Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.01.2023, Az. 3 CN 10/22

3. Senat | REWIS RS 2023, 980

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Gegenstand

Feststellung der Unwirksamkeit einer außer Kraft getretenen Verordnungsregelung


Tenor

Die Nummern I und II des Beschlusses des [X.] vom 31. August 2022 werden aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin ist ein Gastronomie- und Beherbergungsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG; sie betreibt Ferienhäuser und -appartments ("B.") in [X.] Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem am 25. November 2021 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Normenkontrollantrag (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) gegen § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e der Fünfzehnten [X.] vom 23. November 2021 (BayMBl. Nr. 816). Nach dieser Bestimmung dürfen, wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen ([X.]) den Wert von 1 000 überschreitet, Übernachtungsangebote von Hotels, Beherbergungsbetrieben, Schullandheimen, Jugendherbergen, Campingplätzen und allen sonstigen gewerblichen oder entgeltlichen Unterkünften nur für zwingend erforderliche und unaufschiebbare nichttouristische Aufenthalte zur Verfügung gestellt werden; Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken sind untersagt. Die Verordnung ist nach ihrem § 18 Abs. 1 am 24. November 2021 in [X.] getreten; Teil 3 der Verordnung, der § 15 enthält, ist mit Wirkung vom 17. Februar 2022 aufgehoben worden (vgl. § 1 Nr. 13, § 2 der Verordnung zur Änderung der Fünfzehnten [X.] vom 16. Februar 2022, BayMBl. Nr. 115).

2

Der [X.] hat den Normenkontrollantrag mit Beschluss vom 31. August 2022 abgelehnt (I) und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt (II). Der Antrag sein unzulässig. Ein Normenkontrollantrag könne nach der Rechtsprechung des [X.] zwar trotz des Außerkrafttretens der angegriffenen Rechtsnorm zulässig bleiben, wenn in der Vergangenheit liegende Sachverhalte noch nach ihr zu entscheiden seien oder wenn - wie hier - während des [X.] eine auf kurzfristige Geltung angelegte Norm, durch die oder durch deren Anwendung der Antragsteller einen Nachteil erlitten habe, außer [X.] getreten sei. In diesem Fall müsse jedoch der Antrag auf die Feststellung der Ungültigkeit der außer [X.] getretenen Norm umgestellt werden und ein berechtigtes Interesse an der (nachträglichen) Feststellung der Ungültigkeit bestehen. Eine solche Antragsänderung mit Darlegung des erforderlichen Feststellungsinteresses sei seitens der Antragstellerin aber nicht erfolgt. Die Revision hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Beschluss nicht zugelassen.

3

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Antragstellerin hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16. September 2022 seinen Beschluss vom 31. August 2022 geändert und die Revision wegen eines Verfahrensfehlers zugelassen.

4

Mit ihrer allein auf einen Verfahrensmangel gestützten Revision beantragt die Antragstellerin,

den Beschluss des [X.] vom 31. August 2022, 20 N 21.2890, aufzuheben und

den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den [X.] Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen.

5

Der Antragsgegner ist dem nicht entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Antragstellerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i. V. m. § 125 Abs. 1 und § 141 VwGO), ist begründet. Die Ablehnung des Normenkontrollantrags der Antragstellerin als unzulässig beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das führt zur Aufhebung der Nummern I und [X.] des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

7

Der [X.] hat den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör verletzt (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG). Er hat bei der Ablehnung des Normenkontrollantrags als unzulässig nicht berücksichtigt, dass die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 2. März 2022 ([X.]. 34 ff. [X.]), der am selben Tag beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen ist, ihren bisherigen Antrag unter Verweis darauf umgestellt hatte, die angegriffene Vorschrift sei mit der Verordnung zur Änderung der Fünfzehnten [X.] vom 16. Februar 2022 aufgehoben worden und daher nicht mehr gültig. Sie hatte beantragt festzustellen, dass die Fünfzehnte [X.] in § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e rechtswidrig war. Zur Begründung des erforderlichen besonderen Feststellungsinteresses (vgl. zu diesem Erfordernis u. a. [X.], Urteil vom 11. November 2015 - 8 [X.]N 2.14 - [X.]E 153, 183 Rn. 19 m. w. N.) hatte sie geltend gemacht, es bestehe Wiederholungsgefahr und es kämen gegebenenfalls Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche in Betracht. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich daraus, dass der Antragsgegner auch in der Vergangenheit bei unterschiedlichen Inzidenzzahlen regelmäßig die Übernachtung zu touristischen Zwecken untersagt habe. Für den Fall einer weiteren SARS-[X.]oV-2-Welle bestehe die Gefahr, dass der Antragsgegner ein weiteres solches Beherbergungsverbot erlassen werde. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Vortrag übersehen.

8

Die Antragstellerin hat die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör in der erforderlichen Weise geltend gemacht (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Der angefochtene Beschluss beruht auf dem Verfahrensmangel (§ 138 Nr. 3 VwGO). Er ist daher aufzuheben und die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO; vgl. [X.], Urteil vom 15. September 2008 - 1 [X.] 12.08 - [X.] 310 § 101 VwGO Nr. 34 Rn. 11).

9

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Meta

3 CN 10/22

12.01.2023

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: CN

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 31. August 2022, Az: 20 N 21.2890, Beschluss

§ 47 VwGO, § 101 Abs 2 VwGO, § 108 Abs 2 VwGO, § 125 Abs 1 VwGO, § 138 Nr 3 VwGO, § 139 Abs 3 S 4 VwGO, § 141 VwGO, § 15 Abs 1 Nr 1 Buchst E CoronaVV BY 16

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.01.2023, Az. 3 CN 10/22 (REWIS RS 2023, 980)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 980

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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