Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2013, Az. V ZB 67/13

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2073

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 67/13
vom

10. Oktober 2013

in der Abschiebungshaftsache

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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Oktober 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, den Richter Dr.
Roth, die Richterinnen Dr.
Brückner und Weinland und den Richter Dr.
Kazele

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Vertrauensperson des Betroffenen wer-den der Beschluss des [X.] vom 28.
März 2013 und der Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 25. April 2013 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die Inhaftierung des Betroffenen vom 19.
Dezember 2012 bis zum 2. Januar 2013 rechtswidrig war.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Stadt [X.] auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:
I.
Der Betroffene, dessen Staatsangehörigkeit nicht feststeht, befand sich ab dem 2. November 2012 aufgrund einer Haftanordnung des Amtsgerichts in Abschiebungshaft. Am 19. Dezember 2012 hat die von ihm benannte [X.] beantragt, die Haft aufzuheben und festzustellen, dass die [X.]
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rung ab diesem Zeitpunkt rechtswidrig sei. Nach der am 2.
Januar 2013 erfolg-ten Entlassung des Betroffenen aus der Haft will seine Vertrauensperson fest-stellen lassen, dass die Inhaftierung vom 19. Dezember 2012 bis zum 2.
Januar
2013 rechtswidrig war. Der Antrag hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Vertrauensperson ihr Ziel weiter.

II.
Das Beschwerdegericht meint, die Inhaftierung sei rechtmäßig gewesen. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebungshaft hätten vorgele-gen. Der Betroffene sei aufgrund seiner unerlaubten Einreise vollziehbar aus-reisepflichtig gewesen, und es habe der begründete Verdacht bestanden, dass er sich der Abschiebung entziehen wolle. Die Zentrale Ausländerbehörde habe zwar schon am 21. Dezember 2012 erfahren, dass die algerische Staatsange-hörigkeit des Betroffenen unklar sei. Sie habe die beteiligte Behörde aber auf-grund des Jahreswechsels erst am 2. Januar 2013 hiervon unterrichten können.

III.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach Erledigung der Hauptsache analog §
62 FamFG ohne Zulassung statthaft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 29.
April
2010 -
V [X.], [X.] 2010, 359 Rn. 9 [X.]). Sie ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Beteiligte zu 2 beschwerdebefugt, weil der Betroffene ihn als Vertrauensperson benannt hat (§
429 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. §
418 Abs. 3 Nr. 2 FamFG). Er war, wie es gemäß §
429 Abs. 2 Nr. 2 FamFG 2
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erforderlich ist, bereits im ersten Rechtszug beteiligt, weil er den [X.] vor dem Amtsgericht gestellt hat.
2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
a) Die Haft hätte schon deshalb nicht aufrechterhalten werden dürfen, weil
es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.
aa) Ein Antrag auf Aufhebung der Haft (§
426 FamFG) kann zu jeder Zeit auf Mängel der Haftanordnung gestützt werden, auch wenn neue Umstände nicht eingetreten sind.
Die formelle Rechts[X.] der Haftanordnung hat
nur zur Folge, dass die Rechtswidrigkeit in dem Haftaufhebungsverfahren erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs des [X.] bei Gericht -
hier also wie beantragt ab dem 19. Dezember 2012 -
festgestellt werden kann (näher Senat, Beschluss vom 29. November 2012 -
V [X.], [X.] 2013, 157 Rn. 6 f.).
bb) Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. [X.] ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§
417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar [X.] die Ausführungen zur Begründung des [X.] knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte an-sprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte [X.] nicht angeordnet werden (st. Rspr., Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 -
V [X.],
[X.] 2012, 328
Rn. 10; vom 6.
Dezember 2012 -
V [X.], juris Rn. 4; vom 31. Januar 2013 -
V [X.], [X.] 2013, 130 Rn. 15, jeweils [X.]).
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cc) Zu den gemäß §
417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG darzulegenden [X.] gehört die nach §
59 [X.] erforderliche Ab-schiebungsandrohung. Fehlt es an einer für die Vollstreckung der Abschiebung notwendigen Voraussetzung, darf auch eine [X.] Gesetzes (§
58 Abs. 2 Satz 1 [X.]) vollziehbare Ausreisepflicht nicht ohne weiteres durchgesetzt wer-den. Eine bestehende Fluchtgefahr berechtigt die Behörde zwar dazu, von einer Fristsetzung für die freiwillige Ausreise abzusehen (§
59 Abs.
1 Satz
2
[X.]), macht die Abschiebungsandrohung aber nicht entbehrlich. Der Haftantrag muss daher entweder Ausführungen zu einer Abschiebungsandro-hung enthalten oder dazu, dass es einer solchen ausnahmsweise nicht bedurfte (z.B. nach §
59 Abs.
1 Satz 3 [X.] oder nach §
34a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG; eingehend zum Ganzen Senat, Beschluss vom 16. Mai 2013 -
V [X.],
[X.] 2013, 349 Rn. 9
ff. [X.]). Darüber hinaus muss der Antrag ausrei-chende Angaben zu der Erforderlichkeit der beantragten Haftdauer enthalten

417 Abs.
2 Satz
2 Nr.
4 FamFG). Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind. Erforderlich sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine [X.], in
welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen [X.] durchlaufen werden können (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 16.
Mai 2013 -
V [X.], [X.] 2013, 349 [X.] [X.]).
dd) Daran gemessen war der Haftantrag unzureichend. Angaben zu der Abschiebungsandrohung enthielt er nicht; die Behörde verwies nur darauf, dass der Betroffene unerlaubt eingereist sei. Auch hinsichtlich der Erforderlichkeit der beantragten Haftdauer fehlt es an einer ausreichenden Begründung. Die Mittei-lung, nach
Auskunft der zuständigen [X.] sei die Ab-schiebung eines algerischen Staatsangehörigen innerhalb von drei Monaten lässt zudem unberücksichtigt, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu 8
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beschränken ist und die Frist von drei Monaten die obere Grenze der möglichen Haft und nicht deren Normaldauer bestimmt (§
62 Abs. 1 Satz 2 [X.]; nä-her Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 -
V [X.], [X.] 2012, 225 Rn.
10).
ee) Eine Heilung des Mangels -
die mit Wirkung für die Zukunft möglich gewesen wäre -
ist im weiteren Verfahren nicht erfolgt.
b) Die Haftanordnung war ferner rechtswidrig, weil das Amtsgericht -
wie die Rechtsbeschwerde zutreffend hervorhebt
-
die gemäß §
26 FamFG erfor-derliche Prognose hinsichtlich der Durchführbarkeit der Abschiebung nicht ge-troffen, sondern lediglich die unzureichende Begründung aus dem Haftantrag wiederholt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Mai 2011 -
V [X.], [X.]
2011, 201 Rn.
8
ff.
[X.]).
c) Wenn im Übrigen -
wie es das Beschwerdegericht annimmt -
die Zent-rale Ausländerbehörde bereits am 21. Dezember 2012 Kenntnis davon gehabt haben sollte, dass eine Abschiebung nach [X.] nicht (mehr) gelingen konn-te, wäre der Betroffene sofort zu entlassen gewesen. Keinesfalls kann allein die verzögerte Weitergabe behördlicher Informationen die Aufrechterhaltung von [X.] rechtfertigen (vgl. §
62 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

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IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
81 Abs. 1 Satz 1 und 2, §
83 Abs.
2, §
430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 [X.] analog. Die Festsetzung des [X.] folgt aus §
128c Abs. 2 KostO i.V.m. §
30 Abs. 2 KostO.
Stresemann
Roth
Brückner

Weinland
Kazele

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.03.2013 -
65 XIV 30/12 B -

LG Mönchengladbach, Entscheidung vom 25.04.2013 -
5 T 93/13 -

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Meta

V ZB 67/13

10.10.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2013, Az. V ZB 67/13 (REWIS RS 2013, 2073)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2073

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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