Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 07.06.2016, Az. 1 ABR 25/14

1. Senat | REWIS RS 2016, 10480

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Gegenstand

Betriebliche Mitbestimmung bei Arbeitnehmerüberlassung


Leitsatz

Der Betriebsrat eines Verleiherbetriebs hat regelmäßig kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG für Regelungen über die Anforderungen an eine Schutzkleidung, die der Entleiher bei ihm tätigen Leiharbeitnehmern aufgrund öffentlich-rechtlicher Arbeitsschutzbestimmungen bereitzustellen hat.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 9. April 2014 - 5 TaBV 15/13 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten, ob ein im Betrieb des Verleihers gebildeter Betriebsrat bei der Gestellung von Schutzkleidung an überlassene Arbeitnehmer durch ein Entleihunternehmen mitzubestimmen hat.

2

Der Arbeitgeber, eine [X.] in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, beschäftigt ca. 140 Arbeitnehmer, die den antragstellenden Betriebsrat gewählt haben. Diese sind im [X.]ege der Arbeitnehmerüberlassung bei der [X.] ([X.]) als Pflegekräfte tätig. Dort ist ebenfalls ein Betriebsrat gebildet. Das [X.] stellt [X.] Pflegekräften Schutzkleidung nach Maßgabe der Verordnung über Sicherheit und [X.] bei der Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen bei der Arbeit ([X.] - [X.]). In der Folgezeit beschwerten sich die Leiharbeitnehmer über die mangelnde Verfügbarkeit erforderlicher Größen sowie die geringe Luftdurchlässigkeit der Arbeitskleidung sowohl beim Arbeitgeber als auch beim Betriebsrat. Eine durch gerichtlichen Beschluss eingesetzte Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Zurverfügungstellung geeigneter Arbeitskleidung für Beschäftigte der DRK-Schwesternschaft im [X.] R, mit Ausnahme der [X.]“ erklärte sich für unzuständig.

3

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, er habe bei den Anforderungen an die Schutzkleidung der überlassenen Pflegekräfte mitzubestimmen. Die Eingliederung dieser Leiharbeitnehmer entbinde den Verleiher nicht von seinen Pflichten nach dem [X.]. Die mitbestimmten Regelungen seien durch vertragliche Abreden mit dem [X.] umzusetzen.

4

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht bei Regelungen über die Gestellung von Schutzkleidung für Beschäftigte des Arbeitgebers zusteht, die als Leiharbeitnehmer im [X.] eingesetzt werden, soweit sie Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 [X.] sind.

5

Der Arbeitgeber meint, er sei lediglich verpflichtet, die Durchführung und [X.]irksamkeit der vom [X.] getroffenen Maßnahmen zu überprüfen.

6

Die Vorinstanzen haben den Antrag abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Begehren weiter.

7

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Dem Betriebsrat steht das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht nicht zu.

8

I. Der Antrag bedarf der Auslegung. Nach seinem [X.]ortlaut ist er umfassend auf ein Mitbestimmungsrecht bei der „Gestellung von Schutzkleidung“ für an den [X.] überlassene Arbeitnehmer gerichtet. Ausgehend vom Anlassfall - den Beschwerden der Arbeitnehmer - und der Antragsbegründung ist das Begehren dahin zu verstehen, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht für Regelungen über die Eignung und den Umfang der bereitzustellenden Schutzkleidung für die Pflegekräfte geltend macht. Dabei beansprucht er das Mitbestimmungsrecht nicht für eine betriebliche Regelung über eine vom Verleiher zu stellende Schutzkleidung, sondern über die Anforderungen, die eine vom [X.] bereitgestellte Schutzkleidung erfüllen soll. Deren Umsetzung habe der Verleiher durch vertragliche Abreden mit dem [X.] zu gewährleisten.

9

II. Mit diesem Inhalt ist der Antrag zulässig; er ist insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist erkennbar, welche Regelungen zur betrieblichen Umsetzung einer sich aus Normen des Arbeits- und [X.]es ergebenden konkreten Handlungspflicht des Arbeitgebers aus der Sicht des Betriebsrats in Betracht kommen, an deren Ausgestaltung er mitzuwirken beabsichtigt (vgl. [X.] 15. Januar 2001 - 1 [X.] - zu [X.] 2 c der Gründe, [X.]E 100, 173).

III. Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 [X.] für Regelungen über die Anforderungen an eine Schutzkleidung, die der [X.] den Leiharbeitnehmern des Arbeitgebers zur Verfügung stellt. Hieran hat der beim [X.] bestehende Betriebsrat mitzubestimmen.

1. Regelungen über die Eignung und den Umfang von Schutzkleidung für Pflegekräfte, die der Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 [X.] iVm. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] bereitzustellen hat, unterliegen grundsätzlich der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 [X.]. Danach hat der Betriebsrat bei Regelungen über den [X.] mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber diese aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat und ihm bei der Gestaltung Handlungsspielräume verbleiben (ausf. [X.] 18. März 2014 - 1 [X.] - Rn. 18 mwN, [X.]E 147, 306). Bei der Verpflichtung des Arbeitgebers über die Auswahl und Bereitstellung von persönlichen Schutzausrüstungen nach § 3 Abs. 1 [X.] iVm. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] handelt es sich um eine gesetzliche Regelung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 7 [X.]. Sie belässt dem Arbeitgeber einen Handlungsspielraum über die nähere Bestimmung einer geeigneten und passenden Schutzkleidung für die Pflegekräfte (vgl. [X.] 16. Juni 1998 - 1 [X.] - zu [X.] 3 der Gründe, [X.]E 89, 139). Davon gehen auch die Beteiligten aus. Sie streiten lediglich darüber, ob die Pflichten nach der [X.] vorliegend auch den Verleiher treffen.

2. Die öffentlich-rechtlichen Pflichten nach § 3 Abs. 1 [X.] iVm. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] über die Auswahl und die Bereitstellung von Schutzkleidung obliegen nicht dem Verleiher als Vertragsarbeitgeber, sondern dem [X.], der die Leiharbeitnehmer innerhalb seiner Betriebsorganisation einsetzt.

a) Leiharbeitnehmer sind betriebsverfassungsrechtlich grundsätzlich Teil der Belegschaft des [X.]s und bleiben auch während der Dauer ihrer Überlassung in die dortige Betriebsorganisation eingegliedert. Das stellt § 14 Abs. 1 [X.] klar. Gleichwohl folgt aus dieser Zuordnung nicht die Zuständigkeit des für einen [X.] gewählten Betriebsrats in [X.] die Leiharbeitnehmer betreffenden [X.], personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Denn für die Dauer einer Überlassung sind die Leiharbeitnehmer zusätzlich in die Organisation des [X.]betriebs eingegliedert und unterstehen dort dem [X.]eisungsrecht des [X.]s. Die das [X.] kennzeichnende Aufspaltung der [X.] zwischen dem Verleiher als dem Vertragsarbeitgeber und dem [X.] als demjenigen, der die wesentlichen Arbeitgeberbefugnisse in Bezug auf die Arbeitsleistung innerhalb der von ihm vorgegebenen Betriebsorganisation ausübt, setzt aber nicht die Schutzfunktion der Betriebsverfassung außer [X.]. Demnach bestimmt sich die Zuständigkeit für die [X.]ahrnehmung von Mitbestimmungsrechten in Bezug auf Leiharbeitnehmer nach dem Gegenstand des geltend gemachten Mitbestimmungsrechts und der darauf bezogenen Entscheidungsmacht des jeweiligen Arbeitgebers ([X.] 19. Juni 2001 - 1 ABR 43/00 - zu [X.] 1 b und 3 der Gründe mwN, [X.]E 98, 60).

b) Für Maßnahmen des [X.]es iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 7 [X.] weist § 11 Abs. 6 Satz 1 [X.] den Gegenstand des Mitbestimmungsrechts in Bezug auf Leiharbeitnehmer für die jeweilige Dauer der Eingliederung in den Betrieb des [X.]s grundsätzlich diesem zu. Dazu zählt auch die nach § 3 Abs. 1 [X.] iVm. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] bestehende Verpflichtung über die Auswahl und die Bereitstellung von Schutzkleidung.

aa) Nach § 11 Abs. 6 Satz 1 [X.] unterliegt die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers bei dem [X.] den für dessen Betrieb geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Die sich daraus ergebenden arbeitsschutzrechtlichen Pflichten sind damit dem [X.] zugewiesen. Das beruht auf der Eingliederung des Leiharbeitnehmers in dessen Betriebsorganisation. Dort erbringt er seine Arbeitsleistung und unterliegt dem [X.]eisungsrecht des [X.]s. An dieser Betriebsbezogenheit knüpfen die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften an und entfalten dort ihre [X.]irkung (Schüren in [X.]/Schüren [X.] 4. Aufl. § 11 Rn. 134).

bb) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats gibt § 11 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 [X.] keine andere Verantwortlichkeit vor. Nach dieser Bestimmung obliegen die sich aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergebenden arbeitsschutzrechtlichen Pflichten dem [X.] „unbeschadet der Pflichten des Verleihers“. Das trägt der aus § 618 BGB folgenden Fürsorgepflicht Rechnung, die sich sowohl an den Verleiher kraft Arbeitsvertrag als auch an den [X.] infolge des Einsatzes eines ihm zur Arbeitsleistung überlassenen Arbeitnehmers richtet. Zwar hat ein Verleiher die nach § 3 Abs. 1 [X.] erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen. Da er aber außerstande ist, die Betriebsorganisation des [X.]s zu gestalten, ist er mangels eigener Organisationshoheit nicht in der Lage, die erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen dort durchzuführen. Daher ist § 11 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 [X.] lediglich Ausdruck der Aufspaltung der Fürsorgepflicht zwischen Verleiher und [X.]. Dieser hat für die praktische [X.]irksamkeit des Arbeitsschutzes in seinem Betrieb auch in Bezug auf Leiharbeitnehmer einzustehen, während dem Verleiher als Vertragsarbeitgeber entsprechende Kontroll- und Überwachungsrechte verbleiben (Schüren in [X.]/Schüren [X.] § 11 Rn. 134). Er hat danach sicherzustellen, dass während der Tätigkeit der von ihm überlassenen Arbeitnehmer im [X.]betrieb die dafür geltenden öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzbestimmungen gewahrt werden, gegebenenfalls auf die Unterbindung von Verstößen hinzuwirken oder andernfalls die Tätigkeit der überlassenen Arbeitnehmer zu beenden (vgl. [X.] S. 111 mwN).

Anderes kann gelten, soweit sich der Verleiher gegenüber dem [X.] verpflichtet hat, nicht nur Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung zu überlassen, sondern diese auch mit der erforderlichen Schutzausrüstung iSd. [X.] auszustatten. In einem solchen Fall stellt sich die darauf bezogene mitbestimmungspflichtige Regelungsfrage bereits im [X.]. Eine solche ist aber nicht Gegenstand des geltend gemachten Mitbestimmungsrechts.

3. Träger des Mitbestimmungsrechts in Bezug auf zu stellende Schutzkleidung ist vorliegend der Betriebsrat des [X.]s. Dieser entscheidet in eigener Verantwortung darüber, ob und in welchem Umfang er von seinen mitbestimmungsrechtlichen Befugnissen auch in Bezug auf die in die Betriebsorganisation des [X.]s eingegliederten Leiharbeitnehmer Gebrauch macht. Eine vom antragstellenden Betriebsrat behauptete Untätigkeit des für den [X.]betrieb gewählten Betriebsrats hat keinen Einfluss auf die im [X.] geregelten Zuständigkeiten. Einen Übergang eines gesetzlichen Mitbestimmungsrechts auf ein ausübungswilliges, aber unzuständiges betriebsverfassungsrechtliches Gremium kennt das [X.] nicht.

Der antragstellende Betriebsrat kann sein Begehren auch nicht auf die Senatsentscheidung vom 27. Januar 2004 (- 1 [X.] - zu [X.] 1 a cc der Gründe, [X.]E 109, 235) stützen. Diese betraf das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats für betriebszugehörige Arbeitnehmer, die aufgrund eines [X.]erkvertrags in einem anderen Betrieb tätig wurden. Diese Arbeitnehmer waren weder in die Betriebsorganisation des [X.]erkbestellers eingegliedert noch unterstanden sie dessen Direktionsrecht.

4. Schließlich kann sich der Betriebsrat nicht auf das [X.] des § 8 Abs. 1 [X.] berufen. Dafür bedarf es keiner Entscheidung, ob diese Vorschrift nur die Zusammenarbeit auf außerbetrieblichen Arbeitsstätten regelt oder auch den Fall der Arbeitnehmerüberlassung erfasst (vgl. [X.] S. 122 ff.). Aus dem arbeitsschutzrechtlichen [X.] folgt jedenfalls keine mitbestimmungsrechtliche Verantwortung des Verleihers für den [X.]betrieb. § 8 Abs. 1 [X.] hält die arbeitsschutzrechtlich verantwortlichen Arbeitgeber an, bei der Durchführung von Sicherheits- und [X.]bestimmungen zusammenzuarbeiten. Dieses [X.] konkretisiert § 8 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf wechselseitige [X.] und Abstimmungspflichten; es lässt die jeweiligen arbeitsschutzrechtlichen Pflichten unberührt und tauscht die arbeitsschutzrechtlichen Verantwortlichkeiten nicht aus. Demnach verpflichtet das Abstimmungsgebot den Verleiher nicht dazu, anhand der Situation im jeweiligen [X.]betrieb eigene Regelungswerke für den dort wahrzunehmenden Arbeitsschutz zu erstellen. Vielmehr verbleibt es bei seinen durch § 11 Abs. 6 Satz 1 [X.] geregelten Überwachungs- und Kontrollpflichten.

        

    Schmidt    

        

    K. Schmidt    

        

    Treber    

        

        

        

    Hayen    

        

    Stemmer    

                 

Meta

1 ABR 25/14

07.06.2016

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Hamburg, 31. Juli 2013, Az: 3 BV 11/13, Beschluss

§ 87 Abs 1 Nr 7 BetrVG, § 2 Abs 1 PSA-BV, § 2 Abs 2 PSA-BV, § 3 Abs 1 ArbSchG, § 8 Abs 1 ArbSchG, § 11 Abs 6 AÜG, § 14 Abs 1 AÜG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 07.06.2016, Az. 1 ABR 25/14 (REWIS RS 2016, 10480)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10480

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