Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.01.2016, Az. 10 C 17/14

10. Senat | REWIS RS 2016, 17465

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Gegenstand

Abgabenangelegenheiten; Abgabenbegriff; Beitragsstreitigkeiten; Bevollmächtigung; Berufsbild von Steuerberatern; Fremdenverkehrsbeitrag; Gebühren; rechtsdienstleistungsrechtliche Haupttätigkeit; Revisibilität von Landesrecht; rechtsdienstleistungsrechtliche Nebenleistung; Rechtsdienstleistung; Rechtsdienstleistungserlaubnis; rechtsdienstleistungsrechtliches Tätigkeitsbild; Steuerberater; außergerichtliche Vertretungsbefugnis; verwaltungsprozessuale Vertretungsbefugnis; Vertretung in Widerspruchsverfahren


Leitsatz

1. Steuerberater sind vor den Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten auch in Beitragsstreitigkeiten nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 Satz 7 VwGO zur Vertretung befugt.

2. Die Vertretung in beitragsrechtlichen Widerspruchsverfahren ist Steuerberatern als Nebenleistung zur Prozessvertretung nach § 5 Abs. 1 RDG gestattet.

Gründe

I

1

Die Kläger begehren die Feststellung, in Widerspruchsverfahren zu [X.] als Bevollmächtigte auftreten zu dürfen.

2

Sie sind Steuerberater und betreuen im Bereich der beklagten [X.] in steuerlicher Hinsicht. Zugleich geben sie in Vollmacht der Fremdenverkehrsbetriebe Erklärungen zur Höhe der Fremdenverkehrsbeiträge ab. Die Beklagte bestreitet die Befugnis der Kläger, auch in Widerspruchsverfahren über Fremdenverkehrsbeiträge als Bevollmächtigte auftreten zu dürfen.

3

Die Klage auf Feststellung der entsprechenden Vertretungsbefugnis ist vom Verwaltungsgericht abgewiesen worden. Die Berufung der Kläger hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Es könne offen bleiben, ob für die Vertretungsbefugnis bei kommunalen [X.] die Regelungen des [X.] Verwaltungsverfahrensrechts gälten oder ob aufgrund eines Verweises im [X.] Kommunalabgabengesetz die Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechende Anwendung fänden. Letztlich hätten beide Vertretungsvorschriften den gleichen Regelungsinhalt und setzten eine Erlaubnis für die außergerichtliche Vertretung aufgrund des [X.]es oder aufgrund eines anderen Gesetzes voraus. Daran fehle es. Das [X.] gestatte nur die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen, wozu auch landesrechtliche Steuern gehörten. Nicht umfasst sei die geschäftsmäßige Hilfeleistung in [X.]. Auch könne die Vertretung in Widerspruchsverfahren für Fremdenverkehrsbeiträge nicht als erlaubte Nebenleistung zur Hauptleistung der steuerrechtlichen Betreuung angesehen werden. Dieses Ergebnis stehe auch nicht in Widerspruch dazu, dass die Verwaltungsgerichtsordnung in [X.] Steuerberater sogar als [X.] zulasse. Denn der in § 67 VwGO verwendete Begriff der [X.] umfasse keine Streitigkeiten um Beiträge und Gebühren.

4

Mit ihrer Revision rügen die Kläger insbesondere eine Verkennung des § 67 VwGO, weil der darin verwendete Begriff der [X.] nicht nur Steuern, sondern auch Gebühren und Beiträge umfasse. Auch der Begriff der öffentlichen Abgaben in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO werde in diesem Sinne weit ausgelegt. Wenn den Steuerberatern die Prozessvertretung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zustehe, wäre es widersinnig, die Vertretung im verwaltungsrechtlichen Vorverfahren als unerlaubt anzusehen. Folge man dieser Ansicht nicht, sei die Vertretung in [X.] als überwiegend wirtschaftliche Dienstleistung zulassungsfrei. Zumindest handele es sich um eine erlaubte Nebenleistung zur steuerrechtlichen Betreuung von Fremdenverkehrsbetrieben.

5

Die Kläger beantragen,

die Urteile des [X.] Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. Mai 2012 und des [X.] Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2014 zu ändern und festzustellen, dass sie zur Vertretung von Widerspruchsführern in Fremdenverkehrsbeitragsangelegenheiten gegenüber der Beklagten berechtigt sind.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Es sei verfehlt, hinsichtlich der Zurückweisung eines Steuerberaters im Widerspruchsverfahren auf § 67 VwGO abzustellen. Diese Vertretungsregelung betreffe den Verwaltungsprozess und nicht das Widerspruchsverfahren. Auch fehle es für deren analoge Anwendung im Vorverfahren an einer planwidrigen Regelungslücke. Im Übrigen sei für die Vertretungsbefugnis in Widerspruchsverfahren bei [X.] nicht das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht anwendbar, sondern das Kommunalabgabenrecht mit seinem Verweis auf die Abgabenordnung. Es handele sich insoweit um nicht revisibles Landesrecht. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift führe dazu, dass Steuerberater als Bevollmächtigte zurückzuweisen seien, wenn sie geschäftsmäßig Hilfe in [X.] leisteten. Ihnen fehle es dafür - wie vom Berufungsgericht ausgeführt - an der vom [X.] vorgeschriebenen Erlaubnis.

8

Der Vertreter des [X.] schließt sich weitgehend der Ansicht der Beklagten an.

II

9

Die Revision der Kläger ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht, indem es die Vertretungsbefugnis von Steuerberatern im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO in [X.] bestreitet. Das Vertretungsrecht im Verwaltungsprozess schließt die Vertretungsbefugnis in Widerspruchsverfahren als erlaubte Nebenleistung im Sinne des § 5 Abs. 1 [X.] - [X.] - ein.

1. Dabei kann offen bleiben, ob die Grundlage für eine Zurückweisung von Steuerberatern im Vorverfahren in der revisiblen Regelung des Art. 79 i.V.m. Art. 14 Abs. 5 [X.] Verwaltungsverfahrensgesetz - BayVwVfG - (BayRS [X.]) zu finden ist. Selbst wenn stattdessen die im Prinzip nicht revisible Bestimmung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3a Kommunalabgabengesetz des [X.] - [X.] - (GVBl 1993 S. 264) i.V.m. § 80 Abs. 5 Abgabenordnung - [X.] - als Rechtsgrundlage anzusehen sein sollte, wäre für deren Regelungsinhalt nach der für die Auslegung von Landesrecht maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs das Vorliegen einer bundesrechtlichen Erlaubnis nach dem [X.] oder der Verwaltungsgerichtsordnung maßgeblich. [X.] sich jedoch ein Oberverwaltungsgericht bei der Auslegung einer landesrechtlichen Norm an bundesrechtliche Vorgaben für gebunden, liegt darin eine revisible Anwendung bundesrechtlicher Normen ([X.], Urteile vom 18. Mai 1977 - 8 C 44.76 - [X.]E 54, 54 <56 f.>, vom 16. Januar 2003 - 4 CN 8.01 - [X.]E 117, 313 <317> und vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 - [X.]E 148, 13 Rn. 15). So liegt es hier.

2. Nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 Satz 7 VwGO sind Steuerberater in [X.] auch vor den [X.] zur Vertretung befugt.

a) Für dieses Verständnis spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift. Denn die Vertretungsbefugnis wird uneingeschränkt für "[X.]" gewährt, nicht nur für Steuer- und Monopolsachen. Der Begriff der "Abgabe" gehört zu den Grundbegriffen des Rechts und wird im Allgemeinen in der Rechtssprache als Oberbegriff für Steuern, Zölle, Beiträge, Gebühren und Sonderabgaben verwendet (vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, 21. Aufl. 2014, [X.]). Dementsprechend hat auch das [X.] bereits entschieden, dass unter den Oberbegriff der Abgabe nicht nur Steuern als ohne Gegenleistung zu erbringende "Gemeinlasten", sondern auch die mit der Vorhaltung einer Gegenleistung verbundenen Beiträge als so genannte "[X.]" fallen, wobei es die Fremdenverkehrsbeiträge als echte Beiträge im abgabenrechtlichen Sinne qualifiziert hat ([X.], Beschluss vom 26. Mai 1976 - 2 BvR 995/75 - [X.]E 42, 223 <228 f.>). Es ist zwar denkbar, dass der Begriff der [X.] im [X.] des § 67 VwGO in einem engeren, auf Steuer- und Monopolsachen beschränkten Sinne verwandt wird. Für eine solche vom Üblichen abweichende Interpretation bedürfte es jedoch besonderer Gründe.

b) Solche Gründe lassen sich nicht in der Entstehungsgeschichte der Norm finden. Die Vertretungsbefugnis von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern an Oberverwaltungsgerichten ist durch das Sechste Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. [X.]) vom 1. November 1996 ([X.] I [X.]626) mit Wirkung zum 1. Januar 1997 eingeführt worden. Diese Regelung stand im Zusammenhang mit der Einführung der Berufungszulassung und des [X.] bei den Oberverwaltungsgerichten. In der Begründung des [X.] zum damaligen § 67 Abs. 1 Satz 5 VwGO ([X.]. 13/4069 [X.]) wurde ausgeführt, dass in [X.] entsprechend Art. 1 Nr. 1 des [X.] des [X.] - BFHEntlG - ([X.] 1975 I [X.]861) auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer als Prozessbevollmächtigte zugelassen werden sollten. Es wurde also ein Gleichklang mit den Regeln der Finanzgerichtsordnung - FGO - angestrebt. Der in § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO verwendete Begriff der "[X.]" wird jedoch nicht einschränkend im Sinne von "Steuerangelegenheiten" interpretiert. Er umfasst nach der gesetzlichen Definition des § 33 Abs. 2 FGO "alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten ...". Davon umfasst sind neben Steuern, Zöllen und Säumniszuschlägen auch Gebühren und Beiträge (Gräber, FGO, 8. Aufl. 2015, § 33 Rn. 15). Daher hat der [X.] seine Zuständigkeit etwa bei der Prüfung von Gebühren für steuerliche Auskünfte unproblematisch bejaht (BFH, Urteil vom 30. März 2011 - [X.]/10 - [X.], 406).

Im Gesetzgebungsverfahren trat ein enges, auf Steuer- und Monopolsachen beschränktes Verständnis des Begriffs der [X.] weder in der Einwendung des [X.] ([X.]. 13/3993 [X.]7 f.) gegen diese Regelung noch in der Erwiderung der Bundesregierung zutage ([X.]. 13/4069 [X.]). Ein derart einschränkendes Verständnis lässt sich auch nicht darauf stützen, dass die engere Kostenregelung für Steuerberater im Zuge der [X.] zunächst nicht verändert wurde. Zwar waren nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. "die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines [X.], in Steuersachen auch eines Steuerberaters" stets erstattungsfähig. Es lag jedoch nicht nahe, aus dieser unbeachtet gebliebenen Kostenregelung zu schließen, dass es bei den "[X.]" des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO nur um Steuersachen ginge (so [X.], Beschluss vom 8. April 1998 - 7 [X.]7.3556 - juris Rn. 31). Jedenfalls wurde im Zuge des [X.] vom 24. August 2004 ([X.] I S. 2198) die enge Formulierung "Steuersachen" gerade unter Hinweis auf den damaligen § 67 Abs. 1 Satz 5 VwGO geändert und durch die Formulierung "in [X.] auch eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers" ersetzt. Zur Begründung hieß es in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, dass die Kostenregelung dem Vertretungsrecht der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in [X.] angepasst werde ([X.]. 15/3482 [X.]). Hätte sich die Vertretungsbefugnis der Steuerberater nach Auffassung des Gesetzgebers ohnedies nur auf Steuersachen bezogen, hätte eine Änderung des § 67 VwGO und nicht des § 162 VwGO nahe gelegen.

Für eine enge Auslegung kann schließlich auch nicht die Genese des [X.] vom 12. Dezember 2007 ([X.] I S. 2840) in Anspruch genommen werden. Im Rahmen dieser Novelle wurde der Grundsatz, dass vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz jede Person auftreten kann, die zum sachgemäßen Vortrag fähig ist (§ 67 Abs. 2 Satz 3 VwGO a.F.), aufgegeben. Stattdessen wurden die vertretungsbefugten Personen enumerativ in § 67 Abs. 2 VwGO aufgelistet. Mit der dem § 67 Abs. 1 Satz 5 VwGO a.F. entsprechenden Formulierung des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO sollte den Besonderheiten des Verwaltungsprozesses Rechnung getragen und die Vertretungsbefugnis der darin genannten Personen und Organisationen aus dem geltenden Recht übernommen werden, "ohne dass durch den geänderten Normaufbau eine Änderung des geltenden Rechtszustands" bezweckt war ([X.]. 16/3655 [X.]). Da die Frage, ob der Begriff der "[X.]" eng oder weit auszulegen ist, im zuvor geltenden Recht umstritten und nicht höchstrichterlich geklärt war, kann diese Formulierung nicht als Argument für eine enge Auslegung dienen. Denn eine ausdrückliche Bezugnahme auf das enge Begriffsverständnis findet sich nicht. Gleiches gilt für die rein redaktionelle Änderung des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO im Zuge des [X.] im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 ([X.] I [X.]49), durch die lediglich der Verweis auf den früheren "§ 3 Nr. 4 StBerG" durch den Verweis auf den neuen "§ 3a StBerG" ersetzt worden ist (vgl. [X.]. 16/12717 [X.]7).

c) Für ein weites Begriffsverständnis spricht ferner, dass es auch den übrigen einschlägigen prozessualen Regeln zu Grunde liegt. Dies gilt zum einen für den in § 33 FGO und § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO verwendeten wortgleichen Begriff der "[X.]", die - wie bereits ausgeführt - in einem weiten, Beiträge und Gebühren einschließenden Sinne auszulegen sind. Es gilt zum anderen für den Begriff der "öffentlichen Abgaben" in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, der ebenfalls nicht nur Steuern, sondern auch Gebühren und Beiträge erfasst ([X.], Urteil vom 17. Dezember 1992 - 4 C 30.90 - [X.] 406.11 § 154 BauGB Nr. 1 [X.] f.; [X.]/[X.], VwGO, 21. Aufl. 2015, § 80 Rn. 57; [X.], in: [X.], VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 19; [X.], in: [X.]/[X.]/Bier, VwGO, Stand Oktober 2015, § 80 Rn. 130).

Auch die Vorschriften des [X.] können keine enge Auslegung des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO begründen. Dabei kann offen bleiben, ob die früher im [X.] - [X.] - enthaltenen Regelungen zur Beratungsbefugnis der Steuerberater eine einschränkende Auslegung der [X.] in § 67 Abs. 1 Satz 5 VwGO a.F. rechtfertigten oder ob umgekehrt das [X.] ähnlich wie im Fall der Hochschullehrer aufgrund der verwaltungsprozessualen Vertretungsregelung einschränkend auszulegen war (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 27. August 1987 - 1 WB 34.87 - [X.]E 83, 315 <317>). Mit dem Außerkrafttreten des [X.]es am 30. Juni 2008 ist die frühere Überschneidung des allgemeinen Rechtsberatungsrechts mit dem prozessualen Vertretungsrecht beseitigt. Nach seinem § 1 gilt das [X.] nur noch für die außergerichtliche Beratung ([X.]. 16/3655 [X.]) und beansprucht keine akzessorische Wirkung für die gerichtliche Rechtsbesorgung ([X.]. 16/3655 [X.]). Regelungen in anderen Gesetzen über die Befugnis, Rechtsdienstleistungen zu erbringen, bleiben nach § 1 Abs. 2 [X.] unberührt. Das [X.] schränkt mit anderen Worten die ebenfalls im Zuge des [X.] vom 12. Dezember 2007 ([X.] I S. 2840) neu gefassten prozessualen [X.] des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 Satz 7 VwGO in keiner Weise ein.

Die berufsrechtlichen Regelungen des [X.] - vermögen eine einschränkende Auslegung des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO nicht zu tragen. Es trifft zwar zu, dass die allgemeine Tätigkeit der Steuerberater in § 32 Abs. 1 und § 33 StBerG als geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen charakterisiert wird und dass in § 33 Satz 2 StBerG lediglich ergänzend die Hilfeleistung in [X.] und Bußgeldsachen sowie die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, die aufgrund von Steuergesetzen bestehen, erwähnt wird. Allerdings können die Regelungen der §§ 32 und 33 StBerG hinsichtlich der berufsrechtlichen Befugnisse der Steuerberater nicht als abschließend angesehen werden. Dies folgt schon daraus, dass in diesen Vorschriften nicht das ganze Spektrum der im Steuerberatungsgesetz genannten [X.] wiedergegeben wird.

Darüber hinaus ist § 1 Abs. 3 StBerG in den Blick zu nehmen, wonach die Vorschriften der einzelnen Verfahrensordnungen über die Zulassung von Bevollmächtigten und Beiständen unberührt bleiben. In den [X.] eingeräumte [X.], die über die Hilfeleistung in Steuersachen hinausgehen, werden demnach durch das Steuerberatungsgesetz nicht eingeschränkt. Dies gilt nicht nur für die sozialgerichtliche Vertretungsbefugnis bei der Einziehung des [X.] nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG - oder für die in § 327 Abs. 2 Nr. 2 Lastenausgleichsgesetz - [X.] - den Steuerberatern eingeräumte Vertretungsbefugnis in Lastenausgleichssachen, sondern auch für die verwaltungsgerichtliche Vertretungsbefugnis nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 Satz 7 VwGO.

d) Schließlich führt auch die teleologische Auslegung nicht zu einem engen Verständnis des Abgabenbegriffs. Die Einschränkung der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertretungsbefugten Personen dient - wie vergleichbare Regelungen in anderen [X.] - einerseits der Sicherstellung einer sachgerechten Vertretung der Parteien im gerichtlichen Verfahren und andererseits der Ordnung des Prozesses (vgl. [X.], Urteil vom 20. Januar 2011 - I ZR 122/09 - NJW 2011, 929 Rn. 23 zu § 79 Abs. 2 ZPO; [X.]. 16/3655 [X.]; [X.], Beschluss vom 23. August 2010 - 1 BvR 1632/10 - NJW 2010, 3291 Rn. 12 zu § 10 Abs. 2 und 3 FamFG). Aus diesem Grunde wurde im Zuge des [X.], mit dem auch § 67 Abs. 2 VwGO grundlegend geändert worden ist, der [X.] nicht völlig dereguliert. Zur Sicherung einer hinreichend qualifizierten Rechtsberatung wurde kein allgemeiner Rechtsdienstleistungsberuf unterhalb der Rechtsanwaltschaft zugelassen ([X.]. 16/3655 [X.]). Ferner wurde wegen des bei der gerichtlichen Vertretung besonders starken Bedürfnisses der Qualitätssicherung keine Akzessorietät von außergerichtlicher und gerichtlicher Prozessvertretung begründet. Vielmehr wurde die gerichtliche Vertretungsmacht selbständig, abschließend und zwischen den [X.] harmonisiert geregelt. Dabei wurde dem Kriterium der Befähigung zum sach- und interessengerechten Sachvortrag im Prozess entscheidende Bedeutung beigemessen ([X.]. 16/3655 [X.]). Die prozessualen [X.] wurden nur vorsichtig erweitert.

Es trifft zwar zu, dass Steuerberater sich nach ihrem Berufsbild in erster Linie mit den von den Finanzämtern verwalteten Bundessteuern befassen. Auch spielen landesrechtliche Steuern und Kommunalabgaben in der Ausbildung des Steuerberaters - ebenso wie in der Ausbildung der Rechtsanwälte - keine besondere Rolle. Allerdings ist das Steuerrecht eine Querschnittsmaterie, die alle Lebensbereiche betrifft und die sich ohne Kenntnisse anderer Rechtsmaterien (insbesondere des Zivilrechts) nicht verstehen lässt. Dies führt dazu, dass Steuerberater - ähnlich wie Rechtsanwälte - immer wieder gezwungen sind, sich in Rechtsgebiete einzuarbeiten, die in ihrer Ausbildung nicht oder nur am Rande vermittelt werden. Dass der Gesetzgeber Steuerberater in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 Satz 7 VwGO zur verwaltungsgerichtlichen Prozessvertretung auch in ausbildungsfernen [X.] ermächtigt, beruht auf der Erwägung, dass sie sich in ihrem Berufsfeld verwandte Sachmaterien einarbeiten können und dass in der Praxis neben reinen Steuerangelegenheiten auch Gebühren- und Beitragsfragen an sie herangetragen werden. Ebenso räumt § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGG den Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern hinsichtlich der von Unternehmen zu leistenden Sozialversicherungsbeiträge eine Vertretungsbefugnis ein. Auch der Einzug von Sozialversicherungsbeiträgen und die Prüfung der Beitragshöhe stehen nicht im [X.] der Ausbildung, gehören aber aus praktischen Gründen zum Kontext der Steuerberatertätigkeit. Die Annahme, dass Steuerberater sich auch in ausbildungsferne Rechtsmaterien einarbeiten können, ist nicht zuletzt deswegen gerechtfertigt, weil bereits die Zulassung zur Steuerberaterprüfung nach § 36 StBerG entweder an den Abschluss eines rechts- oder wirtschaftswissenschaftlichen Hochschulstudiums oder an einen kaufmännischen Abschluss und eine sehr lange praktische Steuerberatungstätigkeit anknüpft und weil auch die Prüfung zum Steuerberater nach § 37 StBerG selbst ein hohes fachliches Niveau sichert.

Vor allem war für den vom Gesetzgeber gewollten Schutz des Verbrauchers bei der Ausgestaltung der [X.] die Erwägung leitend, dass die Befähigung zum forensischen Auftreten und zum sach- und interessengerechten Prozessvortrag gegeben sein muss ([X.]. 16/3655 [X.]; vgl. auch [X.], Beschluss vom 23. August 2010 - 1 BvR 1632/10 - NJW 2010, 3291 Rn. 13). Diese Voraussetzung erfüllt die Berufsgruppe der Steuerberater, die nicht nur vor Finanzämtern, sondern auch vor den Finanzgerichten bis hin zum [X.] als Bevollmächtigte auftreten dürfen und eine entsprechende Prozesserfahrung besitzen. Dagegen kann auch nicht eingewendet werden, dass sich die Prozessordnung der Verwaltungsgerichte von der Finanzgerichtsordnung unterscheidet. Beide Verfahrensordnungen weisen zahlreiche Übereinstimmungen auf, die es nach Einschätzung des Gesetzgebers dem Steuerberater ermöglichen, auch vor den Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten hinreichend sicher aufzutreten.

3. Steuerberater besitzen in [X.] auch die nach dem [X.] erforderliche Erlaubnis zur Vertretung im behördlichen Widerspruchsverfahren.

a) Der Verwaltungsgerichtshof ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass in dem Tätigwerden eines Steuerberaters im Widerspruchsverfahren grundsätzlich eine erlaubnispflichtige selbständige Erbringung einer außergerichtlichen Rechtsdienstleistung liegt (§ 1 [X.]). Die Kläger bezweifeln zu Unrecht, dass der Schwerpunkt der Interessenvertretung im Sinne des § 2 Abs. 1 [X.] in einer rechtlichen Prüfung des Einzelfalls liegt. Zwar können Tätigkeiten, die schwerpunktmäßig der wirtschaftlichen Interessenvertretung durch Erforschung und Beibringung von Tatsachen dienen, nicht als Rechtsdienstleistung begriffen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 27. September 2002 - 1 BvR 2251/01 - NJW 2002, 3531 <3532> sowie [X.], Urteile vom 16. Juli 2003 - 6 C 27.02 - [X.]E 118, 319 <325> und vom 27. Oktober 2004 - 6 C 30.03 - [X.]E 122, 130 <142 f.> zu Art. 1 § 1 [X.]). Demzufolge wird man eine Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 [X.] nur annehmen können, wenn jedenfalls ein gewisses Maß an substantieller Prüfung vorgenommen wird, mag auch die ursprünglich im Gesetzentwurf enthaltene Formel von der "besonderen" rechtlichen Prüfung im Gesetzgebungsverfahren als missverständlich verworfen und als Abgrenzungskriterium bewusst nicht ins Gesetz aufgenommen worden sein (BSG, Urteil vom 14. November 2013 - [X.] SB 5/12 R - [X.], 18 Rn. 32 m.w.N.).

Dementsprechend kann eine Vertretung bei der Antragstellung im Verwaltungsverfahren noch nicht als Rechtsdienstleistung angesehen werden. So liegt es, wenn der Steuerberater lediglich die für die Beitragserhebung vorgesehenen Formulare ausfüllt sowie tatsächliche Angaben zu Umsatz- und Gewinnzahlen macht. Hingegen erschöpft sich die Erhebung eines Widerspruchs gegen den Gebührenbescheid typischerweise nicht in einer schwerpunktmäßig wirtschaftlichen Interessenvertretung. Vielmehr erfordert die Durchführung eines Rechtsbehelfsverfahrens regelmäßig eine substantielle und vertiefte Rechtsbefassung. Es müssen die rechtlichen Zusammenhänge genau in den Blick genommen werden, um beurteilen zu können, ob im Bescheid alle relevanten Tatsachen vollständig und zutreffend gewürdigt worden sind (wie hier BSG, Urteil vom 14. November 2013 - [X.] SB 5/12 R - [X.], 18 Rn. 36 f. zur Vertretung durch einen Steuerberater im Verfahren über die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft).

b) Steuerberatern ist die Vertretung im beitragsrechtlichen Widerspruchsverfahren jedoch als Nebenleistung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] gestattet. Nach dieser Vorschrift sind Rechtsdienstleistungen erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder [X.] gehören. Hierfür kann offen bleiben, ob die Betreuung in [X.] zum eigentlichen Berufsbild des Steuerberaters gehört. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist auch das sonstige "[X.]" in den Blick zu nehmen. Der Gesetzgeber hat bewusst anders als bei Art. 1 § 5 Nr. 2 [X.] für die Anerkennung als erlaubte Nebenleistung keinen unmittelbaren und engen Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit des Steuerberaters gefordert. Vielmehr genügt der sachliche Zusammenhang mit einer erlaubten Haupttätigkeit ([X.]. 16/3655 [X.]2). Nach der Gesetzesbegründung sind etwa Hochschullehrer, die nach den Vorschriften der [X.], Sozialgerichts- oder Strafprozessordnung prozessvertretungsbefugt sind, auch außergerichtlich nach § 5 [X.] berechtigt, alle Rechtsdienstleistungen zu erbringen, die in Zusammenhang mit der gerichtlichen Vertretung stehen oder ihrer Vorbereitung dienen ([X.]. 16/3655 [X.]3). Dabei ist unerheblich, dass die Prozessvertretung das Berufsbild des Hochschullehrers nicht prägt. Es genügt, dass sie zum erlaubten [X.] des Hochschullehrers gehört.

Nichts anderes kann für Steuerberater gelten. Dementsprechend hält die Gesetzesbegründung fest, dass sich auch die Angehörigen der steuerberatenden Berufe, die Rechtsdienstleistungen in einem speziellen Bereich des Rechts erbringen dürfen, auf die Nebenleistungsregelung des § 5 [X.] berufen können ([X.]. 16/3655 [X.]1). Soweit § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO Steuerberatern die Prozessvertretung in allen [X.] einschließlich der [X.] gestattet, ist auch diese erlaubte Tätigkeit um Nebenleistungen erweiterungsfähig. Da die Durchführung des Widerspruchsverfahrens nach § 68 VwGO Prozessvoraussetzung für die verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage gegen einen Beitragsbescheid ist, steht die Vertretung im Vorverfahren in sachlichem Zusammenhang zur erlaubten Prozessvertretung. Sie ist auch im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 [X.] nach Umfang und Inhalt von untergeordneter Bedeutung und stellt damit eine erlaubte Nebenleistung dar.

Da die klagenden Steuerberater mithin die beratungsrechtliche Erlaubnis zur Vertretung in Widerspruchsverfahren auf dem Gebiet des [X.] besitzen, liegen die Voraussetzungen für eine Zurückweisung im Vorverfahren weder nach Art. 79 i.V.m. Art. 14 Abs. 5 BayVwVfG noch nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3a [X.] i.V.m. § 80 Abs. 5 [X.] vor. Der Revision war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Meta

10 C 17/14

20.01.2016

Bundesverwaltungsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 16. Mai 2014, Az: 4 B 13.1161, Urteil

Art 14 Abs 5 VwVfG BY, Art 79 VwVfG BY, Art 13 Abs 1 Nr 3a KAG BY 1993, § 80 Abs 5 AO 1977, § 327 Abs 2 Nr 2 LAG, § 1 RDG, § 2 RDG, § 5 Abs 1 RDG, § 1 Abs 3 StBerG, § 32 Abs 1 StBerG, § 33 StBerG, § 33 Abs 1 Nr 1 FGO, § 33 Abs 2 FGO, § 73 Abs 2 S 2 Nr 4 SGG, § 67 Abs 2 S 2 Nr 3 VwGO, § 67 Abs 4 S 7 VwGO, § 80 Abs 2 S 1 Nr 1 VwGO, § 162 Abs 2 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.01.2016, Az. 10 C 17/14 (REWIS RS 2016, 17465)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17465

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