Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.10.2013, Az. AnwZ 4/13

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2013, 2050

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Gegenstand

Anwaltliches Berufsrecht: Verwaltungsverfahren zur Zulassung als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof; Überprüfbarkeit des Beurteilungsspielraumes


Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf 12.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller gehört zu den 34 Kandidaten, die dem Wahlausschuss für Rechtsanwälte bei dem [X.] von der [X.] und der Rechtsanwaltskammer beim [X.] vorgeschlagen worden sind. Am 29. Juli 2013 fand die Wahl statt. Der Ausschuss entschied, dem Antragsgegner, der über die Zulassung als Rechtsanwalt beim [X.] entscheidet, insgesamt 16 Personen zu benennen; der Antragsteller wurde hierbei auf Platz 9 gewählt. Mit Schreiben vom 19. September 2013 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass er beabsichtige, die vom Ausschuss auf die Plätze 1 bis 8 gewählten Personen als Rechtsanwälte beim [X.] zuzulassen; er werde deshalb dem Zulassungsantrag des Antragstellers nicht entsprechen. Der Antragsteller hat daraufhin Klage gegen die ablehnende Entscheidung des Antragsgegners erhoben ([X.] 3/13) und beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung diesem zu untersagen, vor Abschluss des Klageverfahrens die auf den Plätzen 1 bis 8 der Wahlliste stehenden Personen als Rechtsanwälte beim [X.] zuzulassen.

II.

2

Der Antrag hat keinen Erfolg; es besteht kein Anordnungsgrund.

3

1. Nach § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann auf Antrag das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. An dieser Voraussetzung fehlt es. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist ihm ein Abwarten auf das Ergebnis der Hauptsache zumutbar. Der Antragsteller kann auch nach der vom Antragsgegner beabsichtigten Zulassung der auf den Plätzen 1 bis 8 der Liste des Wahlausschusses stehenden Rechtsanwälte sein Ziel der Zulassung zum Rechtsanwalt beim [X.] weiterverfolgen. Insoweit ist die Situation anders als die bei der Besetzung von Notarstellen, bei der durch die Ernennung des Mitbewerbers auf eine ausgeschriebene Stelle vollendete Tatsachen geschaffen werden - die Bewerbung auf eine ausgeschriebene Notarstelle bezieht sich ausschließlich auf diese Stelle; wird diese besetzt, ist das durch Ausschreibung eingeleitete Verfahren beendet; eine zusätzliche Stelle wäre wiederum nach §§ 6, 6b [X.] förmlich auszuschreiben und nach für alle Bewerber gleichen Eignungsmaßstäben zu besetzen - und deshalb etwaige Rechte des zu Unrecht übergangenen Bewerbers ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes leerlaufen (vgl. zum [X.] [X.], Beschluss vom 28. November 2005 - [X.] 18/05, [X.]Z 165, 139, 142 f.; [X.], NJW 2006, 2395, 2396); eine vergleichbare Rechtslage liegt hier nicht vor.

4

2. Das Verfahren auf Zulassung als Rechtsanwalt beim [X.] ist ein gestuftes Verwaltungsverfahren (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18. Februar 2005 - [X.] 3/03, [X.]Z 162, 199, 204 und vom 11. September 2006 - [X.] 1/06, [X.]Z 169, 77 Rn. 8). Die Entscheidung darüber, welche Bewerber dem Wahlausschuss vorgeschlagen werden, obliegt der [X.] sowie der Rechtsanwaltskammer beim [X.] (§ 166 [X.]). Aus deren Vorschlagslisten benennt der Wahlausschuss dem [X.] die doppelte Zahl von Rechtsanwälten, die er für die Zulassung beim [X.] für angemessen hält (§ 168 Abs. 2 [X.]). Hierbei steht dem Wahlausschuss ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum sowohl bezüglich der Angemessenheit der Zulassungen als auch der Eignung der Bewerber im Rahmen der Bestenauslese zu (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Februar 2005, aaO S. 207 f.; Beschluss vom 5. Dezember 2006 - [X.] 2/06, [X.]Z 170, 137 Rn. 27, 39 m.w.N.). Über die Zulassungen entscheidet dann das [X.] (§ 170 Abs. 1 [X.]). Dieses ist an die Wahl des [X.] im Rahmen von § 164 [X.] gebunden. Danach kann als Rechtsanwalt beim [X.] zugelassen werden, wer durch den Wahlausschuss benannt wird; dementsprechend sind auch nur die Anträge dieser Personen der Mitteilung des Ausschussvorsitzenden an das [X.] beizufügen (§ 169 Abs. 2 [X.]). Der Wahlausschuss hat insoweit die Zulassung von 8 Rechtsanwälten als angemessen angesehen und dem Antragsgegner deshalb insgesamt 16 Personen benannt. Der Antragsgegner ist aber bei seiner Entscheidung über die Zulassung nicht an diese vom Wahlausschuss als angemessen angesehene Zahl von neuen Rechtsanwälten gebunden; insoweit können aus der Wahlliste weniger oder bis zu doppelt so viele Rechtsanwälte zugelassen werden, wie der Ausschuss für angemessen gehalten hat (vgl. Senat, Beschluss vom 11. September 2006, aaO Rn. 16 ff.; siehe auch [X.], NJW 2008, 1293 Rn. 38). Genauso wenig besteht eine Bindung an die vom Wahlausschuss für richtig gehaltene Reihenfolge unter den Kandidaten (vgl. Senat, Beschlüsse vom 11. September 2006, aaO Rn. 14 f. und vom 5. Dezember 2006, aaO Rn. 55). Hierbei sind die Entscheidungen des Antragsgegners wegen des auch insoweit bestehenden Beurteilungsspielraums ebenfalls gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18. Februar 2005, aaO [X.] und vom 11. September 2006, aaO Rn. 15, 23).

5

3. Der Antragsgegner darf allerdings die Zahl der Neuzulassungen im Rahmen der [X.] des Wahlausschusses nicht nach Belieben festlegen. Nicht anders als der Wahlausschuss in seiner Entscheidung nach § 168 Abs. 2 [X.] hat sich der Antragsgegner bei der abschließenden Festlegung der Zahl der zuzulassenden Rechtsanwälte an den Bedürfnissen einer geordneten Rechtspflege zu orientieren. Er muss insoweit darauf achten, dass einerseits eine ausreichende Versorgung der Rechtsuchenden an revisionsanwaltlicher Beratung und Vertretung garantiert ist, andererseits die bei dem [X.] singular zugelassenen Rechtsanwälte im Hinblick auf ihre Berufsausübungsfreiheit, vor allem aber auch im Hinblick auf die mit der Singularzulassung verfolgten Interessen des Gemeinwohls ausreichende Möglichkeiten revisionsanwaltlicher Betätigung haben. Dies ändert aber nichts daran, dass der Antragsgegner einen Beurteilungsspielraum hat, innerhalb dessen er die heranzuziehenden Gesichtspunkte in gewissem Umfang anders gewichten kann als der Wahlausschuss. Dabei kann er im Interesse der Rechtspflege etwa auch darauf hinwirken, durch eine begrenzte Ausweitung der vom Wahlausschuss für erforderlich gehaltenen Neuzulassungen weitere besonders qualifizierte Rechtsanwälte für die Rechtsanwaltschaft bei dem [X.] zu gewinnen (vgl. Senat, Beschluss vom 11. September 2006, aaO Rn. 22 f.). Das [X.] hat in diesem Sinne zur Begrenzung der Zahl postulationsfähiger Prozessvertreter beim [X.] darauf hingewiesen, dass das im Allgemeininteresse liegende gesetzgeberische Ziel, den Rechtsanwälten beim [X.] mit dem Ziel der Vermeidung von Rechtsmitteln ohne hinreichende Erfolgsaussichten eine Filterfunktion zuzuweisen, gefährdet wäre, wenn so viele Rechtsanwälte zugelassen würden, dass hierdurch ein ruinöser Wettbewerb unter den Revisionsanwälten einsetzen würde. Außerdem erfordert das [X.] mit Blick auf die verfassungsrechtlich unbedenkliche beschränkte Postulationsfähigkeit der Rechtsanwälte beim [X.], dass den dadurch in ihrer beruflichen Betätigung erheblich eingeschränkten Rechtsanwälten trotz der gebotenen Konzentration auf das Revisionsrecht ein Geschäftsanfall verbleibt, der ausreichend ist, damit ihre Berufsausübung ihnen eine ihrer Stellung auskömmliche Lebensgrundlage ermöglicht (vgl. [X.], NJW 2008, 1293 Rn. 36), ungeachtet dessen, dass mit der Zulassungsbeschränkung kein Schutz vor Konkurrenz zur Sicherung einer besseren Einkommenssituation beabsichtigt ist ([X.], aaO Rn. 42).

6

4. Vor diesem Hintergrund fehlt es im vorliegenden Fall an einem Anordnungsgrund. Unterstellt man den Vortrag des Antragstellers als zutreffend, wonach der Bedarf erheblich höher liegt, der Antragsgegner seinen Beurteilungsspielraum überschritten hat und die anhängige Klage Erfolg haben wird, wäre es dem Antragsgegner nicht unmöglich, zusätzlich zu den bisher vorgesehenen und dann bereits zugelassenen 8 Rechtsanwälten auch den Antragsteller zu berücksichtigen. Hieran würde sich auch nichts ändern, wenn sich der angenommene Bedarf von 8 Personen zwar im Rahmen des [X.] halten würde, aber dieser seinen Spielraum bei der Auswahl der Kandidaten zum Nachteil des Antragstellers überschritten hätte. Für die mit der Berücksichtigung des Antragstellers verbundene Abweichung vom angenommenen Bedarf bestünde ein sachlicher Grund; hiermit würde - neben der Beseitigung des dem Antragsteller widerfahrenen Unrechts - dem Anliegen Rechnung getragen, einen noch besser und damit besonders geeigneten Rechtsanwalt beim [X.] zuzulassen, ein Aspekt, der im Rahmen des [X.] Berücksichtigung finden darf (vgl. nur Senat, Beschluss vom 11. September 2006, aaO Rn. 23). Dem Antragsgegner stünde nur dann kein Spielraum für sachlich gerechtfertigte zusätzliche Zulassungen zu, wenn dies den Erfordernissen der Rechtspflege zuwiderlaufen würde, insbesondere damit die Gefahr eines ruinösen [X.] unter den Revisionsanwälten entstehen könnte oder die auskömmliche Lebensgrundlage der bereits beim [X.] tätigen Rechtsanwälte bedroht wäre. Dafür spricht nach Auffassung des Senats bislang nichts.

[X.]

                  Wüllrich                       Hauger

Meta

AnwZ 4/13

11.10.2013

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 164 BRAO, §§ 164ff BRAO, § 168 Abs 2 BRAO, § 169 BRAO, § 170 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.10.2013, Az. AnwZ 4/13 (REWIS RS 2013, 2050)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2050

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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