Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.06.2011, Az. X B 209/10

10. Senat | REWIS RS 2011, 5946

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Gegenstand

Kein Billigkeitserlass bei Verzicht von Gläubigern auf erst künftig entstehende Ansprüche


Leitsatz

NV: Verzichten Gläubiger in einer Sanierungsvereinbarung außerhalb eines Insolvenzverfahrens auf Ansprüche, die erst in Zukunft entstehen würden, kann die Einkommensteuer, die künftig aufgrund der nicht anfallenden Betriebsausgaben entsteht, auch in Veranlagungszeiträumen nach Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. nicht im Billigkeitswege erlassen werden.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gehören zu den Gesellschaftern einer [X.]. [X.] geriet die [X.] in Zahlungsschwierigkeiten. In einer Sanierungsvereinbarung vom 26. Oktober 2005 verzichteten mehrere Gläubiger der [X.] auf die Verzinsung ihrer [X.] für den Zeitraum vom 1. Mai 2005 bis zum 31. Dezember 2007. Gleichwohl berücksichtigte die [X.] die Zinsen in der Höhe, die sich nach den ursprünglichen Darlehensverträgen ergeben hätte, als Aufwand. [X.] buchte sie einen Ertrag aus der Sanierungsvereinbarung.

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) lehnte den Antrag der Kläger ab, für das Streitjahr 2007 den Teil der Einkommensteuer zu erlassen, der auf dem Mehrgewinn infolge der im Jahr 2005 vereinbarten Anpassung der [X.] beruht. Zur Begründung führte er aus, eine Modifikation vertraglicher Vereinbarungen mit Wirkung für die Zukunft sei nicht als "Erhöhung des Betriebsvermögens" i.S. des Schreibens des [X.] ([X.]) vom 27. März 2003 ([X.], 240, Rz 3) anzusehen. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

3

Die Kläger begehren die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts.

4

Das [X.] hält die Beschwerde für unbegründet.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

6

Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

7

1. Die Kläger begehren die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), um die Frage klären zu lassen, ob zur Auslegung des [X.] in [X.], 240 die Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zu der Vorschrift des § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vor Aufhebung dieser Norm durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform (EStG a.[X.]) vom 29. Oktober 1997 ([X.] 1997, 2590) heranzuziehen ist.

8

Diese Frage ist indes nicht klärungsbedürftig, weil die allgemeinen Grundsätze zur Auslegung ermessenslenkender Verwaltungsanweisungen bereits geklärt sind. Danach dürfen derartige Verwaltungsanweisungen nicht wie Gesetze ausgelegt werden, sondern beziehen ihre Reichweite allein aus dem Verständnis der Verwaltung. Maßgebend ist nicht, wie die Gerichte die Verwaltungsanweisung verstehen, sondern wie sie die Verwaltung verstanden hat und verstanden wissen wollte. Die Finanzgerichte dürfen daher Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur daraufhin prüfen, ob die Auslegung durch die Behörde zutreffend ist ([X.]-Entscheidungen vom 24. November 2005 [X.], [X.]E 211, 411, [X.], 466, unter [X.], und vom 7. März 2007 [X.], [X.]E 217, 430, [X.], 186, unter III.3.d [X.], m.w.N.).

9

Im BMF-Schreiben in [X.], 240 hat die Finanzverwaltung einen Teil der zu § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] ergangenen [X.]-Entscheidungen ausdrücklich in Bezug genommen. Jedenfalls in diesem Umfang ist davon auszugehen, dass die Verwaltung für die Prüfung, ob [X.] nach § 227 der Abgabenordnung ([X.]) zu erlassen sind, an die vom [X.] zu § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] entwickelten Grundsätze anknüpfen will.

Für die im Streitfall zu beurteilende Frage, ob auch der Verzicht auf erst künftig entstehende Ansprüche als Sanierungsgewinn zu beurteilen ist, fehlt in dem genannten BMF-Schreiben indes eine ausdrückliche Bezugnahme auf die zu § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] --bzw. zu der Vorläufernorm des § 11 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes in der bis 1976 geltenden [X.] ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung, die diese Frage stets verneint hatte (vgl. Urteil des [X.] vom 21. Dezember 1937 I 326/37, [X.] 1938, 239; [X.]-Urteile vom 28. Februar 1989 VIII R 303/84, [X.]E 157, 51, [X.] 1989, 711, unter 3., und vom 24. Februar 1994 [X.], [X.]/NV 1995, 15, unter 1.). Indes erweist sich die vom [X.] im Streitfall für die Ablehnung des [X.] gegebene Begründung, die Änderung der Zinsvereinbarung sei, soweit sie mit Wirkung für die Zukunft erfolgt sei, nicht als "Erhöhung des Betriebsvermögens" i.S. der Rz 3 des [X.] in [X.], 240 anzusehen, als vertretbare Auslegung der genannten Verwaltungsanweisung.

Im Übrigen ist durch die Senatsrechtsprechung bereits geklärt, dass für die Prüfung, ob auch außerhalb des Anwendungsbereichs des [X.] in [X.], 240 ein Erlass in Betracht kommt, nicht an die Rechtsprechung zu § 3 Nr. 66 EStG a.[X.] anzuknüpfen ist, sondern die allgemeinen, zu § 227 [X.] entwickelten Kriterien für einen Erlass von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis wegen sachlicher Unbilligkeit zugrunde zu legen sind. Denn [X.] können nicht nach den Kriterien einer Vorschrift beurteilt werden, die der Gesetzgeber bewusst aufgehoben hat (Senatsurteil vom 14. Juli 2010 [X.]/08, [X.]E 229, 502, [X.] 2010, 916, unter B.II.6.b cc).

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Die Kläger werfen insoweit die Frage auf, ob auch eine Sanierungsvereinbarung, die nur den künftig entstehenden Aufwand reduziert, zu einem Erlass der hierdurch ausgelösten Mehrsteuern aus sachlichen Billigkeitsgründen führen könne.

a) Sie leiten die --ihrer Auffassung nach [X.] grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsfrage im Wesentlichen daraus ab, dass ein Insolvenzplan (§§ 217 ff. der Insolvenzordnung --[X.]--) zur Unterstützung der Sanierung auch einen Verzicht der Gläubiger auf erst künftig entstehende Forderungen vorsehen könne.

Insoweit fehlt es aber bereits an der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren im Streitfall. Denn die [X.] hat sich nicht im Insolvenzverfahren befunden; die Sanierungsvereinbarung war nicht Teil eines Insolvenzplans.

b) Soweit die Kläger die Auffassung vertreten, die Rechtsfrage sei nicht nur für gerichtliche Insolvenzverfahren, sondern auch für außergerichtliche Sanierungsvereinbarungen von Bedeutung, ist auf das Senatsurteil in [X.]E 229, 502, [X.] 2010, 916 (unter [X.]) hinzuweisen. Dort hat der Senat ausführlich begründet, weshalb bei der Prüfung, ob ein Erlass von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 227 [X.] zu gewähren ist, zwischen förmlichen Insolvenzverfahren einerseits und außergerichtlichen Sanierungsvereinbarungen mit einzelnen Gläubigern andererseits ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes differenziert werden dürfe.

Danach würden sich selbst dann, wenn die von den Klägern zu [X.] der §§ 217 ff. [X.] vertretene Rechtsauffassung zutreffend sein sollte, hieraus keine zwingenden rechtlichen Folgerungen für die Beurteilung der im Streitfall allein maßgebenden außergerichtlichen Sanierungsvereinbarung ableiten lassen. Eine eigenständige Auseinandersetzung mit den Argumenten, die für oder gegen die allgemeine Gewährung eines Erlasses gerade solcher Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sprechen, die durch außergerichtliche Sanierungsvereinbarungen entstanden sind, enthält die Beschwerdebegründung aber nicht. Insbesondere geht sie nicht darauf ein, wie der --insbesondere bei Verträgen zwischen nahestehenden Personen gegebenen-- Gefahr begegnet werden soll, dass zunächst überhöhte Entgelte vereinbart werden, um diese dann unter Erlangung eines einseitig begünstigenden Steuererlasses zu reduzieren.

Meta

X B 209/10

08.06.2011

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 16. September 2010, Az: 14 K 342/09, Urteil

§ 227 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.06.2011, Az. X B 209/10 (REWIS RS 2011, 5946)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5946

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