Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.11.2015, Az. IV ZR 169/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 1801

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 169/14

Verkündet am:

25. November 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch den
Richter
Felsch, die Richterin [X.], den Richter [X.],
die
Richterinnen
Dr.
Brockmöller
und Dr.
Bußmann
auf die mündliche Verhandlung vom 25.
November
2015

für Recht erkannt:

Auf die
Revision
des [X.]n wird
das
Urteil des 7.
Zivilsenats des
[X.]s [X.]
vom 9.
April 2014
aufgehoben.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil der 8.
Zivil-kammer des [X.] vom 7.
August 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren nur noch über die Er-stattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten.

Zugrunde liegt eine Darlehensforderung des [X.] über 50.000

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Mitte und Ende Dezember 2012 kündigte der [X.] in zwei E-Mails an den Kläger die Rückzahlung zum Jahresende an. Am 31. Dezember 2012, einem sogenannten [X.], erteilte er seiner Bank
im Wege des Online-Bankings einen entsprechenden Überweisungsauftrag. Am 2.
Januar 2013 mandatierte der Kläger seine Prozessbevollmächtigten, die den [X.]n mit E-Mail vom selben Tag zur Zahlung bis spätestens zum 3.
Januar 2013 aufforderten. Der [X.] stellte dem Kläger [X.] eine Kopie seines Überweisungsträgers zur Verfügung. Nach der Behauptung des [X.]
wurde der Darlehensbetrag seinem
Konto erst im Laufe des 4.
Januar 2013 mit Wertstellung zum 2.
Januar 2013 gut-geschrieben. Seine
Prozessbevollmächtigten stellten für ihre vorgericht-liche Tätigkeit 1.761,08 Euro in Rechnung, die er
zahlte und nunmehr vom [X.]n ersetzt verlangt.

Das [X.] hat die auf Ersatz der vorgerichtlichen [X.] gerichtete Klage abgewiesen; das [X.] hat ihr auf die Berufung des [X.] stattgegeben. Dagegen richtet sich die Re-vision des [X.]n.

Entscheidungsgründe:

Die Revision
ist
begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

[X.] Das Berufungsgericht
hat einen Anspruch des [X.] auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280, 286, 249 BGB angenommen.
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Der [X.] sei mit Ablauf des 31. Dezember 2012 gemäß §
286 Abs.
2 Nr.
1 BGB in Verzug geraten. Hierfür komme es nicht darauf an, ob die Geldschuld des [X.]n nach der bis 2008 im [X.] Recht vorherrschenden Ansicht als qualifizierte [X.] oder mit Blick auf die Entscheidung des Gerichtshofs der [X.]
vom 3. April 2008 ([X.], [X.], 1935) als modifizierte Bringschuld anzusehen sei. Auch im ersten Fall wäre die Leistung nur rechtzeitig gewesen, wenn der Überweisungsauftrag vor Fristablauf bei der Bank eingegangen und der Überweisungsvertrag durch Annahme seitens der Bank rechtzeitig abgeschlossen worden wäre, was wegen des [X.]s am 31.
De-zember
2012 nicht der Fall gewesen sei. Bei Annahme einer Bringschuld wäre die Leistung erst erbracht gewesen, als der Kläger das Geld [X.].

Der Kläger könne die Rechtsanwaltskosten als durch den Verzug adäquat verursachten Schaden ersetzt verlangen, weil er es am 2.
Januar 2013 für erforderlich und zweckmäßig habe halten dürfen, sich zur Durchsetzung seiner Forderung anwaltlicher Hilfe zu bedienen. Denn er habe nicht damit rechnen müssen, dass das Geld erst am 2. Januar 2013 bei seiner Bank eingeht und nicht mehr am selben Tag seinem Konto gutgeschrieben wird.
Der [X.] habe nicht nur die rechtzeitige Absendung des Geldes vor Fristablauf am Leistungsort geschuldet. Vielmehr sei aufgrund der Rechtsprechung des [X.] für die Rechtzei-tigkeit der Leistung auch außerhalb der Richtlinie 2000/35/EG des Euro-päischen Parlaments und des [X.] vom 29. Juli 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (im Weiteren: [X.]) nicht mehr auf die Erbringung der Leis-tungshandlung, sondern auf den Erhalt der Leistung abzustellen. Die Er-6
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fordernisse der Rechtssicherheit und -klarheit sowie das Bedürfnis nach einer stimmigen Systematik der [X.] sprächen auch auf [X.] des nationalen Rechts für eine einheitliche Auslegung. Eine Diffe-renzierung zwischen Unternehmern und Verbrauchern sei in der Sache nicht geboten.

I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung
nicht
stand.

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegan-gen, dass der [X.] seiner Verpflichtung zur Rückzahlung des [X.] bis zum 31. Dezember 2012 nicht rechtzeitig nachgekommen ist, weil er jedenfalls nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2012 geleistet hat. Ein Schuldner erbringt seine Leistung in einer den Schuldnerverzug aus-schließenden Weise, wenn er das nach dem Schuldverhältnis seinerseits Erforderliche tut und dem Gläubiger die Leistung in [X.] anbietet ([X.]/Löwitsch/[X.], [X.] 2014 §
286 Rn.
120). Im Streitfall hat der [X.] das zur Rückzahlung des Darlehens seinerseits
Erforderliche frühestens am 2.
Januar 2013 bewirkt. Der von ihm veranlassten Überweisung lag [X.], an[X.] als das Berufungsgericht annimmt, kein Überweisungsver-trag, sondern ein Zahlungsauftrag im Sinne des §
675f Abs.
2 Satz
1 BGB zugrunde, der nach § 675n Abs.
1 Satz
1 BGB erst mit seinem Zu-gang bei der Bank wirksam wird. Dieser Zahlungsauftrag gilt jedoch we-gen §
675n Abs.
1 Satz
2 BGB der Bank des [X.]n erst am 2.
Janu-ar
2013 als zugegangen. Weder der 31.
Dezember 2012 noch der 1.
Januar 2013 waren Geschäftstage im Sinne des §
675n Abs.1 Satz 4 BGB, weil die Bank des [X.]n nach den unangegriffenen [X.] an diesen Tagen keine Vorkehrungen für 8
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die Bearbeitung eines elektronisch erteilten Überweisungsauftrags vor-gehalten hat.

Einer weitergehenden Klärung der Frage, wann ein Schuldner ei-ner Geldforderung im Sinne des § 286 Abs.
1 Satz 1 BGB geleistet hat, bedarf es in diesem Zusammenhang nicht.

Den Eintritt des [X.] hat der [X.] auch zu vertre-ten. Angriffe gegen die Annahme des Berufungsgerichts, er hätte wissen müssen, dass bis zum Ablauf des 31. Dezember 2012 wegen des [X.] weder der Zahlungsauftrag bearbeitet noch der Darlehensbetrag dem klägerischen Konto gutgeschrieben wird, erhebt die Revision nicht.

2. Der Schadensersatzanspruch auf
den Ersatz von [X.] Anwaltskosten gemäß
§
286 Abs. 1 BGB hängt aber
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an[X.] als zum Beispiel die Verzinsungspflicht
nach §
288 Abs.
1 Satz
1 BGB
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von weiteren Voraussetzungen ab. Ein Schädiger hat nur solche Rechtsver-folgungskosten des Geschädigten zu ersetzen, die auf Maßnahmen be-ruhen, die aus der [X.] einer vernünftigen, wirtschaftlich den-kenden Person in der Situation des Geschädigten nach den Umständen des Falles zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen sind ([X.], Beschluss vom 31. Januar 2012

[X.], [X.], 262 Rn.
4; Urteil vom 8. November 1994

[X.], [X.]Z 127, 348, 350
f. jeweils m.w.N.).

Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch in diesem Zu-sammenhang nicht auf die im Schrifttum umstrittene und vom [X.] bislang offen gelassene ([X.], Urteil vom 13. Juli 2010 -
VIII ZR 10
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129/09, NJW 2010, 2879 Rn. 36) Frage an, wie die Rechtzeitigkeit der Leistung im Falle der Bezahlung einer Geldschuld durch Überweisung außerhalb
des Anwendungsbereichs der ersten Zahlungsverzugsrichtli-nie generell zu beurteilen ist.

Es kann insofern weiter offen bleiben, ob im Hinblick auf die Ent-scheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 3. April 2008 ([X.] [X.], 1935) davon auszugehen ist, dass für die Rechtzei-tigkeit der Leistung auch außerhalb des Anwendungsbereiches der [X.] nicht mehr auf die Erbringung der Leis-tungshandlung, sondern auf den Erhalt der Leistung abzustellen ist (so z.B. [X.]/Grüneberg,
74.
Aufl. §
270 Rn.
5; [X.]/[X.], BGB Bearbeitung 2014 §
270 Rn.
3
f; [X.], [X.], 833, 838; [X.]. [X.] 2008, 259, 264; a.A. für die Voraussetzungen des Verzugs u.a. MünchKomm-BGB/[X.], 6.
Aufl. §
270 Rn.
17; [X.], NJW 2011, 2833, 2834
f.; gegen jede Ausdehnung einer richtlinienkonformen Ausle-gung auf den richtlinienfreien Bereich dagegen: Hirsch, Schuldrecht All-gemeiner Teil 8.
Aufl. §
4 Rn.
91; [X.], [X.], 1259, 1262).

Selbst wenn
der geschuldete Geldbetrag objektiv zur Vermeidung eines Verzugseintritts seinem
Konto bereits am 2. Januar 2013 hätte gutgeschrieben sein müssen, so durfte der Kläger
doch die Mandatie-rung seiner Anwälte schon an diesem Tage
abweichend vom Regelfall (vgl. dazu [X.], Urteil vom 17. September 2015 -
IX ZR 280/14, juris Rn.
9 m.w.N.) aufgrund der konkreten Umstände des Streitfalls noch nicht für erforderlich und zweckdienlich halten.
Insoweit kam es aus [X.] Sicht nicht auf komplizierte rechtliche Überlegungen dazu an, ob aus dem noch nicht erfolgten Geldeingang am 2.
Januar 2013 zwingend auf
einen Verzug geschlossen werden konnte. Vielmehr durfte er schon des-14
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halb noch nicht davon ausgehen, dass er zur Durchsetzung seiner [X.] nunmehr anwaltlicher Hilfe bedurfte, weil eine
vernünftige, wirt-schaftlich denkende Person in seiner
Lage auch die Möglichkeit berück-sichtigt
hätte, dass der [X.] die Zahlung jedenfalls bereits veranlasst hatte.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der [X.] zweimal, zuletzt am 27. Dezember 2012 unter Angabe des Kontos, auf das die Überweisung erfolgen werde, per E-Mail die Rückzahlung des Darlehens angekündigt. Der 29. Dezember 2012 war ein Samstag, der 30. Dezember 2012 ein Sonntag,
der 31. Dezember ein so genannter [X.] und der 1. Januar 2013 ein gesetzlicher Feiertag. [X.] dieser Abfolge von arbeitsfreien Tagen zum Jahresende sowie der Höhe des überwiesenen Betrages von 50.000

manuellen Überprüfung der Überweisung gerechnet werden musste, durfte
der Kläger am 2. Januar 2013 mangels entgegenstehender [X.] noch nicht davon ausgehen, dass der [X.] seiner eige-nen Ankündigung keine Folge geleistet hatte. Er hätte in Rechnung [X.] können, dass unter Umständen auch
ein noch am 28. Dezember 2012 erteilter Zahlungsauftrag nicht fristgerecht im Sinne von §
675s BGB ausgeführt worden war
(vgl. auch [X.], Urteil vom 10.
Juli 2015
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V [X.], NJW 2015, 2666 Rn.
8
f. zu der Frage, wann die Einzah-lung eines Gerichtskostenvorschusses unter Berücksichtigung der ar-beitsfreien Tage um den Jahreswechsel 2012/2013 schuldhaft verzögert worden ist). Er hätte deshalb noch weiter
abwarten müssen, ehe er [X.] in Höhe der streitigen Forderung auslöste. Ein zusätzlicher

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Schaden wäre ihm hierdurch nicht entstanden, da ihm in jedem Falle für die Dauer des Verzuges des
[X.]n ein Zinsanspruch gemäß §
288 Abs. 1 BGB zustand.

Felsch
[X.]
[X.]

Dr. Brockmöller
Dr. Bußmann

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.08.2013 -
8 [X.]/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 09.04.2014 -
7 [X.] -

Meta

IV ZR 169/14

25.11.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.11.2015, Az. IV ZR 169/14 (REWIS RS 2015, 1801)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1801

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 169/14

VIII ZR 277/11

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