Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.11.2015, Az. IV ZR 169/14

4. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 1759

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Gegenstand

Verzugsschaden: Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten bei Mandatierung des Anwalts am 2. Januar wegen Nichteingang eines zum 31. Dezember geschuldeten Betrags


Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 9. April 2014 aufgehoben.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des [X.] vom 7. August 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren nur noch über die Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten.

2

Zugrunde liegt eine Darlehensforderung des [X.] über 50.000 €; dieses Darlehen war zum 31. Dezember 2012 zurückzuzahlen. Mitte und Ende Dezember 2012 kündigte der [X.] in zwei E-Mails an den Kläger die Rückzahlung zum Jahresende an. Am 31. Dezember 2012, einem sogenannten [X.], erteilte er seiner Bank im Wege des Online-Bankings einen entsprechenden Überweisungsauftrag. Am 2. Januar 2013 mandatierte der Kläger seine Prozessbevollmächtigten, die den [X.]n mit E-Mail vom selben Tag zur Zahlung bis spätestens zum 3. Januar 2013 aufforderten. Der [X.] stellte dem Kläger daraufhin eine Kopie seines Überweisungsträgers zur Verfügung. Nach der Behauptung des [X.] wurde der Darlehensbetrag seinem Konto erst im Laufe des 4. Januar 2013 mit Wertstellung zum 2. Januar 2013 gutgeschrieben. Seine Prozessbevollmächtigten stellten für ihre vorgerichtliche Tätigkeit 1.761,08 Euro in Rechnung, die er zahlte und nunmehr vom [X.]n ersetzt verlangt.

3

Das [X.] hat die auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen; das [X.] hat ihr auf die Berufung des [X.] stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision des [X.]n.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

5

I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des [X.] auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280, 286, 249 BGB angenommen.

6

Der [X.] sei mit Ablauf des 31. Dezember 2012 gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verzug geraten. Hierfür komme es nicht darauf an, ob die Geldschuld des [X.]n nach der bis 2008 im [X.] Recht vorherrschenden Ansicht als qualifizierte [X.] oder mit Blick auf die Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 3. April 2008 ([X.], [X.], 1935) als modifizierte Bringschuld anzusehen sei. Auch im ersten Fall wäre die Leistung nur rechtzeitig gewesen, wenn der Überweisungsauftrag vor Fristablauf bei der Bank eingegangen und der Überweisungsvertrag durch Annahme seitens der Bank rechtzeitig abgeschlossen worden wäre, was wegen des [X.] am 31. Dezember 2012 nicht der Fall gewesen sei. Bei Annahme einer Bringschuld wäre die Leistung erst erbracht gewesen, als der Kläger das Geld erlangte.

7

Der Kläger könne die Rechtsanwaltskosten als durch den Verzug adäquat verursachten Schaden ersetzt verlangen, weil er es am 2. Januar 2013 für erforderlich und zweckmäßig habe halten dürfen, sich zur Durchsetzung seiner Forderung anwaltlicher Hilfe zu bedienen. Denn er habe nicht damit rechnen müssen, dass das Geld erst am 2. Januar 2013 bei seiner Bank eingeht und nicht mehr am selben Tag seinem Konto gutgeschrieben wird. Der [X.] habe nicht nur die rechtzeitige Absendung des Geldes vor Fristablauf am Leistungsort geschuldet. Vielmehr sei aufgrund der Rechtsprechung des [X.] für die Rechtzeitigkeit der Leistung auch außerhalb der Richtlinie 2000/35/[X.] Europäischen Parlaments und des [X.] vom 29. Juli 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (im Weiteren: erste [X.]) nicht mehr auf die Erbringung der Leistungshandlung, sondern auf den Erhalt der Leistung abzustellen. Die Erfordernisse der Rechtssicherheit und -klarheit sowie das Bedürfnis nach einer stimmigen Systematik der [X.] sprächen auch auf [X.] des nationalen Rechts für eine einheitliche Auslegung. Eine Differenzierung zwischen Unternehmern und Verbrauchern sei in der Sache nicht geboten.

8

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

9

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der [X.] seiner Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens bis zum 31. Dezember 2012 nicht rechtzeitig nachgekommen ist, weil er jedenfalls nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2012 geleistet hat. Ein Schuldner erbringt seine Leistung in einer den Schuldnerverzug ausschließenden Weise, wenn er das nach dem Schuldverhältnis seinerseits Erforderliche tut und dem Gläubiger die Leistung in Annahmeverzug begründender Weise anbietet ([X.]/Löwitsch/[X.], BGB Bearbeitung 2014 § 286 Rn. 120). Im Streitfall hat der [X.] das zur Rückzahlung des Darlehens seinerseits Erforderliche frühestens am 2. Januar 2013 bewirkt. Der von ihm veranlassten Überweisung lag allerdings, an[X.] als das Berufungsgericht annimmt, kein Überweisungsvertrag, sondern ein Zahlungsauftrag im Sinne des § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB zugrunde, der nach § 675n Abs. 1 Satz 1 BGB erst mit seinem Zugang bei der Bank wirksam wird. Dieser Zahlungsauftrag gilt jedoch wegen § 675n Abs. 1 Satz 2 BGB der Bank des [X.]n erst am 2. Januar 2013 als zugegangen. Weder der 31. Dezember 2012 noch der 1. Januar 2013 waren Geschäftstage im Sinne des § 675n Abs.1 Satz 4 BGB, weil die Bank des [X.]n nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts an diesen Tagen keine Vorkehrungen für die Bearbeitung eines elektronisch erteilten Überweisungsauftrags vorgehalten hat.

Einer weitergehenden Klärung der Frage, wann ein Schuldner einer Geldforderung im Sinne des § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB geleistet hat, bedarf es in diesem Zusammenhang nicht.

Den Eintritt des [X.] hat der [X.] auch zu vertreten. Angriffe gegen die Annahme des Berufungsgerichts, er hätte wissen müssen, dass bis zum Ablauf des 31. Dezember 2012 wegen des Feiertags weder der Zahlungsauftrag bearbeitet noch der Darlehensbetrag dem klägerischen Konto gutgeschrieben wird, erhebt die Revision nicht.

2. Der Schadensersatzanspruch auf den Ersatz von [X.] Anwaltskosten gemäß § 286 Abs. 1 BGB hängt aber - an[X.] als zum Beispiel die Verzinsungspflicht nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB - von weiteren Voraussetzungen ab. Ein Schädiger hat nur solche Rechtsverfolgungskosten des Geschädigten zu ersetzen, die auf Maßnahmen beruhen, die aus der [X.] einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person in der Situation des Geschädigten nach den Umständen des Falles zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen sind ([X.], Beschluss vom 31. Januar 2012 - [X.], [X.], 262 Rn. 4; Urteil vom 8. November 1994 - [X.], [X.]Z 127, 348, 350 f. jeweils m.w.N.).

Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch in diesem Zusammenhang nicht auf die im Schrifttum umstrittene und vom [X.] bislang offen gelassene ([X.], Urteil vom 13. Juli 2010 - [X.], NJW 2010, 2879 Rn. 36) Frage an, wie die Rechtzeitigkeit der Leistung im Falle der Bezahlung einer Geldschuld durch Überweisung außerhalb des Anwendungsbereichs der ersten [X.] generell zu beurteilen ist.

Es kann insofern weiter offen bleiben, ob im Hinblick auf die Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 3. April 2008 ([X.] [X.], 1935) davon auszugehen ist, dass für die Rechtzeitigkeit der Leistung auch außerhalb des Anwendungsbereiches der ersten [X.] nicht mehr auf die Erbringung der Leistungshandlung, sondern auf den Erhalt der Leistung abzustellen ist (so z.B. [X.]/[X.], 74. Aufl. § 270 Rn. 5; [X.]/[X.], BGB Bearbeitung 2014 § 270 Rn. 3 f; [X.], [X.], 833, 838; [X.]. [X.] 2008, 259, 264; a.A. für die Voraussetzungen des Verzugs u.a. MünchKomm-BGB/[X.], 6. Aufl. § 270 Rn. 17; [X.], NJW 2011, 2833, 2834 f.; gegen jede Ausdehnung einer richtlinienkonformen Auslegung auf den richtlinienfreien Bereich dagegen: Hirsch, Schuldrecht Allgemeiner Teil 8. Aufl. § 4 Rn. 91; [X.], [X.], 1259, 1262).

Selbst wenn der geschuldete Geldbetrag objektiv zur Vermeidung eines Verzugseintritts seinem Konto bereits am 2. Januar 2013 hätte gutgeschrieben sein müssen, so durfte der Kläger doch die Mandatierung seiner Anwälte schon an diesem Tage abweichend vom Regelfall (vgl. dazu [X.], Urteil vom 17. September 2015 - [X.], juris Rn. 9 m.w.N.) aufgrund der konkreten Umstände des Streitfalls noch nicht für erforderlich und zweckdienlich halten. Insoweit kam es aus seiner Sicht nicht auf komplizierte rechtliche Überlegungen dazu an, ob aus dem noch nicht erfolgten Geldeingang am 2. Januar 2013 zwingend auf einen Verzug geschlossen werden konnte. Vielmehr durfte er schon deshalb noch nicht davon ausgehen, dass er zur Durchsetzung seiner Forderung nunmehr anwaltlicher Hilfe bedurfte, weil eine vernünftige, wirtschaftlich denkende Person in seiner Lage auch die Möglichkeit berücksichtigt hätte, dass der [X.] die Zahlung jedenfalls bereits veranlasst hatte.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der [X.] zweimal, zuletzt am 27. Dezember 2012 unter Angabe des Kontos, auf das die Überweisung erfolgen werde, per E-Mail die Rückzahlung des Darlehens angekündigt. Der 29. Dezember 2012 war ein Samstag, der 30. Dezember 2012 ein Sonntag, der 31. Dezember ein so genannter [X.] und der 1. Januar 2013 ein gesetzlicher Feiertag. Angesichts dieser Abfolge von arbeitsfreien Tagen zum Jahresende sowie der Höhe des überwiesenen Betrages von 50.000 €, bei der auch mit einer manuellen Überprüfung der Überweisung gerechnet werden musste, durfte der Kläger am 2. Januar 2013 mangels entgegenstehender Anhaltspunkte noch nicht davon ausgehen, dass der [X.] seiner eigenen Ankündigung keine Folge geleistet hatte. Er hätte in Rechnung stellen können, dass unter Umständen auch ein noch am 28. Dezember 2012 erteilter Zahlungsauftrag nicht fristgerecht im Sinne von § 675s BGB ausgeführt worden war (vgl. auch [X.], Urteil vom 10. Juli 2015 - [X.], NJW 2015, 2666 Rn. 8 f. zu der Frage, wann die Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses unter Berücksichtigung der arbeitsfreien Tage um den Jahreswechsel 2012/2013 schuldhaft verzögert worden ist). Er hätte deshalb noch weiter abwarten müssen, ehe er Anwaltskosten in Höhe der streitigen Forderung auslöste. Ein zusätzlicher Schaden wäre ihm hierdurch nicht entstanden, da ihm in jedem Falle für die Dauer des Verzuges des [X.]n ein Zinsanspruch gemäß § 288 Abs. 1 BGB zustand.

[X.]                                 [X.]

                Dr. Brockmöller                                       Dr. Bußmann

Meta

IV ZR 169/14

25.11.2015

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 9. April 2014, Az: 7 U 177/13, Urteil

§ 249 BGB, § 280 Abs 2 BGB, § 286 Abs 1 S 1 BGB, § 675s BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.11.2015, Az. IV ZR 169/14 (REWIS RS 2015, 1759)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1759

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