Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.05.2023, Az. 1 StR 77/23

1. Strafsenat | REWIS RS 2023, 2969

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Gegenstand

Einziehung des Wertes von Taterträgen in Form ersparter Aufwendungen bei nicht abgeführter Umsatzsteuer


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. Juli 2022 im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin geändert, dass diese in Höhe von 211.101 Euro angeordnet ist; die darüberhinausgehende Einziehungsanordnung entfällt.

Die Gebühr für das Revisionsverfahren betreffend die Einziehung entfällt. Die Staatskasse hat die entstandenen Auslagen und die insoweit notwendigen Auslagen des Angeklagten, die die Einziehung betreffen, zu tragen.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die weiteren Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die „Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 2.575.862,43 Euro“ angeordnet. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf eine Verfahrensbeanstandung und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Sein Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. [X.] bleibt aus den zutreffend in der Antragsschrift des [X.] ausgeführten Gründen der Erfolg versagt.

3

2. Die materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils hat im Schuld- und Strafausspruch keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Jedoch hält die Entscheidung über die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen rechtlicher Nachprüfung weitgehend nicht stand. Im Einzelnen:

4

a) Der Angeklagte war im Tatzeitraum (1. Januar 2017 bis 30. September 2020) faktischer Geschäftsführer von sechs sogenannten „Servicefirmen“. Alleiniger tatsächlicher Geschäftszweck dieser Unternehmen war die Erstellung von Scheinrechnungen für nicht erbrachte [X.] zur Ermöglichung von [X.] durch die jeweiligen [X.]. Der Angeklagte wies in den Scheinrechnungen – nicht abgeführte – Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 2.364.761,43 Euro aus. Für die „Servicefirmen“ gab er entgegen seiner Verpflichtung aus § 18 UStG, § 35 AO weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch Umsatzsteuerjahreserklärungen ab. Er verkürzte so Steuern in Höhe von insgesamt 2.364.761,43 Euro.

5

In seiner Einkommensteuererklärung für das [X.] erklärte der Angeklagte verdeckte Gewinnentnahmen in Höhe von 68.560,98 Euro nicht; für die Veranlagungszeiträume 2018 und 2019 gab er entgegen seiner Verpflichtung aus § 25 Abs. 3 EStG keine Einkommensteuererklärungen ab, obgleich er verdeckte Gewinnentnahmen in Höhe von 501.184,95 Euro (2018) und 274.661,77 Euro (2019) bezogen hatte. Er verkürzte so Steuern in Höhe von insgesamt 211.101 Euro.

6

b) Während die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe der ersparten Einkommensteuer keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet, erweist sich die der nicht abgeführten Umsatzsteuer als rechtsfehlerhaft.

7

Zwar kann bei dem Delikt der Steuerhinterziehung die verkürzte Steuer „erlangtes Etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter die Aufwendungen für die jeweiligen Steuern erspart. Jedoch muss sich der Steuervorteil im Vermögen des [X.] auch widerspiegeln; denn nur dann hat er durch die ersparten (steuerlichen) Aufwendungen wirtschaftlich etwas erlangt (st. Rspr.; [X.], Urteil vom 11. Juli 2019 – 1 [X.], [X.]St 64, 146 Rn. 19; Beschluss vom 5. Juni 2019 – 1 [X.], [X.]R StGB § 73c Satz 1 Erlangtes 1 Rn. 10 mwN). In Fällen, in denen die geschuldete Umsatzsteuer – wie vorliegend – nicht aus einer Lieferung oder sonstigen Leistung resultiert, sondern ein unberechtigter Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG ohne zugrundeliegende Leistung vorliegt, ist dies mit Blick auf die Sonderstellung des § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG im Steuersystem nicht der Fall, weshalb eine Einziehung des Wertes von Taterträgen in Form ersparter Aufwendungen hier nicht in Betracht kommt ([X.], Beschlüsse vom 5. Juni 2019 – 1 [X.], [X.]R StGB § 73c Satz 1 Erlangtes 1 Rn. 10 f.; vom 25. März 2022 – 1 StR 28/21, [X.]R StGB § 73c Satz 1 Erlangtes 6 Rn. 7 ff. und vom 8. März 2023 – 1 StR 22/23 Rn. 7).

8

c) Der Senat ändert die Einziehungsentscheidung in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst entsprechend ab.

9

3. [X.] beruht auf § 473 Abs. 4 StPO, § 465 Abs. 2 StPO analog. Mit Blick darauf, dass die Revision des Angeklagten hinsichtlich der gegen ihn angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen im Wesentlichen erfolgreich war, wäre es unbillig, ihn mit den gesamten Kosten des Rechtsmittels zu belasten; entsprechendes gilt bezüglich der insoweit in der ersten Instanz angefallenen Kosten und Auslagen (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Oktober 2021 – 1 [X.] Rn. 10 ff.).

Jäger     

  

Bellay     

  

Wimmer

  

Leplow     

  

Munk     

  

Meta

1 StR 77/23

02.05.2023

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankfurt, 18. Juli 2022, Az: 5-28 KLs 8/22

§ 35 AO, § 370 Abs 1 Nr 2 AO, § 73 Abs 1 StGB, § 73c StGB, § 14c Abs 2 S 2 UStG, § 18 UStG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.05.2023, Az. 1 StR 77/23 (REWIS RS 2023, 2969)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2969

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