Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.05.2013, Az. 4 StR 336/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5996

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 336/12

vom
8. Mai 2013

Nachschlagewerk:
ja
[X.]St:
ja
Veröffentlichung:
ja
____________________________

[X.] § 275 Abs. 1 Satz 2; OWiG § 77b

Im Bußgeldverfahren dürfen die Urteilsgründe auch dann innerhalb der Frist des §
275 Abs.
1 Satz
2 [X.] zu den Akten gebracht werden, wenn der Staatsanwaltschaft, die an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen hat, auf Veranlassung des [X.]s zunächst ein von diesem unterzeichnetes [X.], das bereits alle nach §
275 Abs.
3 [X.] erforderlichen Angaben enthält und dem ein ebenfalls durch den [X.] unterzeichnetes [X.] mit vollständigem Tenor und der Liste der angewandten Vorschrif-ten als Anlage beigefügt ist, mit der Bitte um Kenntnisnahme vom Protokoll der Hauptverhandlung sowie der Anfrage zugeleitet worden ist, ob auf Rechtsmittel verzichtet werde, und der Betroffene, dessen Verzichtserklärung nicht gemäß §
77b Abs.
1 Satz
3 OWiG entbehrlich war, nachfolgend Rechtsbeschwerde eingelegt hat.

[X.], Beschluss vom 8.
Mai 2013

4 StR 336/12

[X.]

in der Bußgeldsache
gegen

wegen
Führens eines Kraftfahrzeugs unter Einfluss von Alkohol mit einer

Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille oder mehr

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Betroffenen am 8.
Mai 2013
beschlossen:

Im Bußgeldverfahren dürfen die Urteilsgründe auch dann inner-halb der Frist des §
275 Abs.
1 Satz
2 [X.] zu den Akten ge-bracht werden, wenn der Staatsanwaltschaft, die an der [X.] nicht teilgenommen hat, auf Veranlassung des [X.]s zunächst ein von diesem unterzeichnetes [X.], das bereits alle nach §
275 Abs.
3 [X.] er-forderlichen Angaben enthält und dem ein ebenfalls durch den [X.] unterzeichnetes Urteilsformular mit vollständigem Tenor und der Liste der angewandten Vorschriften als Anlage beigefügt ist, mit der Bitte um Kenntnisnahme vom Protokoll der [X.] sowie der Anfrage zugeleitet worden ist, ob auf Rechtsmittel verzichtet werde, und der Betroffene, dessen Ver-zichtserklärung nicht gemäß §
77b Abs.
1 Satz
3 OWiG entbehr-lich war, nachfolgend Rechtsbeschwerde eingelegt hat.

Gründe:
I.
1.
Das [X.] hat den Betroffenen durch Urteil vom 2.
März 2012 wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Einfluss von Alkohol mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,5
Promille oder mehr zu einer Geld-1
-
3
-
buße von 500

Staatsanwaltschaft hatte an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen und
eine Begründung des Urteils nur für den Fall beantragt, dass nicht auf ein Fahr-verbot erkannt werde.
Mit Verfügung vom selben Tag hat das [X.] die Akten der Staatsanwaltschaft [X.] mit der Bitte um Kenntnisnahme vom Proto-koll der Hauptverhandlung und der Anfrage zugeleitet, ob auf Rechtsmittel und Begründung des Urteils verzichtet werde. Zugleich bestimmte das Gericht eine Wiedervorlagefrist von zwei Wochen mit dem in Klammern gesetzten Zusatz falls kein Rechtsmittel abgekürztes Urteil vorbereiten: Gründe: Von einer [X.] ist abgesehen worden, §
77b Abs.
1 OWiG. Die Kosten-entscheidung
beruht auf §
465 Abs.
1 [X.]. §§
105 Abs.
1, 46 Abs.
1 OWiGProtokoll der Hauptverhandlung ergibt

r-sformel und durch mündliche Mittei-lung des wesentlichen Inhalts der Urteilsgründe verkündet wurde. Bei diesem dem Protokoll als Anlage beigefügten Schriftstück handelt
es sich um einen von dem Tatrichter ausgefüllten Vordruck, der

handschriftlich ergänzt

den voll-ständigen Urteilstenor nebst den
angewendeten Vorschriften enthält und vom [X.] unterzeichnet ist.
Die Staatsanwaltschaft hat die Akten ausweislich eines Stempelvermerks

März 2012 zurückgesandt. Am selben Tag hat der Betroffene per Telefax Rechtsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt. Die
Akten gingen am 12.
März 2012 beim Amtsgericht ein.
2
3
-
4
-
Am 4.
April 2012 hat das Amtsgericht ein mit Gründen versehenes Urteil zu den Akten gebracht und zugleich dessen Zustellung an die Staatsanwalt-

April 2012 zu-rückgesandt.
Dem Verteidiger ist das Urteil am 10.
April 2012 zugestellt worden. [X.] hat die Rechtsbeschwerde mit einem am 8.
Mai 2012 beim Amtsgericht
Papenburg eingegangenen Schriftsatz unter Beschränkung auf den [X.] begründet. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und bean-tragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch zu ändern und festzu-stellen, dass das Fahrverbot durch die [X.] der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis bereits abgegolten sei.
2.
Das zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde berufene [X.] beabsichtigt, das mit Gründen versehene Urteil seiner auf die Sachrüge hin vorzunehmenden Prüfung zu Grunde zu legen. Da das Urteil ausreichende Feststellungen zu der dem Betroffenen angelasteten Ord-nungswidrigkeit enthalte und deshalb eine vom Schuldspruch losgelöste recht-liche und tatsächliche Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs möglich sei, erweise sich die Beschränkung des Rechtsmittels als wirksam. Durch die Über-sendung des [X.]s (mit handschriftlich ergänztem
Urteilsvordruck) lediglich zum Zwecke der Kenntnisnahme vom Ausgang des Verfahrens habe das Gericht sich ersichtlich vorbehalten, ein schriftliches Urteil innerhalb der Frist des §
275 Abs.
1 Satz
2 [X.] abzusetzen.
An der beabsichtigten Vorgehensweise sieht sich das [X.] jedoch durch den Beschluss des [X.] vom 4
5
6
7
-
5
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10.
November 2011

3
Ss
OWi
1444/11

gehindert. Nach Ansicht des Ober-landesgerichts Bamberg liegt eine die nachträgliche Anfertigung von [X.] innerhalb der Frist des §
275 Abs.
1 Satz
2 [X.] sperrende [X.] aufgenommene oder diesem als Anlage beigege-bene bzw.
nachgeheftete Urteil zur Herbeiführung einer (frühzeitigen) [X.] der Staatsanwaltschaft auf gerichtliche Anordnung der [X.] bekannt gegeben wird. Es sei insbesondere auch ohne Belang, ob die Bekanntgabe zur Zustellung (§
41
(späteren) Urteilszustellung gemäß §
41 [X.] erfolge.
Das vorlegende [X.] teilt die Auffassung des Oberlandesgerichts
Bamberg nicht. Es entspreche allgemeiner Auffassung, dass ein vollständig in das Sitzungsprotokoll aufgenommenes oder diesem als Anlage beigefügtes Urteil unbeschadet der in §
77b Abs.
2 OWiG geregelten Ausnahmen nicht mehr verändert werden dürfe, sobald es dadurch auf Anord-nung des Gerichts aus dessen innerem Dienstbereich herausgegeben worden sei, dass es der Staatsanwaltschaft zum Zwecke der Zustellung gemäß §
41 in diesem Sinne den Dienstbereich verlassen. Sowohl im Strafverfahren als auch im Bußgeldverfahren sei dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, das Urteil entweder schriftlich zu den Akten zu geben oder vollständig in das [X.] aufzunehmen. Während sich im Strafverfahren bereits aus dem [X.] ergebe, ob das Gericht unter Aufnahme der vollstän-b-sichtige, das Urteil im Nachhinein schriftlich niederzulegen, finde in Bußgeld-sachen eine entsprechende Entscheidung des [X.]s nicht zwingend [X.]
-
6
-
schlag im Protokoll. Denn hier bestehe die zusätzliche Möglichkeit, unter den Voraussetzungen des §
77b OWiG von Urteilsgründen gänzlich abzusehen. Ebenso wie es im Strafverfahren im Ermessen des Vorsitzenden stehe zu [X.], ob das Urteil in das Protokoll aufgenommen oder schriftlich zu den Akten gegeben werde, bedürfe es auch im Bußgeldverfahren einer Ermessens-entscheidung des erkennenden [X.]s. Obwohl jedes Hauptverhandlungspro-tokoll zwingend die erforderlichen Bestandteile eines der Gründe entkleideten Entscheidung getroffen habe, es hierbei zu belassen und von einer schriftlichen Begründung abzusehen. Eine derartige Entscheidung habe der [X.] erkenn-bar zum Ausdruck gebracht, wenn er die Akten gemäß §
41 [X.]
der [X.] zum Zwecke der Zustellung zuleite. Andernfalls liege in der ([X.]) Zuleitung nur die Übersendung des [X.]s, die keine Sperrwirkung für die nachträgliche Fertigung von Urteilsgründen entfalte.
Das [X.] hat die Sache daher dem Bundesge-richtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:

trägliches Absetzen der Urteilsgründe innerhalb der in §
275 Abs.
1 Satz
2 [X.] vorgesehenen Frist in Bußgeldsachen zulässig, wenn der zu einer zweihundertfünfzig Euro übersteigenden Geldbuße verurteilte Betroffene von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen [X.] war und in der Hauptverhandlung durch einen Verteidiger vertre-ten wurde, die Staatsanwaltschaft nicht an der Hauptverhandlung teilge-nommen hat und dieser zunächst ein durch den [X.] unterzeichnetes [X.], welches alle für den [X.] nach §
275 Abs.
3 [X.] erforderlichen Angaben enthält, nebst eines ebenfalls durch den [X.] unterzeichneten, als Anlage zum Protokoll genommenen
9
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7
-
Urteilsformulars, welches den vollständigen Tenor sowie die Auflistung der angewandten Vorschriften enthält, auf Veranlassung des Tatrichters mit der Bitte um Kenntnisnahme vom Protokoll der Hauptverhandlung sowie der Anfrage, ob auf Rechtsmittel und Begründung des Urteils ver-zichtet werde, zugeleitet und nachfolgend seitens des Betroffenen Rechtsbeschwerde eingelegt worden ist?

3.
Der Generalbundesanwalt hat unter Zusammenfassung der [X.] beantragt zu beschließen:

rteilsgründe innerhalb der in §
275 Abs.
1 Satz
2 [X.] vorgesehenen Frist ist in Bußgeldsachen
auch dann zulässig, wenn der Staatsanwaltschaft bereits zuvor ein durch den Rich-ter
unterzeichnetes [X.], welches bereits alle für §
275 Abs.
3 [X.] erforderlichen Angaben enthält, nebst eines ebenfalls durch den [X.]
unterzeichneten, als Anlage zum Protokoll genomme-nen Urteilsformulars, welches den vollständigen Tenor sowie die Auf-listung der angewandten Vorschriften enthält, auf Veranlassung des Tatrichters mit der Bitte um Kenntnisnahme vom Protokoll der [X.] sowie der Anfrage, ob auf Rechtsmittel und Begründung des Urteils verzichtet werde, zugeleitet wurde und nachfolgend seitens des

II.
1.
Die Vorlegungsvoraussetzungen sind erfüllt.
Die Vorschrift
des §
121 Abs.
2 [X.] ist gemäß §
79 Abs.
3 OWiG für die Rechtsbeschwerde im Sinne des Ordnungswidrigkeitengesetzes entsprechend heranzuziehen (vgl. [X.], 10
11
-
8
-
Beschlüsse vom 20.
März 1992

2
StR
371/91, [X.]St 38, 251, 254, und
vom 18.
Juli 2012

4
StR
603/11, [X.]St 57, 282). Das [X.] kann nicht seiner Absicht gemäß entscheiden, ohne von der Rechtsauffassung des [X.] abzuweichen. Dürfte das nachträglich zu den Akten gebrachte Urteil der
Überprüfung im
[X.]
nicht zu Grunde gelegt werden, wäre die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch mangels tatsächlicher Feststel-lungen zum Schuldspruch unwirksam und das Urteil müsste schon aus diesem Grund insgesamt aufgehoben werden (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
März 1997

4
StR
455/96, [X.]St 43, 22, 25).
2.
In der Vorlegungsfrage teilt der Senat die Auffassung des vorlegenden [X.]. Das [X.] durfte die Urteils-gründe nachträglich innerhalb der Frist des §
275 Abs.
1 Satz
2 [X.] zu den Akten bringen. Dieses mit Gründen versehene Urteil ist der im [X.] vorzunehmenden Prüfung zu Grunde zu legen.
Der Senat hat die zu beantwortende Rechtsfrage lediglich aus Gründen der Übersichtlichkeit nach Maßgabe
der Beschlussformel
zum Teil neu gefasst.
a)
Die Bestimmung des §
275 Abs.
1 [X.] gilt
gemäß §
46 Abs.
1, §
71 Abs.
1 OWiG
im gerichtlichen Bußgeldverfahren entsprechend (vgl. BayObLG,
NJW 1976, 2273; [X.]/[X.], OWiG, 16.
Aufl., §
71 Rn.
45). Dies bedeutet, dass das vollständige Urteil unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb der Frist des §
275 Abs.
1 Satz
2 [X.] zu den Akten gebracht werden muss, sofern es nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen wurde. Liegt ein sog.

275 12
13
14
-
9
-
Abs.
1 [X.] nicht (vgl. KG, [X.], 332; [X.], [X.], 55.
Aufl., §
275 Rn.
1).
Wie im Strafverfahren steht es auch im Bußgeldverfahren im nicht an-fechtbaren Ermessen des Vorsitzenden zu entscheiden, ob das Urteil mit den Gründen als besondere Niederschrift (also mit [X.], Urteilsformel und Gründen) zu den Akten zu bringen ist oder die Gründe vollständig in das Pro-tokoll mit aufzunehmen sind (vgl. [X.]/[X.], OWiG, 16.
Aufl., §
71 Rn.
45;
[X.] in LR-[X.], 26.
Aufl., §
275 Rn.
19). Hinsichtlich Form und Inhalt unterliegt das in das Protokoll aufgenommene Urteil den gleichen Anforderun-gen wie die in einer getrennten Urkunde erstellten Urteile (vgl. RGSt
19, 233). Wenn sich die nach §
275 Abs.
3 [X.] erforderlichen Angaben bereits aus dem Protokoll ergeben, ist ein besonderer [X.] jedoch entbehrlich. Die Urteils-formel und die Gründe müssen im Protokoll von sämtlichen mitwirkenden [X.] unterschrieben werden (vgl. [X.], [X.], 55.
Aufl., §
275 Rn.
1).
b)
Im Bußgeldverfahren eröffnet §
77b Abs.
1 OWiG

über §
267 Abs.
4 und Abs.
5 Satz
2 [X.] hinausgehend

aus Gründen der Verfahrensverein-fachung und zur Entlastung der Tatsacheninstanz die Möglichkeit, von einer schriftlichen Begründung des Urteils gänzlich abzusehen
(vgl. [X.],

OWiG, 3.
Aufl., §
77b Rn.
1). Dies ist dann der Fall, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichtet haben oder wenn innerhalb der Frist keine Rechtsbeschwerde eingelegt wird (§
77b Abs.
1 Satz
1 OWiG) oder wenn die Verzichtserklärungen der Staatsanwaltschaft und des Betroffenen ausnahmsweise entbehrlich sind (§
77b Abs.
1 Sätze
2 und 3 OWiG). Im Bußgeldverfahren steht somit der Umstand, dass in dem [X.] keine Urteilsgründe niedergelegt sind, der Annahme eines im Sinne von §
46 Abs.
1, §
71 Abs.
1 OWiG, §
275 Abs.
1 Satz
1 [X.] voll-15
16
-
10
-
ständig in das Sitzungsprotokoll aufgenommenen Urteils nicht entgegen. Es genügt, dass das [X.] alle für den [X.] nach §
275 Abs.
3 [X.] erforderlichen Angaben sowie den vollständigen Tenor ein-schließlich der angewendeten Vorschriften enthält und von dem erkennenden [X.] unterzeichnet ist (vgl. [X.], ZfS
2009, 175; StraFo 2010, 468; [X.], [X.], 45, 46; KG, [X.], 332;
[X.], [X.], 352).
c)
Es entspricht gefestigter Rechtsprechung und einer verbreiteten Mei-nung in der Literatur, dass die nachträgliche Ergänzung eines Urteils grundsätz-lich nicht zulässig ist

und zwar auch nicht innerhalb der Urteilsabsetzungsfrist des §
275 Abs.
1 Satz
2 [X.]

, wenn es bereits aus dem inneren Dienstbe-reich des Gerichts herausgegeben worden ist ([X.], Beschluss vom 13.
März
1997

4
StR
455/96, [X.]St 43, 22, 26
mwN). Für das Bußgeldverfahren folgt daraus, dass ein vollständig in das Sitzungsprotokoll aufgenommenes, nicht mit Gründen versehenes Urteil, das den inneren Dienstbereich des Gerichts bereits verlassen hat, nicht mehr verändert werden darf, es sei denn, die nachträgliche Urteilsbegründung ist gemäß §
77b Abs.
2 OWiG zulässig
(vgl. [X.], ZfS
2009, 175; StraFo 2010, 468; [X.], [X.], 151; [X.], [X.], 461; [X.], 180; [X.], 45;
OLG Dresden, [X.], 557; KG, [X.], 332; [X.], [X.], 352, 353). Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise nachträgliche Ergänzung der Urteilsgründe waren im vorliegenden Fall schon deshalb nicht gegeben, weil der Betroffene zu einer 250


77b Abs.
1 Satz
3, Abs.
2 OWiG). Gleichwohl durfte das Amtsgericht die
Urteilsgründe innerhalb der Frist des §
275 Abs.
1 Satz
2 [X.] zu den Akten bringen. Denn durch die Übersendung des [X.]s an die Staatsanwaltschaft zum Zwecke der Kenntnisnahme ist noch keine die [X.]
-
11
-

l-

Dies ergibt sich hier unzweifelhaft aus dem Vorbehalt, den der [X.]
in die Begleitverfügung aufgenommen hat.
d)
Die Entscheidung, ob ein Urteil als verfahrensabschließend gewollt
ist und deshalb aus dem inneren Dienstbetrieb herausgegeben werden soll,
trifft der erkennende [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 6.
August 2004

2
StR
523/03, [X.]St 49, 230, 234). Voraussetzung für die Annahme der Hin-s-druck gebrachte Wille des Gerichts, dass es von den Möglichkeiten des §
77b Abs.
1 OWiG sowie des §
275 Abs.
1 Satz
1 [X.] in Verbindung mit §
71 Abs.
1 OWiG Gebrauch
macht, also von einer schriftlichen Begründung des Urteils gänzlich absieht und das Urteil allein durch Aufnahme in das [X.] fertigt (vgl. [X.], [X.], 461, 462).
Der [X.] muss sich bewusst für eine
derart abgekürzte Fassung des Urteils entschieden haben (vgl. [X.], ZfS
2009, 175; KG, [X.], 332). Solange ein Urteil bewusst unvollständig ist, also noch keine endgültig gebilligte Urteilsfassung vorliegt, ist es nicht Bestandteil der Akten, und zwar selbst dann
nicht, wenn der Entwurf diesen einliegen sollte ([X.] in LR-[X.], 26.
Aufl., §
275 Rn.
3). Erst
mit der gerichtlichen Anordnung (§
36 Abs.
1 Satz
1 [X.]) der Übersendung der Akten einschließlich eines ohne Gründe ins Hauptverhand-lungsprotokoll aufgenommenen bzw. als Anlage zum [X.] genommenen Urteils an die Staatsanw

§
41 den verse-
u-stellung an die Staatsanwaltschaft nach außen in Erscheinung getreten. Da der Tatrichter in diesem Fall das Urteil der Staatsanwaltschaft in Urschrift und [X.]
-
12
-
deutig erkennbar im Wege der förmlichen Bekanntmachung einer Entscheidung zugeleitet hat, muss er sich an dieser Erklärung festhalten
lassen (vgl. [X.], ZfS
2009, 175; StraFo 2010, 468; [X.], [X.], 151; [X.], [X.], 461; [X.], 180; [X.], 45, 46; [X.], [X.], 352
f.). Dabei wird den Anforderungen an eine Zu-stellung gemäß §
41 [X.] bereits
dadurch genügt, dass die Staatsanwaltschaft aus der Übersendungsverfügung in Verbindung mit der aus den Akten zu [X.] erkennen kann, mit der Übersendung an sie werde die Zustellung nach §
41 [X.] bezweckt. Es bedarf keines ausdrücklichen Hinwei-ses auf diese Vorschrift (vgl. [X.], 351, 352; [X.], [X.], 6.
Aufl., §
41 Rn.
3; Graalmann-Scheerer in LR-[X.], 26.
Aufl., §
41 Rn.
1).
Hat der Tatrichter demgegenüber lediglich die formlose Übersendung der Akten und des [X.]s an die Staatsanwaltschaft verfügt, um diese über den Ausgang des Verfahrens zu informieren und die Frage des Rechtsmittelverzichts möglichst frühzeitig zu klären, so behält er sich ersichtlich die Entscheidung vor, gegebenenfalls innerhalb der Frist des §
275 Abs.
1 Satz
2 [X.] ein mit Gründen
versehenes Urteil als besondere Niederschrift zu den Akten zu bringen. Für die Annahme einer Zustellung im Sinne von §
41 [X.] durch Vorlegung der Urschrift des Urteils ist
kein Raum, weil auf Seiten des Tatrichters ein entsprechender [X.] fehlt und dies in der Zulei-tungsverfügung auch deutlich zum Ausdruck kommt (vgl. [X.], [X.], 461, 462; [X.], 180; [X.], 45, 46; [X.]/[X.], OWiG, 16.
Aufl., §
77b Rn.
3, 8; [X.], OWiG, 3.
Aufl., §
77b Rn.
5, 15). Der Rich-ter will dann
noch kein fertiges Urteil in den Geschäftsgang geben. So verhielt
es
sich
insbesondere in dem Fall, der dem Beschluss des [X.] vom 10.
November 2011

3
Ss
OWi
1444/11

zu Grunde lag.
Auf 19
-
13
-
den Willen und das Handeln der Staatsanwaltschaft, der zugestellt werden soll, kommt es dabei nicht an (vgl. [X.], 55).
e)
Dem Tatrichter die Möglichkeit zu nehmen, durch formlose Übersen-dung des [X.]s an die
Staatsanwaltschaft frühzeitig zu klären, ob diese auf Rechtsmittel verzichtet, und damit [X.] für den Fall zu ge-winnen, dass auch der Betroffene kein Rechtsmittel einlegt, würde zudem eine unnötige formale Beschränkung darstellen. Diese
wäre
mit dem Zweck des Bußgeldverfahrens, der auf eine einfache, schnelle und summarische Erledi-gung ausgerichtet ist ([X.], Beschluss vom 13.
März 1997

4
StR
455/96, [X.]St 43, 22, 26), nicht vereinbar.
Roggenbuck
Cierniak
Franke

Bender
Reiter
20

Meta

4 StR 336/12

08.05.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.05.2013, Az. 4 StR 336/12 (REWIS RS 2013, 5996)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5996

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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