Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.03.2012, Az. I ZR 22/11

1. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7786

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Gegenstand

Wettbewerbswidrige Herkunftstäuschung: Schutzfähigkeit einer Sachgesamtheit bestehend aus einem Erzeugnis und den mit ihm funktional zusammenhängenden Zubehörteilen


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.], 5. Zivilsenat, vom 19. Januar 2011 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Widerklage mit den [X.], [X.] und [X.][X.] (Ziffer [X.], [X.][X.] und [X.][X.][X.] des Tenors des landgerichtlichen Urteils) abgewiesen hat.

[X.]m Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte und Widerklägerin (im Folgenden: Widerklägerin) nimmt die Kläger und [X.]n (im Folgenden: [X.]) aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz in Anspruch.

2

Die Widerklägerin vertreibt seit 1996 ein aus mehreren Teilen bestehendes Sandkastenspielzeug. Dazu gehört ein Holzrahmen mit einem Boden aus Glas (Sandwanne), vier Holzfüße, ein hölzerner Glätter, zwei hölzerne Rechen, eine Packung Sand und ein Wischer aus Kunststoff. Die aktuelle Gestaltung des Spielzeugs ist aus den nachfolgenden Abbildungen ersichtlich:

Abbildung

Abbildung

3

Das Sandkastenspielzeug ermöglicht es, den auf den Glasboden geschütteten feinen Sand mit dem hölzernen Glätter zu planieren und sodann mit den mit rechteckigen und dreieckigen Zacken ausgestatteten Rechen oder mit den Fingern Muster zu gestalten. Zugunsten der Widerklägerin war für das Spiel "Sandwanne mit Sandschieber (Glätter) und Sandrechen" bis zum Ablauf der Schutzfrist am 28. Februar 2006 ein Gebrauchsmuster ([X.]) eingetragen.

4

Die Widerklägerin bot die "[X.]" in ihrem Katalog und über ihren Internetauftritt als ein Set an, bestehend aus der Sandwanne, einer Packung Sand, dem hölzernen Glätter und zwei hölzernen Rechen. Zusätzlich bestellbar war  im Katalog nach mehrmaligem Umblättern  ein Set "Zubehör für die große Sandwanne", das neben anderen Teilen die aus der Abbildung ersichtlichen Holzfüße und den Wischer aus Kunststoff enthielt. Eine Abbildung der Sandwanne zusammen mit montierten oder abmontierten Holzfüßen fand sich im Katalog der Widerklägerin ebenso wie in ihrem Internetangebot nur bei der Beschreibung dieses Zubehörsets.

5

Die [X.] zu 1, deren Geschäftsführer der [X.] zu 2 ist, vertrieb gleichfalls Sandwannen mit Zubehör, die wie nachfolgend abgebildet gestaltet waren:

Abbildung

6

Die Widerklägerin sieht darin eine Rechtsverletzung. Sie hat die [X.]n im Wege der Widerklage auf Unterlassung des Vertriebs des wie vorstehend abgebildet gestalteten Sandwannensets sowie auf Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Herausgabe von [X.] an einen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung in Anspruch genommen. Die zuvor von den [X.]n erhobene negative Feststellungsklage haben die Parteien nach Erhebung der Widerklage übereinstimmend für erledigt erklärt.

7

Das [X.] hat die [X.]n zur Unterlassung und Auskunftserteilung verurteilt, die Schadensersatzpflicht festgestellt und die Klage im Hinblick auf den Antrag auf Herausgabe zum Zwecke der Vernichtung abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der [X.]n die Klage abgewiesen und die gegen die Abweisung des [X.] gerichtete Anschlussberufung der Widerklägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Widerklägerin ihre Anträge auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Herausgabe von [X.] zum Zwecke der Vernichtung weiter. Die [X.]n beantragen die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

8

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klage sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz, begründet. Es hat im Wesentlichen auf die Gründe eines zwischen denselben Parteien ergangenen Urteils (Urteil vom 19. Januar 2001 - 5 U 70/08) Bezug genommen. Dort hat das Berufungsgericht ausgeführt:

9

Die Voraussetzungen eines lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes seien nicht gegeben. Die Widerbeklagten hätten zwar eingeräumt, die durch das abgelaufene Gebrauchsmuster geschützte Gestaltung der [X.] nachgebaut zu haben. Die [X.]n in den von den Widerbeklagten vertriebenen Sets seien auch von den [X.]n der Widerklägerin kaum zu unterscheiden, so dass eine fast identische Leistungsübernahme vorliege. Die nachgeahmten Teile der [X.]n wiesen aber nicht das für einen Anspruch aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz erforderliche Maß an wettbewerblicher Eigenart auf.

Die Widerklägerin habe schon nicht hinreichend dargelegt, dass es sich bei der zum Gegenstand des Klagebegehrens gemachten Sachgesamtheit um eine solche handele, die als ein Gesamtprodukt wettbewerbliche Eigenart aufweise. Eine von der Widerklägerin als geschütztes Objekt geltend gemachte Zusammenstellung sei im Angebot der Widerklägerin nicht zu finden.

Selbst wenn man zugunsten der Widerklägerin unterstelle, dass der Verkehr gerade die geltend gemachte Sachgesamtheit als ein Gesamtprodukt ansehe, fehle es diesem an einer hinreichenden wettbewerblichen Eigenart. Die äußeren Gestaltungsmerkmale der [X.]n der Widerklägerin seien zum überwiegenden Teil durch deren Gebrauchsmöglichkeiten bedingt oder wenigstens mitbedingt, da sie der technischen Funktionalität der [X.]n als Spielzeug dienten. Zwar bestehe hinsichtlich der Proportionen der [X.], der [X.] und der Holzfüße ein gewisser Gestaltungsspielraum, den die Widerbeklagten hätten ausnützen können, um auch ohne Einbuße an Qualität und Funktionalität eine deutliche Unterscheidbarkeit ihrer [X.]n von denen der Widerklägerin zu bewirken. Auch hätten die [X.] auf den Holzfüßen nicht in (nahezu) identischer Weise ausgeführt werden müssen. Es sei aber weder ersichtlich noch dargelegt, dass der Verkehr gerade wegen dieser Gestaltungsmerkmale Wert auf die Herkunft der Erzeugnisse aus einem bestimmten Betrieb lege oder damit gewisse Qualitätserwartungen verbinde. Vielmehr spreche der äußerst simple Charakter dieser Merkmale gegen eine solche Vorstellung des Verkehrs. Dies gelte umso mehr, als es sich bei den [X.]n beider Parteien um Produkte handele, die im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet seien, dass sie eine gestalterische und praktische Grundidee umsetzten. [X.] komme allenfalls eine geringe wettbewerbliche Eigenart zu. Das [X.]nset stelle sich als quasi nächstliegende und einfachste Umsetzung der Idee im Sinne eines [X.]s dar, [X.]n als Spielzeug herzustellen.

Dem stehe nicht entgegen, dass es jahrelang keine Produkte am Markt gegeben habe, die den [X.]n der Widerklägerin auch nur entfernt ähnlich gewesen seien. Auch folge ein Schutz nicht aus dem von der Widerklägerin vorgetragenen Marktanteil von 70% und den Umsatzzahlen im unteren sechsstelligen Bereich. Zwar könnten diese Daten  ihre Richtigkeit unterstellt  auf eine erhebliche Präsenz der Produkte der Widerklägerin am Markt der [X.]nspiele hinweisen, die für einen Zeitraum von über zehn Jahren einer Monopolstellung nahegekommen sein möge. Eine solche Verkehrsbekanntheit könne jedoch eine wettbewerbliche Eigenart nicht ersetzen, sondern allenfalls eine  im Streitfall nicht  vorhandene wettbewerbliche Eigenart steigern. Zudem reiche es für die Annahme einer wettbewerblichen Eigenart nicht aus, wenn die Bekanntheit sich lediglich auf die Widerklägerin als (jahrelang einzige) Vermarkterin der Idee von [X.]n als Spielzeug, nicht jedoch auf die konkrete Gestaltung ihrer Wannen bezöge.

Ergänzend hat das Berufungsgericht ausgeführt, diese Gründe würden im vorliegenden Fall nicht nur entsprechend, sondern erst recht gelten. Denn im Streitfall greife die Widerklägerin eine Ausführung der [X.]n der Widerbeklagten an, deren pyramidenförmige Plastikfüße einen vollständig anderen Gesamteindruck aufwiesen als die im Parallelverfahren zu beurteilenden Holzfüße. Die Widerbeklagten hätten hier ein Gestaltungsmerkmal nicht übernommen, welches die Widerklägerin im Parallelverfahren als durchaus prägend angesehen habe. Damit spreche im Streitfall noch weniger als im Parallelverfahren dafür, den übernommenen [X.] wettbewerbliche Eigenart zuzuschreiben.

B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Widerklägerin hat - soweit die Widerklägerin die Aufhebung des Berufungsurteils begehrt - überwiegend Erfolg. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht die auf ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gestützten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht verneint hat, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Dagegen bleibt die Revision der Widerklägerin erfolglos, soweit sie sich gegen die Zurückweisung ihrer Anschlussberufung richtet, mit der sie die Abweisung des [X.] durch das [X.] angegriffen hatte. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuweisen.

I. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht die auf ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gestützten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht verneint hat, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Für die rechtliche Beurteilung des der Widerbeklagten vorgeworfenen Verhaltens ist die am 30. Dezember 2008 in [X.] getretene Gesetzesänderung durch das erste Gesetz zur Änderung des [X.] vom 22. Dezember 2008 ([X.] I S. 2949) im Streitfall ohne Bedeutung, so dass hinsichtlich der maßgebenden Rechtsgrundlagen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes im Sinne von § 4 Nr. 9 [X.] nicht zwischen altem und neuem Recht unterschieden werden muss. Ferner steht die durch die Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken bezweckte vollständige Harmonisierung des Rechts der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken einer Anwendung des § 4 Nr. 9 [X.] nicht entgegen, weil diese Vorschrift außerhalb des [X.] der Richtlinie liegt und deshalb von dieser unberührt bleibt (vgl. zum Ganzen [X.], Urteil vom 28. Mai 2009 - I ZR 124/06, [X.], 80 Rn. 15 bis 17 = [X.], 94  LIKEaBIKE, mwN).

2. Wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers darstellen, handelt nach § 4 Nr. 9 Buchst. a [X.] unlauter, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Durch die Bestimmung des § 4 Nr. 9 [X.] 2004 ist der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz lediglich gesetzlich geregelt, nicht aber inhaltlich geändert worden, so dass die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze weiterhin gelten. Danach kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die [X.]widrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur [X.] [X.], 80 Rn. 19 ff.  LIKEaBIKE, mwN).

Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Mit der von ihm gegebenen Begründung kann jedoch nicht verneint werden, dass das der Klage zugrundeliegende [X.]nset als ein tauglicher Gegenstand des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes in Betracht kommt (dazu unter 3). Außerdem ist die vom Berufungsgericht gegebene Hilfsbegründung nicht frei von [X.] (dazu unter 4).

3. Die Revision rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht das von der Widerklägerin der Klage zugrundegelegte Set, bestehend aus einer hölzernen [X.] mit Glasboden, vier Holzfüßen, einem hölzernen Glätter, zwei hölzernen Rechen, einer Packung Sand und einem [X.] aus Kunststoff, nicht als im Sinne des § 4 Nr. 9 Buchst. a [X.] schutzfähige Sachgesamtheit angesehen hat.

a) Der Begriff der Waren und Dienstleistungen im Sinne von § 4 Nr. 9 [X.] ist weit auszulegen. Gegenstand des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes können Leistungs- und Arbeitsergebnisse aller Art sein ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 30. Aufl., § 4 Rn. 9.21). Maßgebend ist, ob dem Erzeugnis wettbewerbliche Eigenart zukommt, ob also seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 15. April 2010 -  [X.], [X.], 1125 Rn. 21 = [X.], 1465  Femur-Teil, mwN). Daraus ergibt sich, dass bei der Beurteilung der Frage nach dem Gegenstand des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes von der Verkehrsauffassung auszugehen ist. Von ihr hängt es ab, ob nur ein vollständiges Produkt oder auch Teile dieses Produkts geschützte Erzeugnisse sein können (vgl. Sambuc in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 4 Nr. 9 Rn. 23). Ebenso bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung, ob eine Gesamtheit von Erzeugnissen Schutz genießt, weil ihr als solche wettbewerbliche Eigenart zukommt. Dies kommt insbesondere im Hinblick auf Produkte und die mit ihnen funktional zusammenhängenden Zubehörstücken in Betracht. So kann nach der Rechtsprechung des Senats eine aus Puppen und für eine bestimmte Spielsituation passendem Zubehör bestehende Ausstattung wettbewerbsrechtlichen Schutz genießen ([X.], Urteil vom 28. Oktober 2004 - I ZR 326/01, [X.], 166, 168 = [X.], 88  [X.]). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Idee, für eine bestimmte Spielsituation ein Produkt mit dem entsprechenden Zubehör herzustellen und zu vertreiben, im Interesse der Freiheit des [X.] grundsätzlich keinen Schutz genießen kann. Als herkunftshinweisend kann jedoch die besondere Gestaltung oder eine besondere Kombination der Merkmale angesehen werden ([X.], [X.], 166, 169  Puppenausstattung).

b) Das Berufungsgericht hat angenommen, eine wettbewerbliche Eigenart der als Schutzgegenstand geltend gemachten Sachgesamtheit fehle bereits deshalb, weil eine solche Zusammenstellung im Angebot der Widerklägerin nicht zu finden sei. Es sei unklar geblieben, weshalb gerade der von der Widerklägerin der Klage zugrundegelegten Zusammenstellung von Produkten wettbewerbliche Eigenart zukommen solle. Weder werde gerade diese Zusammenstellung an irgendeiner Stelle im Angebot der Widerklägerin beworben noch ergebe sich aus der inhaltlichen Logik der Benutzung der [X.] eine besonders enge Verknüpfung, die diese Zusammenstellung in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise als Sachgesamtheit erscheinen ließe. Das Angebot der Widerklägerin spreche eher dafür, dass das Ausgangspaket "[X.]" mit den dazu angebotenen Zubehörsätzen beliebig kombinierbar sei, so dass es eher fernliege, dass die angesprochenen Verkehrskreise gerade in der geltend gemachten Kombination eine Gesamtheit sähen. Diese Beurteilung wird durch die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und die Lebenserfahrung nicht getragen.

Für die Frage, ob der angesprochene Verkehr der von der Widerklägerin geltend gemachten Zusammenstellung der [X.] nebst Zubehör herkunftshinweisende Bedeutung zumisst, ist es nicht erforderlich, dass diese konkrete Zusammenstellung im Katalog oder Internetauftritt der Widerklägerin auch gemeinsam abgebildet ist. Maßgebend ist vielmehr, dass der Verkehr aus dem Marktauftritt der Widerklägerin sowohl die konkrete Formgestaltung der einzelnen Produkte als auch die Zweckbestimmung erkennt, dass diese so gestalteten Produkte im Rahmen eines inhaltlichen Konzepts in ihrer Gesamtheit funktional zusammenwirken sollen.

Dies kann auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht verneint werden. Danach bot die Widerklägerin in ihrem Katalog und auf ihrer Internetseite die [X.] als Set mit einer Packung Sand, einem hölzernen Glätter und zwei hölzernen Rechen an. Weiter wurden die Holzfüße und der [X.] aus Kunststoff als "Zubehör für die große [X.]" angeboten. Das Berufungsgericht hat außerdem festgestellt, dass sich sowohl im Katalog als auch im Internetauftritt eine Abbildung der [X.] mit (montierten oder abmontierten) Holzfüßen befand. Daraus ergibt sich, dass der Verkehr bei einer Gesamtbetrachtung dem Marktauftritt der Widerklägerin nicht nur die Gestaltung einzelner Produkte entnehmen konnte, sondern auch deren funktionale Zusammengehörigkeit im Sinne der Verkörperung eines Spielkonzepts.

Dabei ist es ohne Bedeutung, dass die Widerklägerin nach den Feststellungen des [X.] auch noch weiteres Zubehör wie zum Beispiel einen Nachfüllbeutel mit Sand, einen Deckel für die [X.], Mandalaformen, Sandstifte und ein Tischgestell anbot. Für den wettbewerbsrechtlichen Schutz ist es zwar notwendig, aber grundsätzlich auch ausreichend, dass der Verkehr der einer Klage zugrundegelegten Kombination aus funktional zusammengehörenden Gegenständen herkunftshinweisende Bedeutung beimisst. Dass abweichende Kombinationen mit weiteren Zubehörstücken möglich sind, steht dem grundsätzlich nicht entgegen. Diese können ihrerseits durch § 4 Nr. 9 [X.] geschützt sein. Ob etwas anderes gilt, wenn der Verkehr dem Marktauftritt des Anspruchstellers nur eine einzige Sachgesamtheit entnehmen kann und deshalb nur dieser vollständigen Ausstattung herkunftshinweisende Funktion beimisst, kann dahinstehen. Es ist weder festgestellt worden noch ersichtlich, dass der Verkehr allein in der [X.] nebst allen angebotenen Zubehörstücken ein auf die Widerklägerin hinweisendes Erzeugnis erkennen wird. Auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] liegt es auch fern, dass die von der Widerklägerin ihrer Klage zugrundegelegte Zusammenstellung von [X.] und Zubehör vom Verkehr nicht als funktional sinnvolle Einheit angesehen wird.

4. Mit Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Hilfsbegründung des [X.], es fehle dem der Klage zugrundegelegten Set jedenfalls an einer wettbewerblichen Eigenart.

Wie dargelegt, besitzt ein Erzeugnis wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine solche wettbewerbliche Eigenart des als nachgeahmt beanstandeten Sets der Widerklägerin verneint hat, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Eine wettbewerbliche Eigenart scheidet im Streitfall nicht aus, weil die konkrete Ausgestaltung des [X.]nsets der Widerklägerin technisch bedingt und seine Merkmale nicht austauschbar sind.

aa) Allerdings können technisch notwendige Merkmale  also Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen  aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Die Übernahme solcher nicht (mehr) unter [X.] stehender Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Dagegen können Merkmale, die zwar technisch bedingt, aber frei wählbar oder austauschbar sind, einem Erzeugnis wettbewerbliche Eigenart verleihen ([X.], [X.], 80 Rn. 27  LIKEaBIKE, mwN).

bb) Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass die den Gesamteindruck des [X.]nsets der Widerklägerin bestimmenden Gestaltungsmerkmale technisch notwendig sind und daher keine wettbewerbliche Eigenart begründen können.

Das Berufungsgericht hat vielmehr im Hinblick auf mehrere von ihm als technisch bedingt angesehene Merkmale ausdrücklich angenommen, dass ein Gestaltungsspielraum besteht, den die Widerbeklagten ohne eine Einbuße an Qualität und Funktionalität hätten ausnutzen können, um eine deutliche Unterscheidbarkeit ihrer [X.]n von denen der Widerklägerin zu bewirken. So könnten rechteckige [X.]n auch ohne Qualitätsverlust mit deutlich unterschiedlichen Proportionen hergestellt werden. Gestaltungsspielräume gebe es auch bei den Querschnittsproportionen der Rahmenleisten, den Proportionen der Holzfüße und den dort ausgeführten [X.]n zur Aufnahme der [X.].

b) Das Berufungsgericht hat diesen [X.] dennoch aufgrund ihres äußerst simplen Charakters eine Eignung zum Hinweis auf die Herkunft oder die Qualität des Produkts abgesprochen. Es hat angenommen, in der Ausführung der [X.] als schlichten flachen rechteckigen Holzkasten, der oben offen sei, und der Verwendung eines Glasbodens, zweier Standardgriffe an den Seiten sowie dem Einsatz von [X.] als Füßen werde der Verkehr nicht mehr als eine absolute Basisform ohne gestalterische Besonderheiten erkennen. Auch die Rechen und der Schieber seien als absolut simple Grundform gestaltet, die man nicht monopolisieren könne. Die Widerklägerin habe die konkrete Idee, als Spielzeug [X.]n herzustellen, in denen Muster gemalt werden könnten, in nächstliegender und einfachster Form umgesetzt. Diese Umsetzung einer gestalterischen und praktischen Grundidee stelle sich als ein [X.] dar, dem keine wettbewerbliche Eigenart zukomme. Diese Beurteilung ist nicht frei von [X.].

aa) Für die Beurteilung der wettbewerblichen Eigenart ist der Gesamteindruck eines Erzeugnisses maßgebend. Dieser kann auch durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die für sich genommen nicht geeignet sind, im Verkehr auf dessen Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. Derartige Gestaltungsmerkmale können in ihrem Zusammenwirken eine wettbewerbliche Eigenart nicht nur verstärken, sondern auch erst begründen ([X.], [X.], 80 Rn. 34  LIKEaBIKE). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt.

So hat es nicht den Gesamteindruck des von der Widerklägerin seiner Klage zugrundegelegten [X.]nsets als Sachgesamtheit festgestellt, sondern die Rechen und den Schieber auf der einen und die Merkmale der [X.] auf der anderen Seite getrennt beurteilt und jeweils als Grund- oder Basisformen angesehen. Auch soweit es angenommen hat, der Verkehr werde denjenigen [X.] der [X.] der Widerklägerin, bei denen ein gewisser Gestaltungsspielraum bestehe, aufgrund ihres äußerst simplen Charakters keine Herkunftsvorstellungen oder Qualitätserwartungen entgegenbringen, hat es unterlassen, seiner Beurteilung den Gesamteindruck des Erzeugnisses der Widerklägerin zugrundezulegen.

bb) Das Berufungsgericht ist ferner von der unzutreffenden Annahme ausgegangen, die Umsetzung einer gestalterischen und praktischen Grundidee durch die Verwendung einer Basis- oder Grundform könne als "[X.]" oder "[X.]" keinen wettbewerbsrechtlichen Schutz nach § 4 Nr. 9 [X.] genießen.

(1) Eine wettbewerbliche Eigenart eines Produkts setzt nicht voraus, dass die zu seiner Gestaltung verwendeten Einzelmerkmale originell sind (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 4 Rn. 9.27). Auch ein zurückhaltendes, puristisches Design kann geeignet sein, die Aufmerksamkeit des Verkehrs zu erwecken und sich als Hinweis auf die betriebliche Herkunft des Produkts einzuprägen ([X.], [X.], 183, 184; Fezer/Götting, [X.], 2. Aufl., § 4-9 Rn. 56; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des [X.]rechts, 4. Aufl., § 56 Rn. 36). Es entspricht der Lebenserfahrung, dass der Verkehr unter Umständen gerade durch die Verwendung eines schlichten, an der Grundform eines Produkts orientierten Design auf die Herkunft oder die Besonderheiten eines Erzeugnisses hingewiesen wird. Dies gilt umso mehr, wenn  wie das Berufungsgericht im Streitfall festgestellt hat  zugleich hochwertige Materialien verwendet werden und eine wertige Oberflächenbehandlung erfolgt. Damit sind Produkte, deren Gesamteindruck durch ein schlichtes Design und die Verwendung hochwertiger und wertig verarbeiteter Materialien geprägt wird, entgegen der Annahme des [X.] auch keine [X.] oder [X.]. Denn diese zeichnen sich dadurch aus, dass der Verkehr auf die betriebliche Herkunft oder Qualität keinen Wert legt (vgl. [X.], Urteil vom 21. September 2006 -  I ZR 270/03, [X.], 339 Rn. 26 = [X.], 313  [X.], mwN). Dies kann auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] im Hinblick auf das der Klage zugrundegelegte [X.]nset aus den vorstehenden Gründen nicht angenommen werden. Das Berufungsgericht hat auch nicht festgestellt, dass der Markt von solchen [X.]n geprägt ist, die sich  wie das Produkt der Widerklägerin  durch schlichtes, an der Grundform orientiertes rechteckiges Design und die Verwendung hochwertiger Materialien auszeichnen. Das Berufungsgericht hat vielmehr angenommen, dass keines der angebotenen Konkurrenzprodukte der [X.] der Widerklägerin auch nur entfernt ähnlich ist. Damit liegt es nahe, dass der Verkehr in der an der Grundform orientierten Gestaltung des Erzeugnisses der Widerklägerin eine Besonderheit sieht, die es aus dem wettbewerblichen Umfeld heraushebt.

(2) Aus der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Senatsentscheidung "Pflegebett" ([X.], Urteil vom 12. Dezember 2002 - I ZR 221/00, [X.], 359 = [X.], 496) folgen keine abweichenden Grundsätze. Zwar hat der Senat dort ausgeführt, dass eine gestalterische und praktische Grundidee, die einem Sonderschutz nicht zugänglich sei, auch nicht auf dem Weg über den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz für einen Wettbewerber monopolisiert werden könne ([X.], [X.], 359, 361). Diese Aussage bezog sich - ungeachtet des möglicherweise einen anderen Eindruck weckenden Leitsatzes - allerdings nicht auf die dort bejahte Frage, ob dem in Rede stehenden Erzeugnis wettbewerbliche Eigenart zukommt, sondern darauf, inwieweit es für eine unlautere Herkunftstäuschung ausreicht, wenn lediglich freizuhaltende Merkmale (dort: die Verkleidung der höhenverstellbaren Hubsäulenfüße eines Pflegebettes mit Holz) und sonstige Merkmale ohne besondere Eigenart übernommen werden.

II. Dagegen hat das Berufungsgericht zutreffend die Anschlussberufung der Widerklägerin gegen die landgerichtliche Abweisung des Antrags auf Herausgabe von [X.] an einen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung und zur Tragung der Kosten der Vernichtung zurückgewiesen. Es fehlt insoweit eine Anspruchsgrundlage. Ein Beseitigungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 [X.] kann nur darauf gerichtet werden, dass die [X.], soweit sie noch in der Verfügungsgewalt des Anbieters stehen, vom Markt genommen werden. Dagegen kann keine Vernichtung verlangt werden, weil die Herstellung als solche noch nicht unlauter ist ([X.], Urteil vom 6. Mai 1999 -  [X.], [X.]Z 141, 329, 346  Tele-Info-CD; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 4 Rn. 9.81; Sambuc in [X.]/[X.] aaO § 4 Nr. 9 Rn. 236).

III. Das Berufungsurteil kann daher nicht aufrechterhalten werden, soweit die Widerklage mit den auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Anträgen abgewiesen worden ist (§ 562 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 ZPO).

Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten [X.] unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze die notwendigen Feststellungen zur wettbewerblichen Eigenart des [X.]nsets zu treffen haben. Es hat  von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig  noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Grad der wettbewerblichen Eigenart durch eine hohe Verkehrsbekanntheit des Produkts der Widerklägerin gesteigert wurde. Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, die Bekanntheit des Sets sei zweifelhaft, weil die Widerklägerin die Gestaltung der [X.] mehrfach geändert habe, wird es darauf ankommen, ob solche Änderungen die wettbewerbliche Eigenart des Produkts der Widerklägerin in seinem Gesamteindruck beeinflusst haben.

[X.]                               Büscher                               Schaffert

                        [X.]                              [X.]

Meta

I ZR 22/11

22.03.2012

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 19. Januar 2011, Az: 5 U 38/09

§ 4 Nr 9 Buchst a UWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.03.2012, Az. I ZR 22/11 (REWIS RS 2012, 7786)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7786

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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