Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.11.2019, Az. IX R 7/19

9. Senat | REWIS RS 2019, 1404

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Gegenstand

(Beteiligung i.S. des § 17 EStG)


Leitsatz

NV: Ob die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (notwendiges) Betriebsvermögen eines Einzelgewerbetreibenden oder aber Privatvermögen darstellt, ist im Wesentlichen Tatfrage und somit in erster Linie vom FG festzustellen .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 29.01.2019 - 13 K 1070/17 E aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist der Zeitpunkt der Berücksichtigung eines Verlusts aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft i.S. des § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war mit einer Beteiligung von 50 % an der am 30.06.1988 gegründeten [X.] (GmbH) beteiligt. Zudem vermietete er ... im Rahmen eines gewerblichen Einzelunternehmens, und zwar u.a. an die GmbH.

3

Die GmbH stellte ihren Geschäftsbetrieb im April 2007 ein. Mit Beschluss des [X.] vom 19.06.2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] eröffnet. In seinem Bericht vom 17.07.2008 führte der Insolvenzverwalter aus, dass die GmbH spätestens seit dem 31.12.2000, wahrscheinlich aber schon früher, bilanziell und rechtlich überschuldet gewesen sei. Stille Reserven hätten, entgegen der Darstellung im Jahresabschluss auf den 31.12.2002, nicht existiert. Eine Fortführung des Unternehmens sei ausgeschlossen. Nennenswerte liquide Mittel seien nicht vorhanden.

4

Mit Schreiben vom 20.06.2013 beantragte die GmbH die Einstellung des Insolvenzverfahrens mit Zustimmung der Gläubiger gemäß § 213 der Insolvenzordnung ([X.]). Da sich nach Verhandlungen des [X.] mit den Gläubigern der GmbH im August 2013 jedoch herausstellte, dass ein Gläubiger nicht zu einem Forderungsverzicht bereit war, kam es nicht zu einer Einstellung des Insolvenzverfahrens.

5

Der Kläger erklärte einen Verlust aus der Auflösung der GmbH in Höhe von 591.820,91 € in seiner Einkommensteuererklärung für 2012. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) im Einkommensteuerbescheid vom 27.04.2016 nicht. Zugleich erließ das [X.] einen Einkommensteuerbescheid für 2013 sowie einen Vorauszahlungsbescheid zur Einkommensteuer für 2016. Mit Einspruchsentscheidung vom 22.03.2017 setzte es die Einkommensteuer 2012 und 2013 --unter einem nicht mehr streitigen Gesichtspunkt-- herab und wies die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurück.

6

Mit der dagegen gerichteten Klage begehrte der Kläger die Berücksichtigung eines Verlusts gemäß § 17 Abs. 4 EStG in Höhe von 1.025.694 € (nach Maßgabe des Teileinkünfteverfahrens) im [X.], hilfsweise die Berücksichtigung eines gewerblichen Verlusts in entsprechender Höhe im [X.], sowie die Aufhebung des [X.] zur Einkommensteuer für 2016.

7

Mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2019, 898 veröffentlichten Urteil vom 29.01.2019 wies das Finanzgericht ([X.]) die Klage ab. Die Berücksichtigung eines [X.]s scheide im [X.] aus. Im Streitfall sei aufgrund des [X.] vom 17.07.2008 bereits zu diesem Zeitpunkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen gewesen, dass der Kläger keine Rückzahlung von Einlagen aus dem [X.]svermögen mehr hätte erwarten können. Aktiva, die auch für eine Verteilung unter den [X.]ern ausreichen würden, hätten nicht zur Verfügung gestanden. Darüber hinaus habe 2008, spätestens aber 2009, festgestanden, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigende Aufwendungen anfallen würden. Schließlich habe --in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Insolvenzverwalters im Bericht vom 17.07.2008-- im [X.] auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestanden, dass eine Fortführung der [X.] nicht in Betracht kommen würde. Der spätere Antrag nach § 213 [X.] stehe dem --obschon er im Erfolgsfall zu einer Fortführung der [X.] führen könne (§ 60 Abs. 1 Nr. 4  2. Halbsatz des Gesetzes betreffend die [X.]en mit beschränkter Haftung)-- nicht entgegen. Eine Fortsetzung der [X.] sei nämlich nach den Verhältnissen des Jahres 2008 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen gewesen. Aus der für die Beurteilung maßgeblichen Ex-ante-Sicht habe es sich um eine rein theoretische, mehr oder weniger spekulative Möglichkeit gehandelt.

8

Ebenso wenig komme die hilfsweise begehrte Berücksichtigung der Aufwendungen als gewerblicher Verlust im [X.] in Betracht. Selbst wenn die GmbH-Anteile Betriebsvermögen des klägerischen Einzelunternehmens gewesen wären, käme die ausnahmsweise mögliche Berücksichtigung des Verlusts einer betrieblichen Beteiligung im Rahmen der Einnahmen-Überschussrechnung jedenfalls im [X.] nicht in Betracht. Es fehle nämlich am dafür vorausgesetzten endgültigen Verlust, der wohl erst bei Abschluss des Insolvenzverfahrens oder --übertrüge man die im Anwendungsbereich des § 17 EStG geltenden Grundsätze auf die Bestimmung des maßgeblichen [X.] bereits in 2008 oder 2009 eingetreten wäre. Dies gelte auch für die Berücksichtigung von Aufwendungen aus ausgefallenen [X.]. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger seinen Gewinn in den [X.] vor 2012 durch [X.] ermittelt habe. Da sich die GmbH nach dem [X.] bereits seit Ende 1997, nach dem [X.] spätestens seit Ende 2002, in einer Krise befunden habe, hätten die [X.] bereits zu diesem Zeitpunkt abgeschrieben werden müssen.

9

Da der geltend gemachte Verlust weder in 2012 noch in 2013 zu berücksichtigen sei, komme auch die beantragte Aufhebung des [X.] für 2016 nicht in Betracht.

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.], mit der er eine Verletzung von § 17 Abs. 4, § 4 Abs. 2 EStG rügt. Der [X.] sei im [X.] zu berücksichtigen, da die Verhandlungen über die Einstellung des Insolvenzverfahrens gemäß § 213 [X.] zu einer Verlagerung des [X.] führten. Der Antrag auf Einstellung des Insolvenzverfahrens gemäß § 213 [X.] sei aus Sicht des [X.]ers sinnvoll gewesen, da der [X.]er der [X.] aufgrund ihrer Etablierung am Markt einen erheblichen Firmenwert beigemessen habe. Er habe sich im [X.] an die Verhandlungen und die Antragstellung nach § 213 [X.] mit Gläubigern der [X.] geeinigt und zur Einstellung des Insolvenzverfahrens auch Zahlungen an die Gläubiger geleistet. Die abschließende Ablehnung der Einigung durch einen Gläubiger im [X.] habe dann zur Beendigung der Einstellungsmöglichkeit geführt. Somit habe vor dem [X.] nicht festgestanden, ob die [X.] beendet werden würde.

Hilfsweise sei ein gewerblicher Verlust im [X.] zu berücksichtigen. Die zum Betriebsvermögen des klägerischen Einzelunternehmens gehörende Beteiligung an der GmbH sei in der Bilanz zum 31.12.2011 noch mit 1.025.693,67 € ausgewiesen. Nach den Feststellungen der Vorinstanz habe die Beteiligung jedoch nur noch einen Wert von 0 € gehabt, so dass die Bilanzen zum 31.12.2011 bzw. 01.01.2012 objektiv falsch seien. Daher müsse zum 31.12.2012 eine Bilanzberichtigung erfolgen. Die Gewinnauswirkung (Verlust in Höhe von 1.025.693,67 €) sei im [X.] --hier 2012-- zu erfassen. Dies habe das [X.] übersehen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das [X.]-Urteil vom 29.01.2019 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 27.04.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.03.2017 dahingehend abzuändern, dass ein Verlust gemäß § 17 EStG in Höhe von 1.025.694 € unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens angesetzt wird, hilfsweise, den Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 27.04.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.03.2017 dahingehend abzuändern, dass ein Verlust gemäß § 15 EStG in Höhe von 1.025.694 € berücksichtigt wird, sowie
den Vorauszahlungsbescheid zur Einkommensteuer 2016 vom 27.04.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.03.2017 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Unrecht offengelassen, ob die Beteiligung des [X.] zu dessen Privatvermögen gehörte. Die tatsächlichen Feststellungen des [X.] reichen nicht aus, um dies abschließend beurteilen zu können.

1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn oder Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der [X.]er innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der [X.] zu mindestens 1 % beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG). Die Beteiligung muss zum Privatvermögen gehören (vgl. nur [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, EStG, § 17 Rz 20, m.w.N.; [X.]/ [X.], EStG, 38. Aufl., § 17 Rz 1).

Die Ermittlung des Gewinns oder Verlusts aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft erfordert eine Stichtagsbewertung, die auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlusts vorzunehmen ist. Maßgebend ist der Zeitpunkt, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre. Ein Gewinn ist erst in dem Jahr zu erfassen, in dem das auf die Beteiligung entfallende Vermögen der [X.] verteilt wurde; ein Verlust kann bereits in dem Jahr erfasst werden, in dem mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlusts nicht mehr zu rechnen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Urteile des [X.] --[X.]-- vom 01.07.2014 - IX R 47/13, [X.], 188, [X.], 786, Rz 18; vom 13.10.2015 - IX R 41/14, [X.], 385, Rz 13; vom 10.05.2016 - IX R 16/15, [X.], 1681, Rz 17; jeweils m.w.N.).

Ein [X.] steht fest, wenn der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens einerseits (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG) und die [X.] und Anschaffungskosten des [X.]ers andererseits (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) feststehen. Gleiches gilt, wenn sicher ist, dass eine Zuteilung oder Zurückzahlung von [X.]svermögen an die [X.]er ausscheidet und wenn die durch die Beteiligung veranlassten Aufwendungen feststehen (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 188, [X.], 786, und in [X.], 385, Rz 14). Die Frage ist aus der Sicht ex [X.] zu beurteilen; nachträgliche Ereignisse wie der tatsächliche Ausgang eines Insolvenzverfahrens sind nicht zu berücksichtigen (vgl. [X.]-Urteile vom 02.12.2014 - IX R 9/14, [X.], 666, Rz 14; in [X.], 1681, Rz 18).

Im Fall der Liquidation der [X.] schließt der [X.] eine Zuteilung oder Zurückzahlung von [X.]svermögen an die [X.]er regelmäßig erst dann aus, wenn die Liquidation abgeschlossen ist (vgl. zuletzt [X.]-Urteil in [X.], 385). Nur ausnahmsweise kann dafür auf einen früheren Zeitpunkt abgestellt werden (grundlegend [X.]-Urteil vom 27.11.2001 - VIII R 36/00, [X.]E 197, 394, [X.] 2002, 731), etwa wenn die Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist ([X.]-Urteil vom 12.12.2000 - VIII R 22/92, [X.]E 194, 108, [X.] 2001, 385, unter [X.], Rz 37; [X.]-Beschlüsse vom 27.11.1995 - VIII B 16/95, [X.]/NV 1996, 406, unter 2.b, Rz 10; vom 04.10.2007 - VIII S 3/07 (PKH), [X.]/NV 2008, 209, unter 1.a, Rz 4) oder wenn aus anderen Gründen feststeht, dass die [X.] bereits im Zeitpunkt des [X.] war ([X.]-Urteil vom 04.11.1997 - VIII R 18/94, [X.]E 184, 374, [X.] 1999, 344, unter 1.b [X.], Rz 20). In diesen Fällen kann die Möglichkeit einer Zuteilung oder Zurückzahlung von [X.] an die [X.]er ausgeschlossen werden ([X.]-Urteil in [X.], 1681, Rz 19).

Bei einer Auflösung der [X.] infolge Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens lässt sich diese Feststellung regelmäßig noch nicht treffen ([X.]-Urteil vom 12.12.2000 - VIII R 36/97, [X.]/NV 2001, 761, unter II.3., Rz 24). Etwas anderes hat der [X.] in diesen Fällen ausnahmsweise nur dann für möglich gehalten, wenn aufgrund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz des Konkursverwalters (§§ 123, 124 der Konkursordnung --KO--) oder einer Zwischenrechnungslegung (§ 132 Abs. 2 KO) ohne weitere Ermittlungen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der [X.] zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheint ([X.]-Urteile vom 12.12.2000 - VIII R 34/94, [X.]/NV 2001, 757, unter I.2., Rz 20; in [X.]/NV 2001, 761, unter [X.], Rz 25; in [X.], 385, Rz 17; vom 11.04.2017 - IX R 24/15, [X.]E 258, 199, [X.] 2017, 1155, Rz 31; so auch Oberfinanzdirektion [X.], [X.] vom 22.07.2009 - S 2244 [X.] 215, juris, unter [X.]). Entsprechendes gilt, wenn sich derartige Erkenntnisse aus dem Inventar und der [X.] (§§ 151, 153 f. [X.]) oder einer Zwischenrechnungslegung (§ 66 Abs. 2 [X.]) des Insolvenzverwalters ergeben ([X.]/[X.], § 17 EStG Rz 276; [X.], in: [X.][X.], EStG, § 17 Rz E 106; [X.] in [X.], EStG, § 17 EStG Rz 299; s.a. [X.] Köln, Urteil vom 26.11.2014 - 7 K 1444/13, E[X.] 2015, 638).

Zudem setzt die Entstehung eines [X.]s voraus, dass die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten feststeht. Es muss daher absehbar sein, ob und in welcher Höhe dem [X.]er noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG berücksichtigungsfähige Veräußerungs- oder Aufgabekosten entstehen. Insofern dürfen keine wesentlichen Änderungen mehr eintreten. Zu der Beurteilung der Vermögenslage auf [X.] der [X.] muss also die Beurteilung der Vermögenslage auf [X.] des [X.]ers hinzutreten (vgl. u.a. [X.]-Urteile vom 25.03.2003 - VIII R 24/02, [X.]/NV 2003, 1305, beginnend [X.], Rz 21 ff.; vom 21.01.2004 - VIII R 8/02, [X.]/NV 2004, 947, unter [X.], Rz 20; vom 01.03.2005 - VIII R 46/03, [X.]/NV 2005, 2171, unter II.2., Rz 18; vom 28.10.2008 - IX R 100/07, [X.]/NV 2009, 561, unter [X.] [X.], Rz 17; vom 14.03.2012 - IX R 37/11, [X.]E 236, 522, [X.] 2012, 487, Rz 20; in [X.], 666, Rz 12; in [X.], 1681, Rz 20; [X.] in [X.], EStG, 18. Aufl., § 17 Rz 127; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 17 Rz 223 ff.). Hat der [X.] gegen den [X.]er eine zivilrechtliche Klage erhoben, die für den [X.]er im Fall seines Unterliegens zu weiteren nachträglichen Anschaffungskosten führt, ist sein [X.] jedenfalls nicht vor Beendigung des Klageverfahrens realisiert (vgl. [X.]-Urteil in [X.]/NV 2005, 2171).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze kann das [X.]-Urteil schon deshalb keinen Bestand haben, weil das [X.] offengelassen hat, ob die Beteiligung des [X.] zu dessen Privat- oder Betriebsvermögen gehörte. Diese Frage kann grundsätzlich nicht offenbleiben. Die Zugehörigkeit der Beteiligung zum Privatvermögen ist Voraussetzung von § 17 Abs. 1 EStG und muss --im Zweifel-- vom [X.] auf der Grundlage geeigneter tatsächlicher Feststellungen entschieden werden.

a) Das [X.] ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat auch über den Hilfsantrag des [X.] entschieden, den [X.] bei den Einkünften aus seinem gewerblichen Einzelunternehmen zu erfassen, was die Zugehörigkeit der GmbH-Beteiligung zum Betriebsvermögen voraussetzt. Dabei hat es die Frage offengelassen, ob die Beteiligung Betriebsvermögen war. Es hat damit zugleich offengelassen, ob die Beteiligung Privatvermögen war, denn wenn das eine offen ist (Betriebsvermögen), steht auch das andere (Privatvermögen) nicht fest. Das Urteil kann deshalb keinen Bestand haben.

b) [X.] ist nicht spruchreif. Die tatsächlichen Feststellungen des [X.] reichen nicht aus, um die Frage zu beurteilen, ob die Beteiligung des [X.] Privat- oder Betriebsvermögen war. Nach den Feststellungen des [X.] betrieb der Kläger ein gewerbliches Einzelunternehmen, welches ...  an die GmbH vermietete. Zwischen beiden Unternehmen bestand danach offenbar eine gewisse wirtschaftliche Verflechtung. Zudem hat der Kläger ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] vorgetragen, dass er die GmbH-Anteile in der Bilanz seines Einzelunternehmens zum 31.12.1999 --und wohl auch in den Bilanzen zum 31.12.2004 und 31.12.2005-- als Betriebsvermögen ausgewiesen hatte. Beide Umstände sprechen eher für die Zugehörigkeit der Beteiligung zum Betriebsvermögen des Einzelunternehmens. Sie erlauben aber für sich genommen noch keine abschließende Beurteilung. So ist insbesondere nicht auszuschließen, dass es sich bei der Bilanzierung der GmbH-Anteile in der Bilanz des Einzelunternehmens um einen Ansatzfehler gehandelt hat.

c) Ob die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (notwendiges) Betriebsvermögen eines Einzelgewerbetreibenden darstellt, ist im Wesentlichen Tatfrage und somit in erster Linie vom [X.] festzustellen ([X.]-Urteil vom [X.], [X.]E 265, 182, [X.] 2019, 518, Rz 40). Das [X.] wird deshalb im zweiten Rechtsgang vor allem festzustellen haben, ob die Beteiligung des [X.] an der GmbH in den Streitjahren zu dessen notwendigem oder gewillkürtem Betriebsvermögen gehörte oder aber dem Privatvermögen zuzurechnen war (zur Qualifikation einer Beteiligung als notwendiges Betriebsvermögen vgl. nur [X.]-Urteile vom 10.04.2019 - X R 28/16, [X.]E 264, 226, [X.] 2019, 474, und in [X.]E 265, 182, [X.] 2019, 518; zu den Voraussetzungen gewillkürten Betriebsvermögens s. [X.]/[X.], § 4 EStG Rz 111).

3. Für die weitere Sachbehandlung und nur für den Fall, dass die Beteiligung des [X.] nach erneuter Überprüfung zu dessen Privatvermögen gehörte, weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Entscheidung des [X.] auch im Übrigen Rechtsfehler aufweist:

a) Zu Unrecht hat das [X.] angenommen, dass der Verlust spätestens im [X.] entstanden war. Diese Annahme findet in den tatsächlichen Feststellungen des [X.] keine Stütze, und zwar weder was die Vermögensebene der [X.] noch was die nachträglichen Anschaffungskosten des [X.]ers betrifft.

aa) Aus dem Bericht des Insolvenzverwalters, auf den sich das [X.] insofern maßgeblich stützt, ergibt sich gerade nicht, dass die [X.] mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens bereits [X.] war (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 385, Rz 20). Zwar hat der Insolvenzverwalter geäußert, dass stille Reserven nach seinen Ermittlungen nicht vorhanden seien (S. 7 des Berichts). Darauf deutet auch die vorläufige Vermögensübersicht (S. 8 ff. des Berichts) hin. Zugleich hat der Insolvenzverwalter aber ausgeführt, dass der geschäftsführende [X.]er kein Anlageverzeichnis habe vorlegen können. Es sei deshalb davon auszugehen, dass es sich bei dem in den Geschäftsräumen der Einzelfirma des [X.] vorhandenen umfangreichen Anlagevermögen teilweise um Anlagevermögen der GmbH handele (S. 11 f. des Berichts). Dementsprechend konnte der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht auch kein Masseverzeichnis vorlegen (S. 1 des Berichts). Auch in seinen nachfolgenden [X.] hielt der Insolvenzverwalter diesen Punkt "noch nicht für erledigt". Geht der Insolvenzverwalter in seinem Bericht davon aus, dass die Prüfung der Vermögenssituation der [X.] noch nicht abgeschlossen ist, kann die für eine Verlustrealisation vor Abschluss des Insolvenzverfahrens erforderliche Feststellung nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit getroffen werden.

[X.]) Es trifft auch nicht zu, dass die nachträglichen Anschaffungskosten des [X.] bereits 2009 feststanden. Nach den Feststellungen des [X.] verhandelte der Kläger "im weiteren Verlauf" des Insolvenzverfahrens mit den Gläubigern der GmbH, um einen Forderungsverzicht und die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit zu erreichen. Nach seinem unwidersprochenen Vortrag leistete er in diesem Zusammenhang in den Jahren 2009 bis 2013 Zahlungen aus seinem Privatvermögen über insgesamt 47.228,46 €, die als nachträgliche Anschaffungskosten in Betracht kommen. Das Ergebnis der Abwicklung stand auch in dieser Hinsicht im [X.] noch nicht fest. Solange verhandelt wird, kann eine Fortsetzung des Unternehmens nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, mag sie auch noch so unwahrscheinlich sein. Die Zahlungen des [X.] können aus der maßgebenden Perspektive ex [X.] auch nicht als unwesentlich angesehen werden.

b) Es bedarf keiner abschließenden Beurteilung, ob das [X.] von seinem Standpunkt aus zu Recht angenommen hat, dass ein (erfolglos gebliebener) Antrag auf Einstellung des Verfahrens nach § 213 [X.] den Zeitpunkt der Verlustrealisierung nicht mehr beeinflusst, wenn der [X.] bereits zu einem früheren Zeitpunkt realisiert war. Dafür spricht zwar, dass ein einmal entstandener Verlust durch eine nachträglich eingetretene tatsächliche Veränderung nicht mehr in einen anderen Zeitraum verlagert werden kann. Die Frage stellt sich aber nicht, solange nicht feststeht, dass der Verlust vor Stellung des Antrags realisiert war.

c) Zu Unrecht hat das [X.] aber angenommen, dass die Möglichkeit des Schuldners, im Insolvenzverfahren einen Antrag nach § 213 [X.] zu stellen, für die Beurteilung, wann der [X.] entsteht, unbeachtlich sei. Es hat dies damit begründet, dass Anträge nach § 213 [X.] in der Praxis kaum jemals Erfolg hätten. Daraus hat das [X.] geschlussfolgert, dass die Möglichkeit, einen Antrag nach § 213 [X.] zu stellen, bei der Fortführungsprognose unberücksichtigt bleiben könne. Auch diese Erwägungen sind rechtsfehlerhaft.

Ein [X.] entsteht erst, wenn (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) feststeht, dass eine Fortsetzung der [X.] ausgeschlossen ist. Wird die [X.] fortgesetzt, z.B. weil ein Antrag nach § 213 [X.] (wider Erwarten) Erfolg hat, ist ein [X.] nicht entstanden. War ein [X.] steuerlich bereits erfasst, müsste dies rückgängig gemacht werden. Grundsätzlich darf deshalb die Entstehung des Verlusts nicht angenommen werden, solange ein Antrag nach § 213 [X.] noch möglich oder noch offen ist. Selbst wenn solche Anträge in der Praxis selten erfolgreich sind, darf daraus nicht verallgemeinernd geschlossen werden, dass es für den Zeitpunkt der Verlustentstehung grundsätzlich unbeachtlich ist, dass ein solcher Antrag gestellt werden kann.

Allenfalls kann die Wahrscheinlichkeit für oder gegen einen solchen Antrag im Einzelfall anhand konkreter Feststellungen beurteilt werden. Dazu hat das [X.] ausgeführt, in den Jahren 2008 bis 2009 hätte nichts für einen solchen Antrag gesprochen. Erstmals 2010 habe der Insolvenzverwalter in einem Zwischenbericht über entsprechende Verhandlungen berichtet. Auch diese Begründung greift indes zu kurz. Die ständige Senatsrechtsprechung, wonach ein [X.] grundsätzlich nicht vor Beendigung des Verfahrens entstanden ist, trägt dem Umstand Rechnung, dass im Verlauf des (eröffneten) Verfahrens alles Mögliche geschehen kann. Dies schließt Anträge nach § 213 [X.] ein, und zwar unabhängig davon, wie wahrscheinlich ein solcher Antrag ist und ob mit dem Erfolg des Antrags gerechnet werden musste. [X.] das [X.] davon abweichen, muss es Tatsachen feststellen, aus denen sich sicher ergibt, warum im Einzelfall nicht mit einem solchen Antrag (oder mit dem Erfolg eines solchen Antrags) zu rechnen war. Daran fehlt es.

d) Vorbehaltlich weiterer tatsächlicher Feststellungen des [X.] spricht die Ablehnung des Antrags nach § 213 [X.] im Streitfall aber zumindest indiziell dafür, dass die nachträglichen Anschaffungskosten des [X.] im Jahr 2013 endgültig feststanden (Beurteilung der Vermögenssituation auf der [X.]erebene).

e) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen könnte der Senat derzeit nicht abschließend beurteilen, wann der Verlust des [X.] entstanden ist. [X.] Feststellungen dazu, dass er vor Einstellung des Insolvenzverfahrens entstanden sein könnte, hat das [X.] bisher nicht getroffen.

4. [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

IX R 7/19

19.11.2019

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 29. Januar 2019, Az: 13 K 1070/17 E, Urteil

§ 17 Abs 4 EStG 2009, EStG VZ 2012, EStG VZ 2013, EStG VZ 2016, § 96 FGO, § 118 Abs 2 FGO, § 126 Abs 3 S 1 Nr 2 FGO, § 213 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.11.2019, Az. IX R 7/19 (REWIS RS 2019, 1404)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1404

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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