Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2017, Az. IX ZB 5/17

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 4923

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:210917BIXZB5.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

IX ZB 5/17
vom

21. September
2017

in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung

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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], [X.] Dr. Gehrlein, [X.],
die Richterin Möhring
und den
Richter Dr. Schoppmeyer

am 21. September 2017
beschlossen:

[X.] gegen den Beschluss des
25.
Zivilsenats des [X.] vom 3.
Januar 2017 wird auf Kos-ten der Antragsgegnerin mit der Maßgabe
als unzulässig verwor-fen, dass die bis zum 22.
Dezember 2014 zu zahlenden Zinsen in Höhe von 13
v.H.
bereits seit dem 1.
Juni 2011 zu leisten
sind.

Der Wert des [X.] wird auf 6.911

festge-setzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Vollstreckbarerklärung eines [X.] Zahlungsurteils. Auf seine Klage erließ das [X.] in [X.] einen Mahnbescheid, gegen den die Antragsgegnerin nach Zustellung von Klage und Mahnbescheid Widerspruch einlegte
und diesen begründete. Das Gericht ver-anlasste die Zustellung der Ladung zum Termin mittels Einschreiben mit Rück-schein. Der Briefumschlag wurde ausweislich einer Empfangsbestätigung der Polnischen
Post AG nicht abgeholt
und
ungeöffnet dem Gericht zurückgesandt. In der mündlichen Verhandlung vom 28.
Juni 2012 war die Antragsgegnerin 1
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weder erschienen noch vertreten. Am gleichen Tag verurteilte das Gericht die Antragsgegnerin zur Zahlung von 26.000 [X.] nebst gesetzlicher
Zinsen seit dem 1.
Juni 2011 sowie zur Rückerstattung von Prozesskosten in Höhe von 3.913,14
[X.]
an den Antragsteller. Am 31.
August 2012 erteilte das Gericht
die Vollstreckungsklausel
für das Urteil.

Der Antragsteller hat die Vollstreckbarerklärung des Urteils in [X.] nach der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.
Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstre-ckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen (fortan: [X.] aF)
beantragt und hierzu
beglaubigte und übersetzte Abschriften des Urteils, des Beschlusses vom 31.
August 2012 und der Bescheinigung nach Art.
54
[X.] aF vorgelegt. Der Vorsitzende einer Zivilkammer des
Landgerichts
hat dem Antrag stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der [X.] hat das [X.] mit Maßgaben zur Höhe der Zinsen zu-rückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde wendet sich die Antragsgegnerin weiter gegen die Vollstreckbarerklärung.

II.

[X.] ist gemäß Art.
44 [X.] aF, §
15 Abs.
1 [X.], §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO statthaft.
Sie ist
jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO nicht erfüllt sind. Eine Entschei-dung des [X.] ist weder zur Sicherung einer einheitli-chen Rechtsprechung noch wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Rechts-fortbildung erforderlich.

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1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt:

Die Unkenntnis der Antragsgegnerin von [X.] und Urteil könne zwar einen Verstoß gegen den [X.] nach Art.
34 Nr. 1 [X.] aF begründen. Allerdings liege im Streitfall ein sol-cher Verstoß nicht vor. Das [X.] habe die Ladung in Übereinstim-mung mit Art.
14 der Verordnung ([X.]) Nr. 1393/2007 des [X.] und des Rates vom 13.
November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil-
oder Handelssachen in den Mit-gliedstaaten ([X.]. 2007 Nr.
L 324/79; fortan [X.])
mittels Einschreiben gegen Rückschein übersandt. Ob der Nachweis der Zustellung nur durch unter-zeichneten Rückschein oder -
wie
im Streitfall
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auch über die Dokumentation der Nichtabholung geführt werden könne, sei von der Verordnung nicht geregelt und durch das [X.] zu entscheiden. Etwaige Rechtsanwendungs-fehler des [X.]s könnten wegen Art.
45 Abs.
2 [X.] aF nicht zur Ablehnung der Vollstreckbarerklärung führen. Wenn die Antragsgegnerin behaupte, ihr sei das Urteil nicht zugestellt worden, komme zwar eine Zustel-lung durch Einlegen in die Gerichtsakte nach Art.
1135 §
2 des [X.] [X.] in Betracht, was gegen den [X.] verstoßen könne. Indes habe die Antragsgegnerin trotz gerichtlichen Hinweises zu den Umständen der Zustellung nicht vorgetragen.

Die Vollstreckbarerklärung könne auch nicht deshalb nach Art.
34 Nr.
1 [X.] aF versagt werden, weil das [X.] Urteil keine Begründung ent-halte. Streitige
Urteile bedürften nach [X.]m Recht nur unter besonderen Umständen einer Begründung. Würden sie nicht angefochten, ermögliche Art.
328 [X.] ein weniger aufwändiges Verfahren. Die Rechte eines Beklagten würden nicht tangiert, wenn ihm wie auch einem Dritten der Gegenstand der 4
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Verurteilung erkennbar sei. Diese Kenntnis könne wie im Streitfall auch durch die Zustellung der Klageschrift im Ursprungsverfahren und die Vorlage im [X.] durch den Antragsteller vermittelt werden.

2. [X.] zeigt keinen [X.] auf.

a) Insbesondere wurde der Anspruch der Antragsgegnerin auf [X.] Gehör gemäß Art.
103 Abs.
1 GG gewahrt. Das Beschwerdegericht hat das als übergangen gerügte Vorbringen der Antragsgegnerin, ihr sei die Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht ausgehändigt
worden, vielmehr sei der Briefumschlag mit der Ladung ungeöffnet und ohne Unterzeichnung des
Rück-scheins zurückgegangen, ausweislich der Gründe zur Kenntnis genommen. Gleiches gilt für ihren Vortrag, sie verfüge über keinen Briefkasten, sie habe nach dem Widerspruch vom [X.] Gericht nichts mehr gehört
und das Urteil erstmals im Vollstreckbarerklärungsverfahren erhalten. Das Beschwerde-gericht hat, ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt, diesen Umständen nur eine andere Bedeutung beigemessen. Das verstößt nicht gegen Art.
103 Abs.
1 GG. Weiteren Vortrag der Antragsgegnerin
auf den Hinweis des [X.], auf welche Art und Weise die Zustellung des Urteils erfolgt sein soll, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf.

b) Das Beschwerdegericht hat seiner
Prüfung
zum Anerkennungsversa-gungsgrund des Art.
34 Nr.
1 [X.] aF den zutreffenden rechtlichen Maß-stab zugrunde
gelegt. Die Voraussetzungen für einen [X.] sind nicht erfüllt.

aa) Die Anerkennung der ausländischen Entscheidung kann nicht schon dann wegen eines offensichtlichen Widerspruchs zur öffentlichen Ordnung des 7
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Vollstreckungsstaats (ordre public)
versagt werden, wenn die Entscheidung in einem Verfahren erlassen wurde, das von zwingenden Vorschriften des deut-schen Prozessrechts abweicht. Der
Versagungsgrund ist vielmehr nur dann gegeben, wenn die Entscheidung des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das sich von den Grundprinzipien des [X.] Ver-fahrensrechts in einem solchen Maße entfernt, dass nach der [X.] Rechtsordnung das Urteil nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Ver-fahren ergangen angesehen werden kann ([X.], Beschluss vom 26.
August 2009 -
XII
ZB 169/07, [X.]Z 182, 188 Rn. 25 mwN; vom 10.
September 2015
-
IX
ZB 39/13, [X.], 574 Rn. 12).

bb) Die fehlerhafte Anwendung von [X.] im Einzelfall erfüllt diese Voraussetzung nicht. Deshalb sind die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachten Fragen zum Nachweis einer wirksamen Zustellung der La-dung mittels Einschreiben mit Rückschein nach Art.
14 [X.] nicht ent-scheidungserheblich. Das Verfahrensgrundrecht des rechtlichen Gehörs er-streckt sich nicht auf eine bestimmte verfahrensrechtliche Ausgestaltung, etwa die Ladung zum Verhandlungstermin ([X.], Urteil vom 4.
Juni 1992 -
IX
ZR 149/91, [X.]Z 118, 312, 321; Beschluss vom 6.
Oktober 2005 -
IX
ZB 360/02, [X.], 701 Rn.
17).
Im Übrigen hat der [X.] die Anfor-derungen geklärt, die an eine wirksame Zustellung gegen Einschreiben mit Rückschein oder einen gleichwertigen Beleg im Sinne des Art.
14 [X.] zu stellen sind ([X.], Urteil vom 2.
März 2017 -
C-354/15, [X.] / [X.], [X.] 2017, 344 Rn.
70 ff).

cc) Die Würdigung des [X.], das Fehlen der [X.] verstoße im Streitfall nicht gegen den [X.] verfahrensrechtli-chen ordre public, erfüllt keinen [X.]. Das Beschwerdegericht 11
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geht von dem zutreffenden rechtlichen Maßstab des [X.] aus (vgl. [X.], Urteil vom 6.
September 2012 -
C-619/10, [X.] / [X.], [X.] 2012, 912 Rn.
52 ff; [X.], Beschluss vom 10.
September 2015, aaO Rn. 23). Soweit es das Grundrecht der Antragsgegnerin auf ein fai-res Verfahren im Streitfall gleichwohl als nicht beeinträchtigt angesehen hat, weil sich der Sachverhalt der zugestellten und auch im Vollstreckbarerklärungs-verfahren vorgelegten Klageschrift entnehmen lasse, ist diese tatrichterliche Würdigung zulassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere besteht die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Divergenz
zum Beschluss des [X.] vom 10.
September 2015 (aaO) nicht. Danach steht die fehlende Begründung des ausländischen Urteils einer Vollstreckbarerklärung in [X.] dann entgegen, wenn das Urteil weder allein noch zusammen mit anderen vorgelegten Urkunden den zugrunde liegenden Sachverhalt erkennen lässt
(aaO Rn. 28). Einen hiervon abweichenden Obersatz hat das Beschwer-degericht nicht aufgestellt. Das gilt auch, soweit es die Kenntnis der Klageschrift für ausreichend hält
(vgl. [X.], aaO Rn.
27).

dd) Auch die unterlassene Zustellung des Urteils durch das [X.] stellt für sich genommen keinen Verstoß gegen den [X.] verfah-rensrechtlichen ordre public
dar. Bereits aus Art.
42 Abs. 2 [X.] aF ergibt sich, dass eine vorherige Zustellung der ausländischen Entscheidung keine Vo-raussetzung für eine Vollstreckbarerklärung ist. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Anforderungen an die Darlegung eines Verstoßes gegen Zustel-lungsvorschriften durch den Beschwerdeführer zu stellen sind. Die gerügte Obersatzabweichung zum Beschluss vom 10.
September 2015 (aaO) liegt nicht vor.
Im Einklang mit dieser Entscheidung ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die einen [X.] Tatsachen vom Antragsgegner vorzutragen sind und eine nach Art.
1135 §
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[X.] vorgenommene Zustellung gegen den verfahrensrechtlichen ordre public verstößt.

3. Der Ausspruch des [X.]
war
richtig zu stellen, weil das [X.] Urteil eine Verzinsung der Hauptforderung bereits seit dem 1.
Juni 2011 vorsieht (§
319 Abs.
1 ZPO).

Kayser
Gehrlein
[X.]

Möhring
Schoppmeyer
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.07.2014 -
11 [X.]/14 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 03.01.2017 -
I-25 W 296/14 -

14

Meta

IX ZB 5/17

21.09.2017

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2017, Az. IX ZB 5/17 (REWIS RS 2017, 4923)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4923

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IX ZB 5/17

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