Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.02.2022, Az. 3 StR 447/21

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 2530

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Gegenstand

Landfriedensbruch: Gesetzeskonkurrenz bei Zusammentreffen mit Sachbeschädigung


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Juni 2021

a) in den [X.] dahin geändert, dass

aa) hinsichtlich aller Angeklagter jeweils die Verurteilung wegen Sachbeschädigung entfällt,

bb) der Angeklagte [X.]anstelle des unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe des unerlaubten Führens einer Schusswaffe schuldig ist;

b) in den Strafaussprüchen bezüglich der Angeklagten [X.], [X.].     und [X.]dahin ergänzt, dass die in [X.] erlittene Auslieferungshaft im Maßstab 1:1 auf die verhängte Jugendstrafe anzurechnen ist;

c) betreffend den dem Nebenkläger gegen den Angeklagten [X.]dem Grunde nach zuerkannten Adhäsionsanspruch dahin geändert, dass Zinsen erst ab dem 30. April 2021 zu zahlen sind.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und der Angeklagte [X.]zudem die durch sein Rechtsmittel im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten sowie die dem [X.] und Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in sechs tateinheitlichen Fällen, vorsätzlichem unerlaubten Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe, Landfriedensbruch, fahrlässiger Körperverletzung und Sachbeschädigung sowie die übrigen Angeklagten jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung in fünf tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Landfriedensbruch und Sachbeschädigung zu Freiheits- bzw. Jugendstrafen verurteilt. Gegen den Angeklagten [X.]hat es im Adhäsionsverfahren ein Grund- und Feststellungsurteil erlassen; im Übrigen hat es von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.

2

Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben lediglich den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

3

1. Die Schuldsprüche wegen tateinheitlich begangener Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB sind bezüglich aller Angeklagter rechtsfehlerhaft, weil dieses Delikt im Wege der [X.] hinter die verwirklichte Variante des Landfriedensbruchs gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 1 StGB "wegen Gewalttätigkeiten gegen Sachen" zurücktritt ([X.], Beschlüsse vom 23. Juni 2016 - 4 StR 552/15, [X.], 155 mwN; vom 9. September 1997 - 1 StR 730/96, [X.]St 43, 237, 238 mwN; LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 125 Rn. 106; [X.], StGB, 69. Aufl., § 125 Rn. 21). Die Verurteilung wegen Sachbeschädigung hat daher jeweils zu entfallen.

4

2. Darüber hinaus ist der den Angeklagten [X.] betreffende Schuldspruch wegen vorsätzlichen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe rechtsfehlerhaft. Die Feststellungen belegen nicht die Einordnung des verwendeten Revolvers als halbautomatische Kurzwaffe im Sinne von § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b [X.]. Selbst wenn es sich um einen Double-Action-Revolver gemäß Anlage 1 Unterabschnitt 1 Nr. 2.2 zum [X.] handelte, läge keine halbautomatische Schusswaffe vor ([X.], Urteil vom 27. April 2005 - 2 [X.], NJW 2005, 2095, 2099; [X.][X.], [X.], 10. Aufl., § 2 Rn. 6a; anders noch Nr. 1.5 [X.] aF). Da auszuschließen ist, dass weitere Feststellungen zur Art des verwendeten Revolvers getroffen werden können, die eine Einordnung als halbautomatische Kurzwaffe tragen, ist der Schuldspruch dahin zu ändern, dass der Angeklagte des unerlaubten Führens einer Schusswaffe gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a [X.] i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 zum [X.] schuldig ist.

5

3. Es ist auszuschließen, dass das [X.] bei zutreffender Beurteilung sowohl des [X.] als auch des Verstoßes gegen das Waffengesetz auf niedrigere als die verhängten Freiheits- und Jugendstrafen erkannt hätte.

6

4. Das [X.] hat es hinsichtlich der Angeklagten [X.], [X.].   und [X.]versäumt, gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB in der Urteilsformel eine Bestimmung über den Maßstab zu treffen, nach dem die in [X.] erlittenen Freiheitsentziehungen auf die hier erkannten Jugendstrafen anzurechnen sind. Dies holt der Senat entsprechend dem Antrag des [X.] nach (vgl. zum Anrechnungsverhältnis [X.], Beschlüsse vom 25. November 2021 - 4 StR 103/21, juris Rn. 7; vom 1. September 2009 - 3 [X.], [X.], 27).

7

5. Die geltend gemachten Prozesszinsen sind gemäß § 404 Abs. 2 StPO, § 291 Satz 1, § 187 Abs. 1 analog BGB erst ab dem auf die - hier mit Antragstellung am 29. April 2021 gegebene - Rechtshängigkeit folgenden Tag zu entrichten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 12. Mai 2020 - 3 StR 130/20, juris Rn. 1; vom 5. September 2019 - 3 StR 306/19, juris Rn. 4 mwN).

8

6. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen aus den vom [X.] dargelegten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erbracht (§ 349 Abs. 2 StPO).

9

7. Angesichts des geringen Erfolgs der Revisionen ist es nicht unbillig, die Angeklagten mit den gesamten Kosten ihrer Rechtsmittel und den Angeklagten [X.]zudem mit den notwendigen Auslagen des [X.] (§ 473 Abs. 4 StPO) sowie den durch das Adhäsionsverfahren entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers (§ 472a Abs. 2 StPO) zu belasten.

Berg     

      

[X.]     

      

Anstötz

      

Kreicker     

      

Voigt     

      

Meta

3 StR 447/21

09.02.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mainz, 9. Juni 2021, Az: 3 KLs 3111 Js 16530/20

§ 125 Abs 1 Nr 1 StGB, § 303 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.02.2022, Az. 3 StR 447/21 (REWIS RS 2022, 2530)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2530

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 StR 155/22 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 93/22

Zitiert

4 StR 552/15

4 StR 103/21

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