.].] hinsichtlich der einschließlich noch im [[X.].] (für die Monate Januar bis November 2000) entrichteten Beiträge nach dem Recht der Arbeitsförderung verjährte danach mit Ablauf des Jahres 2004.

b) Dass vorliegend der Lauf der Verjährungsfrist schon nach Ablauf des [[X.].], in dem die Beiträge entrichtet wurden, also mit Ablauf des Jahres 2000 zu laufen begann, ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten: Zum einen kommt es nach dem [[X.].] des § 27 Abs 2 S 1 [[X.].]B [[X.].] für den Beginn der Verjährungsfrist nicht darauf an, wann der Erstattungsanspruch entsteht; die Verjährungsfrist beginnt danach vielmehr (generell) mit dem Ablauf des [[X.].] der Beitragsentrichtung, also auch dann, wenn der Erstattungsanspruch später oder sogar erst nach Ablauf der Verjährungsfrist entstehen sollte (hierzu näher im [[X.].]). Zum anderen entstand der vermeintlich maßgebliche Erstattungsanspruch vorliegend - entgegen der Ansicht des [[X.].] - nicht erst im [[X.].]punkt der Aufhebung des Bescheides vom 5.12.2005 durch das Urteil des [[X.].] vom [[X.].], sondern bereits im [[X.].]punkt der Entrichtung der Beiträge (hierzu bb).

aa) Die Verjährungsfrist beginnt schon deshalb mit Ablauf des [[X.].] der Beitragsentrichtung, weil es nach § 27 Abs 2 S 1 [[X.].]B [[X.].] für ihren Beginn nicht darauf ankommt, wann der Erstattungsanspruch entsteht (im Ergebnis ebenso: B[[X.].] Urteil vom [[X.].] - 11a RLw 2/86, Juris Rd[X.]1 f; [[X.].] in jurisP[X.]-[[X.].]B [[X.].], 2. Aufl 2011, § 27 Rd[X.]4 - 36; offengelassen, aber im beschriebenen Sinne bereits angedeutet: B[[X.].] <10. [X.]>, B[[X.].]E 106, 239 = [[X.].] 4-2400 § 27 [[X.].], Rd[X.]3 f). Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 27 Abs 2 S 1 [[X.].]B [[X.].] (hierzu <1>), den Gesetzesmaterialien (hierzu <2>), der Gesetzessystematik (hierzu <3>) sowie dem Sinn und Zweck (hierzu <4>) dieser Norm. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dieser Auslegung nicht entgegen (hierzu <5>).

(1) Nach dem Wortlaut des § 27 Abs 2 S 1 [[X.].]B [[X.].] ist der Beginn des Laufs der Verjährungsfrist nicht von dem Entstehen des Erstattungsanspruchs abhängig. Der Gesetzeswortlaut stellt vielmehr für den Beginn der Verjährungsfrist unzweideutig (nur) auf den "Ablauf des [[X.].]" ab, "in dem die Beiträge entrichtet worden sind". Zwar verjährt nach dem Wortlaut der Norm "der Erstattungsanspruch". Dieser muss also überhaupt existieren, dh entstanden sein. Der Gesetzeswortlaut schließt aber gleichwohl nicht aus, dass die Verjährungsfrist bereits vor Entstehen des Erstattungsanspruchs zu laufen beginnt bzw im [[X.].]punkt des Entstehens dieses Anspruchs bereits abgelaufen ist.

(2) Diese Sichtweise steht im Einklang mit der Entstehungsgeschichte der Norm. Zwar sollte sich nach den Gesetzesmaterialien zu § 27 [[X.].]B [[X.].] die für die Verjährung von Sozialleistungen in § 45 [[X.].]B I enthaltene Regelung auch auf Beitragserstattungsansprüche "erstrecken" (so Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Sozialgesetzbuchs <[[X.].]B> - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, BT-Drucks 7/4122 [[X.].] zu §§ 22 bis 29). Nach § 45 [[X.].]B I verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen in [[X.].]n nach Ablauf des [[X.].], in dem sie "entstanden" sind. Dieser Wortlaut fand in § 27 Abs 2 S 1 [[X.].]B [[X.].] jedoch keinen Niederschlag. Hätte der Gesetzgeber in der letztgenannten Bestimmung "dieselbe" Regelung wie in § 45 [[X.].]B I gewollt, hätte an sich schon eine bloße Verweisung auf die Vorschrift genügt. Das geschah jedoch nicht, vielmehr wurde mit § 27 Abs 2 S 1 [[X.].]B [[X.].] eine eigenständige Regelung für die Verjährung von [[X.].] eingeführt, die zwar ebenfalls auf "[[X.].]" wie in § 45 Abs 1 [[X.].]B I abstellt, nicht aber auch den dort geregelten Beginn des Laufs der Verjährungsfrist und die daran anknüpfende Dogmatik zum Entstehen von Ansprüchen auf Sozialleistungen (vgl § 40 [[X.].]B I) übernimmt (ebenso wohl [[X.].] in [[X.].]/[[X.].], [[X.].]B I, [[X.].], [X.], 1. Aufl 2012, § 27 [[X.].]B [[X.].] Rd[[X.].]; [X.] in [X.]/[X.], [[X.].]B [[X.].], [X.] § 27 Rd[X.], ; unklar Seewald in [X.]asseler [X.]omm, § 27 [[X.].]B [[X.].] Rd[[X.].], : § 27 Abs 2 [[X.].]B [[X.].] "entspreche" § 45 [[X.].]B I).

(3) Die Gesetzessystematik bestätigt, dass § 27 Abs 2 S 1 [[X.].]B [[X.].] nicht (unausgesprochen) gleichwohl auf die Entstehung des Erstattungsanspruchs als Verjährungsbeginn abstellt.

In §§ 25 ff [[X.].]B [[X.].] hat der Gesetzgeber nämlich bewusst ein sehr diffiziles und inhaltlich ganz unterschiedlich ausgestaltetes System in Bezug auf den Anknüpfungszeitpunkt für den Verjährungsbeginn aufgestellt. Insbesondere der Vergleich des § 27 Abs 2 S 1 [[X.].]B [[X.].] mit § 25 Abs 1 S 1 [[X.].]B [[X.].] zeigt, dass nach § 27 Abs 2 S 1 [[X.].]B [[X.].] tatsächlich die Verjährung mit Ablauf des [[X.].] der "Entrichtung" der Beiträge beginnt. Nach § 25 Abs 1 S 1 [[X.].]B [[X.].] verjähren Ansprüche der Versicherungsträger auf Beiträge dagegen in [[X.].]n nach Ablauf des [[X.].], in dem sie "fällig" geworden sind.

Ähnliches lässt sich auch aus Regelungen des [X.] herleiten, deren sinngemäße Geltung § 27 Abs 3 S 1 [[X.].]B [[X.].] für die "Wirkung der Verjährung" anordnet: § 194 Abs 1 [X.], der allgemein aussagt, dass ein Anspruch der Verjährung unterliegt, kann nur entnommen werden, dass ein Anspruch überhaupt entstehen muss, um verjähren zu können; nicht aber folgt daraus auch, dass die Verjährungsfrist erstmals im [[X.].]punkt des Entstehens des Anspruchs zu laufen beginnt. Schon bei Schaffung des § 27 Abs 2 S 1 [[X.].]B [[X.].] zum 1.7.1977 ([[X.].] 1976, 3845, 3849) knüpfte auch das Zivilrecht nicht durchgehend an die [X.] an, wie zB die Regelungen in § 199 S 1 [X.] (= Verjährungsbeginn im [[X.].]punkt der Zulässigkeit der [X.]ündigung) und in § 200 S 1 [X.] (= Verjährungsbeginn im [[X.].]punkt der Zulässigkeit der Anfechtung) belegen (jeweils in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung). In aktuellen Regelungen des Zivilrechts zur Verjährung verhält es sich ebenso, zB in § 199 Abs 3 S 1 [[X.].] [X.] (idF des [X.], [[X.].] 3142; = Verjährungsbeginn im [[X.].]punkt des den Schaden auslösenden Ereignisses), § 200 [X.] (idF des [X.], [[X.].] 42; = Verjährungsbeginn im [[X.].]punkt der Entstehung des Anspruchs, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist) und § 548 Abs 1 S 2 [X.] (idF desselben Gesetzes; = Verjährungsbeginn im [[X.].]punkt des [X.] der Mietsache, vgl dazu auch [X.], 30: maßgebender Verjährungsbeginn trotz [X.] erst zu einem späteren [[X.].]punkt).

(4) Schließlich unterstreichen Sinn und Zweck des § 27 Abs 2 S 1 [[X.].]B [[X.].], dass die Verjährung entsprechend dem Wortlaut bereits mit dem Ablauf des Jahres beginnen muss, in dem die Beiträge entrichtet worden sind.

Das [X.] ist geprägt durch die Gedanken des Schuldnerschutzes und der Herstellung von Rechtsfrieden. Beide Gesichtspunkte gebieten eine klare Anbindung an den Gesetzeswortlaut. Diese Erwägungen gelten hier in Verbindung mit dem Gesichtspunkt der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Haushalte der Sozialversicherungsträger, die bei ihrer Aufgabenerfüllung nur zeitlich begrenzt auf [[X.].] - und nicht noch nach Ablauf langer [[X.].]räume - Ausgaben durch zu befriedigende Ansprüche ausgesetzt sein sollen (umfassend zu Sinn und Zweck der Verjährungsvorschriften gerade in Bezug auf das Arbeitsförderungsrecht: B[[X.].] [[X.].] 4-2400 § 27 [X.] Rd[X.]0 f).

(5) Verfassungsrechtliche Bedenken stehen der aufgezeigten Auslegung nicht entgegen.

§ 27 Abs 2 S 1 [[X.].]B [[X.].] genügt insbesondere den Anforderungen an eine verfassungskonforme Inhaltsbestimmung des Eigentums iS von Art 14 Abs 1 S 2 GG, weil der Gläubiger eine faire Chance hat, seinen Erstattungsanspruch geltend zu machen (vgl zu dieser Anforderung [X.] Urteil vom 17.6.2005 - [X.]/04 - Juris Rd[X.]9 mwN). Der Betroffene hat es selbst in der Hand, ihm nachteilige Bescheide zeitnah anzugreifen bzw vor Ablauf der Frist des § 27 Abs 2 S 1 [[X.].]B [[X.].] nach § 44 [[X.].]B [X.] überprüfen zu lassen oder Beiträge nur unter Vorbehalt zu entrichten (zur Auslegung eines Widerspruchs bzw einer nur unter Vorbehalt beglichenen Beitragsforderung als Erstattungsantrag iS von § 27 Abs 3 S 2 [[X.].]B [[X.].] vgl B[[X.].] [[X.].] 2100 § 27 [X.]). Die Gläubigerinteressen sind damit hinreichend gewahrt (kritisch im Zivilrecht demgegenüber [X.] Urteil vom 17.6.2005 - [X.]/04 - Juris Rd[X.]9; für Verfassungswidrigkeit: [X.] in [X.] [X.]ommentar zum [X.], 6. Aufl 2012, RdNr 9 Vor § 194).

bb) Die Verjährungsfrist beginnt im Falle des [[X.].] darüber hinaus noch aus einem weiteren Gesichtspunkt heraus bereits im [[X.].]punkt des Ablaufs des [[X.].] der Beitragsentrichtung. Entgegen der Ansicht des [[X.].] entstand der - seiner Auffassung nach für den Verjährungsbeginn maßgebliche - Erstattungsanspruch nicht erstmals im [[X.].]punkt der Aufhebung des Bescheides vom 5.12.2005 durch das Urteil des [[X.].] vom [[X.].], sondern - mit Blick auf die ex-tunc-Wirkung des Urteils - bereits im [[X.].]punkt der Entrichtung der Beiträge.

Im [[X.].]punkt der Entrichtung der Beiträge im [[X.].] als maßgebendem [[X.].]punkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit bestand nämlich kein Rechtsgrund für die Beitragszahlung (s oben 1.). An einem formellen, durch ein Verwaltungshandeln geschaffenen Rechtsgrund dafür fehlte es schon deshalb, weil ein Bescheid mit dem Inhalt der vermeintlichen Versicherungspflicht wegen Beschäftigung ohnehin erst am 5.12.2005 erlassen wurde. Dieser Bescheid konnte den im [[X.].]punkt der jeweiligen Beitragsentrichtung entstandenen Erstattungsanspruch im [[X.].] daher schon deshalb nicht erstmals mit seiner späteren Aufhebung entstehen lassen, weil die Erstattungsansprüche bereits zuvor entstanden waren. Zudem führte der Bescheid weder zum Erlöschen solcher bereits entstandenen Erstattungsansprüche noch zu einer "neuen [X.]" erst im [[X.].]punkt der Bescheidaufhebung durch das [[X.].]. Zwar wurde der Bescheid bei seinem Ergehen mit dem feststellenden Verfügungssatz wirksam, dass der [X.]läger im [[X.].]punkt der Entrichtung der Beiträge sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. [X.] wirkte die spätere Aufhebung durch das Urteil des [[X.].] vom [[X.].] auf den [[X.].]punkt des [X.] zurück, weshalb auch dieser formelle Rechtsgrund, aus dem vorübergehend die Rechtmäßigkeit der Beitragsentrichtung abgeleitet werden konnte, mit Wirkung von Anfang an entfiel.

Zwar kann grundsätzlich nicht nur ein formell bestandskräftiger, sondern auch ein - wie hier - "nur" wirksam gewordener Verwaltungsakt (vgl § 39 [[X.].]B [X.]) das Entstehen des Erstattungsanspruchs grundsätzlich verhindern. Dies hat der [X.] bereits für Beitragsbescheide entschieden (B[[X.].] [[X.].] 3-2400 § 28h [X.]1 S 43 f; B[[X.].] [[X.].] 2100 § 27 [X.]. Ein rechtlicher Unterschied zwischen [X.] und [X.] hinsichtlich dieser Möglichkeit ist im Hinblick auf dieselbe in § 86a Abs 2 [X.] [[X.].]G angeordnete Rechtsfolge, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage in beiden Fällen keine aufschiebende Wirkung zukommt, nicht gerechtfertigt. Jedoch kann ein wirksamer Verwaltungsakt auch nur dann das Entstehen eines Erstattungsanspruchs verhindern, wenn er bereits im [[X.].]punkt der Entrichtung erlassen worden war, denn nur dann bildet er einen formellen Rechtsgrund für die Beitragsentrichtung und nur dann wurden die Beiträge im [[X.].]punkt der Entrichtung "zu Recht" entrichtet.

c) Aus den unter 2. b) dargestellten Gründen hält der [X.] an seiner entgegenstehenden Rechtsprechung im Urteil vom 13.9.2006 - B 12 AL 1/05 R ([[X.].] 4-2400 § 27 [[X.].]), gegen die bereits der 10. [X.] des B[[X.].] (Urteil vom [X.] - B 10 LW 4/09 R - B[[X.].]E 106, 239 = [[X.].] 4-2400 § 27 [[X.].], Rd[X.]3 f) inhaltliche Bedenken geäußert hat, nicht mehr fest. Seinerzeit hatte der 12. [X.] des B[[X.].] entschieden, dass die Verjährungsfrist frühestens im [[X.].]punkt des Entstehens des Erstattungsanspruchs beginnen könne und der Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Sozialversicherungsbeiträge nicht entstehe, solange ein Verwaltungsakt dem Berechtigten gegenüber verbindlich das Bestehen von Versicherungspflicht feststelle. Insbesondere die Anwendung der allgemein anerkannten Auslegungsmethoden zur Ermittlung des spezifischen [[X.].]s des § 27 Abs 2 S 1 [[X.].]B [[X.].] führt zu dem Ergebnis, dass es für den Beginn der Verjährungsfrist nicht darauf ankommen kann, wann der Erstattungsanspruch entsteht.

3. Die Beklagte war zur Ablehnung der Beitragserstattung in den angefochtenen Bescheiden unter dem Gesichtspunkt bereits eingetretener Verjährung berechtigt, weil sie ohne Rechtsfehler die Einrede der Verjährung erhob.

Insbesondere ist dem Bescheid vom [[X.].] (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [[X.].]) zu entnehmen, dass die Beklagte erkannte, eine Ermessensentscheidung über die Erhebung der [X.] zu treffen, und dass sie eine solche Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung von § 35 Abs 1 S 3 [[X.].]B [X.] auch tatsächlich traf (vgl dazu allgemein auch B[[X.].]E 115, 1 = [[X.].] 4-2400 § 27 [X.], Rd[[X.].]1 ff; B[[X.].] [[X.].] 4-2400 § 27 [X.] Rd[X.]5 mwN). Für das Ermessen relevante Gesichtspunkte im Sinne des Vorliegens einer besonderen Härte, die ausnahmsweise dazu hätten Anlass geben können, das Interesse der Versichertengemeinschaft, unvorhergesehene Belastungen zu verhindern, hintanzustellen (vgl B[[X.].]E 115, 1 = [[X.].] 2400 § 27 [X.], Rd[[X.].]1 ff) und von der [X.] abzusehen, liegen nicht vor. Selbst wenn man in dem rechtswidrigen Bescheid vom 5.12.2005 ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln sähe, war - wie unter 2. ausgeführt - die Verjährungsfrist im [[X.].]punkt des [X.] bereits abgelaufen. § 7a Abs 1 S 2 [[X.].]B [[X.].], wonach die Einzugsstelle einen Antrag auf Entscheidung, ob eine Beschäftigung vorliegt, bei der [X.] zu stellen hat, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a [[X.].]B [[X.].]) ergibt, dass der Beschäftigte insbesondere Angehöriger des Arbeitgebers ist, ist ebenfalls - erst nach Ablauf der Verjährungsfrist - mit Wirkung zum 1.1.2005 eingeführt worden (Art 4 [X.] iVm Art 61 Abs 1 des [X.], [[X.].], 2954, 2975, 2999). Der [X.] hat im Übrigen bereits entschieden, dass in der bloßen Entgegennahme der Beitragszahlung durch die Einzugsstelle kein fehlerhaftes Verwaltungshandeln liegt, sondern dass vielmehr dem Arbeitgeber die eigenständige Prüfung der Versicherungs- und Beitragspflicht obliegt (B[[X.].] [[X.].] 3-2400 § 28h [X.]1; B[[X.].]E 58, 154, 159 = [[X.].] 2100 § 27 [[X.].] S 16).

4. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 [[X.].]G.

Meta

B 12 AL 4/13 R

31.03.2015

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Düsseldorf, 14. Mai 2013, Az: S 13 AL 577/10, Urteil

§ 26 Abs 2 Halbs 1 SGB 4 vom 20.12.1988, § 26 Abs 3 S 1 SGB 4 vom 20.12.1988, § 27 Abs 2 S 1 SGB 4, Art 14 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 31.03.2015, Az. B 12 AL 4/13 R (REWIS RS 2015, 13149)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13149

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