Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.03.2012, Az. VI R 33/10

6. Senat | REWIS RS 2012, 8634

STEUERRECHT BUNDESFINANZHOF (BFH) EINKOMMENSTEUER DIENSTWAGEN FINANZGERICHT BERLIN-BRANDENBURG

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Gegenstand

Mindestanforderungen für ordnungsgemäßes Fahrtenbuch


Leitsatz

Der Senat hält an seiner mittlerweile ständigen Rechtsprechung (Urteil vom 16. März 2006 VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625) fest, dass ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch insbesondere Datum und Ziel der jeweiligen Fahrten ausweisen muss. Dem ist nicht entsprochen, wenn als Fahrtziele jeweils nur Straßennamen angegeben sind und diese Angaben erst mit nachträglich erstellten Auflistungen präzisiert werden .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob ein [X.]ahrtenbuch ordnungsgemäß geführt worden ist.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, berichtigte für den Zeitraum Januar 2006 bis [X.]ebruar 2007 die Lohn- und Gehaltsabrechnung für ihren Gesellschaftergeschäftsführer [X.] und meldete infolgedessen mit der [X.] März 2007 negative [X.] an. Sie begründete dies damit, dass bisher die private Nutzung eines betrieblichen [X.]ahrzeugs durch [X.] nach der 1 %-Regelung versteuert worden sei, obwohl [X.] ein [X.]ahrtenbuch geführt habe, mit dem der Privatanteil ermittelt werden könne.

3

Die [X.]ahrtenbücher wiesen neben dem jeweiligen Datum zumeist Ortsangaben auf (z.B. "[X.] - ...straße - [X.]", "[X.] - ...straße - [X.]"), gelegentlich auch die Namen von Kunden (z.B. "[X.] - XY - [X.]", "[X.]irma - Z - [X.]") oder Angaben zum Zweck der [X.]ahrt (z.B. "[X.] - Tanken - [X.]"), außerdem den Kilometerstand des [X.]ahrzeugs nach Beendigung der [X.]ahrt und die jeweils gefahrenen Tageskilometer. Die Klägerin ergänzte im Einspruchsverfahren diese Angaben durch eine nachträglich erstellte Auflistung; Grundlage dafür war der von [X.] handschriftlich geführte Tageskalender. Die Auflistung enthielt das Datum, den Standort des [X.]ahrzeugs zu Beginn der [X.]ahrt (in aller Regel "[X.]irma", abgekürzt mit "[X.]"), den Kilometerstand zu Beginn der [X.]ahrt, den Grund der [X.]ahrt (z.B. "[X.]r. ... Problem Therme", "[X.]r. ... Problem [X.]", "[X.]"), den [X.]ahrer, das [X.]ahrtziel und eine Nr. zur Bezeichnung der am Ende der Liste näher bezeichneten [X.]ahrtrouten. Die [X.]ahrtziele stimmen mit den in dem [X.]ahrtenbuch ausgewiesenen Ortsangaben überein.

4

Der Beklagte und Revisionskläger (das [X.]inanzamt --[X.]A--) beurteilte das [X.]ahrtenbuch nicht als ordnungsgemäß i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und setzte die [X.] für die Monate März bis September 2007 durch den hier streitigen [X.]estsetzungsbescheid abweichend von der Anmeldung anderweitig, nämlich hinsichtlich der Dienstwagennutzung unter Anwendung der 1 %-Regelung fest.

5

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage war aus den in Entscheidungen der [X.]inanzgerichte 2010, 1306 veröffentlichten Gründen erfolgreich. Das [X.]inanzgericht ([X.]G) beurteilte das [X.]ahrtenbuch als ordnungsgemäß. Ein [X.]ahrtenbuch sei grundsätzlich dann anzuerkennen, wenn einerseits eine nachträgliche Manipulationsmöglichkeit hinsichtlich der gefahrenen Kilometer ausgeschlossen sei und andererseits die [X.]inanzbehörde die Angaben des [X.]ahrtenbuches ohne unzumutbaren Aufwand prüfen könne. Daran gemessen reiche das von der Klägerin vorgelegte [X.]ahrtenbuch in [X.]orm der Kombination aus handschriftlich in einem geschlossenen Buch eingetragenen Daten und zusätzlichen, per Computerdatei erstellten Erläuterungen noch aus, um den durch die Nutzung des betrieblichen [X.]ahrzeugs anzusetzenden geldwerten Vorteil individuell zu berechnen.

6

Das [X.]A rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts.

7

Das [X.]A beantragt,

das Urteil des [X.]G Berlin-Brandenburg vom 14. April 2010  12 K 12047/09 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

Die vom [X.]A an ein [X.]ahrtenbuch gestellten Anforderungen seien überzogen. Die Klägerin habe in zulässiger [X.]orm die angefahrenen Ziele eingetragen. Die betriebliche Veranlassung lasse sich durch Vergleich mit den Ausgangs- und Eingangsrechnungen problemlos und mit geringem Zeitaufwand plausibel nachvollziehen und zweifelsfrei überprüfen. Die aufgrund der Eintragungen im [X.]ahrtenbuch nachträglich erstellte Tabelle sollte dies lediglich ergänzen und verdeutlichen. Die vom [X.]A geforderten Angaben, nämlich Auftraggeber mit Namen und Anschrift, seien in den handelsüblichen [X.]ahrtenbüchern nicht vollständig unterzubringen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) unter Aufhebung der Vorentscheidung zur Abweisung der Klage.

1. Der geldwerte Vorteil für die private Nutzung eines vom Arbeitgeber auch für diese Zwecke überlassenen Dienstwagens ist der Höhe nach mit der 1 %-Regelung zu bewerten, sofern nicht das Verhältnis der privaten Fahrten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen wird (§ 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG).

Der gesetzlich nicht weiter bestimmte Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG ist durch die Rechtsprechung des [X.] ([X.]) dahingehend präzisiert, dass nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen. Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss zeitnah und in geschlossener Form geführt werden, um so nachträgliche Einfügungen oder Änderungen auszuschließen oder als solche erkennbar zu machen. Hierfür hat es neben dem Datum und den Fahrtzielen grundsätzlich auch den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner oder --wenn ein solcher nicht vorhanden ist-- den konkreten Gegenstand der dienstlichen Verrichtung aufzuführen. Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch genügen allenfalls dann, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind. Dementsprechend müssen die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten [X.] im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden. Grundsätzlich ist dabei jede einzelne berufliche Verwendung für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs aufzuzeichnen. Besteht allerdings eine einheitliche berufliche Reise aus mehreren Teilabschnitten, so können diese Abschnitte miteinander zu einer zusammenfassenden Eintragung verbunden werden. Dann genügt die Aufzeichnung des am Ende der gesamten Reise erreichten Gesamtkilometerstands, wenn zugleich die einzelnen Kunden oder Geschäftspartner im Fahrtenbuch in der zeitlichen Reihenfolge aufgeführt werden, in der sie aufgesucht worden sind. Wenn jedoch der berufliche Einsatz des Fahrzeugs zugunsten einer privaten Verwendung unterbrochen wird, stellt diese Nutzungsänderung wegen der damit verbundenen unterschiedlichen steuerlichen Rechtsfolgen einen Einschnitt dar, der im Fahrtenbuch durch Angabe des bei Abschluss der beruflichen Fahrt erreichten Kilometerstands zu dokumentieren ist (vgl. [X.]-Urteile vom 9. November 2005 [X.], [X.]E 211, 508, [X.], 408; vom 16. November 2005 [X.], [X.]E 211, 513, [X.], 410; vom 16. März 2006 [X.], [X.]E 212, 546, [X.], 625; vom 14. Dezember 2006 [X.]/04, [X.]/NV 2007, 691; vom 10. April 2008 [X.]/06, [X.]E 221, 39, [X.], 768).

2. Das [X.] ist bei seiner Entscheidung von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Beurteilung, ob das Fahrtenbuch ordnungsgemäß ist, obliegt zwar in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung des [X.] (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 221, 39, [X.], 768, m.w.N.). Bei Anlegung der vorgenannten Maßstäbe ist allerdings den von der Klägerin vorgelegten und durch die Aufzeichnungen ihres Geschäftsführers ergänzten Aufzeichnungen die Anerkennung als ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu versagen. Der geldwerte Vorteil aus der [X.] war daher --wie in den angegriffenen Festsetzungsbescheiden geschehen-- auf Grundlage der 1 %-Regelung anzusetzen und die Klage abzuweisen.

a) [X.] ist nicht ordnungsgemäß, weil die Fahrten darin nicht vollständig wiedergegeben sind. Nach den vorgenannten Rechtsgrundsätzen verlangt die vollständige Wiedergabe einer Fahrt grundsätzlich die Angabe des Ausgangspunktes und des [X.] der Fahrt. Soweit im Fahrtenbuch jeweils als Ausgangspunkt "F" als Kürzel für Firma, nämlich der Betriebssitz der Klägerin, angegeben ist, genügt dies zur Konkretisierung. Soweit allerdings als Endpunkt der Fahrt jeweils nur eine Straße bezeichnet ist, aber weder Hausnummer noch Name des dort besuchten Kunden oder Unternehmens angegeben ist, ist allein dadurch das Fahrtziel nicht hinreichend präzise bestimmt. Denn im Hinblick auf die Funktion des Fahrtenbuchs, nämlich eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der dort aufgezeichneten Fahrten zu bieten, bleibt eine solche ungenaue Angabe hinter dem Erforderlichen zurück. Diese sehr allgemein gehaltenen Angaben durch die Nennung allein der Straße gestatten es insbesondere nicht, die Aufzeichnungen mit vertretbarem Aufwand auf die materielle Richtigkeit hin zu überprüfen. So genügen nach der Rechtsprechung des Senats schon bloße Ortsangaben ohne weitere Benennung des aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartners nicht den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch. Dies gilt erst recht, wenn --wie im [X.] in den allermeisten Fällen nicht nur die Angaben zum aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner fehlen, sondern auch die Ortsangaben sich in der bloßen Nennung eines Straßennamens erschöpfen. Und im Streitfall hat das [X.] schließlich auch keine besonderen Umstände festgestellt, die es im konkreten Einzelfall gestatten würden, allein aus der bloßen Angabe der Straße auf das eigentliche Fahrtziel sicher zu schließen. Entsprechendes gilt, soweit hier im Fahrtenbuch keine Straßen, sondern lediglich Namen von Unternehmen, die in einer Vielzahl von Filialen im Stadtgebiet vertreten sind, genannt werden. Denn auch in diesem Fall lässt sich unter Hinzuziehung der angegebenen Gesamtkilometer für solche Fahrten das Fahrtziel nicht konkretisieren, sondern lediglich der Umkreis bestimmen, in dem der mögliche Kunde oder Geschäftspartner ansässig ist und hätte besucht werden können.

Zutreffend versteht das [X.] daher zwar die Rechtsprechung des Senats dahin, dass trotz kleinerer Mängel ein Fahrtenbuch ordnungsgemäß sein kann, wenn das Fahrtenbuch noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der dort getroffenen Angaben bietet und der Nachweis des zu versteuernden privaten Anteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist. Dem [X.] ist allerdings nicht darin zu folgen, dass diesen Voraussetzungen schon dann genügt ist, wenn eine nachträgliche Manipulation hinsichtlich der gefahrenen Kilometer deshalb ausgeschlossen ist, weil die Grundaufzeichnungen im handschriftlich geführten Fahrtenbuch insoweit zeitnah vorgenommen sind und keine Lücken aufweisen. Denn ein Fahrtenbuch gibt erst dann im gebotenen Umfang ohne die Möglichkeit nachträglicher Manipulation hinreichend Aufschluss über die Fahrten, wenn nicht nur die Anzahl der gefahrenen Kilometer in Form der zurückgelegten Strecke selbst, sondern auch die Anfangs- und Endpunkte der Fahrten hinreichend konkret benannt sind. Denn ohne diese Angaben ließe sich allenfalls die an den jeweiligen Tagen gefahrene Strecke ersehen und der Umkreis bestimmen, in dem sich das Fahrzeug aufgehalten haben könnte, ohne aber beurteilen zu können, welchem Zweck die jeweiligen Fahrten gedient haben. Daraus ergibt sich zugleich, dass entgegen der Auffassung des [X.] es nicht ausreicht, diese fehlenden Angaben nachträglich in einer eigenständigen Auflistung zusammenzustellen. Denn die für ein Fahrtenbuch essenziellen Angaben sind dort selbst zu machen und nicht in einer weiteren und nachträglich erstellten Auflistung. Daher ist es für den Streitfall insoweit auch unerheblich, dass diese nachträglich erstellte Auflistung auf dem vom Geschäftsführer geführten eigenen Tageskalender gründet.

b) Nach den Feststellungen des [X.] und dem dazu auch in Bezug genommenen Fahrtenbuch waren darin die Fahrten praktisch durchgängig in dieser vorstehend dargestellten Art und Weise wiedergegeben, so dass auch nicht davon gesprochen werden kann, dass das Fahrtenbuch lediglich kleinere Mängel aufweise und deshalb insgesamt dennoch ordnungsgemäß sei ([X.]-Urteil in [X.]E 221, 39, [X.], 768).

Meta

VI R 33/10

01.03.2012

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 14. April 2010, Az: 12 K 12047/09, Urteil

§ 8 Abs 2 S 2 EStG 2002, § 8 Abs 2 S 4 EStG 2002, § 6 Abs 1 Nr 4 S 2 EStG 2002, § 6 Abs 1 Nr 4 S 3 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.03.2012, Az. VI R 33/10 (REWIS RS 2012, 8634)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8634

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VI B 12/11

7 K 3429/16

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