Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.01.2012, Az. 27 W (pat) 114/11

27. Senat | REWIS RS 2012, 10328

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "ZVS Zertifizierter Vorsorge-Spezialist" – zur Schutzfähigkeit der Abkürzung einer nicht unterscheidungskräftigen oder beschreibenden Angabe – abgekürzter Langtext ist auch in Marke enthalten – Schutzunfähigkeit der Anmeldemarke


Leitsatz

ZVS Akronym

Die Abkürzung einer nicht unterscheidungskräftigen und/oder beschreibenden Angabe ist schutzunfähig, wenn der abgekürzte Langtext ebenfalls in der Marke enthalten ist.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 002 109            

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 10. Januar 2012 durch [X.] [X.], [X.] und Richterin Werner

beschlossen:

[X.] Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

I[X.] Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

 Die Markenstelle hat die Anmeldung der Wortmarke 30 2010 002 109

2

[X.] Zertifizierter Vorsorge-Spezialist

3

 mit Beschluss vom 11. August 2010 teilweise, und zwar u. a. für die Waren und Dienstleistungen

4

„Druckereierzeugnisse; Lehr- und Unterrichtsmittel, ausgenommen Apparate; Bücher; Druckereierzeugnisse; Handbücher; Lehr- und Unterrichtsmittel, ausgenommen Apparate; Schriften [Veröffentlichungen]; Zeitschriften; Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Bankgeschäfte; Dienstleistungen eines Immobilienmaklers; Dienstleistungen eines Wertpapiermaklers; Erteilung von Auskünften in Versicherungsangelegenheiten; Erteilung von Finanzauskünften; Feuerversicherungswesen; Finanzanalysen; finanzielle Beratung; Finanzierungen; Finanzierungsberatung (Kreditberatung); Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienvermittlung; Kreditvermittlung; [X.]; [X.]; Vergabe von Darlehen; Vermittlung von Vermögensanlagen in Fonds; Vermittlung von Versicherungen; Versicherungsberatung; Ausbildung; Fortbildung; Aus- und Fortbildungsberatung; Coaching; Unterricht; Fernkurse; Fernunterricht; Herausgabe von Texten, ausgenommen Werbetexte; Personalentwicklung durch Aus- und Fortbildung; Publikation von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form), ausgenommen für Werbezwecke; Publikation von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im [X.]; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Veranstaltung und Durchführung von Workshops [Ausbildung]; Veranstaltung und Leitung von Kolloquien; Veröffentlichung von Büchern“

5

 mangels Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

6

Gegen diesen Beschluss, der ihr am 19. August 2010 zugestellt wurde, hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 16. September 2010, der am selben Tag vorab per Telefax beim [X.] einging, Erinnerung eingelegt.

7

Diese Erinnerung hat die Markenstelle teilweise, nämlich für die o. g. Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen.

8

Das ist damit begründet, der [X.] „[X.]“, der isoliert betrachtet unterscheidungskräftig sein dürfte, mache das [X.] nicht unterscheidungskräftig im Sinn eines betrieblichen [X.]. Der weitere [X.], die Wortfolge „Zertifizierter Vorsorge-Spezialist“ sei nämlich für sich genommen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als schutzunfähig anzusehen. Dies habe auch die Anmelderin nicht in Abrede gestellt. Durch die unmittelbare Vorausstellung der Buchstabenkombination [X.] vor die Wortfolge „Zertifizierter Vorsorge-Spezialist“ sei für das Publikum ohne analysierende Betrachtung erkennbar, dass das Kürzel [X.] aus den Anfangsbuchstaben der folgenden Wörter des Zeichens zusammengesetzt sei. [X.] hebe sich nicht gestalterisch vom restlichen Zeichen ab. Es trete aus dem [X.] auch nicht in einer Weise hervor, die von der bloßen [X.] ablenken könnte.

9

Akronyme, die ersichtlich nur die Abkürzung nicht unterscheidungskräftiger [X.]e seien, begründeten keine Unterscheidungskraft des [X.]s. Das [X.] erschöpfe sich in einer Kombination aus einer rein beschreibenden Angabe mit ihrer Abkürzung, wobei die Einzelbestandteile erläuternd aufeinander bezogen seien (BGH [X.]. 2008, 417 - [X.]; nachfolgend [X.], 437; vgl. auch [X.], 33 W (pat) 3/05, 16. März 2007 - [X.]; [X.], 27 W ([X.]/09, 30. März 2009 - [X.]; [X.], 27 W (pat) 542/10, 27. Juli 2010  - [X.] die Anmelderin sich auf die Eintragung ihrer Ansicht nach vergleichbarer Drittmarken berufe, ändere dies nichts an der fehlenden Schutzfähigkeit für das vorliegend zu beurteilende Zeichen.

Der Verweis der Anmelderin auf den Beschluss des [X.] zu „BEKA Robusta“ (GRUR 1983, 243) gehe fehl, weil die Schutzfähigkeit des [X.] allein aufgrund einer Verkehrsdurchsetzung angenommen worden sei und so kein vergleichbarer Sachverhalt vorliege. Im vorliegenden Verfahren sei eine Verkehrsdurchsetzung des [X.]s [X.] nicht behauptet und nicht ersichtlich.

Dagegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie trägt vor, aus mehreren Elementen gebildete [X.] seien schutzfähig, wenn zumindest ein Element für sich betrachtet schutzfähig sei und dieses im [X.] nicht untergehe (vgl. [X.], 243, 245 - BEKA Robusta; [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 8 Rn. 55). Hier sei der Bestandteil [X.] als solcher unterscheidungskräftig. Durch ihn erlange auch die Gesamtbezeichnung Unterscheidungskraft.

[X.] gehe im [X.] „[X.] Zertifizierter Vorsorge-Spezialist“ nicht unter; [X.] dominiere das [X.] sogar aufgrund seiner exponierten Stellung am Zeichenanfang.

Das Amt verweise zur Begründung seiner Auffassung auf die Entscheidung [X.] des [X.], [X.].: 33 W (pat) 3/05. Dabei verkenne das Amt, dass das Publikum an die Bezeichnung „[X.]“ als Abkürzung für „Tenant Relocation Management“ nachweislich gewöhnt gewesen sei.

Eine solche Gewöhnung sei - wie das Amt selbst festgestellt habe - vorliegend nicht gegeben. Mit Ausnahme einiger eigener Veröffentlichungen der Anmelderin finde sich die Bezeichnung [X.] nirgends.

Vor diesem Hintergrund bewirke das Hinzufügen der ausgeschriebenen Wörter „Zertifizierter Vorsorge-Spezialist“ innerhalb des [X.] nicht den Wegfall der originären Unterscheidungskraft der Buchstabenfolge [X.]. Der [X.] habe zu [X.] die Rechtsbeschwerde zugelassen, welche die dortige Anmelderin allerdings nicht eingelegt habe.

Das Amt habe es zudem versäumt, sich mit den Entscheidungen zu [X.], [X.].: 29 W (pat) 189/88, sowie [X.] SYSTEM [X.], [X.].: 32 W (pat) 33/96, auseinander zu setzen.

§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] stehe dem angemeldeten Wortzeichen ebenfalls nicht entgegen, da die Bezeichnung „[X.] Zertifizierter Vorsorge-Spezialist“ für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eben nicht rein beschreibend sei.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle insoweit aufzuheben, als sie die Anmeldung zurückweisen, und die Marke für alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen einzutragen.

II.

Über die Beschwerde kann, nachdem die Anmelderin keine mündliche Verhandlung beantragt hat und auch der Senat eine solche für entbehrlich erachtet, ohne eine solche entschieden werden.

1) Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg; einer Registrierung der angemeldeten Marke stehen § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] entgegen.

a) Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer.

b) § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] verbietet es, Zeichen als Marken einzutragen, die ausschließlich aus Teilen bestehen, welche zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der [X.] oder Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, unabhängig davon, ob und inwieweit sie bereits bekannt sind oder verwendet werden (vgl. [X.], [X.] [X.], [X.], 428).

Der Ausschluss solcher zur Beschreibung geeigneter Zeichen oder Angaben dient dazu, dass sie jedermann frei verwenden kann. Es ist daher nicht erlaubt, solche Zeichen oder Angaben durch ihre Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorzubehalten (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, Rn. 25 - [X.]; [X.]. 2003, 632, Rn. 73 - Linde).

c) Auch die Abkürzung einer nicht unterscheidungskräftigen und/oder beschreibenden Angabe kann schutzunfähig sein, vor allem wenn der nicht unterscheidungskräftige und/oder beschreibende Langtext ebenfalls in der Marke enthalten ist ([X.], Beschluss vom 16. Mai 2007, [X.].: 33 W (pat) 3/05, [X.] 2007, 519 - [X.]; offen lassend [X.], Beschluss vom 5. Mai 2005, [X.].: 24 W (pat) 51/08, BeckRS 2009, 17276 - CLIMA Climate Life Investment Management Advisor).

Dies gilt nicht nur, wenn die Abkürzung und die Angabe durch Klammern aufeinander bezogen sind, wie bei „Verteilnetzbetreiber ([X.]) [X.]“ ([X.], Beschluss vom 31. März 2010, [X.].: 26 W (pat) 76/09, BeckRS 2010, 16281). Ebenfalls ist es für die Beurteilung der Schutzfähigkeit unerheblich, ob ein Markenbestandteil mit einer bestimmten (beschreibenden) Bedeutung als Abkürzung schon benutzt wird, soweit deren Bedeutungsgehalt dem Publikum erkennbar ist. Aufgrund der nachgestellten Wortfolge liegt es hier auf der Hand, ohne jede analysierende Betrachtung den Markenteil [X.] als bloße Abkürzung der ausgeschriebenen Worte (wieder-)zuerkennen. Damit wiederholt der Bestandteil [X.] aber für das Publikum verständlich nur den (beschreibenden) Sinngehalt der weiteren Markenbestandteile, so dass er bei der Frage der Schutzfähigkeit nicht anders beurteilt werden kann als diese Wortfolge. Die Gesamtmarke erschöpft sich in ihrer Kombination aus einer rein beschreibenden Angabe mit ihrem Kürzel, wobei ihre Einzelbestandteile erläuternd aufeinander bezogen sind. Auch der [X.] hat in der [X.]-Entscheidung ([X.]. 2008, 417; nachfolgend [X.], [X.], 437 - [X.]) eine Beziehung von Wortzusammenstellungen und Akronymen anerkannt. Eine isolierte Betrachtungsweise der Abkürzung zur Beurteilung der Schutzfähigkeit des [X.]s ist nicht angezeigt, da die Hinzufügung der Sachangabe dazu führt, dass die Buchstabenfolge als beschreibende Angabe erkennbar wird ([X.], 719, 722 - idw Informationsdienst Wissenschaft; [X.] [X.] 2007, 519 - [X.]; [X.] [X.] 2008, 59 - BSW).

2) Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 [X.]) besteht kein Anlass.

3) Die zu [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde ([X.], Beschluss vom 27. Juli 2010, [X.].: 27 W (pat) 542/10 - [X.]) wurde nicht eingelegt. Nach wie vor ist damit die Frage offen, ob in solchen Fällen der Grundsatz gilt, dass die Gesamtheit einer Marke Gegenstand der Schutzfähigkeitsprüfung ist, oder der gefestigte Grundsatz, dass die [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] entfallen, wenn die betreffende Marke neben [X.] auch mindestens einen schutzfähigen Bestandteil aufweist, sofern dieser, ohne das [X.] dominieren zu können, noch als eigenständiger betrieblicher Herkunftshinweis erkannt werden kann. So hat der 29. Senat des [X.] (GRUR 1989, 513 - [X.]) eine Marke als schutzfähig angesehen, die als Wort-/Bildmarke den in großer Schrift gedruckten Bestandteil „[X.]“ mit dem daneben befindlichen bzw. nachgestellten Wortbestandteil „Internationales Biographisches Archiv“ enthielt (angemeldet u. a. für Dienstleistungen eines [X.]). In einer weiteren Entscheidung hat der 32. Senat des [X.] die Wortmarke „[X.] SYSTEM [X.]“ (u. a. für Textilmaschinen, Steuerungsgeräte und -programme hierfür) wegen des nicht als Fachabkürzung feststellbaren Buchstabenbestandteils „[X.]“ als schutzfähig angesehen (Beschluss vom 22. Januar 1997, [X.].: 32 W (pat) 33/96). Der [X.] hat diese Frage dem [X.] vorgelegt ([X.], 524 und 527 - [X.] bzw. [X.]). Zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung erscheint demnach auch eine Entscheidung des [X.] geboten.

Meta

27 W (pat) 114/11

10.01.2012

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.01.2012, Az. 27 W (pat) 114/11 (REWIS RS 2012, 10328)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10328

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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