Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.05.2015, Az. B 9 SB 5/15 B

9. Senat | REWIS RS 2015, 11685

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Schwerbehindertenrecht - außergewöhnliche Gehbehinderung - Umfang und Dauer der Beeinträchtigung - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage - Tatsachenfrage - bestehende Rechtsprechung des BSG zum Merkzeichen aG


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 18. November 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Urteil vom 18.11.2014 hat das [X.] einen Anspruch des [X.] auf Feststellung des Merkzeichens "[X.]" (außergewöhnliche Gehbehinderung) verneint, weil dieser trotz seiner geistigen Behinderung mit autistischem Verhalten und schwerer Sprachentwicklungsstörung (Einzel-GdB 100) mit spastisch infantiler Cerebralparese (Einzel-GdB 50) nicht zum Kreis der außergewöhnlich Gehbehinderten gehöre oder diesen gleichzusetzen sei.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum [X.] eingelegt und im Rahmen seiner Begründung eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.] SGG, wie sie der Kläger hier geltend macht, hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl [X.] § 160 [X.]7; [X.], 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]1; [X.] § 160a [X.] 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

5

Der Kläger hält es für eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage, "ob und in welchem Umfang eine Beeinträchtigung dauerhaft vorliegen muss, um das Merkzeichen '[X.]' zu rechtfertigen."

6

Zwar ist bereits fraglich, ob es sich bei dieser Frage um eine Rechtsfrage handelt, die auf die Auslegung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals abzielt, und nicht um eine (unzulässige) Tatfrage bezogen auf die Feststellung tatsächlicher Umstände des Einzelfalls (vgl hierzu [X.], [X.] 2007, 261, 265 zu [X.] mwN). Schließlich kritisiert der Kläger auch ganz wesentlich die tatsächlichen Einschätzungen und somit die tatrichterliche Beurteilung der Auswirkung von Gesundheitsstörungen durch das [X.]. Dies kann vorliegend jedoch dahingestellt bleiben, da es der Kläger in jedem Falle versäumt hat, die bereits vom [X.] in seiner angefochtenen Entscheidung dargestellte Rechtsprechung des [X.] darzulegen. Insoweit wäre eine intensive Auseinandersetzung mit der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Merkzeichen "[X.]" erforderlich gewesen um darzulegen, ob sich hieraus nicht gegebenenfalls ausreichende Anhaltspunkte für die Beantwortung seiner vermeintlichen Rechtsfrage ergeben könnten (vgl zu dieser Voraussetzung zB [X.] [X.] 3-1500 § 146 [X.] 2; [X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.] 8). Ausgangspunkt für die Feststellung von "[X.]" ist Abschnitt II [X.] zu § 46 Abs 1 [X.]1 VwV-StVO. Hiernach ist außergewöhnlich gehbehindert iS des § 6 Abs 1 [X.]4 StVG, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Hierzu zählen [X.], [X.], [X.], [X.] und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind (vgl hierzu zuletzt Senatsurteil vom [X.] - [X.]/9a SB 5/06 R - Juris Rd[X.]3 mwN). Ein Betroffener ist dieser Gruppe gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann ([X.]E 82, 37, 38 f = [X.] 3-3870 § 4 [X.] 23 = Behindertenrecht 1998, 141, 142). Hierzu hat der Senat in seiner og Entscheidung vom [X.] (aaO, Rd[X.]5) insbesondere ausgeführt, dass sich der gleichzustellende Personenkreis auf Schwerbehinderte beschränkt, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen oder mit entsprechender Hilfeleistung fortbewegen können wie die in Abschnitt II [X.] S 2 Halbs 1 zu § 46 Abs 1 [X.]1 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, die das Maß der Anstrengung und des Hilfebedarfs unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles wertet. Ob die danach erforderlichen großen körperlichen Anstrengungen beim Gehen vorliegen, ist Gegenstand tatrichterlicher Würdigung, die sich auf alle verfügbaren Beweismittel, wie Befundberichte der behandelnden Ärzte, Sachverständigengutachten oder einen dem Gericht persönlich vermittelten Eindruck, stützen kann ([X.], aaO, Rd[X.]7). Damit ist die vom Kläger oben aufgeworfene vermeintliche Rechtsfrage hinreichend geklärt (vgl auch zu den Grundsätzen in den Entscheidungen des 9. Senats des [X.] zum Merkzeichen "[X.]" vom 6.11.1985 - 9a [X.] - [X.] 3870 § 3 [X.]8; vom 11.3.1998 - [X.] SB 1/97 R - [X.]E 82, 37 = [X.] 3-3870 § 4 [X.] 23; vom 10.12.2002 - [X.] SB 7/01 R - [X.]E 90, 180 = [X.] 3-3250 § 69 [X.] und vom [X.] - [X.]a SB 5/05 R und [X.]a SB 1/06 R - Juris). Der Kläger hat es sowohl versäumt sich mit dieser Rechtsprechung auseinanderzusetzen als auch darzulegen, dass und weshalb die von ihm aufgeworfene vermeintliche Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig geworden sein soll. Hierzu hätte es der Ausführung bedurft, inwiefern die einschlägige Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang Widerspruch erfahren hat (vgl [X.] § 160a [X.]3; [X.] [X.] 3-4100 § 111 [X.]) oder sich die Lebensverhältnisse grundlegend verändert haben (vgl [X.] [X.] 3-4100 § 199 [X.]5, 16; [X.] [X.] 3-5100 § 160a [X.] 23). Der bloße Hinweis der Beschwerde, dass das [X.] zu Recht darauf hinweise, dass das Merkzeichen "[X.]" nur unter äußerst engen Voraussetzungen erteilt werden solle, reicht insoweit nicht aus. Eine Revisionszulassung kann ebenso wenig auf eine unzutreffende Rechtsanwendung durch das [X.] gestützt werden ([X.] § 160a [X.] 7 S 10).

7

Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

8

Die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung [X.] (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG).

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 9 SB 5/15 B

04.05.2015

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG München, 20. Dezember 2012, Az: S 37 SB 484/12, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 69 Abs 4 SGB 9, § 6 Abs 1 Nr 14 StVG, § 46 Abs 1 S 1 Nr 11 StVO, § 46 Abs 1 Nr 11 Abschn 2 Nr 1 StVOVwV, § 3 Abs 1 Nr 1 SchwbAwV, § 2 VersMedV, Anlage Teil D Nr 3 VersMedV

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.05.2015, Az. B 9 SB 5/15 B (REWIS RS 2015, 11685)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11685

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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