Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2017, Az. 3 StR 144/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 17706

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:100117B3STR144.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 144/16
vom
10. Januar 2017
in der Strafsache
gegen

wegen Volksverhetzung
u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. Januar 2017
gemäß §
349 Abs.
2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17. November 2015 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole in Tateinheit mit zwei Fällen der Volksverhetzung in zwei Fällen, wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole in Tateinheit mit Volksverhetzung in zwei Fällen sowie wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
Die Verfahrensrügen dringen aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] nicht durch. Auch die auf die Sachbeschwerde veranlasste umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils hat zum 1
2
-
3
-
Schuld-
und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
Zu Recht ist das [X.] auch in den Fällen [X.]) und b) sowie [X.]) der Urteilsgründe von einem Verbreiten von Schriften im Sinne der §
90a Abs.
1 Nr.
1, §
130 Abs.
5 Satz 2, Abs.
3 [X.] ausgegangen. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen übermittelte der Angeklagte in den Fällen [X.]) und b) der Urteilsgründe im Sinne der vorstehenden Delikte inkriminierte Texte an den Betreiber des im [X.] unterhaltenen "J.

-Blogs", damit diese über den Blog veröffentlicht würden. Ob es danach noch zu einer Veröffentlichung der von dem Betreiber empfangenen Artikel kam, hat die
Strafkammer nicht feststellen können. Im Fall [X.]) der Urteilsgründe versandte der Angeklagte einen Brief mit strafbarem Inhalt an

[X.]

, den er aufforderte, diesen "abzutippen" und einer möglichst großen Öffentlichkeit zukommen zu lassen.
Anders als in zwei vorherigen Fällen, bei denen [X.]

inkriminierte Briefe an zahlreiche Personen weiterverteilt hatte, blieb er nunmehr untätig.
Diese Feststellungen belegen eine
Verbreitung von Schriften durch den Angeklagten. Eine Schrift verbreitet, wer sie ihrer Substanz nach einem größeren Personenkreis zugänglich macht, wobei dieser nach Zahl und Individualität unbestimmt oder jedenfalls so groß sein muss, dass er für den Täter nicht mehr kontrollierbar ist (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteil vom
24.
März 1999 -
3 [X.], NJW 1999, 1979, 1980 mwN). Eines Verbreitungserfolgs in dem Sinne, dass ein größerer Personenkreis tatsächlich von der Schrift Kenntnis genommen haben muss oder diese zumindest erlangt hat, bedarf es dabei nicht. Sowohl §
90a
Abs.
1 Nr.
1 [X.] als auch §
130 Abs.
5
Satz 2, Abs.
3 [X.] sind keine Erfolgs-, sondern Tätigkeitsdelikte 3
4
-
4
-
([X.]/[X.]/[X.], [X.], §
90a Rn.
1; [X.]/[X.]/[X.], [X.], §
130 Rn.
4; MüKo[X.]/Steinmetz, 3.
Aufl., §
90a Rn.
2; MüKo[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
130 Rn.
12; [X.], [X.], 64.
Aufl., §
90a Rn.
2, §
130 Rn.
2a). Verbreiten ist daher die Verbreitungstätigkeit an sich, also auch schon das [X.] der Schrift als erster Verbreitungsakt (vgl. bereits [X.], Urteil vom 10.
Oktober 1887 -
Rep. [X.], [X.]St 16, 245 f.; Beschluss vom 29.
August 1930 -
7 [X.], 64, 292, 293; S/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
184b Rn.
5a). In den Fällen der sogenannten Mengenverbreitung ist ein vollendetes Verbreiten dementsprechend bereits dann anzunehmen, wenn der Täter das erste Exemplar einer Mehrzahl von ihm zur Verbreitung bestimmter Schriften an einen einzelnen Bezieher abgegeben hat ([X.], Urteil vom 24.
März 1999 -
3 [X.], NJW 1999, 1979, 1980 mwN). Auch in
der -
hier einschlägigen -
Fallgruppe der [X.] ist das Tatbestandsmerkmal mit der Weitergabe der Schrift an einen einzelnen Empfänger schon dann erfüllt, wenn diese seitens des [X.] mit dem Willen geschieht, dass der Empfänger die Schrift durch körperliche Weitergabe einem größeren Personenkreis zugänglich machen werde, oder wenn der Täter mit der Weitergabe an eine größere, nicht mehr zu kontrollierende Zahl von Personen
rechnet (st. bisherige Rspr.; vgl. bereits [X.], Urteile vom 28.
September 1883 -
Rep. 1973/83, [X.]St 9, 71, 72; vom 8.
März 1921
-
II 1560/20, [X.]St 55, 276, 277; [X.], Urteil vom 24.
März 1999 -
3 [X.], NJW 1999, 1979, 1980 mwN; Beschluss vom 4.
August 2009 -
3 [X.], juris Rn.
27).
Soweit hierzu in einzelnen Entscheidungen ausgeführt wird, die Weitergabe einer Schrift an einen einzelnen bestimmten Empfänger reiche noch nicht zur Tatbestandserfüllung aus, wenn nicht feststehe, dass dieser seinerseits die Schrift Dritten überlassen werde ([X.], Urteil vom 22.
Dezember 5
-
5
-
2004 -
2 [X.], NJW 2005, 689, 690; Beschluss vom 16.
Mai 2012
-
3 StR 33/12, [X.], 564; [X.], Beschluss vom 9.
November 2011
-
1 [X.], [X.], 1498, 1500), folgt hieraus nicht, dass zur Tatvollendung über die Weitergabe der inkriminierten Schrift vom Täter an seinen Empfänger hinaus objektiv gesichert sein muss, dass es zu weiteren Überlassungen der Schrift an eine oder mehrere Personen kommen wird. Andernfalls könnte die Weitergabe der Schrift an eine einzelne Person entgegen der Grundsätze zur Mengen-
und [X.] grundsätzlich nicht zur Verwirklichung des Tatbestands ausreichen. Denn eine derartige objektive Sicherheit für künftige Geschehnisse kann im Hinblick auf die stets vorhandenen Unwägbarkeiten
der weiteren Entwicklung nicht belegt werden. Ein
solches Verständnis ergibt sich aus den genannten Entscheidungen -
auch im Hinblick darauf, dass dies eine Abkehr von der ständigen Rechtsprechung schon des [X.] und diesem später folgend des [X.] bedeutet hätte -
indes nicht; es widerspräche zudem -
wie dargelegt -
dem Deliktscharakter von §
90a Abs.
1 Nr.
1, §
130 Abs.
2 StG[X.] Die Ausführungen, es müsse feststehen, dass der Empfänger seinerseits die Schrift an Dritte weiterreichen werde, sind daher so zu verstehen, dass damit der im Zeitpunkt der (ersten) Übergabe der Schrift erforderliche Vorsatz des [X.] im Hinblick auf den weiteren Kausalverlauf präzisiert wird. Ob insoweit für die Fälle der [X.] zu verlangen ist, dass der Täter im Hinblick auf die Weiterverbreitung der Schrift durch seinen (unmittelbaren) Empfänger absichtlich handelt (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
November 2011 -
1 [X.], [X.], 1498, 1500; S/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
184b Rn.
5a; s.
auch [X.], Beschluss vom 4.
August 2009 -
3 [X.], juris Rn.
27), oder ob in diesem Zusammenhang auch eine andere Vorsatzform ausreichen kann, bedarf keiner Entscheidung. Dass der Angeklagte in allen Fällen mit der Übersendung seiner Schriften deren Weiterverbreitung bezweckte, ist für die -
6
-
Fälle [X.]1.b) und [X.]) der Urteilsgründe ausdrücklich festgestellt; im Fall [X.]) der Urteilsgründe ergibt sich seine Absicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe.
[X.] [X.]

Spaniol

Tiemann Hoch

Meta

3 StR 144/16

10.01.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2017, Az. 3 StR 144/16 (REWIS RS 2017, 17706)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17706

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 144/16

3 StR 33/12

1 BvR 461/08

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